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1.5.2 Die Einheit von Kirche und Staat bis ins 19. Jahrhundert

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Die ersten Christengenerationen haben keinen neuen Kult eröffnet, denn sie erwarteten das Reich Gottes. Mit der staatlichen Macht setzten sie sich kaum auseinander. Als Anhänger einer nicht erlaubten Religion verhielten sich die Christen möglichst unauffällig und gegenüber der Staatsmacht loyal. Für sie galt: »Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist« (Mk 12,17).

Kaiser Konstantin I. erhob mit dem Toleranzedikt von 313 das Christentum zur anerkannten Religion im römischen Reich. Kaiser Theodosius I. machte das Christentum 380 zur Staatsreligion. Kaiser Justinian I. (um 485 bis 565) verband Kirche und Staat zu einer Theokratie, die vom Kaiser geleitet wurde. In den orthodoxen Kirchen, besonders in Russland, ist das bis heute die Idealvorstellung.

Im Westen entwickelte sich seit Augustinus († 430) ein anderes Verhältnis der christlichen Kirche zum Staat, nämlich ein spannungsvolles Miteinander, Ineinander und Gegeneinander von kirchlicher und weltlicher Herrschaft. Papst Gelasius I. (492–496) postulierte die Zwei-Schwerter-Theorie. Danach ist die Kirche von der politischen Macht unabhängig. Zu Beginn des 2. Jahrtausends beanspruchte die Kirche den Vorrang vor der weltlichen Macht. Papst Gregor VII. erklärte im »Dictatus Papae« 1075 den Papst zum obersten Herrn der gesamten Erde. Papst Bonifatius VIII. geht noch weiter. In |32| der Bulle »Unam sanctam« von 1302 stellt er fest, dass die geistliche Macht jede irdische Macht überragt, und dass es für jedes menschliche Geschöpf heilsnotwendig sei, dem römischen Bischof unterworfen zu sein. Damit war der Bogen überspannt. Bereits 1309 gerieten die Päpste durch die französischen Könige in die »babylonische Gefangenschaft« von Avignon. Es gab jetzt zwei, später sogar drei Päpste nebeneinander, die einander und ihre Anhänger gegenseitig exkommunizierten. Für Jahrzehnte war die gesamte Christenheit exkommuniziert. Dieses abendländische Schisma wurde erst 1415 durch das Konzil von Konstanz beendet.

Durch die Reformation entstand eine neue Gesamtlage. Die Vorstellung von einem umfassenden christlichen Reich löste sich auf. Es bildeten sich souveräne nationale Territorialstaaten, die zunächst konfessionell geschlossen blieben, entweder römisch-katholisch oder protestantisch. Seit 1555 (Augsburger Religionsfriede) galt der Grundsatz: »cuius regio, eius religio«/der Herrscher bestimmt die Religion in seinem Herrschaftsbereich. Erst im Westfälischen Religionsfrieden, der den Dreißigjährigen Krieg beendete, wurde 1648 bestimmt, dass bei einem Konfessionswechsel des Landesherrn die Untertanen ihre Konfession behalten konnten. Das war ein wesentlicher Schritt auf dem beschwerlichen Weg zur Religionsfreiheit. Die Kirchen blieben allerdings weiterhin unter der Aufsicht der Landesherren. Die Glaubensfreiheit des Einzelnen kam in Deutschland erst durch die Französische Revolution von 1789 in Sicht und durch die Säkularisierung infolge des Reichsdeputationshauptschlusses von 1803. Jetzt erst erhielten die Kirchen größere Eigenständigkeit, freilich noch nicht die volle Souveränität.

Das Ende des landesherrlichen Kirchenregiments brachte erst das Ende des Ersten Weltkriegs mit dem Ende der Monarchien im Jahre 1918. Kirche und Staat mussten sich jetzt |33| ganz neu definieren, und sie mussten auch ein neues Verhältnis zueinander finden.

Christlicher Glaube - was ist das?

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