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Eine persönliche Vorbemerkung

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Wenn ich dem Anfang des Buches einen persönlichen Bezug und die „Ich-“Form voranstelle, dann will ich damit den Lesern und Leserinnen gegenüber zum Ausdruck bringen, dass ich in diesem Buch ausschließlich persönliche Erfahrungen in aufbereiteter und strukturierter Form wiedergebe, wobei - und das wäre noch hinzuzufügen - fast 40 Jahre Lehre mit und auf Basis der Fallstudienmethode vermutlich einen ziemlich ausreichenden Einblick in (fast) alle Situationen, die sich dabei ergeben können, erlauben. 100 % werden es wohl nie sein können, diese Einschränkung muss ich natürlich vornehmen, aber ungefähr 97 % oder 98 % sind sicherlich auch ein tauglicher Wert für einen umfassenden Erfahrungsbericht. Tauchen wir deshalb in den folgenden Kapiteln gemeinsam in die didaktische Praxis der Fallstudienmethode ein. Anzumerken ist überdies noch, dass ich mich in meinen Ausführungen primär auf den Fallstudienunterricht auf akademischem Boden beziehe, das heißt auf die Lehre an Universitäten und Fachhochschulen. Daraus können selbstverständlich aber auch Anregungen für den Unterricht an höheren Schulen und in höheren Schulstufen gewonnen werden.

Desgleichen stelle ich es als Gegebenheit in den Raum, dass der auf dem Konzept der Fallstudienmethode beruhende Unterricht aus didaktischen Gründen immer nur mit einer begrenzten Teilnehmeranzahl (max. 20-30 Personen) stattfinden sollte und eine deutlich interaktive Komponente sowohl zwischen den Teilnehmern wie auch gegenüber dem Dozenten aufweisen muss; Gruppenarbeiten, Präsentationen, Plenumsdiskussionen, allenfalls Rollenspiele etc. Diese Feststellung ist insofern auch von Bedeutung, als ich in meinen Überlegungen einem „sinnvollen“ Unterricht auf der Basis der Fallstudienmethode eine gewisse zeitliche Kontinuität von zumindest einigen (kürzeren oder auch längeren) Blocklehrveranstaltungen innerhalb eines Semesters oder auch mehrerer Semester zugrunde lege.

Auf eine „Tradition“, wie sie in vielen Fachbüchern zum Ende eines Kapitels häufig gepflogen wird, möchte ich in diesem Buch allerdings verzichten, nämlich auf eine punktuelle Zusammenfassung der jeweils wichtigsten Aussagen (gewissermaßen gedacht für den „eiligen“ Leser); ich denke, dass sich die wichtigsten Aussagen von selbst aus der Lektüre des Textes erschließen lassen sollten.

Und noch eine letzte, ebenfalls wichtige Anmerkung im Sinne der Lesbarkeit des Buches: Die männliche Form der Begriffsbildung steht für beide Geschlechter; meine Leserinnen (die weibliche Begriffsbildung verwende ich hier mit einigen wenigen, im Einzelfall vielleicht notwendigen oder erhellenden Ausnahmen zum letzten Mal) mögen in großzügiger Weise gemäß dem Postulat der Lesbarkeit darüber hinwegsehen.

Meine erste Bekanntschaft mit der Fallstudienmethode geht auf das Studienjahr 1973/74 zurück, als ich in Vorbereitung meiner ersten Fallstudienlehrveranstaltung an einem mehrmonatigen Sommerprogramm der Harvard Business School, damals genannt International Teachers Programme (wird auch heute noch angeboten), teilnehmen konnte. Dieses Programm diente im Wesentlichen dem Zweck, Universitätslehrer aus allen Weltgegenden mit der didaktischen Konzeption der Fallstudienmethodik vertraut zu machen. Das Programm selbst hatte, wenn ich mich richtig erinnere, beinahe missionarische Züge: Die ganz Welt sollte von den Vorteilen der Fallstudienmethode im akademischen Unterricht überzeugt werden. Und es ist in der Tat auch heute noch so - Harvard war und ist das Mekka der Fallstudienmethode. Wir werden später noch einige Male darauf zurückkommen, doch lassen wir den Dean der Harvard Business School in einem Brief aus dem Jahr 2017 an „seine“ Alumni, zu denen ich mich trotz meines schon lange zurückliegenden Kurzstudiums auch heute noch zählen kann, beispielhaft zu Wort kommen: “The case method is foundational to the School, and case writing is a craft we want to see continue to thrive at HBS.” Programmatischer kann man den missionarischen Auftrag wohl kaum zum Ausdruck bringen.

Auch ich wurde, wenn ich zurückblicke, in gewisser Weise dadurch „missioniert“. Zusammen mit meinem damaligen Professor bildete ich in der Folge unter dessen Federführung an der Universität die Speerspitze für die damals im deutschsprachigen Raum noch sehr innovative und weitgehend unbekannte Fallstudienmethode. Für mich in dieser Zeit ein besonders motivierendes Gefühl, hatte ich doch als ehemaliger Student der Rechtswissenschaften noch allzu gut in Erinnerung, dass dieses Studium (zumindest in seiner damaligen Konzeption) kaum zum eigenen Nachdenken, sondern hauptsächlich nur zu einem mehr oder weniger langweiligen Auswendiglernen anregte.

Somit hoffe ich, dass ich mich mit diesem Erfahrungsbericht in aufbereiteter Form nicht nur in persönlichen Erinnerungen ergehe, sondern jüngeren sowie nebenberuflich Vortragenden1 und vielleicht auch älteren Lehrenden damit einen Benchmark (der natürlich keinen Absolutwert darstellen kann) mit Anregungen und Empfehlungen anbiete, um die eigene Praxis als Lehrender immer wieder zu hinterfragen und zu optimieren. Ansprechen soll das Buch auch Lehrer und Lehrerinnen von höheren kaufmännischen Schulen und Akademien, die laut österreichischen Lehrplänen angehalten sind, die Fächer Betriebswirtschaftslehre, Management, Entrepreneurship usw. den Schülern auch auf Basis von Fallstudien näherzubringen. In den deutschen Bundesländern und in der Schweiz wird es wohl ähnlich sein.

Wie schon im Buchtitel zum Ausdruck gebracht wurde, resultieren meine Erfahrungen primär, d. h. fast ausschließlich aus den Bereichen Betriebswirtschaftslehre und Managementwissenschaften, wobei im letztgenannten Bereich beispielsweise alle Fragen der Wirtschaftspsychologie, der Organisationslehre, der Planungswissenschaft etc. Platz finden, handelt es sich doch bei den Managementwissenschaften/der Managementwissenschaft um eine typische crossroad-Wissenschaft, auf deren Erkenntnisplattform sich viele Disziplinen wie an einer Kreuzung begegnen und zur Problemlösung beitragen. Und damit ist auch bereits eine der wesentlichen Vorzüge der Fallstudienmethode, nämlich als Basis für interdisziplinäres Denken zu fungieren, direkt angesprochen.

1An Fachhochschulen rekrutiert sich der Lehrkörper erfahrungsgemäß zu durchschnittlich etwa 80 % aus nebenberuflichen Vortragenden.

Lehren und Lernen mit der Fallstudienmethode

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