Читать книгу Marcus Antonius - Helmut Halfmann - Страница 8

1. Eine römische Adelsfamilie

Оглавление

Das alte Rom regierten ursprünglich die Häupter der großen Familien und der von ihnen abhängigen Schutzbefohlenen, genannt patres (Väter), die sich als Gruppe deshalb ‚Patrizier‘ nannten. Nur die patres hatten sich im Rat der Alten, dem Senat, getroffen, nur aus ihren Reihen hatten sich die wenigen Heerführer und Beamten der frühen römischen Republik rekrutiert, nur sie als Priester hatten dank des Vorrechtes, den Götterwillen auszulegen, auch mit den Göttern kommunizieren und das Einvernehmen zwischen Staat und Götterwillen herstellen können. Die Geschichte der Patrizierfamilien war identisch mit der Geschichte Roms, sie, die Claudier, Aemilier, Valerier, Iulier, Cornelier, glänzten auch noch Jahrhunderte später mit ihren stolzen Ahnenreihen und den Heldentaten ihrer Vorfahren.

Das Geschlecht der Antonier gehörte nicht zu den patrizischen, sondern zu den vielen plebejischen Familien, die sich vermutlich in früher Zeit als Fremde in Rom niedergelassen hatten, also nicht Teil der patrizischen Familienclans und ihrer Klientel bildeten. Sie brachten es aber zu gewissem Reichtum und trugen entscheidend zur militärischen Stärke des Gemeinwesens bei. Nach langen Kämpfen hatten sie im vierten Jahrhundert den Patriziern einen Teil der Macht abgetrotzt und teilten sich fortan mit ihnen das höchste Staatsamt, den Konsulat. Wenn wir die mehr als zweifelhaften Zeugnisse über eine frühe Epoche beiseite lassen, über welche die Römer selbst keine authentische Überlieferung mehr besaßen, so betrat die gens Antonia allerdings auf sehr viel niedrigerer Stufe und erst einige Zeit später, zu Beginn des zweiten Jahrhunderts v. Chr., die Bühne der Geschichte. Woher sie kam, wie sich ihr gesellschaftlicher Aufstieg vollzog, liegt völlig im Dunkeln. Die frühesten bekannten Vertreter der Familie1 sind für uns nur Namen ohne Geschichte: Ein Quintus Antonius befand sich während des Krieges gegen den Seleukidenkönig Antiochos III. 190 v. Chr. im Stabe des römischen Flottenbefehlshabers in der Ägäis; eine Generation später tauchen zwei Namensträger auf, vielleicht Brüder beziehungsweise Söhne des Vorigen: Ein Aulus Antonius wird im Jahre 168 als Gesandter vom römischen Feldherrn Aemilius Paullus zum soeben besiegten Makedonenkönig Perseus geschickt; ein Jahr später erhebt der Volkstribun Marcus Antonius Einspruch gegen den Antrag eines Prätors, das Volk von Rhodos für sein Verhalten im Krieg gegen Perseus seinerseits mit Krieg zu überziehen. Dieser Antonius zog den Prätor von der Rednertribüne, führte die Gesandten der Inselrepublik in den Senat und bewirkte, dass dieselbe zumindest vom Krieg verschont wurde. So dürftig und isoliert diese Überlieferung auch sein mag, so zeigt sie bereits eines: das Engagement der Antonier im Dienste der aufstrebenden Weltmacht Rom, zu einer Zeit, als sie sich anschickte, ihre Herrschaft über die hellenistische Staatenwelt auszubreiten. Diese Orientierung nach Osten sollte über alle Generationen hinweg geradezu zum Markenzeichen der Familie werden. Der Einsatz des Volkstribunen für die Rhodier lässt jedenfalls eine schon bestehende enge Bindung zwischen der Familie der Antonier und der bedeutenden Handels- und Seestadt erkennen, auch wenn die Hintergründe unbekannt bleiben.

Wenn sie ihm nicht schon zuvor angehört hatte, so rückte die gens Antonia spätestens jetzt in den Senatorenstand auf, da die Volkstribunen fast regelhaft nach ihrer Amtszeit einen Senatssitz erhielten. Der Tribun des Jahres 167 mit dem Vornamen Marcus gehörte vermutlich zu den direkten Vorfahren des großen Triumvirn, da sich dieser Vorname nunmehr lückenlos über die folgenden Generationen nachweisen lässt. So wenig wir über einen Vertreter der nächsten Generation wissen, so glänzend steht plötzlich dessen Sohn Marcus Antonius im Lichte der Geschichte, der Großvater des Triumvirn, mit dem der Biograph Plutarch die Geschichte seines Protagonisten und der Familie überhaupt erst beginnen ließ.2

Dieser Mann war Zeitgenosse einer Phase der römischen Geschichte, als die Stadt bereits weite Teile des Mittelmeerraumes erobert und den verbleibenden Rest von sich abhängig gemacht hatte. Römische Statthalter herrschten unmittelbar über den größten Teil der Iberischen Halbinsel, das südliche Gallien (die heutige Provence), über das Gebiet der ehemals mächtigen Rivalin Karthago (etwa das Gebiet des heutigen Tunesien), über Makedonien und Griechenland und das ehemalige pergamenische Königreich, die Provinz Asia, welche heute dem westlichen Teil der Türkei entspricht. Die Grenzen dieser Gebiete galten allerdings keineswegs als gesichert. Sie boten eine regelmäßig wiederkehrende Gelegenheit, militärischen Ruhm zu erwerben und diesen durch einen Triumphzug in Rom zu verewigen. Den Köpfen der Politiker lag die Vorstellung noch fern, fremden Völkern nicht nur Krieg, Knechtung und Kontributionen, sondern auch Frieden, Wohlstand und Rechtssicherheit zu bringen. Nicht dass die Römer den Weg der Eroberungen zur direkten Herrschaft planvoll und zielstrebig gegangen wären – aber ihr Konzept einer zunächst lockeren Form der Hegemonie, gemessen an den eigenen Sicherheitsinteressen, versagte durchweg. Das brutale Vernichtungswerk in Karthago und Korinth des Jahres 146 setzte dieser Erkenntnis ein trauriges Denkmal.

Die Richtlinien der Politik bestimmte eine Kaste vornehmer Herren, die sich als ‚Nobilität‘ (nobiles) bezeichneten; sie bildeten innerhalb des Senatorenstandes eine herausgehobene Gruppe, da sie bereits die höheren Stufen der Karriereleiter – Ädil, Prätor, Konsul – erklommen hatten. Die nobiles ihrerseits wurden von einem engen, aus gut zwei Dutzend Namen bestehenden Kreis von Familiengeschlechtern angeführt, die das höchste Staatsamt, den Konsulat, praktisch unter sich aufteilten. Das einzige Ethos, dem sie sich verpflichtet fühlten, bestand im Dienste für das Gemeinwesen, die res publica, und darin, im Vollzug dieses Dienstes das Ansehen der eigenen Familie zu mehren. Die Geschichte dieser Familien wusste von Heldentaten aus der Frühzeit Roms zu erzählen, als die Stadt mit den umliegenden etruskischen und latinischen Gemeinden ums Überleben rang. Ob diese Geschichten allerdings wahr oder erfunden waren, spielte keine Rolle. Persönliche Tapferkeit, siegreich erfochtene Schlachten und zu Ende geführte Kriege schufen den Leitfaden der Geschichte Roms und für die führenden Familien den Quell steter Motivation, es den Vorfahren gleich zu tun. Am Ende beherrschte Rom bekanntermaßen die gesamte Mittelmeerwelt und große Teile Mitteleuropas. Im ausgehenden zweiten Jahrhundert v. Chr. befand es sich noch auf dem Wege dahin, wobei unter den heutigen Forschern nach wie vor kontrovers diskutiert wird, ob die römische Republik dabei häufiger die angegriffene oder die angreifende Partei war.

Leider haben die adeligen Herren Roms die geordnete Verwaltung, das Wohlergehen der unterworfenen Territorien nicht mit demselben Eifer betrieben wie die Eroberung selbst. Die als Provinzen von Statthaltern im Range eines Prätors oder Konsuls verwalteten Untertanengebiete galten als Kriegsbeute. Zur ersten Pflicht der römischen Amtsträger gehörte zwar die Gewährleistung der inneren und äußeren Ruhe und Sicherheit der jeweiligen Provinz, und sie beließen in Ermangelung eines eigenen Beamtenapparates den Städten auch eine weitgehende Autonomie in lokalen Angelegenheiten, ansonsten dienten die Provinzbewohner jedoch als Melkkühe für die Steuerpächter und Statthalter selbst. Der erste in Rom eingerichtete ständige Gerichtshof befasste sich seit dem Jahre 149 mit Klagen der Provinzialen, die ihr Eigentum zurückforderten (repetere), daher der Name ‚Repetundenklage‘. Diesen Schritt war der Senat weniger aus einem Fürsorgedenken für die geplagten Untertanen als vielmehr aus der Furcht heraus gegangen, eine allzu schamlose Bereicherung einzelner Standesgenossen könne das sorgsam austarierte Machtgleichgewicht der herrschenden Klasse zerstören. Das Übel wuchs umso stärker, je ehrgeiziger die Karrieren, je teurer die Wahlkämpfe in Rom, je selbstbewusster die Soldaten wurden, die nach langen Kriegen ihren Lohn für den Aufbau einer zivilen Existenz forderten.

Das Überhandnehmen von Machtmissbrauch und Habgier unter gleichzeitiger Abkapselung des Führungszirkels der Senatsaristokratie spülte seit der Mitte des zweiten Jahrhunderts Kräfte nach oben, die dem exklusiven Führungsanspruch der Nobilität entgegentraten. Die Bundesgenossen Roms, rechtlich benachteiligt, aber zu den gleichen militärischen Leistungen wie der römische Vollbürger verpflichtet, begehrten ebenso auf wie einzelne Mitglieder der Nobilität selbst, die persönliche Verunglimpfungen und offenkundige Missstände nicht mehr hinzunehmen bereit waren. Die beiden Brüder Tiberius und Gaius Sempronius Gracchus hatten sich als Volkstribunen des entwurzelten Bauerntums und der darauf zurückzuführenden dramatischen Engpässe bei der Rekrutierung der Legionen angenommen und Wege aufgezeigt, auch gegen den Widerstand einer Senatsmehrheit ihren politischen Willen folgendermaßen durchzusetzen: mit Hilfe der Volksversammlung als dem Souverän, der nur eines durchsetzungsfähigen Magistraten bedurfte, bereit, ohne vorheriges positives Senatsvotum, wie es die Tradition vorgab, dem Volk Gesetzesanträge vorzulegen und verabschieden zu lassen. Es war denn auch weniger die Sache an sich, um die es ging, als vielmehr die Methoden, sie in Gesetzesform zu gießen, welche das Schicksal der Gracchenbrüder besiegelte. Unter rechtlich zweifelhaften Umständen fanden sie mit zahlreichen Anhängern innerhalb der Mauern Roms den Tod. Von nun an waren Gräben aufgerissen worden, welche die politische Klasse Roms spalten und einzelnen ihrer Mitglieder den Weg zu einer Position über oder neben der traditionellen Republik aufzeigen sollten. Diejenigen, die an der überkommenen Rolle des Senats als prärogative Instanz und höchste Autorität im Staate festhielten, nannten sich ‚Optimaten‘ (von optimi, die Besten); diejenigen, die am Senat vorbei die Volksversammlung zum alleinigen Souverän der Gesetzesfindung und -beschließung kürten, nannten sich ‚Populare‘. Allerdings geriet die ‚populare‘ Politik in nachgracchischer Zeit immer stärker in das Fahrwasser egoistischer Machtinteressen und zu einer Methode des politischen Kampfes. In dem Jahrzehnt nach dem Ende des Gaius Gracchus hatte sich das Senatsregime zwar wieder gefangen, aber es stand schon ein ‚neuer Mann‘ (homo novus) bereit, der später zum Vorkämpfer popularer Politik werden sollte. Damals noch jung an Jahren, hatte er in erster Generation seiner Familie den Sprung in den Senat geschafft: Gaius Marius, ein harter, tapferer Soldat, von eigensinnigem, etwas polterhaftem Wesen, das ihn auf dem Schlachtfeld glänzen, auf dem Forum und in der Senatskurie eher anecken ließ.

Zu dieser Zeit trat auch Marcus Antonius, der Großvater des Triumvirn, in die Politik ein. Geboren im Jahre 143 v. Chr., absolvierte er vermutlich wie jeder junge Ritter oder Senator mit Anfang Zwanzig seinen Kriegsdienst und betrat im Jahre 113 mit der Quästur die unterste Stufe der senatorischen Ämterleiter.3 Er sollte in dieser Funktion den Statthalter der Provinz Asia dorthin begleiten und ihn, wie es gemeinhin die Aufgabe der Provinzquästoren war, in allen Bereichen der Amtsführung, insbesondere in der Finanzverwaltung, unterstützen. Bevor er jedoch Italien verlassen konnte, musste er sich noch gegen eine Anklage wegen unerlaubter sexueller Beziehung zu einer Priesterin der Göttin Vesta verteidigen. Die sechs Vestalinnen mussten ewige Keuschheit schwören. Antonius verteidigte sich erfolgreich und vertrat während seiner Amtszeit den offenbar im Amt verstorbenen regulären Statthalter, einen Prätor. Im Apollonheiligtum auf der Insel Delos wurde er von der Gemeinde Prostaenna in der südkleinasiatischen Landschaft Pisidien mit einer Statue geehrt – offenbar für Wohltaten, die er während seiner Quästur erwiesen hatte. Delos selbst wählte ihn zum Patron der Insel, zum mächtigen Fürsprecher ihrer Interessen in Rom, wovon noch die Rede sein wird.4

In den folgenden Jahren, für welche uns keine Nachrichten aus Antonius’ Leben vorliegen, brachen über die römische Innenpolitik wieder stürmische Zeiten herein. Das eklatante Versagen zahlreicher Heerführer der Nobilität und eine Kette von Bestechungsskandalen begünstigten den Aufstieg des erwähnten Gaius Marius bis zum Konsulat im Jahre 107. Als Oberbefehlshaber in Nordafrika konnte er, nachdem andere Feldherrn mehrere Jahre erfolglos Krieg geführt hatten, den König der Numider Iugurtha besiegen. Anschließend avancierte er zum Retter in der Not gegen die Kimbern und Teutonen, nachdem diese bereits vier römische Heere im südlichen Gallien vernichtet hatten. Die blanke Angst in Rom vor einem Einfall der Kelten in Italien war so gewaltig, dass Marius in den Jahren 104 bis 100 hintereinander zum Konsul gewählt wurde, ein Novum in der römischen Geschichte. Im Jahre 102 konnte er die Teutonen in Südgallien, ein Jahr später die Kimbern in der Poebene vernichtend schlagen. Den Erfolg verdankte Marius nicht nur seinem militärischen Genie sondern auch einer grundlegenden Reform des römischen Heerwesens: Er erweiterte die Rekrutierungsbasis für die Legionen, indem er auch die bis dahin ausgeschlossenen Besitzlosen ohne Vermögen einzog, außerdem führte er eine neue taktische Gliederung der römischen Legion ein.

Unfreiwillig entzündete Marius aber damit einen zweiten Kriegsbrand auf der Insel Sizilien. Im Zuge seiner Heeresreform sollten auch unrechtmäßig ihrer Freiheit beraubte Sklaven zu den Legionen eingezogen werden können. Entsprechende Recherchen auf Sizilien führten zu einem Konflikt zwischen Statthalter, Herren und Sklaven, der sich zu einem vierjährigen schweren Krieg auswuchs. Schließlich und letztendlich galt es, eine dritte Gefahrenquelle einzudämmen, die Seeräubergefahr im östlichen Mittelmeer. Das Phänomen war so alt wie die Seefahrt an sich; schon die homerische Heldendichtung spricht davon. Es handelte sich dabei nicht allein um planlose Einzelaktionen entwurzelter Abenteurer, sondern oft genug um straff organisierte Kriegszüge von Städten, Fürsten beziehungsweise in deren Auftrag. Das Übel konnte nie ganz ausgerottet sondern allenfalls durch besonders betroffene See- und Handelsmächte im Zaum gehalten werden. Die Piraterie blühte vor allem dort, wo sie über für Ortsunkundige schwer zugängliche Rückzugsgebiete verfügte: zerklüftete Küsten- und Insellandschaften mit unwegsamen Gebirgen. Abgesehen von der Küste Dalmatiens traf dies damals vor allem auf die Landschaft Kilikien in der heutigen südöstlichen Türkei und die Insel Kreta zu. Der römische Expansionsdrang im zweiten Jahrhundert v. Chr. hatte die ehemaligen Mächte, die im östlichen Mittelmeer diese Ordnungsfunktion übernommen hatten, die Attaliden von Pergamon, Rhodos, Byzantion und andere Hafenstädte entweder ausgelöscht oder geschwächt, ohne dass Rom als traditionelle Landmacht dieses Vakuum gefüllt hätte.

Dass nun ausgerechnet im Jahre 102 die Gefahr so akut wurde, dass sich der Senat genötigt sah – auf dem Höhepunkt der Kimbern- und Teutonengefahr und des sizilischen Sklavenaufstandes –, einen Prätor mit einem eigenen Kommando und Kriegsauftrag gegen die Seeräuber Kilikiens zu betrauen, hing eben mit dem Sklavenkrieg zusammen. Einer der beiden Sklavenführer und selbsternannten Könige war ein gewisser Athenaion aus Kilikien, der in einem Bericht auch als ‚Seeräuber‘ bezeichnet wird. Die Nachrichten von den verheerenden Niederlagen römischer Armeen in Nordafrika, Südgallien, von den ersten Schlappen gegen die aufständischen Sklaven, werden auch dem Piratenunwesen neuen Auftrieb gegeben haben: Vor allem stand ein Zusammengehen mit den Sklaven in Sizilien zu befürchten, wenn ein kilikischer Landsmann dort das Sagen hatte.5

Der Mann, der verbunden mit der Statthalterschaft der Provinz Asia diesen Auftrag erhielt, war Marcus Antonius, einer der Prätoren des Jahres 102, der von seiner Quästur in Asia her die Region aus eigener Anschauung kannte.6 Da die Römer keine eigene stehende Flotte unterhielten, musste sich Antonius die Geschwader erst von den in Schiffsbau und Nautik erfahrenen Seestädten Griechenlands und Kleinasiens stellen lassen. Byzantion und Rhodos kam dabei der führende Part zu; die guten Beziehungen der Antonier namentlich zu Rhodos, die seit dem Engagement des Großvaters für die Insel bestanden, dürften für den Senat ein wesentliches Motiv gewesen sein, Antonius mit dieser Mission zu betrauen. Über Athen reiste Antonius nach Side in Pamphylien. In seinem Stab befanden sich neben anderen als Legat ein Sohn des berühmten Dichters Lucilius Hirrus, und als Quästor Aulus Gabinius, der Vater des Konsuls vom Jahre 58, unter welchem sich der Enkel des Antonius, unser Triumvir, als junger Mann seine ersten militärischen Lorbeeren verdienen sollte.

Gestützt auf seine Provinz Asia, die auch die inneranatolischen Landschaften Lykaonien, Pisidien und die pamphylische Küstenebene umfasste, und die alliierte Flotte trug Antonius kombinierte Land- und Seeoperationen nach Kilikien vor, über deren Details wir leider nichts wissen, da die entsprechenden Quellen verloren gegangen sind. Während des Unternehmens fand ein Schwager von Ciceros Großvater, Marcus Gratidius, den Tod – Ciceros Familie wird noch genauer vorgestellt werden. Zum engeren Begleiter- und wahrscheinlich Freundeskreis gehörte außerdem Ciceros Onkel Lucius Tullius Cicero, der den Gesprächen des Feldherrn auch während dessen Studienaufenthalten in Athen und Rhodos zuhörte. Auf der Rückfahrt nach Italien machte Antonius am 4. September des Jahres 100 mit seinem Stab Halt auf der Insel Samothrake, wo er sich in die Mysterien der ‚Großen Götter‘ einweihen ließ, die ihren Schutz insbesondere den Seefahrern gewährten. In der betreffenden Inschrift werden Ciceros Onkel sowie ein Marcus Fannius als Angehörige des Ritterstandes unter ihm als Präfekten erwähnt, also als rechte Hand des Statthalters für militärische und andere Aufgaben jedweder Art.7 Unter den fünf übrigen Namen finden sich auch zwei Männer aus dem griechischen Kulturkreis. Da Antonius nach seiner Rückkehr nach Rom im Herbst des Jahres 100 einen Triumph feiern durfte, muss er zumindest einen vordergründigen Erfolg zu verbuchen gehabt haben, der aber – wie sich herausstellen sollte – nur von kurzer Dauer war, da man römischerseits zu wenige Flotten- und Truppenverbände eingesetzt hatte. Die Ironie der Geschichte wollte es, dass dem Triumphator einige Zeit später die eigene Tochter aus seiner Villa bei Misenum von Seeräubern entführt und gegen Lösegeld freigekauft werden musste.8

In Rom herrschte bei Antonius’ Rückkehr das politische Chaos. Marius, zum sechsten Mal Konsul, wurde die Geister, die er in der Person des Volkstribunen Lucius Appuleius Saturninus und des Prätors Gaius Servilius Glaucia gerufen hatte, nicht mehr los. Die beiden hatten in verschärfter Form Inhalte und Methoden gracchischer Politik aufgegriffen und für lange Zeit Marius als Verbündeten gewonnen, da die beiden die für die Versorgung seiner Veteranen notwendigen Gesetze gegen den Widerstand des Senats durchbringen sollten. Antonius gehörte damals offensichtlich zur politischen Gefolgschaft des Marius, beide gingen jedoch auf Distanz zu Saturninus und Glaucia, als diese zu immer gewaltsameren Methoden schritten, ihren persönlichen Ehrgeiz zu befriedigen: Saturninus wollte sich für das Jahr 99 zum dritten Mal zum Volkstribunen, Glaucia zum Konsul wählen lassen. Darüber kam es im Herbst des Jahres 100 zu Mord und Totschlag. Antonius wurde, da er damals mit seinen Truppen vor den Toren Roms auf seinen Triumph wartete, spontan beauftragt, den Zuzug von Anhängern des Saturninus zu unterbinden. Bald darauf fanden Saturninus und Glaucia in der Senatskurie den Tod, Antonius hingegen wurde für das Jahr 99 zum Konsul gewählt.9

Die Erfahrungen, die Antonius im Osten gesammelt hat, spiegeln sich in jenem bekannten und viel diskutierten Gesetz, einer lex de provinciis, dem Gesetz über die Provinzen, aus den ersten Monaten des Jahres 99 wieder.10 Das Gesetz schärfte nach den innenpolitischen Turbulenzen der vergangenen Jahre die Oberaufsicht und Weisungsbefugnis des Senats gegenüber den prätorischen Statthaltern der beiden östlichen Provinzen Macedonia und Asia ein. Es enthält einerseits klare Direktiven an die verbündeten Könige in Cypern, Cyrene, Syrien und Ägypten, den Piraten keinen Unterschlupf und keine Hilfe zu gewähren. Andererseits schützt es die Verbündeten vor willkürlichen Übergriffen römischer Statthalter, die ohne Erlaubnis des Senats die Grenzen ihrer Provinzen nicht überschreiten dürfen. Teile des Gesetzes tragen die Handschrift des soeben zurückgekehrten Antonius: Kilikien wird durch dieses Gesetz dem Amtsbereich und der Obhut des Statthalters der Provinz Asia zugewiesen, um in Zukunft eine größere Sicherheit der Seefahrt zu gewährleisten. Schon früher war die zentralanatolische Landschaft Lykaonien dem Statthalter von Asia zugeschlagen worden, was per Gesetz auch für die Zukunft geregelt wurde. Von dieser Region gingen die Routen über das Taurusgebirge nach Kilikien aus. Sie bildete also für jede militärische Operation gegen Kilikien einen militärstrategisch unverzichtbaren Baustein. Solche auch zukunftsweisenden Einsichten konnte nur jemand besitzen, der den Schauplatz aus eigener Anschauung kannte – Marcus Antonius. Schließlich die Rhodier: Sie bildeten gleichsam den Dreh- und Angelpunkt jeder maritimen Offensive im südkleinasiatischen Raum. Die Rhodier waren ausersehen, die Bestimmungen des Gesetzes den genannten Königen zu überbringen, nur ihre Gesandten erhielten in Rom das Recht, jederzeit ihr Anliegen im Senat vortragen zu dürfen – sie erfüllten für Rom die Rolle eines wachenden Auges in jener kritischen Region. Die bevorzugte Stellung, die Rhodos in dem Gesetzestext einnimmt, verdankte die Stadt zweifellos dem bestimmenden Einfluss des Antonius auf dessen Wortlaut, wobei sich nicht nur die Erfahrungen aus der Sicht des Feldherrn, sondern auch die seit seinem Großvater bestehenden freundschaftlichen Beziehungen der Antonier zur Insel niederschlugen. Die Stadt sah gerade zum damaligen Zeitpunkt einen prominenten Exulanten in ihren Mauern, den ehemaligen Konsul Quintus Caecilius Metellus Numidicus, Marius’ Vorgänger im Krieg gegen Iugurtha und sein erbitterter Feind, der sich als einziger Senator geweigert hatte, den Eid auf das Gesetz des Saturninus abzulegen und deshalb in die Verbannung ging. Hatte Antonius den Optimaten nach Rhodos vermittelt? Ein Caecilius Metellus kämpfte später unter seinem Enkel in der Seeschlacht von Actium. Es ist wohl nicht zu hoch gegriffen, wenn man schon in dem Großvater des Triumvirn einen frühen, ja vielleicht den ersten großräumig denkenden Architekten einer römischen Herrschafts- und Sicherheitsstrategie im östlichen Mittelmeer erblickt, dessen Konzeption dann von Pompeius und unserem Antonius aufgegriffen und ausgebaut worden ist.

Der Konsulat, der erste eines Antonius, bedeutete zweifellos einen Höhepunkt in der Familiengeschichte, übertroffen allenfalls durch das Amt des Zensors, in welches er zwei Jahre später gewählt wurde. Aus uns unbekannten Gründen wurde den Konsuln des Jahres 99 keine Provinz – wie es üblich war – zugesprochen, vielleicht hatten beide auf einen weiteren Aufenthalt außerhalb Italiens verzichtet. Den Ruhm des Antonius begründeten aber weder seine in Kilikien vollbrachten Kriegstaten noch seine höchsten Staatsämter sondern sein Talent als begnadeter Redner, als der er neben seinem Zeitgenossen Lucius Licinius Crassus an erster Stelle in seiner Epoche stand.

Für jeden jungen Römer aus besserem Hause, insbesondere für angehende Politiker, war die Rhetorik Teil der höheren Bildung. Sie folgte auf den Elementarunterricht in Lesen, Schreiben und Rechnen und auf die Unterweisung in den wichtigsten Werken der griechischen Literatur. In Rhetorik existierten nur griechische Vorbilder und Lehrer, welche die einzelnen Teildisziplinen der Rhetorik wie sprachliche Gestaltung, Disposition, Art des mündlichen Vortrags und die Systematik des Argumentierens lehrten. Athen und Rhodos galten damals als die Elitestandorte für die Studien der neben der Rhetorik zweiten hohen Disziplin, der Philosophie, wobei Athen traditionell der Philosophie, Rhodos der Rhetorik verpflichtet war. Dort leitete ein Zeitgenosse des Antonius, Apollonios Molon, eine berühmte Schule, in der noch der junge Cicero sein Redehandwerk lernte. Es liegt natürlich die Annahme nahe, dass die guten Beziehungen der Familie zu dem Inselstaat den Antonius schon in seinen jungen Jahren dorthin geführt und sein Talent gefördert haben. Belege dafür existieren nicht, Antonius hat sich aber die Gelegenheit nicht entgehen lassen, während seines kilikischen Kommandos sowohl in Athen als auch in Rhodos Station zu machen und den dortigen Rhetoriklehrern zu lauschen.11

Die wesentlichen Kenntnisse über den Redner Antonius verdanken wir Ciceros Schrift „Über den Redner“ (de oratore). Dieses Zeugnis soll Anlass sein, jenen Mann kurz vorzustellen, der später als erbitterter Feind des Triumvirn auftrat und das Bild seines Gegners für die Nachwelt wesentlich geprägt hat.12 Marcus Tullius Cicero (siehe Abb. 2) stammte aus der Landstadt Arpinum (Arpino), etwa 100 Kilometer südöstlich von Rom gelegen, und war ein Sproß eines der drei angesehensten Geschlechter der Stadt, die allesamt dem Ritterstand angehörten: der gens Tullia, Gratidia und Maria. Ciceros gleichnamiger Großvater war mit einer Gratidia, deren Bruder wiederum mit einer Maria verheiratet, einer Schwester des großen Marius. Wir hatten gesehen, dass die Antonier zu diesen arpinatischen Ritterfamilien in engeren Kontakt getreten sind – wir wissen nicht wie und warum –, denn Antonius’ Großvater nahm sowohl den Schwager von Ciceros Großvater als auch Ciceros Onkel in seinem Kommandostab nach Kilikien mit und segelte in den entscheidenden Jahren seiner senatorischen Karriere im Windschatten des Marius. Cicero, im Jahre 106 geboren, siedelte als etwa Zehnjähriger mit seinen Eltern und einem Bruder nach Rom über und erhielt dort dank persönlicher Beziehungen Unterricht bei den berühmtesten Rednern ihrer Zeit, Antonius und Crassus. Hier fand sich der hochbegabte, ehrgeizige Jüngling in besten Händen, erprobte schon als Vierzehnjähriger sein dichterisches Können. Was den Sprösslingen aus den etablierten senatorischen Familien eine eher konventionelle Beschäftigung oder einen Zeitvertreib bedeuteten mochte, gestaltete sich bei Cicero zur Stütze der politischen Karriereleiter: die Kunst der Rede. Sie, nicht das Militärhandwerk wie für die meisten adligen Römer, galt ihm als das Mittel, politische Macht auszuüben und im Sinne Platons als Philosoph den Staat (mit) zu lenken. Der Erfolg blieb ihm nicht versagt: Im Jahre 63 wurde er, der Sohn eines Ritters, zum frühestmöglichen Zeitpunkt zum Konsul gewählt. Der berechtigte Stolz auf diese Leistung und sein Begehr, von nun an zu den Ersten der Republik und den Verteidigern ihrer Werte zu zählen, führten ihn später in einen tragischen Konflikt mit den reinen Machtmenschen der römischen Politik, zu denen auch der Triumvir Antonius gehören sollte.


Abb. 2: M. Tullius Cicero. Porträtbüste, Marmor, ca. 50/43 v. Chr. Rom, Kapitolinische Museen.

In de oratore, verfasst im Jahre 55, tritt Antonius neben seinem berühmten Zeitgenossen Crassus als Hauptgesprächspartner in einem fiktiven Kreis auf, den Cicero im Jahre 91 im Landhaus des Crassus zusammenkommen lässt.13 Die Diskussion kreist um die Frage, ob der vollkommene Redner zusätzlich zu Begabung und Fleiß noch einer philosophischen Allgemeinbildung bedarf, um Argumente mit möglichst tiefer und beeindruckender Überzeugungskraft schmieden zu können. Das von Cicero über Antonius gezeichnete Bild präsentiert uns ein Naturtalent der Beredsamkeit, das sich sein Können nicht mittels intensiven Studiums aneignen musste. Seine Redeweise berührte die Emotionen der Zuhörer durch Gestik, Mimik, Leidenschaft des Vortragens, in der Sache gut verständlich, mit einem vorzüglichen Gedächtnis und spontaner Formulierungsgabe, so dass beim Zuhören der Eindruck erweckt wurde, er habe die Rede zuvor auswendig gelernt. Antonius verfasste ein kleines Buch über die Redekunst, das noch im ersten Jahrhundert n. Chr. gelesen wurde. Vor allem drei seiner Reden haben Berühmtheit erlangt: Unmittelbar nach der Rückkehr von seiner Quästur in Asia (112) klagte er den Konsul des Vorjahres, Papirius Carbo, nach dessen vernichtender Niederlage gegen die Kimbern und Teutonen de maiestate an wegen grober Vernachlässigung der Staatsinteressen und Verletzung der Würde des römischen Volkes – so überzeugend, dass Carbo Selbstmord beging. Im Jahre 98 verteidigte Antonius den Manius Aquilius, einen engen Freund und Mitkonsul des Marius. Als Prokonsul hatte dieser den sizilischen Sklavenaufstand niedergeworfen, dabei aber die Bevölkerung bis aufs Blut ausgesaugt. Aufgrund erdrückender Beweislast handelte es sich um einen nahezu aussichtslosen Fall. Dank mitreißender Rhetorik und Gestik – so zerriss er dem Konsular die Tunika und zeigte den Richtern die vernarbten Wunden – erreichte Antonius dennoch einen Freispruch. Drei Jahre später musste er den Gaius Norbanus verteidigen, angeklagt de maiestate wegen einer schon acht Jahre zurückliegenden Begebenheit. Norbanus hatte im Jahre 103 als Volkstribun im Bunde mit Appuleius Saturninus dafür gesorgt, dass der ehemalige Konsul Servilius Caepio, der gegen Kimbern und Teutonen in Südgallien eine schwere Niederlage hatte einstecken müssen, verurteilt und in die Verbannung geschickt wurde. Obwohl Licinius Crassus die Anklage führte, übernahm Antonius die Verteidigung, weil er den Norbanus in Kilikien ein Jahr lang als seinen Quästor schätzen gelernt hatte. Norbanus wurde freigesprochen und sollte als Anhänger des Marius und Cinna in den 80er Jahren noch eine große Karriere vor sich haben.

Cicero ließ in der besagten Gesprächsrunde eine Gruppe loyaler Anhänger der Senatsaristokratie auftreten, zwar in der Ruhe des Landlebens, aber während einer aufgewühlten politischen Szenerie in Rom. Der Volkstribun Marcus Livius Drusus hatte die unerledigten Probleme der gracchischen Reformbewegung aufgenommen, aber trotz Unterstützung durch eine Reihe von Optimaten wie des Crassus sich im Senat nicht durchsetzen können. Vor allem die geplante, dann aber gescheiterte Gleichstellung der Bundesgenossen in Italien mit den römischen Vollbürgern stürzte die Halbinsel in einen heftigen zweijährigen Krieg, der mit der Ausdehnung des römischen Bürgerrechts auf ganz Italien südlich des Po – mit Ausnahme der Samniten – endete. Obwohl Optimaten und Populare zuvor zwecks Abwehr der gemeinsamen Gefahr einen Burgfrieden geschlossen hatten, brachen schon im Jahre 90 die Gegensätze wieder auf. Ihre führenden Köpfe waren auf popularer Seite Marius, der Held des Kimbern- und Teutonenkrieges, und auf optimatischer Seite Lucius Cornelius Sulla, der unter Marius als Quästor in Afrika gedient hatte und jetzt im Jahre 88 den Konsulat bekleidete und zu seinem erbitterten Feind geworden war.

Antonius galt zu Recht als Verfechter der Senatsautorität, also als Optimat, da er Gegner eines allzu starken Einflusses des Ritterstandes namentlich in den Gerichtshöfen war. Während seines Konsulates hatte er den Gesetzesantrag eines Volkstribunen, der in die Fußstapfen des soeben ermordeten Appuleius Saturninus treten wollte, über eine neue Landverteilung zu Fall gebracht. Als Zensor stieß er einen Volkstribunen aus dem Senat, weil dieser ein Gesetz gegen übermäßigen Luxus hatte aufheben lassen. Antonius wurde angesichts dieser Vergangenheit neben vielen anderen prominenten Männern zur Zielscheibe eines Schauprozesses de maiestate. Dieser Prozess wurde von dem Volkstribun Quintus Varius im Jahre 90 gegen all jene geführt, welche angeblich die Italiker in den Aufstand gegen Rom getrieben hätten, der in Wirklichkeit aber der Kaltstellung führender Optimaten diente. Antonius musste sich verteidigen, obwohl er damals als Legat gegen die Italiker im Felde stand und damit seine Loyalität zu Rom unter Beweis stellte. Während viele Beschuldigte ins Exil gehen mussten, konnte sich Antonius dank seines Redetalents einer Verurteilung entziehen.14

Antonius stand in dem folgenden Machtkampf zwischen Marius und Sulla um das begehrte Kommando im Krieg gegen König Mithridates von Pontos auf Sullas Seite. In die kurze Phase des Jahres 88, in welcher Sulla Rom beherrschte, am Vorabend der erwarteten römischen Gegenoffensive, fällt eine Ehrung des Antonius durch die Insel Delos im ägäischen Meer. Die Insel hatte sich in den Wirren der bis nach Griechenland vorgetragenen Offensive des Mithridates von ihrer jahrzehntelangen Zugehörigkeit zu Athen losgesagt und suchte nunmehr den Schutz einflussreicher römischer Politiker gegen Rückeroberungsabsichten der Athener, die Mithridates ihre Tore geöffnet hatten. Die Delier ehrten Marcus Antonius als ihren Patron mit einer Statue. Gleichzeitig und in derselben Weise wurde auch der Vater des Diktators Caesar, der kurz zuvor als Prätor die Provinz Asia verwaltet hatte, geehrt. Aber nach Sullas Abreise nach Griechenland und der gewaltsamen Rückeroberung Roms durch seine Gegner Marius und Cinna im Sommer des Jahres 87 war Antonius einer derjenigen, die ganz oben auf der Liste der zu tötenden innenpolitischen Gegner standen. Er soll die Häscher, so berichtet Plutarch, mit seiner Wortgewandtheit so beeindruckt haben, dass sie mit niedergeschlagenen Augen die Schwerter sinken ließen, bis der Anführer des Trupps die Geduld verlor, Antonius den Kopf abschlug und ihn dem Marius überbrachte.15

Der Redner Antonius hinterließ drei Kinder: eine Tochter Antonia, von deren Existenz wir nur dank der Seeräuberepisode wissen, und zwei Söhne, Marcus Antonius (der Ältere und Vater des Triumvirn) und Gaius Antonius (der Jüngere).

Gaius Antonius wurde „Hybrida“ genannt, weil er offensichtlich einer Verbindung des Vaters mit einer Nicht-Römerin entsprossen ist – vielleicht einer Dame aus der griechischen Welt oder einer Freigelassenen oder auch einer Sklavin.16 Geprägt durch den politischen Standort seines Vaters begleitete er als Befehlshaber einer Kavallerieeinheit Sulla auf dem Feldzug gegen Mithridates nach Griechenland und entkam so dem Schicksal, das seinen Vater in Rom traf. Schon bei diesem ersten Posten als junger Offizier hielten sich Berichte über ungebührliches Auftreten und negative Eigenschaften hartnäckig, die ihn auf fast alle Stationen seiner weiteren Karriere begleiten sollten. Im Jahre 76, als Sulla schon verstorben war und dessen schützende Hand nicht mehr über ihm schwebte, wurde er von den Griechen wegen Ausplünderung und Erpressung angeklagt, wobei der junge Caesar als deren Anwalt auftrat. Damals konnte sich Antonius dank eines Appells an die Volkstribunen wegen Befangenheit des prozessführenden Prätors noch einer Verurteilung entziehen. Zusätzlich soll er sich aus dem Vermögen der von Sulla Proskribierten bereichert haben. Im Jahre 70 stießen ihn die Zensoren, die ersten seit dem Jahre 92 gewählten, zusammen mit 63 anderen Standesgenossen aus dem Senat, bei denen sich zwischenzeitlich allzu viele kompromittierende Vergehen angehäuft hatten. Doch ein Jahr später waren die meisten wieder rehabilitiert. Unter ihnen war auch Antonius, dessen schnelle Karriere ihn nun über das Volkstribunat, die Prätur bis hin zum Konsulat als Kollege Ciceros im Jahre 63 führte. Eigentlich sollte Antonius nach dem Willen eines Kreises um den reichen Marcus Licinius Crassus zusammen mit Lucius Sergius Catilina Konsul werden. Gegen beide, Antonius und Catilina, hielt Cicero eine scharfe Rede, in welcher Catilina als verbrecherischer Profiteur aus den Proskriptionen Sullas zwar die härteren Vorwürfe, Antonius aber auch noch genug Verunglimpfungen einstecken musste. Um die innenpolitische Bühne zu beherrschen, lockerte Cicero die enge Verbindung zwischen Antonius und Catilina, indem er seinem Amtskollegen die eigentlich ihm vom Senat zugesagte Provinz Macedonia überließ. Böse Zungen behaupteten, dass dies Antonius in der Tat wohlwollend stimmte, weil er dort das notwendige Geld zur Tilgung seiner Schulden leichter herauspressen konnte. Cicero beschwor sogar die zwischen ihm und Antonius herrschende concordia (Eintracht).17

Antonius ließ Cicero in der Hauptstadt gegen die neuerlichen Umtriebe Catilinas zwar freie Bahn, hielt sich aber im Übrigen mit weiterer Unterstützung sehr zurück. Erst als die Verschwörung aufgedeckt, der Senat Catilina zum Staatsfeind (hostis) erklärt hatte, stand er bereit, die militärische Exekution gegen die Verschwörer zu übernehmen. Bei Pistoriae (Pistoia) im nördlichen Etrurien schlug er zu Beginn des folgenden Jahres Catilinas Armee, Catilina selbst fiel in der Schlacht. Dass Antonius’ Soldaten ihn mit dem ‚Imperator‘-Titel feierten, bedeutete allerdings den letzten Glücksmoment seiner Karriere als Soldat und Politiker. In seiner Provinz Macedonia machte er nur durch militärisches Versagen gegen die nördlich der Provinzgrenze siedelnden Volksstämme und rücksichtslose Ausbeutung der Untertanen von sich reden, was ihm nach seiner Rückkehr im Jahre 60 eine Anklage de maiestate und de repetundis einbrachte. Obwohl sich Cicero über die infamia, den üblen Ruf, des Mannes im klaren war, versuchte er ihn, den Sieger über Catilina, wenn auch lustlos, zu verteidigen. Da er den Antonius seinerzeit um einen Kredit für den Kauf eines teuren Hauses in Rom gebeten hatte, geriet er obendrein in eine peinliche Situation, als Antonius auf die gegen ihn erhobenen Vorwürfe erwidern konnte, er habe alles Geld mit Cicero teilen müssen. Es nutzte Antonius nichts, er wurde zum Geächteten und ging ins Exil auf die Insel Kephallenia im Ionischen Meer.18 Erst Caesar begnadigte ihn, wie wir annehmen dürfen, auf Fürsprache seines Neffen. Letzterer verschaffte ihm auch eine späte Rehabilitierung, indem er dafür sorgte, dass sein Onkel im Jahre 42 noch Zensor wurde. Zum damaligen Zeitpunkt, unter der Herrschaft des zweiten Triumvirates, gab das Amt aber nur noch einen Schatten seiner einstigen Autorität ab. Bald darauf verstarb Antonius.

Gaius Antonius hinterließ zwei Töchter. Die eine kennen wir nur als Gattin eines Lucius Caninius Gallus, der sich in jungen Jahren seine Sporen als Redner im Repetundenprozess gegen seinen eigenen Schwiegervater verdiente; Gallus wurde im Jahre 56 Volkstribun und war ein enger Freund Ciceros, sein Sohn erreichte unter den Triumvirn den Konsulat. Die zweite Tochter heiratete ihren Cousin, den Marcus Antonius; von ihr wird noch die Rede sein.19

Kürzer und von ebenso wenigen Erfolgen begleitet verlief das Leben des älteren Sohnes des Redners, Marcus Antonius, Vater des Triumvirn. Von ihm besitzen wir immerhin zwei Charakterschilderungen. Plutarch beschreibt ihn als Politiker ohne Fortune, aber von edler Gesinnung, aufrichtigem Charakter und trotz kleinen Vermögens als freigiebig. Seiner Gewohnheit gemäß bringt Plutarch eine passende Anekdote: Es war ihm trickreich gelungen, einem Freund, der ihn um Geld bat, statt des Geldes einen wertvollen Trinkbecher zukommen zu lassen. Er musste seine erzürnte Gattin deshalb später um Verzeihung bitten. Weniger schmeichelhaft klingt das Urteil Sallusts. Antonius sei gezeugt worden, um Geld zu verschleudern, und zeige Anteilnahme nur, sofern die Situation für ihn bedrohlich werde. In dieses Bild wurde demgegenüber die Mutter als eine der besten und klügsten Frauen ihrer Zeit eingefügt – eine Iulia, Tochter des Lucius Iulius Caesar, Konsul im Jahre 90, und einer Fulvia. Sie war die zweite Gattin des Marcus Antonius. Die Iulier gehörten dem patrizischen Senatsadel an: Der erste Iulius Caesar ist während des Zweiten Punischen Krieges am Ende des dritten Jahrhunderts bezeugt. Kurz danach verzweigte sich das Geschlecht in zwei Hauptstämme; dem einen gehörte Antonius’ Mutter Iulia an, dem anderen der Diktator Caesar.20

Über die frühe Karriere des älteren Marcus Antonius wissen wir nichts. Er tritt erst in das Licht der historischen Überlieferung, als die römische Republik zum zweiten Mal mit einem größeren Unternehmen gegen die Seeräuber vorgehen musste. In den 70er Jahren hatte diese Plage das gesamte Mittelmeer erfasst und stellte eine ernsthafte Gefahr für die Herrschaftssicherung auf globaler Ebene dar. Die Piraten dienten sich nämlich als Verbündete für ernst zu nehmende äußere und innere Gegner des Staates an: Im Osten für König Mithridates von Pontos, der soeben den zweiten Krieg gegen Rom in Kleinasien eröffnet hatte, im Westen für Quintus Sertorius, der als ehemaliger Gefolgsmann des Marius und Statthalter in Spanien seit mehreren Jahren dem Senat die Stirn bot. Im Jahre 74 eröffnete Rom gleichzeitig den Krieg gegen Mithridates und gegen die Seeräuber. Da beide Konsuln nach Kleinasien geschickt wurden, fiel die Wahl des Senats für die maritimen Operationen auf den Prätor Marcus Antonius. Zweifellos erinnerte man sich in Rom der Taten seines Vaters in Kilikien und setzte entsprechende Erwartungen in die Fähigkeiten und den Ehrgeiz des ältesten Sohnes. Es galt nämlich wieder einmal, erst die Flottengeschwader von den Verbündeten einzusammeln. In diesem Punkte vertraute man auf die in der Familientradition begründeten Beziehungen und Kenntnisse. Antonius erhielt eine außerordentliche Befehlsgewalt ohne regionale Beschränkung zu Wasser und zu Lande bis einschließlich eines 30 Kilometer breiten Küstenstreifens, um auch die Rückzugsorte der Piraten wirksam bekämpfen zu können.21 Der so definierte Aufgabenbereich gab haargenau das Vorbild für das berühmtere Seeräuberkommando des Pompeius sieben Jahre später ab.

Antonius bewegte sich zuerst im westlichen Mittelmeer an der ligurischen und ostspanischen Küste und in den Gewässern Siziliens, bevor er sich ein Jahr später nach Osten wandte. Im Zentrum seiner dortigen Operationen stand die Insel Kreta, eine berühmt-berüchtigte Piratenhochburg, hinter der sich freilich die Städte der Insel und ihre führenden Familien verbargen. Ein glücklicher Inschriftenfund aus der Stadt Gytheion an der Südspitze der Peloponnes verschafft uns einen kleinen Einblick in die logistischen Vorbereitungen des Unternehmens und nennt die Namen einiger Unterfeldherrn aus dem Stabe des Antonius, worunter sich Gaius Iulius Caesar, der spätere Diktator, befindet.22 Caesar hatte soeben einen abenteuerlichen Aufenthalt in Kleinasien hinter sich, der eigentlich Studienzwecken dienen sollte. Er wurde von einer Entführung durch die Seeräuber und einem eigenmächtig unternommenen Handstreich gegen die Scharen des Mithridates unterbrochen. Caesars Aufenthalt in den griechischen Gewässern war aber nur von kurzer Dauer, und er erlebte nicht mehr das Ende des Unternehmens. Antonius forderte die kretischen Städte auf, ihre für Mithridates offen bekundeten Sympathien aufzugeben und insbesondere den in des Königs Diensten stehenden Piraten keinen Unterschlupf mehr zu gewähren. Unter maßgeblicher Führung des Lasthenes, Mitglied einer alten und einflussreichen Familie, pochten die Kreter auf ihre Unabhängigkeit und beschieden die römische Forderung abschlägig. Die anschließende Militäraktion des Antonius erbrachte wohl keine vernichtende Niederlage, wie man vielfach in der Literatur lesen kann, sondern einen gewissen, wenn auch nur mäßigen, Erfolg. Am Ende stand immerhin ein Friedensvertrag, der von den Kretern eine Zeit lang auch respektiert wurde und der dem Sieger den ehrenvollen Beinamen „Creticus“ einbrachte.23 Noch vor seiner Rückkehr nach Rom verstarb Antonius im Jahre 72 oder 71 in Ausübung seiner Mission. Schon kurze Zeit später stand er in Ciceros Anklagerede gegen den sizilischen Statthalter Verres als Beispiel für niederträchtiges Verhalten gegenüber den Belangen der Provinz am Pranger.24


Karte. 1: Der östliche Mittelmeerraum um 90 v. Chr..

Marcus Antonius

Подняться наверх