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III

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An einem schönen Augustmorgen verließ Trien hüpfend und tanzend das Dorf um heimzukehren; ihr Gesicht verrieth durch seine süße Miene Fröhlichkeit und Eile; leichten Schrittes ging sie über den staubigen Weg, und von Zeit zu Zeit entschlüpften unvernehmliche Laute ihrer tiefathmenden Brust, als spräche sie mit sich selbst.

In der einen Hand hielt sie zwei große Blatt Schreibpapier, in der anderen eine geschnittene Feder und ein Fläschchen voll Tinte, die ihr der Küster geschenkt hatte.

Unterwegs begegnete ihr die schöne Kaet (Katherine) des Holz- schuhmachers, die, singend und einen Bündel Klee auf dem Kopfe tragend, aus einem Seitenwege trat und ihre Freundin mit der Frage anhielt: »He, Trien, wo lauft ihr denn mit dem Papier hin? Was seid ihr eilig, es brennt doch nirgends? – Sagt, wie steht es mit eurem Jan?«

»Ja, mit unserm Jan,« antwortete Trien, »das weiß der Herrgott, liebe Kaetje. Seit er von hier weg ist, haben wir dreimal von ihm Nachricht erhalten, daß er wohl auf war. Jetzt aber ist es sechs Monate her, daß ein Kamerad von Turnhout in der Krone eine Botschaft von ihm für uns zurückließ; es mag auch schwierig sein, denn er steht irgendwo über Maestricht hin, und von dem fernen Ort gibt es hierher nicht alle Tage Gelegenheit.«

»Kann er denn nicht schreiben, Trien?«

»Er hat es wohl gekonnt, und als wir als kleine Kinder zusammen zum Küster in die Schule gingen, hat er fürs Schönschreiben sogar einen Preis bekommen. Doch wird er es jetzt vergessen haben, so gut wie ich.«

»Und was wollt ihr mit dem Papier thun?«

»Ja seht, Kaet, seit zwei Monaten habe ich mein altes Schreibbuch wieder aus der Kiste geholt und mich von neuem im Schreiben geübt. Jetzt will ich's versuchen, ob ich einen Brief fertig kriege. Ob es geht, weiß ich zwar nicht. Habt ihr in eurem Leben schon einen Brief geschrieben?«

»Nein, aber ich habe schon viele lesen hören, denn mein Bruder Dries, der in der Stadt wohnt, schreibt uns fast alle Monat Einen.«

»Und wie sieht das aus, so ein Brief? was steht darin? ist es als ob man mit Jemand spricht?«

»Bei weitem nicht, Trien, das wäre was schönes! immer mit Komplimenten und großen Worten, die man fast gar nicht versteht.«

»Ach, Kaet, wie finde ich mich da heraus! Wenn ich zum Beispiele so schreiben wollte; Jan, wir sind traurig, weil wir nicht wissen, wie's mit Euch steht; Ihr müßt uns bald Nachricht schicken, sonst wird Eure Mutter krank u.s.w. – das wird er doch auch verstehn?«

»O du einfältig Ding, das ist ja kein Brief, so sprechen alle Leute, so gelehrt sie auch sind; wartet einmal, seht so fängt es immer an: Sehr geehrte Eltern, ich ergreife mit zitternder Hand die Feder, um, um . . . da kann ich nicht mehr weiter.«

»Nun, um zu schreiben.«

»O, da wißt ihr es besser als ich; ihr wollt mich zum Besten haben, das ist nicht schön von euch, Trien.«

»Wo denkt ihr hin, Kaet, wenn ihr die Feder in die Hand nehmt, so wird es doch nicht sein, um ein Butterbrod zuschneiden; ich muß über eure Einfalt lachen, aber ich begreife nicht, warum euer Bruder immer zittert, wenn er sich ans Schreiben setzt. Nr kann gewiß nicht gutschreiben, und dann ists noch ärger, denn wenn Einer zittert, so schreibt er noch schlechter.«

»Nein, das ist die Ursache nicht, aber Dries lebt luftig in der Stadt und verlangt immer Geld, darum zittert er, denn der Vater ist so böse. Doch noch eins Trien, wie steht's mit der Kuh?«

»Ziemlich gut, das arme Thier hat etwas ausgestanden, doch jetzt erholt sie sich. Das Kalb haben wir an einen Bauer van Wechel-der-Zande verkauft, es war ein so hübsch schäckiches Thier.«

Bei diesen Worten entfernten sich die beiden Mädchen.

»Meinen Gruß zu Haus, Trien,« rief Kaet ihr nach, »seht, daß ihr mit eurem Brief fertig werdet und grüßt den Jan von uns.«

»Sonntag nach dem Hochamte will ich euch erzählen, wie's gegangen ist. Einen guten Tag an eure Schwester.«

Kaet's Stimme tönte durch die hohen Baume, sie sang in hellen Lauten den Refrain vom bekannten Mailiede.

Den Maibaum that man pflanzen,

Mit grünem Laub geschmückt;

Man sah die Jugend tanzen

Um ihn, froh und beglückt.


Ihr Mädchen allzusammen

Benutzt die Jugendzeit;

Das Alter löscht die Flammen

Der tollen Heiterkeit.


Trien blieb träumend stehen, bis die Stimme ihrer Freundin hinter dem Walde verscholl. Dann eilte sie halb gehend und halb hüpfend auf dem Wege weiter und erreichte endlich ihre Wohnung. Dort saßen die beiden Wittwen an einem Tische, mit Ungeduld auf Trien wartend. Der alte Großvater, vom Rheuma befallen, lag im Bett in den Alkoven und steckte den Kopf zwischen die Vorhänge heraus, um wenigstens mit Aug und Ohr bei dem großen Werke, das man unternehmen wollte, gegenwärtig zu sein.

Sobald sich das Mädchen in der Flur hören ließ, rafften die bei- den Wittwen in aller Hast die Sachen zusammen, die auf dem Tische lagen, und wischten ihn mit der Schürze rein. »Komm her, Trien,« sagte Jan's Mutter, »setze dich auf Großvaters Stuhl, er ist viel bequemer.«

Das Mädchen nahm am Tische Platz, legte das Blatt Papier vor sich hin, und steckte sich die Feder zwischen die Lippen.

Die Frauen und der Großvater sahen das sinnende Mädchen höchst neugierig an; das Brüderchen stemmte sich mit beiden Armen auf den Tisch, und gaffte ihr in Mund und Augen, um herauszubekommen , was sie mit der Feder thun wollte.

Doch Trien stand auf ohne ein Wort zu sprechen, nahm eine Kaffeetasse vom Kasten herab, schüttete die Tinte aus dem Fläschchen hinein, und setzte sich dann wieder an den Tisch, wo sie das Papier nach allen Seiten herumwandte.

Endlich tauchte sie die Feder in die Tinte und schickte sich zum Schreiben an. Nach einem Augenblicke hub sie ihren Kopf in die Höhe und frug dann:

»Nun sagt mir, was soll ich schreiben?«

Die beiden Wittwen sahen einander fragend an, und blickten auch auf den kranken Großvater hin, der den Hals aus dem Vorhange steckte und unverwandt nach Triens Hand hinsah.

»Nun schreibt, daß wir alle wohlauf sind,« sagte der Alte hustend, »so fängt ein Brief doch immer an.«

Das Mädchen bemerkte mit lächelnder Miene:

»Nun das wäre auch arg; daß wir alle wohlauf sind – und ihr liegt seit vierzehn Tagen krank im Bett.«

»Das könnt ihr ihm zuletzt im Brief immer noch sagen, Trien.«

»Nein, Mädchen, weißt du was du thun sollst?« sprach Jan's Mutter, »frage ihn zuerst, wie es mit seiner Gesundheit steht, sobald wir das auf dem Papier haben, werden wir wohl etwas dazu finden.«

»Nein, Kind,« sagte die andere, »schreib zuerst, daß du die Feder in die Hand nimmst, um zu hören, wie es mit seiner Gesundheit steht. So fing der Brief von Peter's Tieft auch an, den man uns gestern beim Bäcker vorlas.«

»Ja, das sagte des Holzschuhmachers Kaet auch, aber ich thu' es doch nicht, denn es ist so kindisch,« sagte das Mädchen ungeduldig. »Jan wird doch von selbst wissen, daß ich mit meinen Füßen nicht schreiben kann.«

»Setzt zuerst seinen Namen oben aufs Papier,« sagte der Großvater.

»Welchen Namen? Braams?«

»Durchaus nicht; Jan!«

»Ihr habt Recht, Vater,« antwortete das Mädchen, »geh' fort, Paul, thu' deine Arme vom Tisch herunter, und ihr, Mutter, setzt euch etwas mehr zurück, sonst werdet ihr mich sicher stoßen.«

Sie setzte die Feder an's Papier und während sie nach dem Platz suchte, wohin sie schreiben sollte, buchstabierte sie für sich den Namen des abwesenden Freundes.

Da stand Jan's Mutter mit einem Mal auf und ergriff des Mädchens Hand.

»Warte noch ein Bisschen, Trien, das Jan allein gefällt mir nicht, es ist zu kurz, es sollte etwas dabei sein. Wäre es nicht besser, geliebter Sohn, oder liebes Kind, dazu zu setzen?«

Diese Worte hörte Trien fast nicht, sie leckte am Papier und rief halb unmuthig:

»Seht, das kommt davon, da ist ein großer Klex auf dem Papier, und da hilft das Lecken nichts, er geht doch nicht heraus. Ich will das andere Blatt nehmen.«

»Nun, Trien, was sagt ihr dazu, geliebter Sohn, ist doch viel hübscher?«

»Nein, das will ich auch nicht hinsetzen,« murmelte Trien verdrießlich, »kann ich denn an Jan schreiben, als ob ich seine Mutter war?«

»Aber was willst du denn schreiben?«

Eine tiefe Schamröthe bedeckte des Mädchens Stirn.

»Wenn wir lieber Freund schrieben, findet ihr das nicht am Besten?«

»Das will ich denn doch auch nicht,« sagte die Mutter, »setze lieber kurzweg Jan.«

»Lieber Jan?« frug das Mädchen.

»Ja, so ist's gut,« antworteten Alle mit Einem Mal, als waren sie über die Lösung des schwierigen Räthsels hoch erfreut.

»Doch bleibt mir auch vom Leib,« rief das Mädchen, »und haltet den kleinen Paul, daß er mich nicht stößt.«

Das Mädchen begann die Arbeit, nach einem Augenblick standen ihr die hellen Schweißtropfen auf der Stirn, sie hielt ihren Athem an und war von der Anstrengung ganz roth, dabei seufzte sie tief auf, als hätte sie sich einer schweren Last entledigt und sagte heiter: »Uf! das L ist doch ungeheuer schwer! Doch jetzt steht es da mit seinem langen Hals.«

Der Rekrut

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