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3 Kohäsion

Die KOHÄSION eines Textes besteht aus den grammatischen und lexikalischen Verknüpfungen der Wörter, Sätze und Teile eines Textes untereinander. Kohäsion meint also nicht die inhaltliche Kontinuität eines Textes, sondern ausschlieβlich die rein sprachlichen Verbindungen der Komponenten an der Textoberfläche , den rein sprachlich- grammatischen, den rein grammatischlexikalischen Zusammenhalt eines Textes.

(1)

Apfelsaft selbstgemacht

Ich habe 3 Apfelbäume, die jedes Jahr reich an Äpfeln sind. Zum Pressen fahre ich in unseren Nachbarort und unterstütze dort einen Bekannten, der eine groβe hydraulische Presse hat. Das macht immer Spaβ und ist sehr günstig. Ich bekomm dann meist so 35 Liter Saft raus, die ich in entsprechende Saftgefäβe fülle. (www.fragmutti.de)

(2)

Er kam, er sah, er siegte.

(In Anspielung auf einen dem römischen Staatsmann und Feldherrn Gaius Julius Cäsar zugeschriebenen Ausspruch (Veni, vidi,vici), mit dem er die Leichtigkeit, mit der er über Pharnakes, König des Bosporischen Reiches, siegte zum Ausdruck gebracht haben soll.)

(3)

Karl kaufte das Auto nicht, weil es ihm zu teuer war.

(4)

Karl kaufte das Auto nicht, denn es war ihm zu teuer.

(5)

Er wollte mit der Arbeit fertig sein, bevor Lisa auftauchte.

Kohäsionsmittel gibt es auf allen Ebenen der Sprache, lautlich in Form von Rhythmus, Reim, Intonation, morphologisch (z. B. durch Wahrung der Zeitebene, also von Tempusgleichheit wie in (1)), syntaktisch, also auf der Ebene des Satzbaus (z.B. Parallelkonstruktionen wie in (2)), lexikalisch durch die Wiederaufnahme derselben Wörter oder von Bestandteilen derselben wie in (1) (Apfelsaft, Apfelbäume, Äpfeln, Saft, Saftgefässe, zum Pressen, Presse). Sehr wichtig als Kohäsionsmittel sind sodann die schulgrammatisch als ´ Bindewörter` bezeichneten KONJUNKTIONEN. Sie haben die Aufgabe Wörter, Wortgruppen, Satzglieder oder ganze Sätze- seien dies Hauptsätze oder Hauptund Nebensätze – miteinander zu verbinden. Konjunktionen können unter anderem nach syntaktischen Eigenschaften unterschieden werden, zum Beispiel nach den unterschiedlichen Wortstellungen, die sie auslösen (In (3) und (5) zum Beispiel bedingen die Konjunktionen weil und bevor, dass das finite Verb am Satzende steht, was bei der Konjunktion denn, siehe (4), nicht möglich ist.

Man spricht übrigens von REKURRENZ bei Wiederaufnahme der gleichen materiellen Oberflächenformen (Bsp: Auto – Auto) und von PARTIELLER REKURRENZ bei Wiederaufnahme von Wortkomponenten (Bsp. Autobau – Auto) oder von Wörtern beziehungsweise Wortkomponenten mit Wortartwechsel (z.B. Glück – glücklich –glücken).

PRONOMINA (Personalpronomina, Demonstrativ- und Possessivpronomina) zählen nicht zu den Kohäsionsmitteln, da nicht auf der rein grammatischen, sondern erst nach einer Überprüfung auf der inhaltlichen Ebene sich entscheidet, worauf sie Bezug nehmen, wie ein Pronomen zuzuordnen ist. demonstrativ

(6)

„In einer kleinen Stadt lebte einmal ein Mädchen. Ihre Eltern waren beide tot.

[…]In (6) widerspricht das sprachliche Wissen (Mädchen ist Neutrum, Stadt ist Femininum, das Possessivum ihre ebenso; ihre wäre demnach eine geeignete Wiederaufnahme für die Stadt und nicht für das Mädchen), dem Weltwissen (Mädchen sind weiblich, Mädchen können Eltern haben, Städte nicht), und es ist das Weltwissen, das letztendlich die richtige Referenzauflösung ermöglicht (und sich damit sogar über grammatische Beschränkungen hinwegsetzt).” (Averintseva-Klisch (2013): 37-38)

(7)

„ a) Die Müllers sahen die Zugvögel, als sie nach Süden flo- gen.

b) Die Müllers sahen die Alpen, als sie nach Süden flogen."

(Viel zitiertes Beispiel u. a. in Schwarz (1992): 93)

Sowohl die Müllers als auch die Zugvögel beziehungsweise die Alpen sind Ausdrücke in der 3. Person Mehrzahl und kommen jeweils als Bezugswort für das Pronomen sie in Frage. Um zu wissen, wer in a) nach Süden flog (es könnten die Müllers nach Süden fliegen und die Zugvögel nach Norden oder umgekehrt oder alle beide nach Süden) bedarf es zusätzlicher Informationen. Bei b) entscheiden wir aufgrund unseres Weltwissens (Berge fliegen normalerweise nicht), dass sie sich auf die Müllers beziehen muss.

(8)

„Das Tierheim ruft bei Frau Bummel an: «Ihr Mann ist mit dem Hund da und bittet uns, ihn hierzubehalten. Ist das denn auch in Ordnung?» «Klar, und den Hund können Sie raus setzen, er findet den Heimweg.»"

(Beispiel aus Schwarz-Friesel/Consten (2014), eBook: 118)

Mit seinen grammatischen Merkmalen 3. Person, Maskulin, Singular passt das Pronomen ihn sowohl auf ihr Mann als auch auf dem Hund. Aber da ein Tierheim ein Asyl für Tiere ist, wissen wir, dass nicht der Mann, sondern der Hund im Tierheim gelassen werden soll. Daher kommt die Interpretation ihr Mann des Pronomens durch die Frau überraschend und stellt die Pointe für einen Ehewitz dar oder eine Anspielung auf Eheverhältnisse, in denen das Haustier wichtiger als der Partner ist.

Immer muss zunächst geprüft werden, worauf alles ein Pronomen sich beziehen kann. Das Aufeinanderbeziehen textinterner und textexterner Gegebenheiten ist dabei eine Grundfertigkeit unserer sprachlichen Kompetenz. Auch in Beispiel (9), wo vielleicht zunächst alles eindeutig scheint, fällt die Entscheidung, worauf sich das Pronomen er bezieht, letztlich auf der inhaltlichen Ebene, erst im Gesamtzusammenhang des Gespräches, der Kommunikation und nicht einfach auf der rein grammatischen Ebene.

Mit Er könnte ja zum Beispiel auch der Vater von Hans gemeint sein.

(9)

Hans hat das Haus gekauft . Er hat viel dafür bezahlt.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass Wiederholung und Wiederaufnahme sprachlicher Formen und Verbindungsformen die wichtigsten Kohäsionsmittel sind.

Darauf aufmerksam wird gemacht, dass die Gestaltung der Textoberfläche, die Auswahl und Anordnung der Elemente der Textoberfläche davon beeinflusst wird, was in den Fokus gerückt werden soll, was das Wichtige, Neue, Unerwartete ist. Der Terminus FUNKTIONELLE SATZPER-SPEKTIVE wird oft verwendet, um auszudrücken, dass die Reihenfolge von Wörtern und Sätzen mitentscheidet über deren Bedeutung und Wichtigkeit.

Ein Beispiel:

Der Beginn eines Märchens könnte folgendermaβen lauten:

(10)

1. Es war einmal ein alter Bauer, der hatte einen Buckel.

oder:

2. Es war einmal ein alter, buckliger Bauer.

Was erfahren wir in Satz 1 mehr über das nun folgende Märchen, was in Satz 2 nicht enthalten ist?

Richtig! In Satz 1 wird die Aufmerksamkeit des Lesers oder Hörers in besonderer Weise auf den Buckel gelenkt und zwar dadurch, dass er am Schluss des Gesamtsatzes extra in einem Nebensatz gesondert erwähnt wird. Daran lässt sich erkennen, dass der Buckel in dem nun folgenden Märchen eine wichtige, eine zentrale Rolle spielen wird, während Satz 2 diesbezüglich unverbindlich bleibt. Hier, nach Satz 2, könnte jetzt irgendeine Geschichte folgen.

Das folgende Gedicht enthält keinerlei kohäsive Verknüpfungen. Dennoch würde kaum jemand behaupten, dass dieses AKROSTICHON, dieses Leistengedicht (Gedicht, bei dem die Anfänge der Wort- oder Versfolgen hintereinander gelesen einen eigenen Sinn – z. b. einen Namen. Satz usw. - ergeben) kein Text ist.

(11)

Herbst

N ebelfetzen

O hne Richtung

V erstummte Vögel

E ine vorwitzige Schneeflocke

M odernde Blätter

B lasse Sonne

E ulenschrei

R ieselnde Gedanken

(Judith Bernhardt, Herbst)

Durch den Titel und unterstützt durch das Akrostichon werden hier die verschiedenen Eindrücke in einen gemeinsamen Bedeutungsbereich ´Herbst` eingeordnet. Das Beispiel zeigt, dass die inhaltliche Kontinuität eines Textes nicht zwingend kohäsive Verknüpfungen im Text voraussetzt.

Wie entsteht überhaupt inhaltlicher Zusammenhang in Texten, welche Möglichkeiten gibt es hier? Mit dieser Frage beschäftigen wir uns als Nächstes.

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