Читать книгу Die Kreuzritter - Генрик Сенкевич, Henryk Sienkiewicz - Страница 7

Zweites Kapitel.

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An der Thüre erschien jetzt die Fürstin, eine Frau in mittleren Jahren, in einem roten Mantel und einem enganliegenden grauen Gewande mit goldenem Gürtel, der vorn durch einen großen Ring am Kleide festgehalten war. Hinter der freundlich lächelnden Herrin zeigten sich einige Hoffräulein, ältere und auch halbwüchsige. Kränze aus Lilien und Rosen schmückten ihre Stirnen, und viele hatten Lauten in den Händen. Wieder andere trugen frische Blumensträuße, die sie wohl unterwegs gepflückt hatten. Bald war die ganze Stube voll, denn nach den Mädchen kamen mehrere Höflinge und Pagen. Heiter und guter Dinge traten alle ein, mit strahlenden Gesichtern, laut sprechend und singend, wie trunken von der schönen Nacht und dem hellen Mondschein. Unter den Höflingen befanden sich auch zwei fahrende Schüler, der eine mit einer Laute, der andere mit der Zither am Gürtel. Eines der Mägdlein, das noch ganz jung, vielleicht zwölf Jahre alt war, trug eine kleine, mit Kupfernägeln beschlagene Laute hinter der Fürstin her.

»Gelobt sei Jesus Christus!« sagte die Fürstin, in der Mitte des Gastzimmers stehen bleibend.

»Von Ewigkeit zu Ewigkeit, Amen!« antworteten die Anwesenden, sich tief verneigend.

»Wo ist der Wirt?«

Als dieser der Fürstin Worte vernahm, drängte er sich vor und ließ sich nach deutscher Sitte auf die Knie nieder.

»Wir wollen hier rasten und uns stärken,« sagte die Herrin. »Tummelt Euch also, denn wir sind hungrig.«

Die Bürger hatten sich bereits entfernt. Zwei Edelleute vom Orte, sowie Macko aus Bogdaniec und der junge Zbyszko verbeugten sich jetzt abermals und wollten die Gaststube verlassen, um die Gesellschaft nicht zu stören, aber die Fürstin hielt sie zurück.

»Ihr seid Edelleute, Ihr stört uns nicht. Macht Euch mit unseren Hofherren bekannt. Woher hat Euch Gott geführt?«

Nun gaben sie ihre Namen, ihr Geschlecht, ihre Beinamen und die Dörfer an, von denen sie die Namen trugen.

Als dann die Fürstin von Macko gehört hatte, woher er kam, klatschte sie in die Hände und rief: »Das trifft sich gut! Erzählt uns von Wilna, von meinem Bruder und meiner Schwester. Kommt Fürst Witold zur Entbindung der Königin und zur Taufe hierher?«

»Er wollte kommen, weiß aber nicht, ob es ihm möglich sein wird. Deshalb sandte er durch die Fürsten und Bojaren der Königin vorerst eine silberne Wiege als Geschenk. Mit dieser Wiege sind auch wir, mein Neffe und ich, gekommen und unterwegs haben wir sie bewacht.«

»Befindet sich diese Wiege hier? Ich möchte sie sehen. Ganz aus Silber ist sie?«

»Ja, ganz aus Silber. Aber sie befindet sich nicht hier. Sie ist schon nach Krakau gebracht worden.«

»Und was thut Ihr hier in Tyniec?«

»Wir kehrten hierher zurück, zu dem Prokurator des Klosters, unserm Blutsverwandten, um der Obhut des ehrwürdigen Ordens zu übergeben, was wir im Krieg gewannen und was der Fürst uns als Schenkung überließ.«

»Möge Gottes Segen darüber walten! Ist es ansehnliche Beute? Doch sagt, warum es noch ungewiß ist, ob mein Bruder kommt?«

»Für den Feldzug zu den Tataren rüstet er sich.«

»Ich sage Euch, mich quält nur das eine: die Königin hat diesem Feldzuge kein glückliches Ende prophezeit, und was sie prophezeit, trifft immer ein.«

Macko lachte. »Ei, unserer gottesfürchtigen Herrin will ich nicht widersprechen, aber mit dem Fürsten Witold zieht unsere ganze ritterliche Streitmacht aus, und es sind tüchtige Burschen, gegen die niemand aufkommt.«

»Zieht Ihr nicht mit?«

»Ich bin ja nebst den andern mit der Wiege abgesandt worden und habe zudem fünf Jahre lang den Harnisch nicht abgelegt,« entgegnete Macko, auf die vom Panzer im Lederkoller zurückgelassenen Spuren deutend. »Doch, sobald ich genügend der Ruhe gepflegt habe, gehe ich mit, und wenn ich auch selbst nicht mitgehe, so bringe ich doch meinen Bruderssohn Zbyszko dem Herrn Ipytko aus Mielsztyn, denn unter diesem Heerführer ziehen all' unsre Ritter aus.«

Die Fürstin Danuta blickte auf die schöne Gestalt Zbyszkos, aber das Gespräch ward durch den Eintritt eines Mönches unterbrochen, der nach der Begrüßung der Fürstin ihr demütig vorhielt, daß sie ihre Ankunft nicht durch einen Boten kund gethan habe, und daß sie sich nicht im Kloster, sondern in diesem gewöhnlichen Wirtshause aufhalte, das ihrer hohen Würde unwert sei. Im Kloster sei doch kein Mangel an Gemächern und Wohnungen, worin jedermann Unterkunft finde, und nun erst die hohe Frau, die Gattin des Fürsten, von dessen Vorfahren und Blutsverwandten die Abtei so viele Wohlthaten erhalten habe.

Aber die Fürstin antwortete in heiterem Tone: »Wir sind nur hier eingekehrt, um unsere Glieder wieder einigermaßen zu strecken, und in der Frühe müssen wir uns nach Krakau aufmachen. Bisher schliefen wir bei Tag und fuhren bei Nacht, der Kühle wegen, und obwohl hier bei unserer Ankunft die Hähne schon krähten, wollte ich die gottesfürchtigen Mönche nicht wecken, vornehmlich nicht mit solcher Gesellschaft, welche mehr an Gesang und Tanz als an Ruhe denkt.«

Da jedoch der Mönch noch weiter in sie drang, fügte sie hinzu: »Ich bleibe hier. Wir haben jetzt die beste Zeit, einige weltliche Gesänge anzuhören, aber zum Frühgottesdienst gehen wir in die Kirche, um den Tag mit Gott zu beginnen.«

»Man wird eine Messe lesen für das Wohlergehen des gnädigen Fürsten und der gnädigen Fürstin,« sagte der Mönch.

»Der Fürst, mein Gatte, wird erst nach vier oder fünf Tagen ankommen.«

»Unser Herrgott kann auch aus der Ferne seinen Segen verleihen, und mittlerweile möge es uns armen Klosterbrüdern vergönnt sein, Wein hierher zu bringen.«

»Wir werden uns dankbar dafür erweisen,« erwiderte die Fürstin.

Kaum hatte der Mönch sich entfernt, so rief sie: »Schnell, Danusia, steige auf die Bank und erfreue unser Herz mit dem nämlichen Liede, das Du in Zator gesungen hast.«

Als sie dies hörten, trugen zwei Hofherren eine Bank herein. Die fahrenden Schüler setzten sich an die beiden Enden, und das junge Mädchen, welches der Fürstin die mit Kupfernägeln beschlagene Laute nachgetragen hatte, stellte sich hinauf. Ihr Haupt war mit einem Blumenkranze geziert, die Haare hingen aufgelöst über ihre Schultern herab, sie hatte ein himmelblaues Gewand an und rote Schühchen mit langen Spitzen. Wie sie so dastand, sah sie aus wie ein wunderbar schönes Kind auf einem Heiligenbild oder in einem Kripplein in der Kirche. Offenbar war es aber nicht das erste Mal, daß sie so dastand, um der Fürstin vorzusingen, denn nicht die geringste Verwirrung zeigte sich auf ihrem Gesichte.

»Singe, Danusia, singe!« riefen die Hofdamen.

Nun nahm sie die Laute zur Hand, hob den Kopf in die Höhe wie ein Vogel, der zu singen anfängt, und die Aeuglein zudrückend, begann sie mit ihrem Silberstimmchen:

»Wie wär' ich gerne

Ein Gänslein klein,

Ich flög' in die Ferne

Zu Jasio mein!«


Die fahrenden Schüler begleiteten sie, der eine auf der Zither, der andere auf seiner großen Laute, die Fürstin, welche weltliche Gesänge über alles liebte, neigte das Haupt bald auf die eine, bald auf die andere Seite, und das Mädchen sang weiter, mit einer zarten, frischen, kindlichen Stimme, die klang wie Vogelgezwitscher im frühlingsgrünen Walde

»In Schlesien flög' ich nieder

Auf grünem Rain,

Die Waise sieh wieder,

Jasiulek mein!«


Und wieder begleiteten die fahrenden Schüler. Der junge Zbyszko aus Bogdaniec aber, der, von Kindheit an nur an den Krieg und dessen fürchterliche Erscheinungen gewöhnt, in seinem ganzen Leben noch nichts Aehnliches erschaut hatte, berührte den Arm eines neben ihm stehenden Masuren und fragte: »Wer ist das?«

»Ein Mägdlein vom Hofe der Fürstin. An fahrenden Sängern, welche den Hof ergötzen, fehlt es nicht, aber sie ist die beliebteste Sängerin, und die Fürstin hört keine andern Gesänge so gerne wie die ihrigen.«

»Mich wundert dies nicht. Sie ist ja ein wahrer Engel, und ich kann den Blick nicht von ihr abwenden. Wie wird sie genannt?«

»Und das wißt Ihr nicht? Danusia! Jurand aus Spychow, ein mächtiger und tapferer ›Comes‹, welcher zu den Landsassen gehört, ist ihr Vater.«

»Ach! Solch ein Wesen haben noch keine menschlichen Augen gesehen.«

»Sie wird auch von allen geliebt, sowohl ihres Gesanges als ihrer Schönheit wegen.«

»Und wer ist ihr Ritter?«

»Sie ist ja noch ein Kind.«

Durch den Gesang Danusias ward das Gespräch unterbrochen. Zbyszko blickte sie von der Seite an. Während er ihre hellen Haare, ihr erhobenes Köpfchen, ihre zugedrückten Augen und ihre ganze Gestalt betrachtete, die zugleich von dem Scheine der Wachslichter und von den durch die offenen Fenster fallenden Mondstrahlen beleuchtet wurde, staunte er immer mehr. Ihn dünkte, er habe dies schöne Bild schon einmal gesehen, ob im Traume oder zu Krakau auf einem Kirchenfenster, wußte er jedoch nicht zu sagen.

Und abermals den Arm des Hofherrn berührend, fragte er leise: »An Euerm Hofe ist sie?«

»Ihre Mutter kam aus Litauen mit der Fürstin Anna Danuta, und diese verheiratete sie an den Grafen Jurand von Spychow. Sie stammte aus einem mächtigen Geschlechte, war anmutig und mild, auch ward sie mehr als alle andern Mädchen von der Fürstin geschätzt. Sie selbst liebte die Fürstin innig, deshalb gab sie ihrer Tochter den gleichen Namen – Anna Danuta. Vor fünf Jahren nun, als bei Zlotorja die Deutschen unsern Hof überfielen, starb sie vor Schrecken. Damals nahm die Fürstin das Kind zu sich, und seit jener Zeit leitet sie dessen Erziehung. Der Vater kommt häufig an den Hof und sieht es mit Vergnügen, daß es seiner Tochter gut geht und daß sie unter dem Schutze der Fürstin steht. Allein so oft er Danusia anschaut, so oft vergießt er Thränen um die verstorbene Gattin, und dann sinnt er nur darauf, Rache an den Deutschen zu nehmen, für das, was sie ihm angethan. In ganz Masovien liebte niemand seine Ehefrau so innig, wie er die seine geliebt hatte – und ihretwegen hat er schon gar viele Deutsche ums Leben gebracht.«

Zbyszkos Augen blitzten und die Adern auf seiner Stirne schwollen an. »So ward also ihre Mutter von den Deutschen getötet?« fragte er.

»Ja und nein! Sie starb durch den Schrecken. Vor fünf Jahren war ja Frieden im Lande, niemand dachte an Krieg, und jeder konnte ungefährdet seines Weges ziehen. Der Fürst befand sich auf der Reise nach Zlotorja, wo er einen Turm bauen lassen wollte, er fuhr allein mit seinem Hofstaate, ohne Krieger, wie gewöhnlich zur Zeit des Friedens. Da überfielen ihn die Deutschen ohne Kriegserklärung, ohne jede Veranlassung. Aller Gottesfurcht Hohn sprechend, auch nicht bedenkend, daß seine Vorfahren ihnen viele Wohlthaten erwiesen hatten, banden ihn auf ein Pferd und führten ihn mit sich fort. Seine Leute aber wurden vollständig aufs Haupt geschlagen. Lange befand sich der Fürst in Gefangenschaft, und erst als König Wladislaw ihnen mit Krieg drohte, gaben sie Jurand aus Angst frei. Aber bei jenem Ueberfall starb Danusias Mutter, denn ihr Herz zog sich krampfhaft zusammen und stand dann plötzlich still.«

»Und Ihr, Herr, seid Ihr dabei gewesen? Wie nennt Ihr Euch? Ich vergaß es.«

»Mikolaj aus Dlugolas heiße ich, und Obuch werde ich genannt. Bei dem Ueberfall bin ich zugegen gewesen. Ich habe es mit angesehen, wie ein Deutscher, der Pfauenfedern als Helmzier trug, die Mutter Danusias an dem Sattel festbinden wollte, und wie sie vor seinen Augen starb. Auf mich haben sie mit der Hellebarde geschlagen, ich trage noch ein Merkmal davon.«

Bei diesen Worten zeigte er auf eine tiefe, sich unter den Haaren bis zu den Augenbrauen hinziehende Narbe in der Hirnschale.

Ein kurzes Schweigen folgte. Zbyszko blickte wieder auf Danusia, dann fragte er: »Und Ihr sagt, Herr, sie habe noch keinen Ritter?«

Doch wartete er die Antwort nicht ab, da in diesem Augenblick der Gesang verstummte. Einer der fahrenden Schüler, ein feister, starker Mensch, hatte sich plötzlich erhoben, wodurch sich die Bank auf eine Seite neigte. Danusia schwankte und streckte die Händchen aus, aber ehe sie noch fallen oder herabhüpfen konnte, sprang Zbyszko vor wie eine Wildkatze und fing sie in seinen Armen auf.

Die Fürstin, welche zuerst vor Schrecken laut geschrien hatte, lachte sogleich wieder und rief: »Das ist Dein Ritter, Danusia! Sei uns gegrüßt, o Ritter, und gieb uns die liebliche Sängerin zurück.«

»Allzu keck war die Art, wie er sie auffing!« ließen sich nun die Stimmen einiger Hofleute vernehmen.

Danusia immer noch in seinen Armen haltend, ging Zbyszko indessen auf die Fürstin zu. Das junge Mädchen hatte die eine Hand um seinen Hals geschlungen, während sie mit der andern die Laute emporhob, aus Furcht, das Instrument zu zerbrechen. Obwohl sie etwas erschreckt aussah, spielte dennoch ein Lächeln um ihre Lippen.

Als der Jüngling die Fürstin erreicht hatte, stellte er Danusia vor sich hin, er selbst aber kniete nieder, richtete stolz das Haupt auf und sagte mit einer für sein Alter erstaunlichen Kühnheit:

»Euern Worten gemäß soll es sein, edle Herrin! Es ist an der Zeit für dieses liebliche Jungfräulein, ihren Ritter zu wählen, an der Zeit auch für mich, eine Herrin zu wählen, deren Schönheit und Tugend ich verehren kann. Mit Eurer Erlaubnis werde ich das Gelöbnis ablegen, ihr unter allen Wechselfällen des Lebens Treue zu bewahren bis zum Tode.«

Auf dem Gesichte der Fürstin malte sich eine gewisse Verwunderung, aber weniger über Zbyszkos Worte, als darüber, daß alles so plötzlich kam. Es war zwar keine polnische Sitte, sich dem Dienste einer Herrin zu weihen, aber an der deutschen Grenze, in Masovien, wo häufig Ritter aus fernen Ländern zusammenströmten, kannte man sie besser als in andern Gegenden und ahmte sie sogar häufig nach. Die Fürstin hatte schon früher am Hofe ihres großen Vaters davon gehört, wo alle Sitten des Westens als Gesetz und nachahmungswürdiges Beispiel betrachtet wurden, deshalb erschien ihr das Vorhaben Zbyszkos nicht derart, daß sie oder Danusia dadurch hätte verletzt werden können. Im Gegenteil, sie freute sich, daß Herz und Augen eines Ritters sich dem lieblichen Hoffräulein zuwendeten. Daher sagte sie in heiterem Tone zu dem jungen Mädchen: »Danuska! Danuska! Willst Du ihn zu Deinem Ritter haben?«

Und die Kleine mit den herabwallenden Haaren hüpfte in ihren roten Schühchen zuerst dreimal in die Höhe, schlang dann den Arm um den Hals der Fürstin und rief mit dem Entzücken eines Kindes, dem man ein Spielzeug versprochen hat, woran sich sonst nur ältere Leute ergötzen dürfen: »Ja, ja, ich will ihn zum Ritter haben.«

Die Fürstin lachte, bis ihr die Thränen in die Augen traten, und mit ihr lachte der ganze Hof. Sich Danusias Armen entwindend sagte sie schließlich zu Zbyszko: »Nun gelobe Dich Deiner Herrin an. Was aber wirst Du ihr geloben?«

Und trotz des Gelächters unerschütterlichen Ernst bewahrend, erklärte Zbyszko, ohne sich von den Knien zu erheben: »Ich gelobe ihr, daß ich, in Krakau angelangt, meinen Schild in der Herberge aufhängen und ein Blatt daran befestigen werde, worauf von der Hand eines schriftkundigen Klerikers geschrieben steht, daß Jungfrau Danuta, Jurands Tochter, die schönste und tugendhafteste aller Frauen ist. Und wer dem widerstreitet, mit dem werde ich so lange streiten, bis eines von uns zu Grunde geht – es sei denn, daß ich noch zuvor in Gefangenschaft gerate.«

»Gut! Man sieht, Du kennst die ritterlichen Sitten. Und was soll weiter geschehen?«

»Da Herr Mikolaj aus Dlugolas zugestanden hat, daß die Mutter dieses Jungfräuleins durch Schuld eines Deutschen mit einem Pfauenbusch auf dem Helme, den letzten Seufzer aushauchte, gelobe ich hiermit, mich auf bloßem Leibe mit einem Hanfstricke zu gürten und ihn, wenn er mich auch tief in die Knochen schneidet, so lange zu tragen, bis ich drei solcher Pfauenbüsche von deutschen Rittern erbeutet und zu den Füßen meiner Herrin niedergelegt habe.«

Nun nahm die Fürstin einen feierlichen Ton an und fragte:

»Gelobst Du dies zum Scherze?«

»Nein, so mir Gott helfe und das heilige Kreuz! Und meine Gelübde will ich in der Kirche vor den Priestern wiederholen.«

»Rühmlich ist es, mit den grausamen Feinden unseres Stammes zu kämpfen, doch beklage ich Dich, weil Du so jung bist und gar leicht zu Grunde gehen kannst.«

In diesem Augenblick trat Macko aus Bogdaniec, welcher bisher wie ein Mensch, der einer vergangenen Zeit angehört, nur stillschweigend die Achseln gezuckt hatte, näher heran, denn er fühlte sich nun gedrungen, seine Ansicht auszusprechen.

»Spart Euer Mitleid, Herrin!« begann er. »Auch in der Schlacht kann jeden der Tod treffen, und für einen Edelmann, mag er nun alt oder jung sein, ist das ein ruhmreicher Tod. Zudem ist mein Bruderssohn in der Kriegskunst wohl erfahren, denn trotz seiner Jugend bestand er schon manches Treffen zu Pferde und zu Fuß, mit der Lanze und dem Beile, mit langem und mit kurzem Schwerte, mit und ohne Schild. Zwar ist es eine neue Sitte, daß ein Ritter sich dem Mägdlein, das er gerne sieht, angelobt, aber daß Zbyszko seiner Herrin drei Pfauenbüsche versprach, daraus mache ich ihm keinen Vorwurf. Er hat die Deutschen schon einmal gelaust, mag er sie noch weiter lausen, und wenn dabei ein paar Schädel bersten, wird sein Ruhm dadurch nur vergrößert werden.«

»Wie ich sehe, habe ich es nicht mit dem ersten besten zu thun,« sagte die Fürstin. Sich zu Danusia wendend, fügte sie dann hinzu: »Nimm meinen Platz ein, denn Du bist die wichtigste Person am heutigen Tage. Nur lache nicht, das schickt sich nicht.«


Danusia immer noch in seinen Armen haltend, ging Zbyszko auf die Fürstin zu.

Danusia setzte sich an den Platz ihrer Beschützerin, dabei wollte sie sich ein ernsthaftes Ansehen geben, doch ihre blauen Augen schauten lachend auf den knieenden Zbyszko nieder, und sie konnte sich nicht enthalten, vor Freude mit den Füßchen zu baumeln.

»Gieb ihm Deinen Handschuh!« gebot die Fürstin.

Danusia immer noch in seinen Armen haltend, ging Zbyszko auf die Fürstin zu.

Danusia zog den Handschuh aus und reichte ihn Zbyszko, der ihn mit großer Ehrfurcht ergriff. Während er ihn an die Lippen drückte, erklärte er: »An meinem Helme soll er prangen, aber wehe dem, der darnach greift.«

Dann küßte er Danusias Hände und Füße und erhob sich. Sein bisheriger Ernst war dahin. Voll Freude darüber, daß ihn von nun an dieser ganze Hof als reifen Mann betrachten werde, schwang er Danusias Handschuh, indem er halb scherzhaft, halb im Ernste ausrief: »Nun ist's vorbei mit Dir, Du mit dem Pfauenbusch! Nun ist's vorbei mit Dir!«

In Begleitung von zwei älteren Mönchen trat in diesem Augenblick der Ordensbruder in die Herberge, der schon zuvor dagewesen war. Den Drei folgten Klosterbedienstete mit Lastkörben voll von Krügen mit Wein und den verschiedensten, in der Eile zusammengebrachten Leckerbissen. Die Mönche begrüßten die Fürstin, fragten sie aber dann vorwurfsvoll, weshalb sie nicht in der Abtei eingekehrt sei. Doch die Fürstin erklärte immer wieder, da sie des Tages über der Ruhe gepflegt habe, um in der Kühle der Nacht die Reise fortzusetzen, bedürfe sie eines Obdaches nicht. Nichts liege ihr daher ferner, als den hochwerten Abt und die ehrwürdigen Ordensbrüder stören zu wollen, sie gedenke nur eine kurze Rast in der Herberge zu halten.

Nach Austausch vieler höflicher Redensarten einigte man sich dahin, daß sich die Fürstin nicht nur zur Frühmesse, sondern auch zum Morgenimbiß und zur Rast in dem Kloster einfinden solle. Die leutseligen Ordensbrüder luden außer den Masuren auch die Krakauer, sowie Macko aus Bogdaniec ein. Letzterer hegte indessen ohnedies die Absicht, sich in die Abtei zu begeben, um die im Kriege erbeutete Habe oder vielmehr die von dem freigebigen Witold erhaltenen Gaben zum Auslösen von Bogdaniec, das er dem Abte verpfändet hatte, in das Kloster zu bringen. Der junge Zbyszko hörte indessen die Einladung gar nicht. Von dem Wunsche beseelt, sich umzukleiden, um in schöner Gewandung vor der Fürstin und Danusia erscheinen zu können, war er zu den Wagen geeilt, die dem Oheim und ihm gehörten und sich unter der Obhut der Dienerschaft befanden. Aus einem der Gefährte verschiedene Gewandstücke entnehmend, ließ er alles in die Gesindestube bringen. Dort wollte er sich umkleiden. Nachdem er seine Haare eilig geglättet hatte, zog er eine netzförmige Haube darüber, die von einer Bernsteinkette zusammengehalten wurde, nach vorn jedoch mit echten Perlen geschmückt war. Dann legte er eine weißseidene, mit goldenen Greifen bestickte und mit einem zierlichen Saume geschmückte Jacke an. Dies Oberkleid umschloß ein breiter, goldener Gürtel, an dem ein silbernes, mit Elfenbein eingelegtes Dolchmesser hing. All dies war nicht mit Blut beschmutzt, sondern neu und blitzend, wenngleich es einem jungen, friesischen Ritter als Beute abgenommen worden war. Hierauf zog Zbyszko wunderschöne Unterkleider an, von denen die eine Hose der Länge nach grün und rot, die andere violett und gelb gestreift war, während beide gegen oben in buntscheckigen Würfeln endigten. Ein Paar purpurrote Schnabelschuhe vollendeten den Anzug. So geschmückt, schön und strahlend, trat Zbyszko wieder in die gemeinsame Stube.

Als er auf der Schwelle stand, machte sein Anblick auf alle Anwesenden einen mächtigen Eindruck. Freude schwellte auch das Herz der Fürstin, die klar sah, wie der wohlgestaltete, junge Ritter um die liebliche Danusia warb. Dies süße Kind aber sprang im ersten Impulse gleich einem Reh auf ihn zu. Doch, sei es nun, daß die Schönheit des Jünglings, sei es, daß die laut werdenden, bewundernden Stimmen des Hofstaates sie einschüchterten, sie blieb mit einem Male stehen, schlug die Augen nieder und drehte errötend und verwirrt ihre Fingerchen hin und her.

Allein Danusia war nicht die einzige, die sich Zbyszko näherte. Die Fürstin, die Hofherren und die Hofdamen, die fahrenden Schüler und die Mönche, alle wollten den Jüngling genauer sehen. Die masurischen Mädchen schauten zugleich prüfend und bedauernd auf die glänzende Erscheinung Zbyszkos, eine jede sichtlich schmerzlich davon berührt, daß er sie nicht zu seiner Auserkorenen erwählt hatte – die älteren Frauen bewunderten seine kostbare Gewandung, kurz, rings um ihn her stand ein Kreis von Neugierigen. Zbyszko aber, mit einem herausfordernden Lächeln auf seinem jugendlichen Antlitz, drehte sich unwillkürlich hin und her, damit man ihn besser sehen konnte.

»Wer ist das?« fragte einer der Mönche.

»Das ist ein Ritter, der Bruderssohn dieses Edelmannes,« erwiderte die Fürstin, auf Macko zeigend, »der sich dem Dienste Danusias gelobt hat.«

Der Mönch zeigte keinerlei Verwunderung über diesen Ausspruch, denn ein solcher Dienst verpflichtete zu nichts. Ein Ritter diente häufig einer verheirateten Frau, und in den hervorragenden Geschlechtern, unter welchen die abendländischen Sitten gäng und gäbe waren, hatte thatsächlich eine jede Dame ihren Ritter. Diente indessen ein Ritter einer unverheirateten Frau, so harrte diese nicht bei ihm aus, nein, im Gegenteile, sie nahm meistens einen andern Gatten, während er ihr, sofern er die Tugend der Standhaftigkeit besaß, die Treue bewahrte, auch wenn er sich mit einer andern vermählte.

Selbst die große Jugend Danusias setzte die Mönche nicht allzusehr in Staunen, bekleideten doch in jener Zeit sechzehnjährige junge Leute schon das Amt eines Burgvogts. Ja, die hohe Königin Jadwiga zählte bei ihrer Ankunft aus Ungarn erst fünfzehn Jahre, und es gehörte nicht zu den Seltenheiten, daß sich dreizehnjährige Mädchen schon verheirateten. Zbyszko erregte indessen in diesem Augenblicke weit mehr das Interesse als Danusia, und alle lauschten gespannt den Worten des Macko, der, voll Stolz auf den Bruderssohn, erzählte, auf welche Weise der Jüngling zu der prächtigen Gewandung gekommen war.

»Es mag wohl jetzt ein Jahr und neun Monate her sein,« so sprach Macko, »da waren wir zu Gast gebeten bei sächsischen Rittern. Unter ihnen befand sich ein Ritter aus dem Stamme der Friesen, die gar weit an dem Meere wohnen, und der hatte einen Sohn bei sich. Letzterer war drei Jahre älter als Zbyszko. Einmal nach dem Mahle hänselte der junge Friese meinen Bruderssohn fortwährend darüber, daß er weder Schnurrbart noch Knebelbart habe. Zbyszko, der stets rasch entschlossen ist, hörte dies nicht lange ruhig an, sondern packte ihn sofort am Kinn und riß ihm alle Barthaare heraus – später aber schlugen wir uns auf Tod oder auf Knechtschaft.«

»Wie, Ihr schlugt Euch?« fragte der Herr aus Dlugolas.

»Ja. Denn auf der Seite des Sohnes kämpfte der Vater, und ich stritt auf der Seite Zbyszkos: folglich kämpften wir zu vieren, inmitten der Gäste, auf der festgetretenen Erde. Solchergestalt lautete indessen die Abmachung: wer siegte, der sollte die Wagen, die Pferde und die Diener des Besiegten erhalten. Und Gott ließ uns seinen Schutz angedeihen. Wir trugen den Sieg über die Friesen davon, wenn schon mit Aufbietung aller Kraft, denn es fehlte ihnen weder an Tapferkeit, noch an Stärke. Gar beträchtliche Beute war unser Lohn. Nicht weniger als vier Wagen, an jedem ein Paar Klepper, vier kräftige Hengste, etliche Diener und zwei Rüstungen, so auserwählt, wie man sie bei uns kaum kennt, fielen uns zu. Vom Kopf bis zu den Füßen konnten wir uns durch die Beute nach dem Kampfe wappnen, allein, außerdem bedachte uns der Herr Jesus mit gar mancherlei, denn kostbare Gewänder fanden sich in einem zierlich beschlagenen Schrein, und auch die, welche Zbyszko jetzt trägt, waren darin.«

Auf diese Worte hin blickten die beiden Krakauer und alle Masuren mit noch größerer Hochachtung auf den Ohm und dessen Bruderssohn, der Herr aus Dlugolas, genannt Obuch, hingegen bemerkte: »Ihr seid nicht saumselig, das sehe ich, vor Euch kann man Respekt haben. Wir glauben jetzt, daß jener Grünschnabel drei Büsche Pfauenfedern erbeutet.«

Wohl zog nun ein Lächeln über Mackos Antlitz, doch in seinen ungeschlachten Zügen drückte sich große Habgier aus.

Jetzt erschienen wieder Klosterbedienstete mit Lastkörben voll Wein und allerlei Leckerbissen, und ihnen folgten Dienerinnen, die Schüsseln voll Rühreier und Bratwürste trugen. Bald duftete die ganze Stube nach wohlriechendem Schweinefett. In allen Anwesenden regte sich die Lust zum Essen, und flugs eilte man zu Tisch.

Doch keines ließ sich nieder, ehe die Fürstin in der Mitte der Tafel Platz genommen hatte. Diese aber befahl Zbyszko und Danusia, sich nebeneinander zu setzen, und sagte hierauf zu Zbyszko: »Wohl ziemt es sich, daß Ihr aus einer Schüssel mit Danusia speist, doch hütet Euch wohl, damit Ihr nicht auf ihre Füße unter dem Tische tretet, wie dies andere Ritter zu thun pflegen, denn sie ist noch zu jung dazu.«

Darauf erwiderte Zbyszko: »Dies thue ich nicht, es sei denn in zwei oder drei Jahren, wenn diese Knospe erblüht sein wird, und so mir der Herr Jesus gestattet, ihr weiter zu dienen. Abgesehen davon aber, könnte ich ihr ja gar nicht auf die Füße treten, wenn ich auch wollte, denn ihre Füße berühren noch gar nicht den Boden.«

»Das ist wahr!« entgegnete die Fürstin. »Es ist mir indessen lieb, zu sehen, daß Ihr der Sitte Rechnung tragt.«

Bald trat tiefes Schweigen ein, da alle mit Essen beschäftigt waren. Zbyszko schnitt die besten Stücke von den Schweinewürsten und reichte sie Danusia, zuweilen jedoch steckte er sie ihr direkt in den Mund. Das holde Kind aber, glücklich darüber, daß ihr ein so prächtig gekleideter Ritter diente, aß mit vollen Wangen, bald ihm, bald der Fürstin zuwinkend und zulächelnd.

Nachdem die Schüsseln hinweggeräumt worden waren, gossen die Klosterbediensteten den Männern unaufhörlich, den Frauen in angemessenen Zwischenräumen süßen, herrlich duftenden Wein ein. Die Ritterlichkeit Zbyszkos trat aber dann erst so recht zu Tage, als aus dem Kloster Gefäße, ganz mit Nüssen gefüllt, gebracht wurden. Wie ließen sich die Schmausenden die Walnüsse, besonders aber die Haselnüsse schmecken, eine große Seltenheit damals, weil sie aus weiter Ferne geschickt werden mußten. Mehrere Minuten hindurch ließ sich in der Stube nichts hören als das Krachen der zwischen den Kinnladen zermalmten Schalen. Der aber irrte sich, der glaubte, Zbyszko denke nur an sich. Ihm war hauptsächlich darum zu thun, der Fürstin sowohl wie Danusia seine ritterliche Kraft, seine Enthaltsamkeit zu zeigen und sich nicht durch sichtliche Gier nach dem seltenen Leckerbissen in ihren Augen zu erniedrigen. Wohl nahm er von Zeit zu Zeit eine Handvoll Nüsse, teils Haselnüsse, teils Walnüsse, allein er steckte sie nicht zwischen die Zähne, wie es die andern thaten, sondern zerdrückte sie in seinen eisernen Fingern und reichte dann Danusia den aus der Schale herausgenommenen Kern. Doch nicht genug damit, er sorgte auch für ihre Unterhaltung, denn indem er die geschlossene Hand an die Lippen führte, blies er mit seinem kräftigen Atem die Schalen bis zur Decke. Danusia lachte dermaßen, daß die Fürstin aus Furcht, das Mägdlein könne ersticken, dem jungen Ritter Einhalt gebieten mußte. Selbst erfreut aber über das Vergnügen Danusias, fragte sie: »Nun, Danusia, bist Du froh darüber, einen solchen Ritter zu haben?«

»Oh, wie froh!« rief das Jungfräulein. Dann streckte sie ihre rosigen Fingerchen aus, berührte die weißseidene Jacke Zbyszkos, und meinte, indem sie das Händchen rasch wieder zurückzog: »Aber wird er auch morgen noch mein sein?«

»Morgen und am Sonntag, und ewig, bis zum Tode!« entgegnete Zbyszko.

Das Essen zog sich sehr lange hinaus, denn nach den Nüssen wurden süße Kuchen, voll mit Rosinen, aufgetragen. Etliche von dem Hofstaate wollten tanzen, andere wollten die fahrenden Schüler oder Danusia singen hören; allein Danusias Augen fielen schließlich zu, und ihr Köpfchen schwankte hin und her. Ein oder zweimal raffte sie sich wieder empor, blickte mit großen Augen bald auf die Fürstin, bald auf Zbyszko, ein- oder zweimal rieb sie mit den Händchen die Augenlider – dann aber lehnte sie vertrauensvoll das Köpfchen an die Schulter des Ritters und fiel in tiefen Schlummer.

»Schläft sie?« fragte die Fürstin. »Ja, ja, nun könnt Ihr Eure Dame betrachten.«

»Sie entzückt mich mehr in der Ruhe als jede andere im Tanze,« bemerkte Zbyszko, der aufrecht und unbeweglich dasaß, um das Mädchen nicht zu wecken.

Doch dies war nicht zu befürchten; selbst durch das Spiel und den Gesang der fahrenden Schüler wurde sie nicht wach. Je größer der Lärm wurde – etliche schlugen den Takt, andere klirrten mit den Schüsseln – desto fester schlief sie mit offenem Munde, gleich einem Fische. Sie erwachte erst, als bei dem leisen Krähen der Hähne und bei dem Klange der Kirchenglocken alle mit dem Rufe emporsprangen: »Zur Frühmesse! Zur Frühmesse!«

»Laßt uns zu Fuße gehen, zum Ruhme Gottes!« rief die Fürstin. Und die plötzlich munter gewordene Danusia an der Hand ergreifend, verließ sie als Erste die Herberge. Ihr folgte der ganze Hofstaat.

Der Morgen brach allgemach an. Gen Osten war der ganze Himmel wie in Licht getaucht, bald grünlich, bald rötlich schimmerte er, und mehr und mehr breiteten sich glänzende, goldene Streifen darüber aus. Der Mond schien sich vor dieser Helle nach Westen flüchten zu wollen. Immer rosiger ward das Firmament, immer heller graute der Tag. Taufrisch, heiter und ausgeruht erwachte die Welt aus ihrem Schlummer.

»Gott verlieh uns heiteres Wetter, aber es wird furchtbar heiß werden,« bemerkten die Hofleute der Fürstin.

»Das ist nicht so schlimm,« beruhigte sie der Herr von Dlugolas, »wir rasten in der Abtei und kommen gegen Abend nach Krakau.«

»Gewiß wieder nach dem Gastmahle. Dort sind ja jetzt täglich Gastmahle, und nach der Entbindung und nach den Ritterspielen werden noch viele stattfinden.«

»Ich bin gespannt darauf, wie sich Danusias Ritter halten wird.«

»Ei, das scheinen zwei wackere Gesellen zu sein. Habt Ihr gehört, was der eine über jenen Kampf zu vieren erzählte? Vielleicht schließen sie sich unserem Hofe an, denn schaut, sie beraten sich unter einander.«

Dies war auch thatsächlich der Fall. Der alte Macko war mit dem, was geschehen, nicht gar sehr zufrieden. Nachdem er sich daher, um besser reden zu können, mit Zbyszko von dem Gefolge entfernt hatte, begann er: »Um die Wahrheit zu sagen, das ist nichts für Dich. Bei mir ist das etwas anderes. Ich dränge mich bis zum König. Im Anschluß an diesen Hof gelingt es mir vielleicht eher. Wohl möglich, daß ich etwas erreiche. Eine Burg oder ein Schloß wäre nicht zu verachten. Nun, nun, wir werden ja sehen. Eins ist sicher, Bogdaniec löse ich aus. Was unsere Väter besaßen, das wollen wir auch besitzen. Aber woher sollen wir die Bauern nehmen? Die, welche der Abt hingeschickt hat, die fordert er zurück – was nützt uns aber das größte Stück Land ohne Bauern? Drum merke auf das, was ich Dir sage. Ob Du Dich nun Danusia gelobt hast oder nicht, Du gehst zu dem Fürsten Witold und mit diesem ziehst Du gegen die Tataren. Findet der Feldzug vor der Entbindung der Königin statt, dann warte weder die Niederkunft, noch die darauffolgenden Ritterspiele ab, denn aus einem solchen Feldzuge wird Dir Nutzen erwachsen. Du weißt, wie freigebig Fürst Witold ist, und Dich kennt er schon. Reichlich wirst Du belohnt werden, so Du Dich tapfer erweisest. Und was noch mehr! Sklaven kannst Du bekommen im Ueberflusse. Tataren giebt es so viel wie Ameisen auf der Welt. Im Falle des Sieges fällt ein ganzes Schock davon auf jeden. – Bei Gott, so an die fünfzig Bauern nehmen und sie in Bogdaniec ansiedeln, das wäre etwas!« fuhr Macko nach einer kurzen Pause fort. »Dann könnte das waldreiche Land ausgerodet werden. Wir beide, wir könnten uns dadurch Reichtümer sammeln. Auf dem Zuge gegen die Tataren kannst Du Dir reiche Beute erringen.«

Allein Zbyszko schüttelte das Haupt. »Ach, was Ihr nicht alles wißt! Pferdeknechte, die von Pferdefleisch leben, könnte ich höchstens in Fesseln schlagen. Sind aber die vielleicht an Feldarbeit gewöhnt? Was sollte ich daher mit ihnen in Bogdaniec thun? Und zudem, ich gelobte drei deutsche Pfauenfederbüsche. Kann ich die vielleicht in der Tatarei finden?«

»Thöricht handeltest Du, als Du ein Gelöbnis ablegtest, und das Gelöbnis entspricht Deiner Thorheit.«

»Und meine Ehre als Edelmann und Ritter? Haltet Ihr die für nichts?«

»Wie war es denn mit Nyngalla?«

»Nyngalla vergiftete den Fürsten – mich aber hat der Einsiedler von meinem Gelöbnis losgesprochen.«

»Dann wird Dich der Abt in Tyniec auch lossprechen. Der Abt kann dies noch besser als der Eremit, denn dieser hat weit eher einem Räuber als einem Mönche geglichen.«

»Das will ich aber nicht.«

»So! Und wie soll es dann werden?« fragte jetzt Macko mit mühsam unterdrücktem Zorn.

»Ihr geht eben selbst zu Witold, denn ich gehe nicht.«

»Du Knecht! Wer soll dann dem König die geziemende Ehrfurcht erweisen? Und sorgst Du Dich denn nicht um meine Knochen?«

»Auf Eure Knochen kann ein Baum stürzen, und sie zerbrechen doch nicht. Doch selbst, wenn ich mich darob sorgte, ich gehe nicht zu Witold.«

»Was gedenkst Du denn zu thun? Ha, Du willst wohl Falkenier oder Sänger an dem masurischen Hofe werden?«

»Falkenier zu sein, ist noch nicht das Schlimmste, doch Ihr wollt mich nicht anhören, Ihr wollt brummen, also brummt nur, mir kann es gleich sein.«

»Sprich, sag', was Du zu thun gedenkst! Ist Dir denn Bogdaniec gar nichts? Kannst Du vielleicht mit Deinen Krallen ackern, ohne Bauern?«

»Ihr bildet Euch ein, das ginge so leicht mit den Tataren; dem ist aber nicht so. Ihr vergeßt, was die Rusini sagten: ›Tataren findet man wohl erschlagen auf dem Felde, allein Sklaven erwischt man nicht, denn in der Steppe erjagt man keine Tataren.‹ Auf welche Art sollte ich sie auch erjagen? Auf den schwerfälligen Hengsten, die wir den Deutschen genommen haben? Seht Ihr nun? Und was kann ich erbeuten? Räudige Schafpelze, sonst nichts. Wie soll ich denn da als reicher Mann nach Bogdaniec kommen? › Comes‹ wird man mich nennen.«

Macko blickte stumm vor sich nieder. In den Worten Zbyszkos lag viel Wahrheit. Doch nach wenigen Minuten hub der Alte wieder an: »Wenn Dich aber nun der Fürst Witold reich belohnen würde?«

»Bah, das will nichts heißen, dem einen giebt er oft zu viel, dem andern nichts.«

»So sprich, wohin Du Dich wenden willst!«

»Zu Jurand aus Spychow.«

Macko schob voll Zorn den Gurt seines ledernen Kollers hin und her, indem er rief: »Mit Blindheit möge Dich der Herr schlagen!«

»Leiht mir ein aufmerksames Ohr,« entgegnete Zbyszko ruhig. »Ich habe mit Mikolaj aus Dlugolas gesprochen, und dieser behauptet, Jurand wolle wegen seiner Frau Rache an den Deutschen nehmen. Ihm folge ich, ihm leiste ich Hilfe, Ihr und ich, wir kennen die Art der Deutschen. Für mich ist es daher erstens nichts Schreckhaftes, mit den Deutschen zusammenzutreffen, zweitens erbeute ich über der Grenze eher Pfauenfederbüsche, und drittens erlange ich dort überhaupt große Beute, denn einen Kamm aus Pfauenfedern trägt nicht der erste beste Knecht auf dem Kopfe, folglich vermehrt der Herr Jesus auch die Beute, wenn er die Zahl der Pfauenfederkämme vermehrt. Aber auch abgesehen von dem allem: der dortige Sklave ist kein Tatar. Letzteren aber im Walde anzusiedeln – daß Gott erbarme.«

»Hast Du den Verstand verloren, Bursche? Jetzt giebt es doch dort keinen Krieg, und Gott weiß, wann es einen geben wird.«

»Oh, was Ihr nicht alles wißt! Ha, ha, die Bären haben mit dem Zeidler Frieden gemacht, und die Nester der wilden Bienen werden nicht mehr zerstört, der Honig wird nicht mehr gefressen! Wohl ist kein großes Kriegsheer aufgestellt, wohl hat der König ein kunstvolles Siegel auf das Pergament gesetzt, allein trotzdem herrscht an den Grenzen noch ein furchtbares Wirrnis. Ist das eine Neuigkeit für Euch? Vieh und Herden verpfänden sie sich, so daß sie sich oftmals einer Kuh wegen die Saaten abbrennen, die Burgen belagern. Und werden nicht fortwährend Burschen und Mädchen entführt, Kaufleute auf der Landstraße gefangen genommen? Erinnert Ihr Euch denn nicht mehr der früheren Zeiten, von denen Ihr mir selbst erzählt habt? Ist es etwa jenem Nalecz schlimm gegangen, der vierzig Ritter, die sich auf dem Wege zu den Kreuzrittern befanden, aufgreifen und in einen unterirdischen Kerker werfen ließ, aus dem er sie nicht eher wieder freigab, als bis ihm der Großmeister einen Wagen voll Goldstücke schickte? Jurand aus Spychow thut auch nichts anderes, und an der Grenze giebt es immer Arbeit.«

Während einiger Minuten trat Schweigen ein. Mittlerweile war es völlig Tag geworden. Die lichten Strahlen der Sonne warfen einen güldenen Glanz auf das Felsgestein, auf dem die Abtei stand.

»Gott kann überall Glück gewähren,« ergriff schließlich Macko mit besänftigter Stimme wieder das Wort, »bitte ihn, daß er Dich segnen möge.«

»Das will ich, denn alles hängt von seiner Gnade ab.«

»Und denke an Bogdaniec, denn davon bin ich überzeugt, nicht wegen Bogdaniec, sondern wegen der plappernden Ente willst Du mit Jurand aus Spychow gegen die Deutschen ziehen.«

»Redet nicht in solcher Weise, denn sonst gerate ich in Zorn,« erwiderte Zbyszko. »Daß ich die Maid gern sehe, leugne ich nicht. Was will Nyngalla gegen sie bedeuten? Habt Ihr jemals etwas Holderes gesehen?«

»Was ficht mich ihre Holdseligkeit an? Am besten ist's, Du vermählst Dich mit ihr, sobald sie erwachsen sein wird. Ist sie doch die Tochter eines mächtigen Grafen.«

Ein freudiges Lächeln erhellte Zbyszkos jugendfrisches Antlitz.

»Das beabsichtige ich auch. Sie ist meine Gebieterin, sie wird mein Weib. Ei, wenn Ihr Euch auch noch so sehr dagegen auflehnt, so werdet Ihr doch noch die Kinder von ihr und mir auf Euren Armen wiegen.«

Daraufhin lächelte auch Macko und erwiderte vollständig besänftigt: »Mögen es ihrer so viele sein, wie Sand am Meere. Im Alter die Freude, nach dem Tode die Seligkeit, dies uns verleihe, o Herr Jesus!«

Die Kreuzritter

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