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Drittes Kapitel.

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Inhaltsverzeichnis

Die Fürstin, Danusia, Macko und Zbyszko, sie alle waren schon häufig in Tyniec gewesen, aber unter der Schar der Hofleute gab es gar viele, die zum erstenmal die Abtei erblickten. Mit großen, staunenden Augen schauten sie auf den herrlichen Bau, auf die Zinnen, die über Felsen und Abgründe hinliefen, auf die mannigfaltigsten Baulichkeiten, welche teils auf seitwärts gelegenen Hügeln standen, teils innerhalb der Wälle emporragten und von dem Glanze der aufgehenden Sonne vergoldet wurden. Von welchem Reichtum zeugten all diese Bauten, die auf den Hügeln liegenden Gärten, die sorgsam bestellten Felder, welche sich allerorts dem Blicke darboten – sie sprachen von einem aus ewigen Zeiten herrührenden, unerschöpflichen Reichtume, an den die Leute aus dem armen Masovien nicht gewöhnt waren, und der sie daher mit Verwunderung erfüllen mußte. Wohl existierten noch in anderen Teilen des Landes, wie z. B. in Lubusz an der Oder, in Plock in Großpolen und in Mogilno uralte, große Benediktiner-Abteien, allein keine vermochte sich an Größe mit der Abtei von Tyniec zu messen, deren Ländereien an Ausdehnung die eines selbständigen Fürstentums übertrafen, deren Einkünfte den Neid damaliger Könige zu erwecken vermochten.

Je näher sie der Abtei kamen, umsomehr wuchs das Staunen der Hofleute. Oftmals glaubten sie den eigenen Augen nicht trauen zu dürfen. Die Fürstin indessen, von dem Wunsche beseelt, sich die Zeit zu verkürzen und die Neugierde der sie begleitenden Hoffräulein zu erregen, bat einen der Mönche, er möge ihnen doch die uralte, furchtbare Sage von Walgierz Wlady erzählen, von der sie in Krakau schon hatte sprechen hören. Unverweilt scharten sich nun die Mägdelein dicht um die Herrin und schritten gemächlich mit dieser der Höhe zu, in dem morgendlichen Sonnenlichte wandelnden Blumen gleichend.

»Dem Bruder Hidulf ist Walgierz schon einmal des Nachts erschienen, er möge Euch daher von ihm berichten,« erklärte einer der Mönche, indem er auf einen durch das Alter ergrauten Ordensbruder deutete, der etwas gebeugt neben Mikolaj von Dlugolas einherschritt.

»Habt Ihr ihn wirklich mit Euren eigenen Augen gesehen, ehrwürdiger Vater,« fragte die Fürstin.

»Ich habe ihn gesehen,« entgegnete düster der Mönch, »denn in einer bestimmten Zeit steht es ihm nach dem Willen Gottes frei, die höllische Unterwelt zu verlassen und sich der Welt zu zeigen.«

»Wann pflegt dies zu sein?«

Der Mönch blickte auf seine Gefährten und schwieg, herrschte doch der Glauben, der Geist von Walgierz zeige sich dann, wenn die Sitten des Ordens sich verschlechtern, und wenn die Mönche, mehr als es gestattet ist, an weltlichen Besitz, an weltliche Vergnügungen denken. Dies wollte selbstverständlich keiner offen bekennen, da indessen auch angenommen wurde, das Erscheinen des Walgierz deute auf Krieg oder auf irgend ein anderes unglückliches Ereignis, hub Bruder Hidulf nach kurzem Schweigen wieder an: »Sein Erscheinen weissagt nichts Gutes.«

»Um nichts in der Welt möchte ich ihn sehen!« rief die Fürstin, sich bekreuzend. »Doch sagt, weshalb ist er denn in der Hölle, wenn er sich, wie ich hörte, nur für das ihm angethane schwere Unrecht rächte?«

»Hätte er auch stets tugendhaft gehandelt, so wäre er doch verdammt worden,« entgegnete der Mönch in strengem Tone, »denn er lebte in heidnischen Zeiten und wurde nicht durch die heilige Taufe von der Erbsünde gereinigt.«

Bei diesen Worten zogen sich die Brauen der Fürstin schmerzlich zusammen, denn sie gedachte ihres Vaters, dessen Andenken sie treu im Herzen bewahrte. Auch er war als Heide gestorben, und mußte nun wohl in alle Ewigkeit in der Hölle brennen.

»Wir lauschen Euren Worten,« erklärte sie jedoch nach kurzer Pause.

Und Bruder Hidulf sprach also: »Es lebte in heidnischen Zeiten ein mächtiger Graf, welcher wegen seiner großen Schönheit Walgierz Wlady genannt wurde. Dieses ganze Land, soweit das Auge reicht, gehörte ihm, und bei Kriegsläuften führte er außer dem Fußvolke noch gegen hundert Lanzenreiter mit, denn alle Vogteien, im Westen bis nach Opole, im Osten bis nach Sandomierz waren ihm unterthan. Seine Herden konnte niemand zählen, und in Tyniec besaß er, wie jetzt die Kreuzritter in Marienburg, einen ganz mit Gold gefüllten Turm.«

»Ja, das weiß ich, die Kreuzritter besitzen einen solchen Turm,« warf hier die Fürstin Danuta ein.

»Und Walgierz war wie ein Riese,« fuhr der Mönch fort, »Eichbäume riß er mit der Wurzel aus, und an Schönheit, im Spiele der Laute und im Gesange kam ihm kein Mensch in der ganzen Welt gleich. Da einmal, als er sich an dem französischen Königshofe befand, ward die Königstochter Helgunde von heftiger Liebe für ihn ergriffen, und sie floh mit ihm nach Tyniec, denn nach dem Willen des Vaters sollte sie zum Lobe des Herrn in ein Kloster gehen. In Tyniec aber hausten die beiden in Unzucht mit einander, kein Priester wollte sie zusammengeben in christlicher Ehe. Zu damaliger Zeit aber lebte in Wislica ein gewisser Wislan Piêkny aus dem königlichen Geschlechte Popiel, und dieser verwüstete während der Abwesenheit von Walgierz Wlady die ganze Grafschaft Tyniec. Doch Walgierz zog nach seiner Rückkehr gegen den Wislaw Piêkny, besiegte ihn und führte ihn als Sklaven nach Tiniec. Er ahnte freilich nicht, daß jede Frau, deren Augen auf Wislaw fielen, bereit sein werde, Vater, Mutter und Ehegemahl zu verraten. So geschah es auch mit Helgunde. Solche Fesseln ersann sie für Walgierz, daß er, ein Riese, der Eichbäume entwurzelte, sich nicht zu befreien vermochte, dann übergab sie ihn dem Wislaw, welcher ihn sofort nach Wislica brachte. Hier schmachtete er im Kerker. Als er aber einstmals zu singen anhub, da hörte ihn Rynga, die Schwester des Wislaw, und Liebe ergriff sie für ihn, und sie befreite ihn aus der Gefangenschaft. Mit dem Schwerte erschlug hierauf Walgierz den Wislaw und Helgunde, überließ ihre Körper den Raben, und zog mit Rynga wieder in Tyniec ein.«

»Für welches Unrecht muß er aber dann büßen?« fragte die Fürstin.

Doch Bruder Hidulf rief: »Hätte er sich taufen lassen, hätte er Tyniec den Benediktinern übergeben, dann würde ihm der Herr seine Sünden verziehen haben, allein er that dies nicht, deshalb verschlang ihn die Hölle.«

»Es gab aber doch schon Benediktiner in diesem Königreiche?«

»Nein, dazumal sind noch keine Benediktiner in dem Königreiche gewesen, denn selbst hier lebten noch Heiden.«

»Wie hätte er dann die Taufe nehmen oder Tyniec übergeben können?«

»Er wollte sich nicht taufen lassen, und deshalb ist er vornehmlich zur ewigen Höllenstrafe verdammt,« warf hier der Mönch würdevoll ein.

»Er hat recht, er spricht billig!« ertönten jetzt einige Stimmen.

Mittlerweile hatten die Wandernden ihr Ziel erreicht. Vor dem Hauptthore des Klosters wurde die Fürstin von dem Abte an der Spitze zahlreicher Mönche und Edelleute erwartet. Wie dies stets zu sein pflegte, so waren auch jetzt viele weltliche Leute – Oekonomen, Advokaten, Prokuratoren, mannigfaltige Klosterbeamte – anwesend. Eine Menge Landbewohner, sogar mächtige Edelleute, hatten auf Grund eines ausnahmsweise in Polen geltenden Lehensrechtes klösterlichen Besitz in Pacht, und diese als »Vasallen« erschienen gern an dem Hofe des Oberlehensherrn, wurden doch nicht allzu selten am Hochaltare allerlei Wohlthaten erwiesen, Schenkungen erteilt, Erleichterungen gewährt, je nach der Laune des mächtigen Abtes, bei dem oft eine kleine Gefälligkeit, ein passendes Wort die größte Wirkung thaten. Die Aussicht auf die Festlichkeiten in der Hauptstadt hatte auch Vasallen aus entfernteren Gegenden herbeigezogen, und alle, welche keine Unterkunft in Krakau finden konnten, erhielten Obdach in Tyniec. Aus diesem Grunde konnte daher » abbas centum villarum« die Fürstin mit noch größerem Gefolge als gewöhnlich empfangen.

Der Abt, ein hochgewachsener, völlig kahlköpfiger Mann, mit einem hageren, klugen Gesichte und einem spärlichen, grauen Schnurrbart, hatte über der Stirn eine tiefe Narbe, die wohl aus seinen jungen, streitbaren Jahren herrühren mochte. Hochmütig schauten die scharfblickenden Augen unter den schwarzen Brauen hervor. Gleich den andern Mönchen war er in eine Kutte gekleidet, aber über dieser Kutte trug er einen schwarzen, rot gefütterten Mantel und um den Hals eine goldene Kette, an der ein gleichfalls goldenes, mit kostbaren Steinen besetztes Kreuz hing. Seine ganze Erscheinung verriet den Hochmut eines Menschen, dem das Befehlen zur zweiten Natur geworden, der voll Selbstvertrauen ist.

Wohlwollend, ja sogar fast unterthänig, begrüßte er indessen die Fürstin, deren Gatte aus dem gleichen Geschlechte der masurischen Fürsten stammte, aus dem nicht nur die Könige Wladislaw und Kasimir hervorgegangen waren, sondern auch von mütterlicher Seite die regierende Königin, die reichste Herrscherin der Welt. Das Haupt neigend, überschritt er die Thorschwelle, und mit einer kleinen goldenen Kapsel, die er zwischen den Fingern der rechten Hand hielt, das Zeichen des Kreuzes sowohl über Anna Danuta, sowie über deren ganzes Gefolge machend, sprach er: »Seid gegrüßt, huldreiche Frau, auf der armseligen Klosterschwelle. Möge der hl. Benedikt aus Nursia, der hl. Maurus, der hl. Bonifacius, der hl. Benedikt aus Anian und auch Johannes aus Tolamei – unsere Schutzheiligen, die in dem Glanze der Ewigkeit leben – Euch Gesundheit, Glück verleihen, und mögen sie Euch segnen siebenmal tagtäglich während der Dauer Eures Erdenlebens.«

»Taub müßten sie sein, wenn sie den gütigen Worten eines solch großen Abtes nicht Gehör schenken würden,« entgegnete mit herzlichem Tone die Fürstin, »und dies um so mehr, als wir zur Messe kommen, während welcher wir uns unter deren Schutz stellen.«

Bei diesen Worten reichte sie dem Abte die Hand, die er, nach höfischer Sitte sich auf ein Knie niederlassend, ritterlich küßte. Dann überschritten sie gemeinsam die Thorschwelle. Mit der Messe hatte man augenscheinlich nur auf sie gewartet, denn in diesem Augenblicke ertönten die Glocken und Glöckchen, Musiker, die zu Ehren der Fürstin an den Kirchenthüren aufgestellt worden waren, bliesen in ihre hellklingenden Trompeten, während andere auf ungeheuere, aus Kupfer geschmiedete, mit Fellen überzogene Kessel schlugen und dadurch einen schallenden Lärm hervorriefen. Auf Anna Danuta, die nicht als Christin geboren worden war, hatte bis jetzt jede Kirche einen großen Eindruck gemacht, die Kirche in Tyniec aber übertraf an Pracht fast alle andern, nur ganz wenige ließen sich mit ihr vergleichen. Dämmerung herrschte in dem Heiligtum, nur an dem Hochaltar zitterten einige Lichtstreifen und vermengten sich mit dem Kerzenscheine, in dem die Vergoldung und das reiche Schnitzwerk sichtbar wurden. Ein Mönch im Ornate celebrierte die Messe. Wohlriechender Weihrauch stieg aus den hin und her geschwungenen Gefäßen in leichten Ringeln in die Höhe. Bald waren Priester und Altar davon eingehüllt, so daß das Geheimnisvolle der Kirche noch erhöht wurde. Die Hände vor dem Antlitz, mit zurückgebeugtem Haupte betete Anna Danuta inbrünstig. Aber als die Orgel erklang, damals noch eine Seltenheit in den Kirchen, als in dem mächtigen Raume herrliche, süße Accorde ertönten, die gleich Engelsstimmen, die gleich Nachtigallensang anzuhören waren, richteten sich die Augen der Fürstin gen oben. Wohl prägte sich auf ihrem Gesichte Frömmigkeit und Bangen aus, aber gleichzeitig auch eine Wonne ohne Grenzen – und wer auf sie schaute, dem erschien sie wie eine Gebenedeite, die in einem wunderbaren Traumgesichte den Himmel geöffnet vor sich sah.

Wenn auch die im Heidentume aufgewachsene Tochter des Kiejstut, wie die meisten ihrer Zeitgenossen, im alltäglichen Leben freudig und vertrauensvoll auf Gottes Barmherzigkeit und Hilfe baute, so betete sie doch im Hause des Herrn mit kindlicher Demut und erhob voll Furcht die Blicke zu der geheimnisvollen und unermeßlichen Macht.

Aber auch das ganze Gefolge betete voll Hingebung, die Hofdamen hatten sich mit der Fürstin in die Stalla begeben, Zbyszko jedoch kniete inmitten der Masuren vor der Stalla und empfahl sich dem göttlichen Schutze. Immer wieder blickte er auf Danusia, die mit gesenkten Augen neben der Fürstin kniete, und stets sagte er sich dann aufs neue, es lohne sich wohl der Mühe, der Ritter eines solchen Mädchens zu sein. Er hatte ihr indessen auch nicht das erste beste Gelöbnis abgelegt. Wohl trug er unter seiner erbeuteten Jacke einen hänfenen Strick, was wollte aber dies heißen! Noch ganz andere Schwierigkeiten mußten überwunden werden. Jetzt, da ihm der Kopf wieder klar geworden war von dem Bier und von dem Weine, die er in der Herberge getrunken hatte, sann er nach, auf welche Weise er seinen Verpflichtungen nachkommen sollte. Krieg herrschte nicht. Bei den Grenzstreitigkeiten konnte er zwar mit einem Deutschen anbinden und entweder dessen Knochen zerschlagen oder selbst mit dem Kopfe dafür büßen. Das hatte er auch Macko auseinandergesetzt. Nur – das kam ihm jetzt in den Sinn – trug ja nicht jeder Deutsche Büsche aus Pfauen-oder Straußfedern auf dem Helme. Von den Gästen der Kreuzritter hatten nur die Pfauenfederbüsche auf den Helmen, welche dem Grafenstande angehörten, von den Kreuzrittern selbst nur die Komture – und von diesen nicht ein jeder. »Bevor es zu einem Kriege kommt,« so sagte er sich nun, »können Jahre vergehen, also können auch noch Jahre verstreichen, bevor ich die drei Büsche erringe. Da ich selbst noch nicht Ritter bin, darf ich auch keine Ritter zum Kampfe herausfordern. Zwar darf ich es als sicher annehmen, daß ich während der Ritterspiele, die zur Feier der Taufe angesagt sind, den Rittergurt aus den Händen des Königs empfange, aber was beginne ich dann? Ich werde zu Jurand aus Spychow gehen; mit ihm will ich ausziehen und so viel Knechte erschlagen, als es in meiner Macht liegt. Damit muß ich mich begnügen. Doch ach, die Knechte der Kreuzritter tragen keine Pfauenfederbüsche auf den Helmen.«

In seiner Bedrängnis wurde es ihm immer gewisser, daß sich ohne Beistand Gottes nichts ausführen lasse, deshalb betete er: »Verleih uns, Jesus, Krieg mit den Kreuzrittern und mit den Deutschen, denn sie sind Feinde dieses Königreiches und aller Nationen, die in unserer Sprache Deinen heiligen Namen anbeten. Segne uns und zermalme jene. Sie ziehen es vor, dem Höllenvogte zu dienen, statt sich Deinem Dienste zu weihen, Haß tragen sie gegen uns im Herzen, weil unser König und unsere Königin ihnen verbot, nachdem die Litauer die heilige Taufe erhalten hatten, mit dem Schwerte Deine christlichen Diener niederzuschlagen. Ich aber, der sündige Zbyszko, thue Buße vor Dir und vor Deinen fünf Wunden. Flehentlich bitte ich um Deine Hilfe. Sende mir zu, sobald wie möglich, drei namhafte Deutsche mit Pfauenfederbüschen auf den Helmen und gestatte mir in Deiner Gnade, sie tödlich zu treffen. Denn ich habe jene drei Büsche Deiner Dienerin, der Tochter des Jurand, dem Jungfräulein Danusia versprochen und auf meine ritterliche Ehre gelobt. Alles hingegen, was ich sonst erbeute in dem Kampfe, das schenke ich getreulich als Zehnten Deinen heiligen Kirchen, damit auch Du, o süßer Jesu, Nutzen und Ruhm durch mich erringst, und damit Du erkennst, daß ich aufrichtigen Herzens und nicht nur so gedankenlos etwas versprach. Und da meine Worte auf reiner Wahrheit beruhen, so stehe mir bei, Amen!«

Immer inbrünstiger wurde er in seinem Gebete, und immer wieder neue Gelübde legte er ab. So gelobte er, daß er nach Auslösung von Bogdaniec der Kirche alles Wachs weihe, das sich das Jahr hindurch in den Bienenstöcken ansammle. Sein Oheim Macko werde sich dem nicht widersetzen, beteuerte er in seinem Gebete, und da sich der Herr Jesus sicherlich auf das Wachs für Kerzen unendlich freue, dürfe er wohl auf dessen rasche Hilfe bauen, denn der Herr Jesus wolle doch gewiß so bald wie möglich seine Kerzen erhalten. Diese Ueberzeugung machte ihn froh und heiter. Fast mit Sicherheit rechnete er jetzt nicht nur darauf, daß es zum Krieg komme, sondern daß er auch sein Ziel erlange, wenn kein Krieg ausbreche. Vor Kraft strotzend, hätte er es allein mit einem ganzen Fähnlein aufgenommen, ja, er verstieg sich sogar so weit, daß er Danusia noch zwei Deutsche gelobte. Schließlich gewann indessen die Vernunft den Sieg über den jugendlichen Uebermut, und er sagte sich, er dürfe nicht durch allzu große Wünsche die Geduld Gottes gefährden. Selbstverständlich wuchs aber sein Vertrauen noch mehr, als er, nachdem der ganze Hof nach der Messe der Ruhe gepflogen hatte, beim Frühmahle das Gespräch hörte, das der Abt mit Anna Danuta führte.

Einesteils aus Frömmigkeit, andernteils infolge der prächtigen Geschenke, welche der Großmeister der Kreuzritter nicht sparte, hegten die meisten damaligen Fürstinnen und Königinnen große Freundschaft für diesen Orden. Sogar die gottesfürchtige Jadwiga hielt, so lange sie lebte, ihren Gemahl davon zurück, die Kreuzritter seine Macht fühlen zu lassen. Nur Anna Danuta machte darin eine Ausnahme. Ihre Familie hatte durch den Orden solche Kränkungen erfahren, daß sie die Kreuzritter von ganzer Seele haßte. Als sich daher der Abt bei ihr über Masovien erkundigte, beklagte sie sich bitter über den Großmeister. »Wie soll es denn einem Fürstentume ergehen, das solche Nachbarn hat?« erklärte sie. »Wohl ist scheinbar Ruhe, man wechselt Botschaften und Briefe, allein trotzdem weiß man von einem Tage zum andern nicht, was geschehen wird. Kein Grenzbewohner, der sich des Abends zur Ruhe legt, weiß, was seiner harrt, ob er nicht während des Schlafes in Fesseln geschlagen, ob ihm nicht ein Schwert in die Kehle gestoßen, ob ihm nicht die Decke über dem Kopfe angezündet wird. Trotz Eiden, Siegeln und Pergamenten ist man nicht sicher vor Verrat. Was geschah denn in der Nähe Zlotorgas? In Zeiten des tiefsten Friedens wurde der Fürst gefangen genommen. Die Kreuzritter behaupten, die Burgen könnten mit der Zeit furchtbar für sie werden. Allein diese Burgen dienen nur zum Schutze, kein Ueberfall wird von ihnen aus gemacht, und welcher Fürst hätte nicht das Recht, im eigenen Lande Burgen zu errichten oder umzubauen? Hat der Orden jemals Rücksicht auf Schwache genommen, hat er sich jemals durch Macht zurückhalten lassen? Schwachheit verachtet er, Macht sucht er zu Falle zu bringen. Wer ihm Gutes thut, dem lohnt er schlecht. Giebt es sonst noch einen Orden auf der Welt, der solche Wohlthaten von polnischen Fürsten erwiesen bekam, und wie lohnte er es? Da mit dem bittersten Hasse, dort mit Plünderung des Landes, hier mit Krieg und Verrat. Was nützt es, sich darob zu beklagen? Selbst die Klagen des apostolischen Stuhles verhallen ungehört. In ihrer Verstocktheit und Aufgeblasenheit hören die Kreuzritter sogar nicht auf den römischen Papst. Wohl schicken sie jetzt eine Gesandtschaft wegen der Entbindung der Königin und zu der bevorstehenden Taufe, allein sie thun dies nur deshalb, weil sie den Zorn des mächtigen Königs über das, was sie in Litauen vollführt haben, von sich abwälzen wollen. Im innersten Herzen planen sie noch immer die Vertilgung des Königreiches und des ganzen polnischen Stammes.«

Der Abt lauschte voll Aufmerksamkeit auf die Worte der Fürstin, sagte hie und da beipflichtend »ja, ja« und erklärte dann: »Ich weiß, daß an der Spitze der Gesandtschaft der Komtur Lichtenstein nach Krakau kommen wird, ein Ordensbruder, der seines vornehmen Standes, seines Mutes und seiner Klugheit wegen hoch geachtet ist. Vielleicht trefft Ihr hier mit ihm zusammen, huldreiche Frau, denn mir wurde die Kunde, daß er unserer Reliquien wegen nach Tyniec zu kommen gedenke, um hier sein Gebet zu verrichten.«

Kaum hatte jedoch die Fürstin diese Worte vernommen, so hub sie mit neuem Eifer also an: »Die Leute erzählen – und Gott gebe, daß es sich bewahrheite – es werde binnen kurzem ein großer Krieg entbrennen, in welchem das Königreich Polen mit seinen Verbündeten, also mit allen Nationen, die eine dem Polnischen ähnliche Sprache reden, gegen die Deutschen und die Kreuzritter kämpfen wolle. Es sollen ja darüber Prophezeiungen einer Heiligen vorhanden sein.«

»Ihr sprecht von Brigitta,« unterbrach der Abt die Fürstin. »Vor acht Jahren ist sie unter die Heiligen aufgenommen worden. Der fromme Peter aus Alvastern und Matthäus aus Linköping haben die Prophezeiungen aufgeschrieben, in denen ein großer Krieg vorausgesagt wird.«

Als Zbyszko diese Worte vernahm, vermochte er sich nicht zu beherrschen, sondern fragte mit einer vor Freude zitternden Stimme: »Und wird dieser Krieg bald ausbrechen?«

Allein er erhielt keine Antwort auf diese Frage, denn der Abt, ausschließlich mit der Fürstin beschäftigt, hatte entweder nichts gehört oder that, als ob er nichts gehört habe, die Fürstin aber fuhr fort: »Die jungen Krieger freilich, die sehen mit Freuden einem solchen Kriege entgegen, die alten und bedachtsamen aber sprechen also: ›Nicht die Deutschen fürchten wir, noch ihre Spieße und Schwerter, wenngleich ihre Macht groß ist, wenngleich sie voll Zuversicht sind, nein, nein, wir fürchten die Reliquien der Kreuzritter, gegen die sich nichts ausrichten läßt‹.« Hier hielt Anna Danuta inne, blickte voll Bangen auf den Abt und fügte endlich leise hinzu: »Sie sollen ja, wie allgemein gesagt wird, Holz von dem heiligen Kreuze in Besitz haben. Wie kann man daher mit ihnen Krieg führen?«

»Der König von Frankreich überschickte es ihnen,« erklärte der Abt.

Ein minutenlanges Schweigen trat ein, dann aber ergriff Mikolaj von Dlugolas das Wort, ein erfahrener Mann, der schon viel in der Welt herumgekommen war. »Ich bin in Gefangenschaft bei den Kreuzrittern gewesen,« sprach er, »und ich habe häufig Prozessionen gesehen, bei denen jene Reliquie umhergetragen worden ist. Aber außer diesem Heiligtume besitzt das Kloster von Olivia eine große Zahl anderer Reliquien, ohne welche der Orden nicht zu solcher Macht gelangt wäre.«

»Wie kann man daher im Kriege gegen sie bestehen?« wiederholte die Fürstin seufzend.

Daraufhin erwiderte der Abt, seine Stirne runzelnd, nach kurzem Ueberlegen: »Schwierig ist es auch deshalb, im Kriege gegen sie zu bestehen, weil sie Ordensbrüder sind und das Kreuz auf dem Mantel tragen; wenn sie jedoch das Maß der Sünden überschreiten, dann werden diese Heiligen und ihre Reliquien, von Ekel erfüllt, nicht nur nicht ihre Macht erhöhen, sondern sich ganz von ihnen wenden. Möge Gott das christliche Blut schonen, aber wenn es zu dem großen Kriege kommt, so haben wir ja auch in unserem Königreiche Heilige, welche für uns kämpfen werden. In den Prophezeiungen der hl. Brigitta heißt es ja: ›Ich verlieh ihnen die Nützlichkeit von Bienen und setzte sie fest an die Grenze des christlichen Landes. Allein jetzt wenden sie sich gegen mich. Denn sie kümmern sich nicht um die Seele und erbarmen sich nicht des Leibes dieses Volkes, das aus seinem Irrglauben zu dem katholischen Glauben übergegangen ist, das sich zu mir gewendet hat. Gleich Sklaven behandeln sie es; sie lehren es nicht die Gebote Gottes, und da sie es der heiligen Sakramente berauben, verdammen sie es zu noch größeren Höllenqualen, als wenn es im Heidentum verharrt hätte. Kriege führen sie, aber nur zur Stillung ihrer Habgier. Deshalb wird die Zeit kommen, in der ihnen ausgebrochen werden die Zähne, ihnen abgehauen wird die rechte Hand, es wird die Zeit kommen, in der ihnen lahm werden wird der rechte Fuß, damit sie erkennen ihre Sünden‹.«

»Das gebe Gott!« rief Zbyszko.

Auch die andern Ritter und die Ordensbrüder faßten neuen Mut beim Anhören dieser Prophezeiung, der Abt jedoch wandte sich wiederum zu der Fürstin und fuhr fort: »Deshalb vertrauet auf Gott, huldreiche Frau, denn eher sind ihre Tage gezählt als die Euren, und inzwischen nehmt gütigst die Kapsel entgegen, in welcher sich eine Fußzehe des heiligen Ptolemäus, eines unserer Schutzheiligen, befindet.«

Zitternd vor Glück streckte die Fürstin die Hand aus, kniete nieder und nahm voll Freude die Kapsel entgegen, die sie an ihre Lippen preßte. Und auch die Hofherren und die Hofdamen freuten sich mit ihrer Herrin, denn keines von ihnen zweifelte, daß sich durch dieses Geschenk Segen und Glück über alle, über das ganze Fürstentum ergießen werde. Hochbeglückt fühlte sich auch Zbyszko durch die Hoffnung, daß der Krieg sofort nach den Feierlichkeiten beginnen werde.

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