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Vorwort
ОглавлениеVor Jahrzehnten hatte ich beschlossen, dieses Buch nicht zu schreiben. Die Erfahrungen und Verstrickungen des furchtbaren Krieges ließen leidenschaftslose Schilderungen unmöglich erscheinen. Aus dieser Erkenntnis haben viele ihre Erfahrungen mit ins Grab genommen und damit Interesseninterpretationen freien Raum gegeben.
Geschichte ist selbst über den Abstand von Jahrhunderten eine durch Auslegungen sehr strapazierte Disziplin, unanfechtbar ist sie nur in den kalendarischen Daten. Dies trifft umso mehr zu für Zeitgeschichte; in der Darstellung der Fakten ist sie bestimmt von unwägbaren – oft genug rein materiellen – Motiven, die in Anbetracht der Thematik zwangsläufig subjektiver Natur sind. Gut und Böse sind in ihrem Sinngehalt keine prinzipiell stabilen Begriffe mehr, sondern werden nach Bedarf zugewiesen. Bei den Deutschen wird dieser Wertewandel verstärkt durch den immanenten Hang zu Opportunismus und Konformismus.
Um objektive Forschung bemühte Historiker beklagen den Mangel an echten Erlebnisberichten aus dem Zweiten Weltkrieg. Der Versuch, hier eine Lücke zu schließen, ist ein äußerst schwieriges Unterfangen, denn er setzt voraus, dass man in Anbetracht der Skrupellosigkeit der politischen und militärischen Führung des »Dritten Reichs« darauf verzichtet, Erlebtes nach den Kriterien zu bewerten, die zum Zeitpunkt des Geschehens gültige Normen waren; dazu gehören allerdings auch unvergängliche Prinzipien wie Treue, Tapferkeit und Opferbereitschaft, mögen diese von einem verantwortungslosen Regime auch vielfach missbraucht und dadurch als gesellschaftliche Maximen weit gehend hinfällig geworden sein.
Ich bin mir bewusst, dass ich auch in dem Bemühen um größtmögliche Ehrlichkeit und in der strikten Beschränkung auf Fakten Kritik auslösen werde. Dieses Risiko muss ich eingehen; ich bitte nur um Fairness in der Beurteilung dessen, was in Widerspruch zu dem geltenden Zeitbegriff »Political Correctness« geraten mag.
Dem Prinzip »die ganze Wahrheit, nichts als die Wahrheit« kann man in den Schilderungen eigenen Erlebens immer nur relativ entsprechen und allenfalls nach dem Grundsatz: Alles, was ich selbst erlebt habe, nichts, was ich nicht selbst erlebt habe. Dabei kann sich bei der Fülle von Geschehnissen in fast vier Jahren die Schilderung nur auf eine Auswahl beschränken; Erfahrungen, die faktisch und emotional als beispielhaft und besonders eindringlich gelten können, habe ich als Episoden im Text hervorgehoben.
Bis auf den genauen Wortlaut der wiedergegebenen direkten Rede, der in Aufzeichnungen nicht mehr vorliegt, entsprechen alle Beschreibungen, auch in Einzelheiten, den Tatsachen. Personennamen habe ich geändert, wo mir dies erforderlich erschien, um falsche Zuordnungen und Betroffenheiten zu vermeiden. Bei der Auswahl von Aussagen fremder Autoren zur Erläuterung des Rahmengeschehens habe ich mich um Ausgewogenheit bemüht.
So hoffe ich, in bescheidenem Umfang der Forderung nach einer Verringerung des Informationsdefizits zu genügen und zugleich meinen vielen Kameraden gerecht zu werden, die sich keinem Urteil mehr stellen und sich nicht mehr rechtfertigen können: unter den Hekatomben von Opfern eines furchtbaren Krieges Opfer auch sie; durch ihr Schicksal gezwungen, in der Blüte ihrer Jugend einen Tod zu sterben, der in der Beurteilung des Zeitgeistes sinnlos oder gar verdient erscheint.
Herbert Maeger, Krefeld, im Oktober 2000