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4 Prinzessin der Kelche
ОглавлениеGanz außer Atem erreichte Sophie das Häusl. Vor Ungeduld war sie den ganzen Weg gerannt. Jetzt musste sie erst einmal Luft holen, dann öffnete sie die Tür und trat ein.
Stille! Dann schlafen wohl alle noch...
Ein Blick auf die Wanduhr verriet ihr, dass es erst kurz nach sieben war. So leise wie möglich schlich sie die Treppe nach oben. Dort setzte sie sich auf den Rand des Bettes, in dem ihr Bruder schlief, und zupfte an seiner Bettdecke. Keine Reaktion. Sie legte die Hand auf seinen Oberarm, der sich unter der Bettdecke abzeichnete, und schüttelte ihn leicht. Als Antwort kam nur unwirsches Gebrummel. Dafür wachte Kai auf, der gleich daneben lag. Er setzte sich auf und starrte Sophie ungläubig an.
„Was ist denn los?“
„Ihr müsst aufstehen. Es gibt Neuigkeiten!“
Das schien auch Michael gehört zu haben, denn im Nu schüttelte er sich die Decke ab und folgte Kai und Sophie die Treppe hinunter.
„Ich hoffe, du hast einen guten Grund, uns so früh am Morgen aus dem wohlverdienten Schlaf zu reißen...“
Michael gähnte herzhaft und ließ sich in den bequemen Sessel fallen. Sophie blieb stehen.
„Ich habe Ian getroffen!“
Jetzt war auch Michael hellwach.
„Und? Hat er dir die Karte zugesteckt?“
„Das konnte ich nicht herausfinden... Das heißt, ich konnte ihn nicht fragen...“
„Ja, was? Wieso denn nicht?“
„Das ist ein wenig kompliziert. Er war so seltsam. Aber ich habe ihm die Karte gezeigt und ich bin überzeugt davon, dass er sie mir gegeben hat und etwas Bestimmtes damit bezweckte.“
„Und was soll das sein?“
Kai setzte sich auf die Lehne des Sessels.
„Das ist mir selbst noch nicht klar. Aber er sprach davon, dass die Karte eine drohende Gefahr ankündigt, ein großes Unheil...“
„Und wem soll dieses Unheil drohen? Doch nicht etwa uns...?“
Michael fuhr erschrocken hoch. Sophie wiegte bedächtig den Kopf.
„Das glaube ich nicht...“
Sie dachte an ihren Traum.
„Ich bin überzeugt, es geht um ihn...“
„Um ihn?“ Kai stand auf. „Wie stellst du dir das vor?“
„Er ist in Gefahr. Ian ist in Gefahr! Und das wollte er uns durch die Karte mitteilen!“
„Aber er kennt uns doch gar nicht...“
„Wir sind doch Kinder...“
Die letzte Bemerkung hätte Kai nicht machen sollen. Sophie riss aufgebracht die Arme hoch.
„Kinder! Hör mal, wenn mir ein Erwachsener das vorwirft, dann muss ich es wohl schlucken. Aber dass ausgerechnet du so was sagst...“
„Was hast du denn da?“
Sophie stakste wütend durch den Raum. Dabei hatte sich etwas in ihrer Seitentasche ein Stück weit nach oben geschoben. Bevor sie es recht realisierte, hatte es Kai schon gepackt.
„Noch eine Karte!“
Er pfiff durch die Zähne. Michael sprang auf, doch Sophie war schneller.
„Gib her!“
Sie riss ihm die Karte aus der Hand und betrachtete sie eingehend. Die beiden Jungs schauten ihr dabei über die Schulter.
„Prinzessin der Kelche...“
Sie sahen das Bild einer wunderschönen Frau mit langen blonden Haaren in einem bodenlangen goldenen Kleid, die in beiden Händen einen mit Edelsteinen besetzten goldenen Kelch trug.
„Die sieht ja irre aus...“
Fast sofort verliebte sich Sophie in den Anblick der jungen Frau. Sie war so hingerissen, dass sie erst gar nicht mitbekam, wie Michael und Kai um die Bedeutung der Karte stritten.
„Das ist so ein Feuerkelch. Wie bei Harry Potter“, meinte Michael.
„Quatsch! Die trägt darin den Trank, der ewige Jugend verleiht!“
„Ihr habt zu viel Donald Duck gelesen“, mischte sich Sophie ein, nachdem sie sich von dem Anblick des Mädchens gelöst hatte. „Ihr seht doch, dass die Karte aus demselben Spiel stammt wie die Zehn der Schwerter. Da! Die Rückseiten sind identisch!“
Tatsächlich befanden sich auch auf der Rückseite der Prinzessin der Kelche verschlungene Muster mit Schlangenköpfen auf blassem gelbem Grund.
„Aber was soll das für ein Spiel sein?“
Kai nahm die Karte und drehte und wendete sie.
„Ist doch völlig schnuppe“, mischte sich Michael ein. „Viel wichtiger ist doch die Frage, was er damit bezweckt, wenn er Sophie solche Karten zusteckt.“
„Und wie finden wir das raus?“
„Ganz einfach!“ Sophie nahm die Karte zurück und steckte sie zu der Zehn der Schwerter in ihre Jackentasche. „Wir gehen noch mal zu ihm. Diesmal aber zu dritt!“
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