Читать книгу Die Auferstehung des Oliver Bender - Hermann Brünjes - Страница 7

Sonntag, 11.8.

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Wie lange war ich nicht in einer Kirche? Keine Ahnung. Das letzte Mal war wohl, als ein Freund geheiratet hat. Es ist Jahre her ... Inzwischen ist er wieder geschieden. Nun aber sitze ich in der drittletzten Reihe und erlebe eine Mischung aus Showprogramm, Déjà-vu, Zeitreise, Überraschungsei und Irritation.

Die Show ist wirklich gediegen. Jede Geste und jedes Wort sitzen, getragen von vermutlich hundert Jahren Praxiserfahrung. Pastor Kerber beherrscht sein Handwerk. Würdevoll und aufrecht schreitet der schlanke Mittdreißiger zum Altar. Mit klarer, heller Stimme betet er und intoniert die Gesänge. Sein schwarzer Talar fällt knitterfrei zu Boden. Das weiße Beffchen leuchtet. Mit klaren und doch dezenten Handbewegungen leitet der Hirte seine Herde. Aufstehen, hinsetzen, singen, hören. Alles klappt hervorragend. Oben auf der Kanzel erscheint er als himmlischer Bote und schwebt wie ein Engel des Herrn über uns Menschenkindern. Wie gesagt, die Inszenierung des Gottesdienstes ist beeindruckend.

Mit Déjà-vu meine ich Szenen, Gefühle, Gerüche und Gedanken, die mir irgendwie vertraut erscheinen. So, als hätte ich sie in einem anderen Leben schon einmal erlebt. Etwa gleich zu Beginn die Bewegung beim Aufrücken in die Kirchenbank. Am Platz angekommen, wird der Kopf zum Gebet gesenkt. Ich mache das seltsamerweise, ohne nachzudenken, einfach so. Dann die Müdigkeit, die während der Predigt aufkommt. Auch sie kommt mir erstaunlich bekannt vor. Als der Klingelbeutel herumgeht, zuckt es mir in den Fingern, etwas herauszunehmen. Auch das muss noch ein Restreflex aus meiner Zeit als Konfirmand sein.

Heute Morgen bei meinem kurzen Frühstück hätte ich niemals gedacht, dass dieser Kirchenbesuch so viel bei mir auslösen würde. Auch zu einer Art Zeitreise wird er zwischendurch. Ich fühle mich wieder als Konfirmand und muss der Versuchung widerstehen, etwas mit dem Fingernagel in die grüne Kirchenbank zu ritzen. Ich sehe mich als Bräutigam bei meiner ersten Trauung vor dem Altar sitzen. Ich stelle mir Jesus bei seiner Bergpredigt vor, wie er seinen Jüngern sagt, sie seien Licht der Welt und Salz der Erde. Zwischendurch scheint grelles Licht durch die Fenster in die Kirche. Vorne, neben dem Altar, sind auf beiden Seiten bunte Glasfenster, die das Leben Jesu darstellen. Einmal habe ich den Eindruck, ich sitze auf einem Lichtstrahl und berühre plötzlich die Dornenkrone des Gekreuzigten. Ich muss wohl für einen Moment völlig außer mir gewesen sein.

Vor allem aber bin ich überrascht, deshalb »Überraschungs-ei«. Ich hätte nicht gedacht, dass so ein Gottesdienst derart kurzweilig sein kann. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich mir die Besucher genau anschaue. Nur die alte Dame vom Friedhof ist mir bekannt. Sie sitzt gegenüber auf der linken Seite. Ihren Rollator hat sie im Mittelgang abgestellt. Sonst kenne ich niemanden. Auch die jungen Leute aus dem Tagungshaus sind nicht da. Sie müssen wohl ihre Gäste versorgen. Genau genommen sind nicht besonders viele Besucher gekommen. Ich zähle 23, davon vier Jugendliche, vermutlich Konfirmanden.

Einige der Erwachsenen fallen besonders auf. Dazu gehört ein alter Mann in Trachtenlederhose und mit einem weißen Bart, der Rübezahl alle Ehre gemacht hätte. Neben ihm auf der Bank liegt eine Art Tirolerhut mit Gamsbart. Der Mann murmelt immer wieder seine Kommentare, auch zur Predigt. Ich verstehe gelegentlich ein »Amen« oder »Jaa!«. Er nimmt jedenfalls innerlich starken Anteil am Geschehen. Vorne sitzt eine ältere Frau, die sich eine altertümliche Fußbank unter die Füße geschoben hat. Sie hat uns vorhin am Eingang die Liederbücher gereicht und sammelt die Kollekte ein. Vermutlich ist sie die Küsterin. Ob man dafür Geld kriegt? Jeden Sonntag da sein, das ist selbst mit Entlohnung eine echte Leistung, finde ich. Ein Mann und eine Frau, beide um die fünfzig, haben die Begrüßung und Lesungen übernommen. Ich finde es prima, dass nicht nur der Profi alles macht. So kenne ich es aus meiner eigenen Konfirmandenzeit.

Überraschend ist für mich, dass der Pastor trotz zwischendurch etwas salbungsvoller Stimme ganz normal vom Glauben spricht. Als ob er glaubt, was er da sagt. Der Mann wirkt auf mich ziemlich vernünftig, glaubhaft und verantwortungsvoll.

Allerdings warte ich vergeblich auf das Thema »Oliver Bender«. Das irritiert mich. Der Pastor muss doch etwas von den Gerüchten im Dorf mitbekommen haben – selbst wenn er in der Kreisstadt lebt und nur wenige Kontakte zu den Dorfbewohnern hat! Vor einer Woche taucht zwei Tage, nachdem er ihn unter die Erde gebracht hat, der Tote angeblich wieder auf. Er wird von mindestens zwei Personen gesehen: Gerald und Corinna. Im Tagungshaus, wo Kerber auch mitarbeitet, diskutiert man über die Vorfälle. Längst kursieren Gerüchte im Dorf und man spekuliert bereits im Bäckerladen über Zusammenhänge – aber hier im Gotteshaus kein Wort davon!

Am Dienstag wurde das Grab geöffnet. Pastor Kerber soll selbst dabei gewesen sein. Seltsam. Wenn Benders Leiche nach der Öffnung noch unberührt im Grab lag, könnte der Geistliche doch die »Auferstehung Benders« ohne Probleme dementieren. Wenn das Grab dagegen allerdings leer war – warum verschweigen Kerber und alle, die bei der Öffnung dabei waren, dies?

Obwohl, dass die Kirche schweigt, ist vielleicht doch nicht ungewöhnlich. Im Dritten Reich, bei den Missbrauchsfällen ... die Kirche und ihre Vertreter haben vermutlich zu Vielem zu oft geschwiegen! Aber hier? Vielleicht sind die Christen von Himmeltal auch allesamt verunsichert. Lieber nichts sagen als falsche Urteile fällen. In einem kleinen Dorf wie diesem kann so was schnell eskalieren. Oder irgendetwas läuft hier im Hintergrund und niemand soll es wissen. Möglicherweise sind der Pastor und die Eingeweihten auch in einer Art Schockstarre. Immerhin gerät ihr gesamtes Bild vom Tod und wie und wann es danach weitergeht durcheinander. Oder hat sich ihre Erwartung einer Auferstehung von den Toten erfüllt und eben damit können sie nicht umgehen?

Ich habe natürlich keine Ahnung. Seltsam und irritierend ist es aber schon, dass der Vorfall ausgerechnet hier nicht angesprochen wird.

Am Ausgang reicht der junge Pastor allen die Hand. Aus der Nähe betrachtet wirkt Klaus Kerber noch jünger, als auf der Kanzel oder am Altar. Sein Händedruck ist fest, sein Blick ebenfalls.

»Und Sie sind das Erste mal hier?!«

Damit, dass er mich anspricht, habe ich nicht gerechnet. Aber vielleicht ist es meine Chance.

»Ja. Und ich würde Sie gerne gleich noch einmal sprechen.«

Nun wirkt er irritiert. Vermutlich erbitten nur wenige seiner Schäfchen nach Gottesdiensten ein Gespräch.

»Hm, ja gerne. Bitte warten Sie einige Minuten.«

Der nächste Besucher schüttelt dem Pastor schon die Hand.

Ich warte draußen darauf, dass alle die Kirche verlassen haben und Pastor Kerber herauskommt.

Einige Gottesdienstteilnehmer stehen vor der Tür und unterhalten sich. Die Sonne scheint bei angenehmen Temperaturen. »Erst wenn die letzte Posaune ertönt, werden die Toten auferstehen!« Ich schnappe diesen Satz auf und ahne, bevor ich mich umdrehe und mir Gewissheit verschaffe, dass dies von Rübezahl kommt. Tatsächlich. Er diskutiert mit einem älteren Paar. Er ist ein rundlicher Typ mit Kojak-Glatze, sie eine fesche Frau in den Siebzigern mit kurzem grauen Haar. Was während der Veranstaltung eben tabu war, scheint hier sofort zentrales Thema zu sein. Ich rücke etwas näher an die kleine Gruppe heran.

»Ich glaube einfach nicht, dass Oliver Bender wieder lebendig ist!« höre ich Kojak sagen. »Außer von Jesus hat man das noch von niemandem gehört.«

»Das ist es ja eben. Wie Jesus! Wisst ihr überhaupt, was das bedeuten kann?« Die Frau schaut ihre beiden Gesprächspartner herausfordernd an. Die schütteln mit dem Kopf. »Das kann bedeuten, Gott schickt uns seinen Sohn ein zweites Mal. Nur diesmal heißt er nicht Jesus Christus, sondern Oliver Bender!«

Der Trachtenrübezahl schüttelt energisch mit dem Kopf. »Liebe Schwester, allein so zu denken ist Ketzerei! Unser Herr hat alles getan. Er ist der einzige Herr im Himmel und auf Erden. Niemand ist ihm gleich – schon gar nicht Oliver Bender!«

»Aber wieso,« widerspricht ihm die Frau. »Ihr seht doch auch, wie wenig Himmelstaler inzwischen zur Kirche kommen. Unser kleines Dorf ist völlig gottlos geworden. Früher kamen Jung und Alt zur Kirche. Wir hatten einen Kindergottesdienst und einen Jugendkreis. Und heute? Das erlebt ihr ja selbst. Wenn überhaupt, kommen wir Alten noch. Jesus wird von den meisten total ausgeblendet. Niemand glaubt an ihn, niemand folgt ihm mehr. Alle verschlafen den Gottesdienst oder arbeiten sogar am heiligen Sonntag. Da wäre es doch auch für Gott nur vernünftig, einen weiteren Versuch zu starten.«

»Irene, das finde ich gar nicht so dumm. Hier bei uns fängt ein neues Kapitel des Christentums an! Das ließe sich sogar touristisch vermarkten!« Kojak scheint Pragmatiker zu sein. »Himmelstal hat dafür die besten Voraussetzungen: Der Name spricht für sich, wir sind ein kleines Dorf wie Bethlehem es auch war und hier gibt es ein paar wirklich getreue Christenmenschen – denkt nur an unser Tagungshaus mit den vielen jungen Leuten und deren tägliche Andachten!«

Es kribbelt mir auf der Zunge, in dieses Gespräch einzugreifen. Selbst ich weiß, dass Jesus im Provinzdorf Bethlehem zwar geboren ist, gestorben und beerdigt wurde er aber in der Hauptstadt Jerusalem. Seine Auferstehung soll sich ebenfalls dort ereignet haben. Folglich würde der Bender-Jesus beim zweiten Versuch Gottes in Berlin sterben und auferstehen. Himmelstal wäre damit raus ...

In diesem Moment kommt der Pastor aus der Kirche. Er trägt nicht mehr den Talar, sondern eine dunkle Jeans und ein weißes Hemd. Darin sieht er nun fast jugendlich aus. Ich stufe sein geschätztes Alter auf Anfang Dreißig herunter. Er steuert auf mich zu und reicht mir noch einmal die Hand.

»Klaus Kerber«, stellt er sich vor. »Entschuldigen Sie, dass es noch gedauert hat. Ich musste den Konfirmanden noch eine Unterschrift geben.« Es hat sich also seit meiner Konfirmandenzeit nichts geändert. »Und Sie sind ...?«

»Mein Name ist Jens Jahnke. Ich komme aus der Kreisstadt.« Ein bisschen fürchte ich mich, ihm zu offenbaren, dass ich Journalist bin.

»Und Sie wollten mich sprechen. Worum geht es?«

Der Mann kommt schnell auf den Punkt. Einerseits gefällt mir das, andererseits ist ein langsamer Beginn mit Small Talk für ein Gespräch manchmal am Ende erfolgreicher. Aber nun denn ... ich muss es nehmen wie es kommt.

»Äh, es geht um ein heikles Thema. Zum einen ist es theologischer Art, zum anderen geht es um einen Vorfall auf Ihrem Friedhof.«

Sofort erkenne ich am Gesicht meines Gegenübers, dass er weiß, wovon ich rede.

»Sind Sie von der Polizei?« fragt er. Ich bin erstaunt.

»Von der Polizei? Wie kommen Sie darauf?«

»Also nicht. Sind Sie von der Presse?«

Nun bleibt mir nichts anderes übrig. Ich zücke meinen Ausweis und halte ihm den hin.

»Ja. Ich arbeite für das Kreisblatt und ich weiß, dass Ihre letzte Beerdigung nur bedingt erfolgreich war. Mir haben Zeugen, deren Namen ich nicht nennen werde, berichtet, dass Ihr Gemeindeglied Oliver Bender nach seiner Beerdigung wieder aufgetaucht ist.«

Nun ist es raus. Der Geistliche schaut mich lange an. Dann nickt er.

»Okay. Wir werden wohl darüber reden müssen. Allerdings geht es weder heute noch morgen. Wie wäre es mit Dienstag so gegen Mittag?«

Ich bin enttäuscht, dass er sich dem Gespräch jetzt entzieht. Vermutlich will er mich hinhalten. Aber ich frage ihn nicht nach seinen Gründen. Ich will ihn nicht verärgern. Also stimme ich zu.

»Dann telefonieren wir am Dienstag gegen Mittag und treffen uns in der Stadt. So müssen Sie nicht fahren und ich bin dienstags ohnehin regelmäßig dort.«

Das Gespräch ist vorbei. Leider diskutieren auch die drei anderen nicht mehr über Sinn oder Unsinn einer Auferstehung in Himmelstal, sondern verabschieden sich gerade voneinander. Rübezahl steigt auf ein uraltes Fahrrad. Irene und Kojak verlassen das Kirchgrundstück zu Fuß. Gerne hätte ich ihr Gespräch belauscht und dabei womöglich ihre Kompetenz in Sachen »Tourismusbelebung im ländlichen Raum«, kombiniert mit »theologischer Ratgeber des lieben Gottes«, bewundern können.

*

Ich überlege, was ich jetzt noch tun kann. Das allerwichtigste wäre, dass ich ein Interview mit Maren Bender bekomme. Hoffentlich ist sie wenigstens heute am Sonntag in ihrem Haus.

Meine Hoffnung wird enttäuscht. Wieder ist der Abstellplatz im Carport neben Benders Wohnhaus leer. Wieder ist sie nicht zuhause. Ob Maren Bender sich hier ganz bewusst nicht sehen lässt?

Ich klingle gegenüber bei Familie Tönnies. Mein erster Zeuge öffnet selbst die Tür.

»Sie hier und das am Sonntag? Na, dann kommen Sie mal herein! Vielleicht mögen Sie ja einen frischen Eintopf mit uns essen.«

Wir sitzen in der Küche. Seine Frau hat einen Gemüseeintopf mit Rindfleisch gemacht und sie laden mich zum Essen ein. Für einen Single wie mich ist es wie ein Fünfer im Lotto. Alle Zutaten sind frisch. Es ist derart köstlich, dass wir kaum reden, dafür umso mehr genießen.

Nach dem Essen serviert Frau Tönnies einen mit einer Jura-Kaffeemaschine gemachten Cappuccino. Auch er schmeckt hervorragend.

»Gestern war Ihre Nachbarin Maren Bender zur Arbeit in Lüneburg. Heute ist sie ebenfalls nicht da. Haben Sie eine Ahnung, wo die Witwe an diesem Wochenende erreichbar ist?«

Ich hoffe, einer der beiden kann jetzt weiterhelfen.

Gerald schaut seine Frau fragend an.

»Weißt du das? Auch ich habe ihr Auto nur gestern Abend kurz gesehen. Danach war der Carport wieder leer. Das Licht brannte drüben nur im Hausflur.«

»Ich weiß es nicht.« Geralds Frau kann auch nicht weiterhelfen. »Maren und ich haben ja oft miteinander geredet. Der Tod ihres Mannes hat sie sehr mitgenommen. Auch wenn sie bei der Beerdigung einen gefassten Eindruck gemacht hat, sie war richtig fertig. Nur ihr Glaube hat ihr einen Funken Hoffnung gegeben.«

»Sie meinen, ihr Glaube an die Auferstehung.«

»Ja, davon hat sie gesprochen. Aber sie meinte nicht eine Auferstehung nach wenigen Tagen, sondern am Ende aller Tage.«

»Und nach der Erscheinung Olivers am Sonntagabend, haben Sie Ihre Nachbarin danach auch noch einmal gesprochen?«

»Leider nicht. Ich habe sie nur ein- oder zweimal kurz ins Auto einsteigen und wegfahren sehen.«

Ich trete auf der Stelle. Frau Tönnies weiß auch nicht, wo Frau Bender sein könnte.

»Wissen Sie etwas von einem Wochenendhaus der Benders oder eine Zweitwohnung oder einen Wohnwagen irgendwo?«

»Sie meinen, dass sich Oliver dort versteckt? Oder seine Frau ihn dort untergebracht hat?«

Ich zucke mit den Achseln. Ja, das habe ich in Erwägung gezogen. Es wäre logisch, wenn man eine allemal bei solch seltsamen Dingen neugierige Öffentlichkeit heraushalten will. »Nein. Soviel ich weiß, ist dieses Haus hier Benders einzige Immobilie. Einen Wohnwagen habe ich hier nur bei den Nachbarn unten an der Hauptstraße gesehen. Benders waren auch nie länger weg, mal abgesehen von einzelnen Urlaubsreisen.«

Wir kommen also nicht weiter. Ich bedanke mich, vor allem für den herrlichen Eintopf und bitte sie, mich sofort anzurufen, wenn Frau Bender wieder in ihrem Haus ist. Gerald begleitet mich zur Haustür.

»Herr Jahnke, das mit der ›Witwe‹ ist ja jetzt wohl nicht mehr haltbar.« Irritiert schaue ich ihn an.

»Ja, Sie haben vorhin nach der Witwe gefragt. ›Ex-Witwe‹ wäre ja wohl eher zutreffend!«

Er grinst und lässt mich nachdenklich in meinen Golf steigen.

*

Mich juckt es in den Fingern, schon für die Montagsausgabe etwas zu schreiben. Vermutlich würde ich meinen Kollegen, den Ressortleiter der Online-Ausgabe, auch auf meine Seite ziehen. Allerdings fehlen noch belastbare offizielle Stellungnahmen. Bei der Polizei, den Medizinern und wer immer aus der Stadt noch bei der Exhumierung vom letzten Dienstag dabei war, kann ich heute am Sonntag nichts erreichen. Wohl oder übel muss ich bis morgen warten.

Am Abend lese ich weitere Auferstehungstexte der Bibel. Wenn das damals alles wirklich so passiert ist, wäre es tatsächlich »die Story« überhaupt. Genaugenommen war sie das ja auch. Welche andere Geschichte erzählt man sich noch über 2.000 Jahre später auf der ganzen Welt? Wären Markus, Lukas, Matthäus oder Johannes Reporter gewesen, hätten sie mehr als den Pulitzer-Preis oder den Nobelpreis für Literatur verdient. Wären sie meine Kollegen beim Kreisblatt gewesen, hätte mein lieber Chef sie lebenslang mit Dimple abgefüllt.

»Von den Toten auferstanden« als Headline. Das ist revolutionär! Stimmt es, wäre die Sehnsucht nach ewigem Leben erfüllt. Wäre es wahr, müsste man den Tod nicht mehr fürchten – und welche Angst speist sich nicht zu guter Letzt aus der Angst vor dem Tod? Man müsste vor nichts mehr Angst haben. Unglaube, Zweifel, Abwehr, »vernünftige« Gegenargumente und Verdrängung waren übrigens auch damals schon geeignete Mittel, das Undenkbare loszuwerden. Ich glaube nur, was ich sehe. Das hat auch damals so lange geklappt, bis dann mehrere Zeugen auftraten, die Jesus mit eigenen Augen gesehen hatten.

Die Auferstehung des Oliver Bender

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