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»Klara, meine Tochter.«

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Die Tore der Atlanter.

Fantasyroman für Jugendliche und Erwachsene

Buch 3 von 4 Folgen 388 Seiten

Wie alles begann.

Sein Name ist Kristian. Weil er abends einen Ritterfilm im Fernsehen gesehen hatte, und am nächsten Tag sein erster Urlaubstag begann, hatte er beschlossen, der Burg in seiner Nähe einen Besuch abzustatten. Burg war zu viel gesagt, da nur noch traurige Reste übrig waren.

Bald sah er die Burg vor sich. Mit Blick auf die Burg setzte er sich ins Gras, den Rücken gegen einen großen Stein gelehnt. Ein Blick auf die vorbeiziehenden Wolken, die Burg vor sich, Sonnenschein und Urlaub, was wollte er mehr. Wie von selbst fielen ihm die Augen zu. Er dachte über das Leben in der Burg nach. Sich vorzustellen, wie die Bewohner ausgesehen haben mochten, wie sie gelebt hatten. Eingestimmt vom Leben auf der Burg öffnete er die Augen und blickte verklärt zur Burg hinüber. Zuerst undeutlich und verschwommen, sah er zwischen Bergfried und der Außenmauer, ein seltsames Flimmern. Eine Öffnung tat sich auf.

Das war der Augenblick, der sein Leben veränderte.

Nachts ist er das erste Mal durch das Tor gegangen und fand sich im Mittelalter wieder, an gleicher Stelle, nur dass hier jetzt ein Stall stand, angelehnt an der Burgmauer. Mit der Hilfe von Johannes dem Stallknecht, konnte er die Burg ungesehen verlassen. Dieser brachte ihn auch wieder zurück in den Stall, von wo aus Kristian wieder in sein Zeitalter wechseln konnte.

Bei einem dieser Ausflüge, hatte Kristian die Heilerin Hanna kennengelernt. Ebenso einen kleinen Mann, der in einen Erdrutsch geraten war und sich nicht mehr selber befreien konnte. Kristian hatte ihn gerade befreit, als der kleine Mann sich auch schon in Luft auflöste. Johannes sagte später, dass das eine Elfe war und Elfen eine gute Tat belohnen. Ein paar Tage später kam die Nachricht, dass die Elfen bei Hanna der Heilerin zu Ehren des Retters, ein Fest feiern wollten. Hanna, die die Elfen kannte, konnte sich nicht vorstellen, warum das Fest bei ihr stattfinden sollte. Kristian hatte ihr nichts von der Begegnung mit dem Elfen erzählt. Dann kamen sie, der König, die Königin und der Hofstaat. Kristian bekam ein Medaillon, mit dessen Hilfe er sich die umständliche Reise über die Burg zurück zu ihm, ersparen konnte. Ein Gedanke reichte aus, und er kam am Wunschort an.

Die Elfen hatten einen Stützpunkt in einer Parallelwelt, den sie gemeinsam mit den Alien betrieben. Eins kam zum anderen, mit Cyro dem Alien, flog Kristian zu den Amerikanern, die von den Alien unterstützt wurden, auf den Stützpunkt Area 51 in Gromlake. Dort sorgte er für einige Aufregung, da er in der Lage war, eine andere Gestalt anzunehmen.

Im Mittelalter gab es einige Gefahren zu bestehen. Ein Ritter, den Kristian im Zweikampf besiegt hatte, ließ ihn in dessen Burg verschleppen und in sein Verlies werfen. Wohl eher unbewusst, hatte man Kristian sein Medaillon abgenommen, mit dessen Hilfe es ihm ein leichtes gewesen wäre, den ungastlichen Ort zu verlassen. Später hatten ihm die Alien dieses Teil in kleinerer Form implantiert.

Bei dieser Gelegenheit lernte Kristian bei den Alien das blonde Mischwesen Eurone und ihre Tochter Lana kennen. Eurone war für die Experimente mit Menschen verantwortlich. In der Regel wurden die Kinder in Brutschränke aufgezogen. Als Eurone und Kristian sich eine Weile kannten, verspürte Eurone das Bedürfnis, erfahren zu wollen, was für ein Gefühl es wäre, selbst ein Kind auszutragen. Sie meinte, dass Kristian die richtigen Gene hatte. Das führte dazu, dass Kristian der Vater des inzwischen geborenen Kindes wurde. Es war viel passiert, seit dem die Alien in sein Leben traten. Er hatte dafür gesorgt, dass die ganze Welt jetzt wusste, dass es sie gab. Mit ihrer Hilfe konnte er eine Raumfahrtbesatzung vor den sicheren Tod retten. Um nicht erkannt zu werden, trat er als Edra der Außerirdische in verschiedene Gestalten auf und tat Sachen, die ein normaler Mensch nicht kann.

Jessika ist seine Freundin. Sie wohnen zusammen in dem Haus von Jessikas Eltern, die zurzeit wieder mal auf Reisen sind. Zum Haus gehören noch der Großvater und Maria die Haushälterin. Das Haus stammt noch aus dem Mittelalter. Im Großen und Ganzen sieht es noch so aus, wie vor einigen Hundert Jahren, mit kleinem Bergfried aber ohne die Wehrmauer um das Haus.

Im Mittelalter wohnte hier der Burgvogt mit der Tochter des Grafen Falkenhorst, die jetzt ihre Freunde sind. Ihre Burg liegt nicht weit von Jessikas Haus entfernt und ist leider heute nur noch eine traurige Ruine.

Weitere Mitstreiter sind Lena die Reporterin, die über die Abenteuer berichtet und die Bilder in die ganze Welt verkauft. An dem Erlös ist sie prozentual beteiligt. Jeanette ist Jessikas Freundin, die erst später zu ihnen gestoßen ist. Kristel eine Ärztin, hatte ihre Bewehrungsprobe beim Verarzten von Römern und Germanen nach einer Schlacht bestanden.

Da war noch Silke, eine ehemalige Schulkameradin, die eine Schreinerei im Ort betrieb und dafür gesorgt hatte, dass die Burg Falkenhorst zu ihren Glasfenstern kam.

So geht es weiter:

Es war früher Morgen, Jessika kam vom Bäcker zurück, und hielt einen Brief in der Hand. »Der war vorne am Tor eingeklemmt.« Nichts Gutes ahnend, nahm Kristian ihr den Brief aus der Hand. Vorne stand lediglich „ein Freund“ drauf. Er öffnete ihn, alle schauten ihn fragend an.

Er las: Eine nicht näher bekannte Gruppe interessiert sich für euch. Ihre Ziele sind nicht bekannt. Unterschrieben war mit „ein Freund.“

Fragende Gesichter. Auch Kristian konnte sich keinen Reim darauf machen. »Kinder«, sagte Großvater, »jetzt ist es so weit, irgendwann haben wir immer damit gerechnet.«

Großvater hatte recht, in weiser Voraussicht hatten sie den Dobermann Aron aus dem Tierheim zu sich geholt. Unbemerkt kam so schnell keiner ins Haus. Kristian dachte an die Anderen, die ihr Geheimnis kannten. Waren sie jetzt alle in Gefahr? Von Lena, Silke und Kristel würden sie wissen, da diese über ihre Erlebnisse schon berichtet hatten. Die Frage war, wie weit die unbekannte Gruppe gehen würde, um an Informationen zu kommen? Lediglich Lena und Kristian hatten von den Alien einen Peilsender implantiert bekommen und hatten es ihm zu verdanken, dass Lena nach einer Entführung schnell mit der Hilfe ihrer neuen Freunde, aufgespürt werden konnte.

Hier in Jessikas Haus liefen alle Fäden zusammen. Falls man sie beobachtet hatte, wussten sie, wer hier aus und einging. Bisher hatte Kristian sich immer im Hintergrund gehalten, vielleicht waren sie deshalb auf ihn aufmerksam geworden. Viel konnten sie nicht über ihn wissen, wenn sie aber eine der Frauen bedrohen würden, könnten sie erfahren, dass Kristian als Edra der Außerirdische auftrat. Ja und dann? Eine Möglichkeit war, dass sie ihn erpressen könnten, irgendetwas für sie zu tun. Wenn sie seinem offen zur Schau getragenem Medaillon irgendwelche Kräfte zuschrieben, so wussten sie nicht, dass die Kraft auf ein implantiertes Teil übertragen worden war. Das Medaillon hatte keine direkte Funktion mehr.

Als Erstes musste Jessika und Jeanette aus der Gefahrenzone geschaffen werden.

»Was hast du überlegt«, fragte Jessika, die ihn beobachtet hatte.

»Was haltet ihr davon, eine Weile in das Haus von Hanna der Heilerin zu ziehen?«

»Warum nicht auf Falkenhorst?«

»Das ist mir egal, ihr müsst hier nur weg, bis wir Näheres wissen.«

Draußen fuhr ein Auto vor. Jeanette. Als sie rein kam, spürte sie sofort, dass etwas nicht stimmte. Kristian erklärte ihr die Lage.

»Ich gehe mit nach Falkenhorst«, erklärte sie sofort.

»Also gut, packt zusammen, was ihr braucht, Jeanette, du fährst nach Hause, packst und erklärst deinem Vater, dass du ein paar Tage auf Falkenhorst bist.«

»Was ist mit unseren Pferden?«

»Die nehmen wir natürlich mit«, meinte Jessika.

»Dann packt, und du Jeanette, fahr endlich los.« Kristian holte das Fernglas und ging damit in den Garten. Ihr Haus lag in einem Tal mit wenig Baumbewuchs. Er ging ums ganze Haus herum und suchte die Umgebung ab, ohne dass er Verdächtiges fand. Großvater sagte nichts, als Kristian wieder hereinkam und den Kopf schüttelte. Maria saß am Küchentisch und machte sich ihre eigenen Gedanken. Jessika kam mit einer großen Reisetasche zurück.

»Ich hole Jeanette ab«, sagte Kristian, »du kannst schon mal die Pferde satteln.« Jeanette wartete schon auf ihn. Ihre Tasche in der einen Hand, die andere Hand in Kristian Hand, sprangen sie zurück und gingen zu den Pferden, die schon bereitstanden. Ein Sprung brachte sie alle vor die Vorburg. Die Zugbrücke war unten. Die beiden Posten schauten erstaunt.

In der Vorburg befanden sich die Pferdeställe mit der Koppel, ein Teich mit Geflügel und die Kräutergärten. Kristian verabschiedete sich und die Frauen gingen die Pferde an den Zügeln haltend, über die Zugbrücke auf die Burg zu.

Wieder zurück, versuchte Kristian, Lena über ihre implantierte Direktverbindung zu erreichen. Sie kommunizierten dabei in Gedankenform. Sie meldete sich und er erzählte ihr, was vorgefallen war.

»Sei vorsichtig und bleibe in der Stadt.« Dann rief er Kristel und Silke an und machte sie mit der neuen Situation bekannt. Ihn wunderte, dass ihnen das anscheinend keine Sorgen bereitete. Sei’s drum. Da er im Moment nur abwarten konnte, beschloss er in die Stadt zu fahren, dann würde sich zeigen, ob sich jemand für ihn interessierte.

Er sagte Großvater Bescheid und fuhr los. Unterwegs schaute er oft in den Rückspiegel und erreichte die Stadt, ohne dass er Verdächtiges feststellte. Kristian hatte sich überlegt, ob er Heike der Kriminalkommissarin einen Besuch abstatten sollte. Mit ihr hatte er als Edra der Außerirdische, oder auch mal in der Gestalt eines gesuchten Verbrechers, der als Steckbrief in ihrem Büro hing, schon einiges erlebt. Er tauchte also in ihrem Büro auf, ohne dass sie ihn zunächst wahrnahm. Sie stand vor dem Fenster und schaute hinaus. Sein Räuspern ließ sie herumfahren.

»Hallo Heike.« Langsam wurde er zu der Gestalt auf dem Steckbrief hinter ihr. »Edra.«

Sie musterte Kristian und wartete darauf, dass er den Anfang machte.

»Hallo Heike, kann sein, dass ich deine Hilfe benötige. Meine Freunde fühlen sich bedroht, sie haben eine mysteriöse Warnung erhalten, dass sich jemand für sie interessiert.«

»Verrätst du mir, wer deine Freunde sind?«

»Du weißt schon, Lena, die Doktorin und Silke die Schreinerin, die mit ihm im Mittelalter waren.«

»Sonst noch jemand?«

»Lenas Freunde in dem alten Haus bei der Burg, Jessika und Kristian.«

»Ich glaube ich weiß, wen du meinst, ich habe ihn vor Kurzem mit Lena in der Stadt getroffen, du warst nicht zufällig in der Nähe?«

»Verzeihe mir, ja.«

»Hab ich mir gedacht. Und was erwartest du jetzt von mir?« »Es könnte ja sein, dass wieder eine Behörde hinter mir her ist?«

»Also, ich weiß davon nichts und ich glaube auch nicht daran«, meinte sie.

»Das ist schade, Behörden haben ihre Grenzen, auch wenn sie sich nicht immer daran halten, ein anderer Gegner wird sich keine Grenzen auferlegen. Wenn sich aus deiner Sicht etwas ergibt, dann benachrichtige bitte Lena.«

»Edra verrätst du mir, wie du mit Lena in Verbindung trittst?« »Warum fragst du, ich könnte sie anrufen?«

»Nein das glaube ich nicht, du weist, dass sich die Behörde schon mal für dich interessiert hat, auf Lenas Anrufliste tauchte nichts Verdächtiges auf.«

»Irgendwann werde ich es dir erzählen, ich gehe jetzt.«

»Halt, dafür, dass ich meine Ohren offen halte, könntest du mir einen Gefallen erweisen.« Ihre Gedanken waren bei den Römern. »Ich weiß was du willst, hast du keine Angst, dass du als Sklavin enden könntest?«

»Warum, du bist doch bei mir.«

»Ganz wie du willst.« Kristian reichte ihr seine Hand, sie kamen am Waldrand an, mit Blick auf dem Kastell.

»Und hast du es dir so vorgestellt?«

»Nein, es ist alles so groß und unwirklich, machst du ein Foto von mir?« Plötzlich hielt sie einen kleinen Fotoapparat in der Hand.

»Trägst du immer so etwas mit dir herum?«

»Nein.« Sie stand mit dem Rücken zum Kastell und er machte die gewünschten Fotos. Er hatte sie losgelassen, sodass sie sichtbar wurde. Plötzlich erschallte ein Signal, Soldaten rannten auf sie zu. »Jetzt gibt es Zeit, dass wir verschwinden.« Es bestand nicht die Notwendigkeit, dass sie verschwanden, Kristian wollte nur keine Erklärungen abgeben müssen. Schnell schoss sie noch zwei Fotos von den heranstürmenden Römern und sie hielt ihm hektisch ihre Hand entgegen. Kristian brachte sie in ihr Büro zurück. »Edra, ich danke dir. Ich bring die Aufnahmen am besten gleich in den Fotoladen.«

In seiner Gestalt sprang er in eine ruhige Seitengasse und ging dann zum Kaffee. An seinem Vorhaben sich als Köder anzubieten, hatte sich nichts geändert. Irgendwann würden sie schon auftauchen. Unauffällig beobachtete er die Menschen, die kamen und gingen.

Es ging auf den Mittag zu, er hatte schon etliche Tassen Kaffee getrunken. Betont unauffällig setzte sich ein Mann in seine Nähe. Er schaute sich um, vermied aber, in Kristians Richtung zu schauen.

Der Kontakt war hergestellt. Eine weitere halbe Stunde geschah nichts. Dann näherte sich jemand hinter seinem Rücken, zog sich einen Stuhl vom Nachbartisch heran und setzte sich neben ihn. »Braucht ihr immer so lange«? fragte Kristian.

»Wir hatten noch nicht alles beisammen.«

»Und das heißt?«

»Wir haben auf ihre Freundin gewartet.«

»Ja, da habt ihr Pech gehabt. Und dass wir uns hier treffen, das habe ich so gewollt. Also was wollt ihr?«

»Das wird ihnen mein Chef Herr Melchior sagen.«

»War das nicht einer der drei heiligen Könige? Wo ist ihr Chef?«

»Wir sollen sie zu ihm bringen.«

»Freiwillig oder mit Zwang?«

»Ganz wie sie wollen.«

»Wie wollen sie das bei den vielen Leuten machen?«

»Also, was ist, kommen sie mit?« Kristian wollte schon, schließlich musste er wissen, was die Leute im Schilde führten. Zu leicht wollte er es ihnen aber auch nicht machen.

»Sagen sie ihrem Chef, ich warte hier auf ihn.« Der Mann stand auf, und ehe Kristian sich versah, spürte er einen Stich im Nacken. Erschrocken schaute er hoch, dann schwanden ihm die Sinne. Geräusche eines Motors weckten ihn und eine Stimme sagte, »schicke ihn wieder schlafen.« Ein Stich und die Geräusche verstummten.

Kristian öffnete seine Augen. Noch ein wenig benommen stellte er fest, dass er auf einem Bett lag. Tageslicht erhellte das Zimmer. Die Möbel wirkten bäuerlich. Keine Geräusche drangen an seine Ohren. Langsam erhob er sich und ging auf wackeligen Beinen zum Fenster. Ein Balkon versperrte ihm die Sicht. Das Einzigste, was darüber hinausragte, waren grüne Wiesen und Berge im Hintergrund.

Die Zimmertür war abgeschlossen, die Balkontür nicht. Vom Balkon aus sah er, dass es ein großes Haus im bayrischen Stil war. Von unten schaute ein Mädchen, oder besser eine junge Frau, zu ihm herauf. Er schätzte sie auf fünfzehn Jahre. Ihre blasse Hautfarbe störte das Gesamtbild von ihr. Große dunkle Augen sahen ihn an. Kristian hob die Hand zum Gruß, welchen sie erwiderte.

Ein Schlüssel drehte sich im Schloss, Kristian ging ins Zimmer zurück. Sein Bekannter aus dem Kaffee stand in der Tür und grinste ihn an. »Na, gut geschlafen.«

»Darüber sollten wir uns später noch einmal unterhalten. Wo bin ich hier?«

»Das wird ihnen mein Chef gleich sagen.«

»Sie meinen einer der drei Könige?« Der Mann ging voran, Kristian folgte ihm durch den Flur die Treppe herunter. Unten stand das Mädchen. Die Jeans schien ihr zu groß zu sein, ihre Augen blickten traurig. Kristian spürte kaum eine Regung in ihren Gedanken. Es schien ihr nicht gut zu gehen, dachte er noch, als sein Begleiter vor eine Tür stehen blieb und anklopfte. Das herein nicht abwartend, öffnete er die Tür, blieb darin stehen und ließ Kristian an sich vorbei. Danach schloss er die Tür von außen.

Ein Mann erhob sich hinter seinen Schreibtisch und kam Kristian mit ausgestreckter Hand entgegen.

»Reichlich viel Höflichkeit für einen Entführer.« »Entschuldigen sie die Umstände, im Prinzip haben sie natürlich recht. Setzen sie sich und ich erkläre ihnen alles.«

Der Mann war nicht sehr groß und sah aus wie ein Büromensch. Sport schien nicht sein Ding zu sein. Trotzdem sah man ihm an, dass er es gewohnt war, dass man seine Anweisungen befolgte.«

»Meine Tochter hat Krebs.«

Er sah Kristian direkt an, als erwartete er einen Einwand von ihm. Dieser schaute ihn nur stumm an.

»Ein Zeitungsbericht brachte mich darauf«, fuhr er fort.

»In ihrem Krankenhaus geschahen merkwürdige Dinge. Ein Detektiv hat mir die Sachen zusammengetragen«, er tippte auf einen Schnellhefter. »Sie wissen, worauf ich hinaus will?« Kristian nickte.

»Mich interessieren eigentlich nur die unerklärlich schnellen Heilungen.«

»Und was habe ich damit zu tun?«

»Das versuche ich ja gerade herauszubekommen. Der Schlüssel scheint dieser Edra zu sein. Nachforschungen haben ergeben, dass ein unsichtbares Band von den Beteiligten, die mit Edra schon zu tun gehabt haben, zu ihnen führt. Alle waren schon mal in ihrem Haus. Wehrend einige Personen keinen Hehl daraus machen Edra zu kennen, blieben sie im Hintergrund. Das lässt den Schluss zu, dass sie um keinen Preis auf sich aufmerksam machen wollen. Deshalb meine Frage, kennen sie Edra?«

»Es hätte wohl keinen Zweck das abstreiten zu wollen. Ja, ich kenne Edra. Ich kann mir nur nicht vorstellen, wie das ihre Probleme lösen soll?«

»Darauf komme ich noch. Würden sie sagen, dass Edra ihr Freund ist?«

»Ja, könnte man sagen.«

»Dann würde Edra doch alles für sie tun?«

»Und was soll er tun?«

»Meine Tochter gesund machen.«

»Und sie kommen anschließend ins Gefängnis.«

»Das Risiko gehe ich ein. Ich habe nur eine Bitte, wenn ich ihnen gleich meine Tochter vorstelle, könnten sie darauf verzichten, ihr die wahren Umstände ihres Besuchs zu erzählen?«

Kristian hegte keinen Groll gegenüber dem Vater, das Mädchen tat ihm leid und er sah durchaus die Möglichkeit, dass er ihr helfen konnte. Eurone das blonde Alienmischwesen, hatte auf ihrem Stützpunkt bei Kristel der Krankenhausärztin und ihm, die Heilungskräfte aktiviert, was zu bemerkenswerten Heilerfolgen geführt hatte. Da er jetzt wusste, dass allen Beteiligten keine Gefahr mehr drohte, begann ihm der Aufenthalt hier, keine Kopfschmerzen mehr zu bereiten.

»Ihre Tochter hat nicht so sehr Angst um ihren Tod, sondern wie sie damit klarkommen«, sagte Kristian.

»Haben sie schon mit ihr gesprochen?«

»Nein, wir sind uns schon begegnet.«

Nachdenklich schaute der Vater Kristian an.

»Sie scheinen mehr zu wissen wie ich.«

»Schon möglich, sie dürfen ihrer Tochter sagen, dass ich als Gast hier bin.«

»Für alle beteiligten wäre es von Vorteil, wenn sie nicht versuchen würden, uns zu verlassen. Habe ich ihr Wort?«

»Sie wissen schon, dass das nicht normal ist, das von einem Entführten zu verlangen? Also gut, ich werde für ein paar Tage ihr Gast sein, danach sehen wir weiter. Ich muss aber zuhause anrufen, damit sie sich keine Sorgen machen.«

Herr Melchior nickte und deutete auf das Telefon. Er schien Kristian zu vertrauen, denn er gab ihm keine Anweisungen, wie er sich am Telefon zu verhalten hatte.

»Großvater, hier ist Kristian, ich bleibe für ein paar Tage weg, es ist alles in Ordnung.«

»Junge, wirst du gezwungen, das zu sagen?«

»Nein wirklich, ich komme bald wieder.«

»Junge pass auf dich auf.«

»Zufrieden?« fragte Kristian, nachdem er aufgelegt hatte.

»Ja, danke.« Dann wählte er eine Nummer, »sage meiner Tochter, sie möchte hereinkommen.«

Sie kam, große dunkle Augen blickten ihn an.

»Ich bin Kristian«, sagte er und hielt ihr seine Hand entgegen, die sie zögernd ergriff. Klara schaute ihren Vater an, wollte wissen, weshalb der Besucher hier war.

»Kristian bleibt ein paar Tage, wenn du willst, kannst du ihm hier alles zeigen.« Klara nickte, drehte sich um, Kristian folgte ihr nach draußen.

»Weswegen sind sie hier?«

»Wir sollten du zueinander sagen, einverstanden?« Sie nickte. »Warum ich hier bin? Hat dein Vater Geheimnisse vor dir?«

»Kann schon sein, er will mich beschützen.«

»Dein Vater hat mir erzählt, wie es um dich steht.

Wie kommst du damit klar?«

»Wenn kein Wunder geschieht, werde ich sterben. Ich hatte viel Zeit mich an den Gedanken zu gewöhnen. Kristian, glaubst du an ein Leben nach dem Tod?«

»Ja, ich glaube daran.«

»Und warum.«

»Ich weiß nicht, wie weit du dich damit beschäftigt hast, ich glaube daran, dass jeder Mensch einen oder mehrere Seelenbegleiter hat, andere sagen auch Engel dazu. Diese haben nichts mit dem christlichen Glauben zu tun. Ich habe schon mit meinem gesprochen, er hatte mich vor einer Gefahr gewarnt.«

»Kristian, du willst mich nur trösten, sag mir die Wahrheit, sei ehrlich zu mir.«

»Bin ich, ich glaube daran.«

»Komm, ich zeige dir die Ställe.« In einem Nebengebäude waren Stallungen untergebracht. Einige Ställe waren leer. In drei standen Pferde. »Dieses ist meins«, sie zeigte auf eine kleine Stute mit edlem Kopf.

Die Stute kam und rieb sich an Klaras Hand. »Ich war schon lange nicht mehr Reiten, ich bin zu schwach.«

»Wenn du willst, sattele ich sie morgen und bewege sie ein wenig?«

»Ja, das wäre schön.«

Ein Meckern ließ ihn herumfahren. »Das ist Trudi, sie leistet meinem Pferd Gesellschaft.« Trudi war eine Ziege. »Kristian, du hast mir noch nicht gesagt, warum du hier bist?«

»Dein Vater möchte dich damit nicht belasten. Wenn du mir versprichst, dass du deinen Vater nicht darauf ansprichst und keine Fragen stellst, werde ich dir morgen mehr erzählen.« »Ich fühl mich schon besser, seitdem ich weiß, dass es ein Leben nach dem Tod gibt. Vielleicht treffe ich meine Mutter, sie ist verunglückt.«

»Klara, bist du immer alleine, hast du keine Freundinnen?« »Sie kommen nicht mehr, seitdem sie wissen, wie es um mich steht, schau«, sie griff in ihren Haarschopf und zog ihn einer Mütze gleich von ihrem Kopf.

»Steht dir gut.« Überrascht blickte sie ihn an.

»Nein, wirklich, oder fühlst du dich besser, wenn du eine Mütze aufhast?«

»Nein, eigentlich nicht, du hast recht, es ist so, wie es ist.«

»Klara können wir Morgen irgendwo hingehen, wo uns keiner stört.«

»Du kannst auf mein Zimmer kommen.«

»Ich weiß nicht, ob das allen recht ist, ich dachte an draußen.«

»Ja sicher, hier gibt es viele Hügel und Täler.«

»Reicht deine Kraft aus, um bis dahin zu kommen?«

Klara nickte.

»Komm, lass uns zurückgehen.«

Der Vater stand am Fenster, als sie zurückkamen. Er sagte nichts, auch nicht darüber, dass Klara keine Haare auf ihrem Kopf hatte. Sie gingen ins Haus.

»Vater, ich fühl mich so gut wie lange nicht mehr.«

»Das ist nicht zu übersehen.«

»Du meinst meine Haare? Es ist so, wie es ist, jetzt spüre ich wieder den Wind über meinen Kopf streichen.« Kristian sah dem Vater an, dass er gerne gefragt hätte, was vorgefallen war. Klara verließ kurz den Raum.

»Kristian, was haben sie mit meiner Tochter gemacht? Sie ist wie verwandelt.«

»Klara ist einsam, sie hat keinen, mit dem sie über ihre Probleme reden kann.«

»Aber sie hat doch mich.«

»Das ist nicht dasselbe, sie reden mit ihr wie zu einem Kind, Klara ist kein Kind mehr.«

»Wie haben sie es geschafft, so schnell ihr Vertrauen zu gewinnen?«

»Das war nicht schwer. Herr Melchior, ich habe eine Bitte, Klara und ich wollen Morgen einen Spaziergang machen. Schicken sie uns keinen Aufpasser hinterher, ich werde auf sie aufpassen. Ich mag ihre Tochter und will nur ihr Bestes. Geht das so klar?« Nach anfänglichem Zögern nickte er.

»Ich habe gesehen, was sie bei meiner Tochter bewirkt haben, mir bleibt nichts anderes übrig, als ihnen zu vertrauen.«

Klara kam zurück.

»Was steckt ihr denn eure Köpfe zusammen, ihr habt euch über mich unterhalten?«

»Kristian sagte, ihr wollt morgen einen Spaziergang machen.« »Ja, darauf freue ich mich schon.«

»Kommt, lasst uns zu Abend essen«, schlug der Vater vor. Klara kam auf Kristian zu. Ihren Gedanken entnahm er, dass sie sich vertraulich bei ihm unterhaken wollte. Das fehlte noch, dass der Vater auf dumme Gedanken kam. Er schüttelte den Kopf. Erschrocken blieb sie stehen und ging als letzte durch die Tür. Sie suchte seinen Blick. Ohne dass der Vater es sah, legte Kristian seinen Zeigefinger auf seine Lippen. Es wurde noch ein netter Abend.

Am anderen Morgen trafen sie sich wieder zum Frühstück.

»Ich muss mich um meine Geschäfte kümmern«, sagte Herr Melchior, »ich kann euch doch alleine lassen?«

»Ja, Vater, Kristian ist ja bei mir.«

Sein Entführer fuhr mit dem Wagen vor, vom Fenster aus, sahen sie, wie sie fortfuhren.

»So, was machen wir jetzt«? fragte Klara.

»Wir kümmern uns um dein Pferd.«

Die Pferde wieherten, als sie kamen.

»Kannst du deinem Pferd das Halfter anlegen, ich pass auf, dass Trudi nicht entwischt.« In der Stallgasse bürstete Kristian das Fell sauber und kratzte die Hufe aus.

»Wer kümmert sich um das alles hier«? fragte Kristian. »Stundenweise kommt jemand.« Er legte die Satteldecke und den Sattel auf. Am Zügel führte er es vor den Stall.

Das Pferd war nervös und tänzelte unruhig herum. Ein paar Schritte führte Kristian es hin und her, ehe er sich in den Sattel setzte. Er hatte damit gerechnet. Das Pferd stieg hoch und stellte sich auf seine Hinterbeine. Das ging eine Weile so, bis es sich beruhigt hatte. Eine halbe Stunde bewegte Kristian es im Schritt und im Trab und kehrte dann mit dem Pferd in den Stall zurück. Trotz dem, dass er darauf geachtet hatte, das Pferd nicht zu überfordern, schwitzte es. Kristian rieb es trocken und brachte es in ihre Box.

»So, jetzt können wir spazieren gehen«, drängte Klara. »Kannst es wohl nicht abwarten?«

»Nein, kann ich nicht.«

»Dann komm.« Sie stiegen den ersten Hügel hoch und hinten wieder herunter. Jetzt waren sie vom Haus aus nicht mehr zu sehen. Mit angezogenen Knien setzte Kristian sich gegen den Hang.

»Klara komm, setz dich neben mich. Was denkst du, kannst du dir vorstellen, dass du wieder gesund wirst?«

»Wie sollte ich, meine Werte werden immer schlechter.«

»Du hast dich also aufgegeben?«

»Ich will ja leben, aber es soll wohl nicht so sein.«

»Wenn dein Körper keine Gegenwehr mehr von dir spürt, gibt er auf. Du musst sofort anfangen, positiv zu denken.«

»Und wie soll ich das machen?«

»Negative Kräfte haben von deinem Körper Besitz ergriffen, diese müssen wir zuerst bekämpfen. Komm her, setz dich zwischen meine Knie mit dem Rücken zu mir.« Klara fand das lustig. Er legte ihr die Hände auf die Schultern. »Du stellst dir jetzt vor, wie ein heller Energiestrahl auf deinen Kopf fällt. Diese helle Energie dringt in deinen Körper und füllt ihn etwa so, als wenn man eine Flasche füllt. Bist du so weit?«

Klara nickte.

»Die helle Energie füllt jetzt deinen Brustbereich und treibt die graue negative Energie weiter vor sich her, bis in die Füße. Du lässt so viel helle positive Energie aus deinen Füßen in die Erde fließen, bis keine graue Energie mehr in deinem Körper ist. Das machst du jetzt mal alleine. Schließe deine Augen und stell dir alles bildlich vor.«

»Ich hab's gemacht«, sagte sie dann.

»Gut, ab heute denkst du nur noch positiv. Klara, du wolltest wissen, warum ich bei euch bin? Hast du von Edra dem Außerirdischen gehört?«

»Ja, wer hat das nicht?«

»Dein Vater hat herausbekommen, dass ich Edra kenne.«

»Das gibt es nicht, du kennst Edra?«

»Ja, er ist mein Freund.«

»Und weiter?«

»Dein Vater denkt, dass Edra dich heilen könnte.«

»Und kann er das?«

»Ich weiß es nicht, vielleicht.«

»Wann lerne ich Edra kennen?«

»Das weiß ich auch nicht, dein Vater will mich als Köder benutzen. Du siehst, dass ich nicht ganz freiwillig hier bin.«

»Warum läufst du nicht einfach weg?«

»Ich habe deinem Vater versprochen, ein paar Tage zu bleiben.«

»Weil du Mitleid mit mir hast?«

»Nein, nicht nur, ich habe von Edra eine Menge gelernt, ich will es bei dir anwenden. Lege dich gegen meine Brust und entspann dich, ich meine alle Körperteile, lass sie einfach fallen.« Seine Hände lagen seitlich an ihren Kopf, als er seine Energie in ihren Körper schickte. Ähnlich dem, was er ihr vorher beigebracht hatte, trieb Kristian die graue Energie aus ihrem Körper in den Boden. Es mochten zehn Minuten vergangen sein, als er Klaras gleichmäßige Atemzüge hörte. Er ließ sie schlafen und machte noch eine Energieübertragung. Nach einer halben Stunde, als er sie aufwecken wollte, drehte sie sich auf die Seite und kuschelte sich an seine Brust.

»Klara aufwachen.« Erschrocken fuhr sie hoch.

»Ich hab doch nicht geschlafen?«

»Doch hast du.«

»Kristian hast du eine Freundin?«

»Ja.«

»Schade.«

»Du wirst sie kennenlernen, wenn du gesund bist.«

»Dann werde ich sie wohl nicht kennenlernen.«

»Hast du schon wieder alles vergessen was ich dir erzählt habe, du sollst positiv denken. Dir wird es bald besser gehen, versprochen.«

»Ja, ja.«

»Wirst du dich anstrengen, wenn ich dir verspreche, dich mit ins Mittelalter zu nehmen?«

»Meinst du das ernst?«

»Versprochen. Und denke daran, dass du deinem Vater nichts erzählst, was mit Edra zusammenhängt. Nur das, was ich dir mit der positiven Energie beigebracht habe.«

»Schon gut.«

»Weißt du, was es heute Mittag zu essen gibt?« fragte er. »Woran du schon wieder denkst, ich habe keinen Hunger.«

»Denke dran.«

»Ich weiß, positiv denken.«

»Komm, wir gehen zurück.« Vom Hügel aus sahen sie zum Haus. »Wenn du willst, darfst du dich bei mir einhaken.«

»Ja gerne.« Langsam gingen sie zurück.

»Kristian, ich fühle mich so müde, ist das ein gutes oder schlechtes Zeichen?«

»Ein Gutes natürlich.« Da es für das Mittagsessen noch zu früh war, setzten sie sich draußen vor das Haus und sahen zu, wie die Sonne sich hinter den Wolken verzog.

»Kristian, muss mein Vater ins Gefängnis, weil er dich entführt hat?«

»Wenn ich ihn anzeige, dann ja.«

»Und tust du das?«

»Nein, er wollte nur dein Bestes.« Ehe er sich versah, saß sie auf seinen Schoß und umarmte ihn. Als sie keine Anstalten machte, sich wieder von ihm zu lösen, schob er sie sanft von sich.

»Meinst du nicht, dass man daraus falsche Schlüsse ziehen könnte?«

»Ist mir egal.«

»Deinem Vater aber sicher nicht.«

»Morgen muss ich wieder ins Krankenhaus.«

»Du kommst doch wieder?«

»Ja, es sei denn, mir geht es noch schlechter.«

»Du kannst beruhigt sein, wird es nicht.«

»Kristian, ich habe von den Germanen und Römern gelesen, warst du auch dort?«

»Ja, wir waren im Kastell, als die Germanen angegriffen haben.«

»Sehen die Römer so aus wie wir sie aus den Filmen kennen?« »Ja.«

»Und deine Freundin ist auch immer dabei?«

»Meistens ja.«

»Ich beneide sie.«

»Komm, lass uns rein gehen, ich habe Hunger.« Er wusste, was sie sagen wollte und hob den Finger, »positiv denken.« Es gab Hähnchen mit Buttergemüse. Klara schien durch ihren Ausflug doch Hunger bekommen zu haben. Hatte sie erst sparsam ihren Teller gefüllt, nahm sie noch einen Nachschlag plus Dessert.

»Braves Kind«, sagte er, was sie zum Lachen brachte.

»Klara, nach dem Essen möchte ich ein anderes Pferd satteln und mir die Gegend ansehen, das geht doch klar?«

»Du kommst doch wieder?«

»Versprochen.« Zweifel keimte in ihren Augen.

»Klara, wie wäre es, wenn du dich für eine Stunde hinlegst?«

»Du redest schon wie mein Vater.« Kristian ging in den Stall, sattelte ein Pferd, führte es nach draußen und saß auf. Er nahm den Weg, der ins Tal zum nächsten Ort führte. Das Pferd mochte ihn leiden und machte keine Zicken. Kühe kamen zum Zaun gelaufen, als er vorbei ritt, und machten übermütige Sprünge. Nach einer Dreiviertelstunde sah er unter sich eine kleine Stadt, oder besser, ein Dorf liegen.

Langsam ritt er durch die Straßen. Das schien normal zu sein, denn kaum einer drehte sich zu ihm um. Vor einem Straßenkaffee hielt er an und überlegte, ob er es wagen konnte, sein Pferd anzubinden. Es hatte sich zwar nicht schreckhaft gezeigt, aber man konnte ja nie wissen.

Eine junge Frau schaute zu ihm hoch. Sie hatte auf die Satteldecke gestarrt, auf der ein Symbol eingestickt war.

»Sie kommen von den Melchiors?«

»Ja.«

»Wie geht es Klara?«

»Meinst du nicht, dass du sie das selber fragen solltest.« »Ich weiß, und habe auch ein schlechtes Gewissen, ich konnte es nicht mehr mit ansehen, wie sie langsam stirbt. Alle wissen es und Klara auch.«

»Klara wird nicht sterben«, sagte er.

»Ihr geht es schon besser«? fragte sie hoffnungsvoll.

»Bald. Willst du nicht vorbeikommen und sie selber fragen?« »Ich weiß nicht, sie ist bestimmt sauer auf mich.«

»Sicher nicht ohne Grund.«

»Sie haben recht, ich komme heute vorbei.«

»Klara wird sich freuen.« Kristian stieg ab und band das Pferd in der Nähe eines Kaffees lose an einen Baum fest, setzte sich und bestellte einen Kaffee. Entspannt schaute er dem Treiben auf der Straße zu. Schließlich machte er sich auf den Rückweg auf. Auf halbem Weg hupte ein Auto hinter ihm. Er ließ es vorbei, Herr Melchior hob grüßend die Hand. Am Haus angekommen, wartete Klara auf ihn, gemeinsam gingen sie in den Stall.

»Ich bin froh, dass du wieder da bist.«

»Du hast doch nicht im Ernst daran gedacht, dass ich mit der Polizei zurückkomme?«

»Woher weißt du, woran ich gedacht habe? Aber du hast recht, hätte ja sein können.«

»Und was ist mit dir, hast du fleißig positiv gedacht?«

»Hey, du machst dich lustig über mich.« Sie hieb ihre Fäuste gegen seine Brust. Um ihren Übermut zu bändigen, umfasste er sie so, dass sie ihre Arme nicht mehr bewegen konnte.

»Kristian küsse mich.« Ihre großen Augen fixierten ihn.

»Wenn du mehr nicht willst.« Gleichzeitig drückte er ihr einen Kuss auf die Stirn. »Nein, nicht so, richtig.«

»Hat dich schon mal ein Junge geküsst?«

»Nein, ich weiß nicht, wie das ist.«

»Dann warte, bist du den Richtigen triffst.«

»Kristian, bitte.« Er ließ sie los.

»Wenn dein Vater uns so gesehen hätte, was würde er wohl denken?«

»Er würde denken, Hauptsache meine Tochter ist glücklich.« »Warte bist du gesund bist, dann wird er das nicht mehr denken. Komm, wir gehen ins Haus.« Ein Auto fuhr vor, eine Frau am Steuer, daneben die junge Frau aus dem Dorf. Sie stieg aus, das Auto fuhr wieder fort. Klara blieb stehen.

»Hallo Klara.«

»Simone.«

»Ich habe ein schlechtes Gewissen, ich konnte es nicht mehr ertragen, dass es dir immer schlechter ging.«

»Und wieso kommst du dann jetzt?«

»Er«, sie deutete auf Kristian, »sagte, dass es dir besser geht.« »Kristian stimmt das?«

»Fühlst du dich nicht besser?«

»Ja«, rief sie und drehte sich im Kreis.

»Ich fühl mich besser.«

»Dann kann ich euch ja wohl alleine lassen.« Als er sich umdrehte, sah er, dass der Vater sie beobachtet hatte. Im Gehen hörte er Simone noch sagen, »du siehst so anders aus.«

»Du meinst ohne Haare?« Als Kristian ins Zimmer trat, fragte der Vater, »was ist passiert?«

»Klara hat angefangen, positiv zu denken. Sie muss nur daran glauben.«

»Haben sie ihr das beigebracht?«

»Wenn ich schon mal hier bin, will ich gerne etwas Positives bewirken. Und was ist mit ihnen, hat Edra sich schon gemeldet?«

»Nein, ohne ihre Hilfe schaffe ich das nicht.«

»Ja, das hätten sie sich vorher überlegen müssen. Aber keine Angst, Klara bezwingt ihre Krankheit schon alleine. Sie haben sie doch erlebt, sie ist schon ein anderer Mensch.«

»Ja, sie haben recht.«

»Ist Klara morgen lange weg?«

»Nachmittags ist sie wieder hier.«

»Dann werde ich anschließend einen Spaziergang mit ihr machen. Sie werden sehen, das hilft ihr.« Im Stillen hatte Kristian die Hoffnung, dass seine Heilungskräfte schon etwas bewirkt hatten.«

»Ich werde aus ihnen nicht klug und wollte es nicht glauben, als ich sie auf dem Heimweg mit dem Pferd antraf.«

»Sie vertrauen mir nicht?«

»Jetzt schon.«

»Ich habe Klara etwas versprochen«, sagte Kristian, ich hoffe es wird ihr helfen.« Später hörten sie ein Auto vorfahren, Klaras Freundin wurde abgeholt.

»Hast du dich über den Besuch gefreut«? fragte Kristian, als sie ins Zimmer trat. »Ich weiß nicht, ich hab mich schon daran gewöhnt, alleine zu sein. Wie hast du es geschafft, dass sie gekommen ist?«

»Sie hat euer Pferd erkannt, und ich habe ihr gesagt, dass du dich besser fühlst.« Klara setzte sich zu ihm aufs Sofa.

»Kristian, falls ich mal einen Freund habe, muss er so sein wie du.« Sie versuchte, einen Arm um ihn zu legen, was aber nicht gelang, da er ein Stück größer war wie sie. Dem Vater sah man nicht an, ob ihm diese Vertrautheit gefiel. Kristian machte keinen Gebrauch davon, in seinen Gedanken zu lesen.

Nach dem Abendessen zog Kristian sich auf sein Zimmer zurück. Irgendwie war er geschafft.

Hatte er Klara zu viel seiner Energie abgegeben? Eigentlich hatte er vorgehabt, Lena zu benachrichtigen, dass die Gefahr vorbei war, aber er war zu müde und verschob es auf morgen. Seine Energie reichte gerade noch so weit, sich ins Bett zu legen. Er schlief sofort ein.

Er hatte zu lange geschlafen. Klara und ihr Vater waren schon fort. Also frühstückte er alleine. Danach ging er in den Stall und sattelte das dritte Pferd. Heute wollte er in die andere Richtung, den Berg hinauf reiten. Obwohl es noch früh war, begegneten ihm Wanderer. Bei einigen schauten Kletterseile aus ihren Rucksäcken. Auf einer Alm konnte er sein Pferd tränken und ein Glas Milch trinken. Er lag entspannt mit dem Rücken im Gras und bewunderte die Berge ringsum, bis er durch das Geschrei einiger Besucher erschrocken hochfuhr. Alles starrte gebannt auf die nächste Felswand. Sie war ein Stück entfernt, trotzdem konnte man drei winzige Kletterer erkennen. Diese schienen in Schwierigkeiten geraten zu sein. Wie auf einer Perlenkette aufgereiht, klebten sie an der Felswand. Steinschlag von oben zwang sie, sich an die Wand zu pressen. Ein Felsbrocken hatte wohl den oberen Kletterer getroffen und ihn aus der Wand gerissen. Bis zur nächsten Sicherung war er hinabgestürzt und baumelte jetzt am Seil. Anscheinend war er benommen, denn er zeigte keine Regung. Von hier aus konnte man schlecht sehen, in was für einem Zustand die Anderen waren. Sicher hatten sie Angst, dass die Haken nicht halten würden. Kristian musste näher an sie heran.

Von der Rückseite der Alm sprang er unsichtbar zu dem mittleren Kletterer. Es war eine Frau.

»Was ist mit dir«, fragte er, »kannst du dich halten?« Erschrocken schaute sie sich um.

»Das ist der Schock«, sagte sie zu sich selbst, »ich höre Stimmen.«

»Das ist kein Schock, ich spreche zu dir.«

»Muss ich jetzt sterben, holst du mich ab?« Es blieb ihm keine andere Wahl, er musste sich ihr zeigen. »Hör zu, ich bin kein Geist, ich zeige mich jetzt, hast du mich verstanden?«

»Wer immer du bist, ich glaube nicht an Geister.«

»Um so besser.« Kristian wollte nicht, dass sie ihn beschreiben konnte, und hatte deshalb sein Äußeres vorher verändert. Erschrocken sah sie ihn an.

»Bin ich schon tot?«

»Nein, du bist nicht tot, ich frage dich noch mal, kannst du dich halten?«

»Ich weiß nicht, wenn der Haken oben nicht hält, werden wir mit runtergerissen.«

»Darum werde ich mich kümmern, kommt ihr dann alleine hoch oder wieder runter?«

»Meine Knie zittern, ich glaube nicht.«

»Dann halte so lange aus, ich kümmere mich erst um den Mann über dir.« Wieder unsichtbar sprang er zu dem baumelnden Mann. Er hätte sie alle gleichzeitig aus der Wand holen können, wenn das Seil nicht durch etliche Sicherungshaken laufen würde. Der Mann kam langsam zu sich.

»Wo bin ich, ich schwebe.«

»Nein, du wirst gleich schweben, du bist abgestürzt.« Er merkte nicht, wie Kristian das Seil sicherte, ihn losband, und sie gemeinsam unsichtbar herunterschwebten. Kristian legte ihn unten ab. Von unten hochkommend, befreite er den unteren Kletterer vom Seil. Der schrie auf, als er sich seines Halteseils beraubt sah. Kristian musste ihn erst überreden, die Wand loszulassen. Er legte ihn unten ab und es war höchste Zeit, als er bei der Frau war. Ihre Knie zitterten so stark, dass sie sich nicht mehr lange hätte halten können.

»Ich bin bei dir, lass los, du bist in Sicherheit. Sie tastete nach ihm, hielt sich krampfhaft fest und ergab sich ihrem Schicksal.« Die beiden Kletterer unten waren nicht mehr alleine. Andere Bergsteiger kümmerten sich um sie. Es fiel nicht auf, als sie beide unsichtbar herunterschwebten und er die Frau etwas abseits ablegte. Als diese merkte, dass sie festen Boden unter sich hatte, schrie sie kreischend auf. Sie stand immer noch unter Schock. Ein beherzter Mann rannte auf sie zu und gab ihr eine Ohrfeige, was sie sofort verstummen ließ.

Kristians Arbeit war getan. Er sprang zu seinem Pferd zurück. »Kannst du mir sagen, was dort passiert ist«, hörte er jemand einen anderen fragen?

»Ich bin mir nicht sicher«, sagte der Angesprochene, »ich verstehe es selber nicht, erst hingen sie in der Wand, jetzt sind sie weg, sie müssen wohl abgestürzt sein.«

Kristian schwang sich auf´s Pferd und machte sich auf den Heimweg. Ein Hubschrauber schwebte über der Stelle, wo die Bergsteiger waren. Es war Mittag, als Kristian zurück war. Klara war noch nicht zurück. Kristian war nervös, hatte keinen Hunger und wartete auf Klara und das Untersuchungsergebnis. Um drei Uhr kamen sie endlich.

Dass Klara ein verheultes Gesicht hatte, war kein gutes Zeichen. Auch ihr Vater hatte feuchte Augen. Als Klara Kristian sah, rannte sie auf ihn zu und umarmte ihn. »Kristian«, erneut heulte sie los.

»Was ist, ist es so schlimm?«

»Nein, es ist nicht schlimm.«

»Und warum weinst du?«

»Ich weine vor Freude.«

»Du hast mir einen Schrecken eingejagt, erzähl schon.«

Der Vater kam, »ihre Werte haben sich gebessert.«

»Hab ich nicht von Anfang an gesagt, Klara schafft das alleine?« Klara ließ ihn nicht mehr los.

»Komm, wir gehen rein«, schlug Kristian vor. Er schob sie sanft zum Sofa. »Du hast mir was versprochen«, sagte Klara.

»Was versprochen«? fragte ihr Vater. Kristian schaute Klara warnend an.

»Oh, Kristian sagt, ich werde gesund.« Er wusste, dass Klara an das Mittelalter gedacht hatte.

Das Mittagessen war ausgefallen und Kristian war froh, dass es jetzt Kaffee und Kuchen gab. »Kristian, ich weiß nicht, wie ich ihnen danken soll.«

»Wieso mir, ich habe doch nichts gemacht.« Klara schien mit der Erklärung nicht ganz einverstanden zu sein.

»Kristian, du hast mir das positive Denken beigebracht.«

»Ja, mehr aber nicht.« Vorerst sollte Herr Melchior nicht wissen, dass er mehr getan hatte. »Du denkst doch an unseren Spaziergang«, erinnerte er Klara.«

»Ja, natürlich.«

»Entschuldigt mich«, sagte der Vater, »ich lege mich eine Stunde hin, die Aufregung war zu viel für mich.« Als sie schließlich über den Hügel schritten, sagte Kristian,

»du weißt, dass du es noch nicht geschafft hast?«

»Dass was ich weis ist, dass du mein Retter bist.«

»Übertreibst du nicht etwas?«

»Dein Vater hat auch seinen Anteil daran, ohne ihn wäre ich jetzt nicht hier.« Er setzte sich ins Gras.

»Komm, wir machen es wie beim letzten Mal. Setz dich zwischen meine Knie.« Er legte ihr die Hände auf und schickte seine Heilenergie in ihren Körper. Danach lag Klara gelöst gegen seine Brust. Er wartete noch eine Weile und weckte sie dann.

»Oh, habe ich schon wieder geschlafen?«

»Ja, ein wenig. Klara, ich werde dich bald verlassen. Du brauchst meine Hilfe nicht mehr. Dein Körper hat sich auf Abwehr eingestellt. Du musst nur weiter deine Übungen machen.«

»Und was ist mit deinem Versprechen?«

»Was meinst du?«

»Du wolltest mir das Mittelalter zeigen.«

»Wenn du vollkommen gesund bist, komme ich wieder. Dein Vater hat sicher meine Telefonnummer. Und jetzt muss ich mit deinem Vater reden.«

Sie gingen zurück. Als wenn ihr Vater das gehört hatte, stand er vor dem Haus und wartete auf sie.

»In den Nachrichten kam eine Meldung über drei Bergsteiger, die aus der Wand gerettet wurden. Genaues weiß man nicht. Die gerettete Frau berichtete, ein Mann wäre neben ihr erschienen und hätte sie runtergetragen.«

»Das könnte mein Freund Edra gewesen sein, er weiß, dass ich in der Nähe bin. Ich werde sie jetzt verlassen, Klara ist auf dem Wege der Besserung. Sie braucht Edra und mich nicht mehr. Klara, wir sehen uns. Und sie Herr Melchior sollten keine Menschen mehr entführen.«

Erschrocken schaute er auf Klara.

»Ich weiß Bescheid«, sagte diese.

»Ich lass sie nach Hause bringen«, schlug ihr Vater vor. »Meinen sie nicht, dass ich als Freund von Edra dazu selbst in der Lage bin? Klara bis bald.« Langsam wurde er unsichtbar und sprang nach Großvater.

»Mensch Junge, ich hab mir schon Sorgen gemacht.«

»Unsere Sorgen sind vorbei.« Dann erzählte er, was vorgefallen war. »Gehst du gegen den Vater vor«? fragte Maria.

»Maria, glaubst du das im Ernst von mir?«

»Nein, natürlich nicht.« »Was hast du jetzt vor, holst du Jessika zurück?«

»Ja, Jessika wird froh sein, wenn sie wieder bei Maria essen darf. Ich hole sie, bin gleich wieder zurück.« Auf dem Burghof war nicht viel los. Oben auf der Treppe hörte er Johannes Stimme aus den Fenstern schallen. Johannes ist der uneheliche Sohn des Grafen und ist erst seid Kurzem von der Familie anerkannt worden. Kristian klopfte. Es wurde still. Dann wurde die Tür aufgerissen, Jessika und Hanna starrten ihn an.

»Sehe ich aus wie ein Geist?« Er nahm ihnen die Entscheidung ab, wer ihn umarmen durfte. Er umarmte sie gleichzeitig. »Was ist los mit euch, ich habe keine Schlacht geschlagen. Hallo ihr Grafen.«

»Du warst lange weg«? sagte Jeanette«

»Also, als Erstes das, was ihr alle hören wollt, die Bedrohung ist vorbei.« Dann erzählte er die Geschichte.

»Ich kann den Mann verstehen«, sagte der Graf.

»Ich doch auch, ich habe dem Mädchen versprochen, sie euch vorzustellen, wenn sie gesund ist. So, wie wär’s, wenn ihr eure Sachen packt, ich wollte euch mit zurücknehmen.«

Sie schienen darüber nicht traurig zu sein. Schnell kamen sie mit ihren Taschen zurück. Sie verabschiedeten sich und Kristian brachte sie samt den Pferden zurück.

»Ich verziehe mich«, sagte Jeanette.«

»Halt, bevor ich dich nach Hause bringe, morgen Nachmittag sollten wir alle zusammenkommen, die Anderen wollen sicher auch wissen, was los war. Jessika rufst du inzwischen alle an, ich bringe Jeanette jetzt nach Hause.«

Wieder zurück, saßen alle vor dem Fernseher. Kristian sah sofort, worum es ging. Es war die Frau aus der Wand. Sie erzählte, was er schon kannte. Jessika schaute ihn fragend an.

»Was sollte ich machen, ich war zufällig in der Gegend.«

»Ich sag ja nichts«, meinte Jessika, »ich finde es gut, dass du da warst.«

»Kommen morgen alle?«

»Ja, sie sind alle gespannt.«

»Ich hab vor, kurz bei den Römern vorbeizuschauen, wie wäre es, wenn wir uns da mal wieder sehen lassen«? fragte er. »Morgen?«

»Nein, übermorgen.«

»Kristian, ich muss unter die Dusche.«

»Warte ich komme mit.« Großvater grinste.

»Großvater, schäme dich, woran du schon wieder denkst.« Noch nicht ganz unter der Dusche, machte sich der Entzug bemerkbar. »Hey«, lästerte Jessika, habe ich dir gefehlt?« Es war einfach schön, ihren Körper zu fühlen. Nachdem sie sich gegenseitig abgeseift hatten, war der Weg zum Bett nicht mehr weit.

Am nächsten Morgen, Großvater und Maria saßen noch am Frühstückstisch. »Ihr kommt spät«, stellte Großvater fest.

»Ja, Kristian hatte noch keine Lust aufzustehen.«

»Kristian, wen willst du morgen zu den Römern mitnehmen?« fragte Jessika.

»Wir drei, Lena will sicher auch mit.« Kristian dachte dabei an die Bilder, die sie machen würde und die dann wieder zum Verkauf standen. Nachmittags trudelten ihre Freunde einzeln ein. Kristian hatte Kuchen vom Bäcker geholt. Bald saßen sie alle um den Küchentisch.

»Die Gefahr ist zunächst vorbei, das kann aber jederzeit wieder passieren. Wie sich gezeigt hat, muss ein Detektiv nur die richtigen Schlüsse ziehen, um auf uns aufmerksam zu werden. Ihr wollt sicher hören, was passiert ist?«

Sie hörten aufmerksam zu und waren letztlich froh, dass die Sache so gut ausgegangen war.

»Lena, für dich fällt dabei noch nichts ab, das muss zunächst geheim bleiben.«

»Kristian lerne ich Klara einmal kennen«? fragte sie.

»Ja, wenn es ihr besser geht.«

»Liegt sonst noch was vor«? fragte Lena.

»Nein, eigentlich nicht.«

»Und was heißt eigentlich«? hakte Lena nach.

»Wir wollen morgen die Römer besuchen.«

»Und mich wollt ihr nicht dabei haben?«

»Nein, das ist es nicht, wir haben nur drei Pferde.«

»Dann gehe ich eben zu Fuß, vom Waldrand aus ist es nicht weit.«

»Und was ist mit euch?« richtete er die Frage an Silke und Kristel. »Ich vertraue den Römern nicht«, sagte Silke, »ich gehe nicht mit.« »Ich würde gerne mitkommen,« sagte Kristel, »aber ich habe morgen Dienst.« Bis auf Jeanette und Lena waren dann alle gegangen. »Ich würde euch vorschlagen, ein paar Denare einzustecken, falls ihr was kaufen wollt.«

Die Frauen hatten durch den Verkauf von Waren an die Römer beim letzten Besuch, einige Denare eingenommen.

»Lena bringe bitte deine Sofortbildkamera mit, und ihr braucht euch nicht als Römerinnen verkleiden.

Am Morgen waren sie bereit. Lena saß auf Kristians Pferd, er hielt die Zügel. Sie kamen am Waldrand an. Vor ihnen Zelte, dahinter das Kastell. Sie mussten sich sehr sicher fühlen, weil sie keinen Schutz um ihr Zeltlager gebaut hatten. Kristian dachte an den letzten Angriff der Germanen, den sie hautnah miterlebt hatten. Lediglich ein paar Legionäre hielten Wache. Sie hatten sie entdeckt. Lena machte ihre Fotos. Langsam gingen sie auf die Zelte zu. Es war still. Abwartend beobachteten die Wachen sie.

Es schienen fremde Römer zu sein, nicht die aus dem Kastell. Sicher hatten diese hier schon von ihnen gehört. In den Augen der Männer glomm Verlangen auf, als sie die Frauen erblickten. Aus den Zelten kamen mehr Männer hervor. Bald bildete sich ein Spalier, durch das sie schritten. Vorne am Tor hatten sich Offiziere eingefunden. Rufus der Rote, ein Centurio, kam ihnen entgegen. Eurone das Mischwesen hatte ihnen, das heißt Lena, Jessika und ihm auf ihrem Planeten mittels einer Apparatur die römische Sprache beigebracht. Deswegen gab es keine Sprachschwierigkeiten. Jeanette, die später zu ihnen stieß, musste sehen, wie sie mit ihrem Schullatein zurechtkam.

»Es ist uns eine Freude, euch zu sehen«, empfing sie Rufus, der Rote. »Du meinst bestimmt meine Frauen?«

»Du bist natürlich auch willkommen.« Es entstand ein Tumult,

als Gallus, ein einfacher Legionär, sich zu ihnen durcharbeitete. Zögernd blieb er vor ihnen stehen, als wäre er sich nicht sicher, ob sie sich seiner erinnern wollten.

»Gallus alter Freund, viel Betrieb hier.«

»Ja, es ist eng geworden.«

»Kristian komm«, drängte Rufus, »der Tribun wird euch sehen wollen.« Der rote Rufus gab einen Befehl und man kümmerte sich um ihre Pferde.

Lena drehte sich im Kreis und machte Fotos von den schmachtenden Legionärsgesichtern. Rufus ging voraus, eine Gasse öffnete sich. Das Zimmer des Tribuns Quintus füllte sich. Viele der Gesichter kannte Kristian nicht.

»Kristian, schön, dass ihr kommt, der Anblick deiner Frauen lässt uns unser eintöniges Leben hier ein wenig vergessen.« Er geleitete die Frauen zu Sitzgelegenheiten, die von den Männern schnell frei gegeben wurden. Ein Sklave kam mit einem Tablett, auf dem mit Wein gefüllte Gläser standen. Sie bedienten sich. »Lasst uns das Glas erheben auf unsere Freunde«, sagte der Tribun. »Viele von uns kennen euch noch nicht, haben aber sicher inzwischen von euch gehört.

Die Schönheit unserer weiblichen Gäste wird an den Lagerfeuern sicher bald genug Gesprächsstoff liefern.« »Tribun, genug des Lobes, sagt mir, ob ihr Verstärkung erhalten habt?«

Die Tore der Atlanter Buch 3 von 4

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