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Kapitel 2: Milano

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Eichhörnchen war überzeugt, dass seine ausgefeilte, kleine hübsche Rede den Braunen zur Vernunft zwingen würde: von Verantwortungsgefühl, Gemeinsinn und übergeordneten Idealen würde es sprechen und, falls er nicht begriff, ihn einen querschlägerischen Vaganten schimpfen, dem es egal sei, wie es sich fühlte. Es erwog eben, ob es die Botschaft etwas straffen und den ersten Teil streichen sollte, als der Zug quietschend anhielt.

"Muss der Lokführer schon wieder?", wunderte sich Buddlibär.

"Chiasso. Wir sind da. Bin ich froh, hier rauszukommen."

Vladimir nervte seit einer halben Stunde mit weinerlichem Klagen über das unsägliche Ende von Mischka und leerte dabei die Flasche. Eben fesselte er Buddlibär damit, dass Mischka ein virtuoser Kasatschok-Tänzer gewesen sei.

"Er sich dabei nur selber getoppt mit Interpretation sterbender Schwan."

"Der sterbende Schwan war wohl eher dem Suff geschuldet", warf Eichhörnchen ein, "jetzt raus hier."

Buddlibär erhob sich: "Den Rest kannst du mir auf dem Laster deines Freundes erzählen."

Er stütze seinen Fahrtgenossen, der unsicher auf den Beinen schwankte.

"Erstaunlich, wie ihn das Andenken an Mischka mitnimmt", murmelte Buddlibär und zog die Schiebetüre auf.

"Das kommt vom Wodka", verurteilte Eichhörnchen abschätzig, "und ist die Vorstufe zum sterbenden Schwan."

"Nix Wodka – Beine eingeschlafen."

Eichhörnchen lachte freudlos auf und schlüpfte nach draußen. Buddlibär hievte Vladimir aus dem Wagen.

"Da", rief Eichhörnchen und zeigte auf einen kleinen Glockenturm auf dem Bahnhof, "da oben wird Paul landen."

Es huschte über die Geleise, kletterte einen Baum hoch und sprang von da aufs Dach hinüber. Mit zwei Sätzen erreichte es den Glockenturm. Es brauchte einige Momente für sich allein: Kasatschok, sterbender Schwan, Fußball. Die Reise driftete früher als befürchtet ins Chaos ab. Verstimmt blickte es auf den von Grasbüscheln und kleinen Stauden übersäten Platz, wo Vladimir mit einem leeren Kanister zeigte, wie man Penaltys schoss.

"Geniefft du die Fonne?"

Erschrocken fuhr Eichhörnchen herum: "Was schleichst du dich heran wie eine hinterhältige Schleiereule auf Beuteflug!"

"Waf ift daff für eine Begrüffung", grinste Paul.

"Gut bist du hier."

"Du tuft ja, alf ob ef fon Monate her ift, daff wir unf gefehen haben…"

"Mir kommt es so vor. Schau da unten. Kicken wie Kleinkinder einen Kanister herum."

"Wer ift der Mann?"

"Vladimir. Kleines Reiseandenken."

"Dann ift gut. Pfort ift gefund." Er breitete die Flügel aus und schwebte hinab.

"Hallo Paul", freute sich Buddlibär, "gute Reise gehabt?"

Paul schüttelte den Kopf: "Kalt warf. Warum mufften die die Alpen auf fo hoch bauen. Da liegt fon Fnee. Bin faft erfroren. Daf nächfte Mal nehm ich den Tunnel."

"Was machst du, wenn ein Zug entgegen kommt?"

"Aufweichen."

"Kluger Vogel", schmunzelte Eichhörnchen, "was gibt es Neues von zu Hause?"

"Nichpf! Da ift auch Montag."

"Weiß Amman schon was Neues? Wie geht es den Waldleuten?"

"Prima, allef prima bei den Waldleuten", berichtete Paul, "und Amman hat erpfählt, daff Koller fauer ift, weil ihr abgehauen feid. Und Rudolf berichtet, daff Knack und Geifer ebenfallf fauer auf euch find, weil fie auf dem Wald abhauen mufften."

"Das ist doch nicht meine Schuld", reklamierte Buddlibär, "die haben angefangen…"

"Find jepft bei Gugger. Und noch einen Gruff von Merlin, der die wiedergewonnene Langeweile im Wald fehr begrüfft."

"Ist das alles?"

"Hey, ihr feid nicht mal pfei Tage weg. Da paffiert nicht viel", er blickte Buddlibär an, "vor allem, wenn er nicht da ift. Ef gibt fon Leute im Wald, die dich vermiffen und wieder etwaf mehr Leben in der Bude wünfen."

"Dann genießt das mal schön zu Hause", lachte Buddlibär auf, "ich bin, ehe ihr's versieht, wieder da."

"Hoffentlich. Fon wegen Kuno und Pfoban", fuhr Paul fort, "die führen fich auf wie unter Tollwut, wenn fich wer auch nur in die Nähe der Bärenhöhle wagt. Die nehmen daf mit der Auffichtpflicht fehr, fehr Ernpft. Haben fogar fon ein Ful-Difpenf beantragt, um fich beffer fokuffieren pfu können. Aber Rudolf hat nein gefagt und Merlin hat ihnen angedroht, Konif Mutter pfu informieren, wenn fie die Abwefenheit von Buddlibär dapfu nupfen, die Fule pfu fämpfen", Paul schaute gedankenverloren in den Himmel, "Daf ift allef. Mehr gipft nicht pfu berichten. Aber die pfu haufe wollen auch wiffen, wie ef euch geht."

"Gut", seufzte Eichhörnchen, "wenn man mal davon absieht, dass Buddlibär in Milano zum Fußballspiel will…"

"Fuffballpfiel – toll! Da käme ich auch gerne mit, aber Merlin hat mir eingebläut, daff ich pfäteftenf morgen pfurück fein muff."

"Jetzt hilf du ihm auch noch", nörgelte Eichhörnchen, "ich versuch's ihm auszureden."

"Milano liegt auf dem Weg", sagte Paul, "Daf würde dir gut tun, weil du immer fo viel nachdenkft – Fuffball mach den Kopf frei."

"Nur wenn dir einer die Kugel an den Kopf hämmert", zweifelte Eichhörnchen, "auf jeden Fall bin ich dagegen."

"Dann halt mich mit Gewalt zurück", grollte Buddlibär, "ich geh und mach den Mischka. Ob's dir passt oder nicht."

"Mifka?"

"Auch so eine Idiotenidee", rüffelte Eichhörnchen und verdrehte die Augen, "Buddlibär soll das Maskottchen machen."

"Ich finpf gut, wenn er daf macht. Ift ja niemand hinter ihm her", er hüpfte Buddlibär auf die Knie, "ich würd mich von Eichhörnchen nicht umpfimmen laffen. Daf wird ficher obertoll!"

"Danke", grunzte Eichhörnchen sauer, "ich dachte, dass du die Stimme der Vernunft unterstützt – und jetzt das."

"Ef ift nicht vernünftig, allef waf Pfaff macht pfu unterlaffen", er wandte sich an Buddlibär, "geht da hin und geniefft ef. Ift doch eine Erhohlungfreife, nicht? Und du", er nahm Eichhörnchen ins Visier, "du follteft allef ein biffchen entfpannter fehen."

Buddlibär blickte Paul dankbar und Eichhörnchen triumphierend an: "Stimmt, du sagst selber, dass wir eine Ferienreise machen. Da gehört Vergnügen dazu! Es bleibt dabei: ich geh nach Milano und mach den Mischka."

Buddlibär saß übellaunig auf der Ladefläche des blauen Lasters von Vladimirs Kollegen. Seit sie überstürzt aufgesprungen waren schimpfte Eichhörnchen pausenlos. So mussten sich Buran und Tschoban fühlen, wenn Rudolf in der Waldschule die wöchentliche Standpauke hielt.

"Ich hatte Recht! Das Fußballspiel ist eine Schnapsidee ", schulmeisterte Eichhörnchen aufgebracht, "jetzt haben wir den Salat. Nach der Episode am Zoll werden die alles aufbieten was sie haben, um dich zu erwischen."

Was konnte er denn dafür? Nachdem Paul weg war, marschierten sie zum Zoll. Dort wurden sie angehalten - dafür sei der Zoll da, erklärte Eichhörnchen – und Vladimir nach seinen Papieren gefragt. Buddlibär und Eichhörnchen wurden durchgewinkt – Tiere werden beim Grenzübertritt nur überprüft, wenn sie anschließend geschlachtet werden.

Sie warteten drüben auf Vladimir. Dieser zeigte seinen Pass und die Sache wäre gegessen gewesen, wenn er den Zöllner nicht sofort in ein Gespräch über Fußball verstrickt hätte. Nach zwei Minuten erhöhten sich Taktfrequenz und Lautstärke, weil der Zöllner ein 4:0 für Milano voraussagte und Vladimir heftig dagegenhielt.

"Spartak hat keine Chance und die AC wird gewinnen", bekräftigte der Zöllner, "weil bei uns weniger Italiener spielen als bei euch."

"Moglich", konterte Vladimir überlegen, "aber ich hab Mischka mit – Mischka Premium-Maskottchen."

Der Zöllner äugte misstrauisch hinüber. Als katholisch erzogener Italiener war er auf Aberglauben abgerichtet: Hexenverbrennungen, Ablasshandel und zahllose als Dogmen des als unfehlbar geltenden Firmenbosses getarnte Vorurteile und Richtlinien hatten über die Jahrhunderte Spuren im Genom hinterlassen.

Er schätzte die Chancen von Mischka gegen das Teufelchen, das Maskottchen der AC, ein: klein, in die Jahre gekommen, asthmatisch und dekadent war es, abgenutzt von zahllosen Lustreisen in die Stadien in ganz Europa. Erst letztes Jahr wurde es suspendiert, weil es seinen Nachbrand im Taufbecken des Fraunmünster Domes in München gelöscht hatte. Nachdem Milano die folgenden vier Spiele in Serie verlor, wurde es rehabilitiert. Seitdem lief es wieder einigermaßen.

Der Zöllner kam zum Schluss, dass hier Gleichgewichte zu Ungunsten der AC verschoben wurden. Teufel waren Gestalten der Phantasie und selbst der Papst hatte seine Existenz per Dekret abgeschafft.

"Geht nicht", erklärte er, "Maskottchen können nur rein, wenn sie eine Arbeitsbewilligung haben – oder Verwandte in hohen Positionen..."

Das verstand Vladimir, denn zu Hause war es gleich – außer das mit der Arbeitsbewilligung. "Mischka muss mit. Ist freies Europa. Und er schon drüben."

Der Zöllner winkte seine Kollegen heran. Plötzlich heulte ein Motor auf und ein blauer, verbeulter Laster fegte hupend herüber.

"Ist Freund", schrie Vladimir, riss dem verdutzen Zöllner den Pass aus den Händen. "Mach, hopp. Dawai!"

Er sprang in den Wagen. Eichhörnchen und Buddlibär kletterten auf die Ladefläche. Schlitternd fegte das Gefährt los. Buddlibär sah wie sich der Zöllner das Käppi vom Kopf wischte und wütend darauf herum trampelte. Dann kreischte der Laster um eine Kurve und der Zoll verschwand aus dem Blickfeld.

Deswegen war Eichhörnchen wütend: "Wegen dem Blödsinn wird die ganze italienische Polizei, die Armee, Interpol und wer weiß sonst noch wer hinter uns her sein. Wenn's besonders dumm läuft auch noch Tierfreunde, die dich retten wollen. Inkognito können wir uns nach dieser Vorstellung abschminken."

"Wir haben doch nix getan", verteidigte sich Buddlibär schwach, "dass Maskottchen eine Arbeitsbewilligung brauchen, wusste ich nicht."

"Die schieben uns ab", ignorierte Eichhörnchen Buddlibärs Einwand, "wärst du Eisbär, dann hätten wir eine Chance…"

Buddlibär blickte seinen Freund fragend an.

"Braune und Schwarze habens schwer in Italien – hab ich irgendwo mal gelesen. Und schau uns an: braun und dunkelbraun."

Es brütete verärgert: "In Milano sagen wir tschüss und gehen. Klar?!"

"Aber ich hab Vladimir doch versprochen, den Mischka zu ma…"

"Nix Mischka, klar! Wir haben andere Ziele. Wenn der Wagen anhält, war's das mit dem Mischka!"

Eichhörnchen verzog sich in die von Buddlibär entfernten Ecke des Lasters und drehte ihm den Rücken zu.

Der Wagen fuhr von der Autobahn ab und erreichte die Innenstadt. Die Häuserschluchten schüchterten Eichhörnchen ein. Überall parkten Autos, auch mitten auf der Straße. Doch statt auszusteigen hupten die Fahrer.

Buddlibär verstand nicht: "Warum parken die mitten auf der Straße?"

"Das ist Stau. Wie im Wald, wenn du einen Stein vor den Eingang des Ameisenhügel legst."

"Die laufen aber drum herum", berichtigte Buddlibär, "und hupen nicht."

Er klopfte an die Scheibe der Fahrerkabine: "Warum fahren wir nicht um den Stau herum?"

Der Fahrer beugte sich aus dem Fenster und rief gut gelaunt: "weil da auch Stau ist."

Buddlibär zuckte die Schultern und hockte sich wieder hin.

"Warum glotzen die Leute so?"

"Vielleicht weil du den Mischka machen kommst?", frotzelte Eichhörnchen, "Spartak spielt nicht jeden Tag in Milano."

"Dann bist du einverstanden?", rief Buddlibär erfreut und klopfte wieder an die Scheibe. "Eichhörnchen will auch, dass ich den Mischka mache", schrie er. Der Fahrer hob den ausgestreckten Daumen durch das geöffnete Fenster in die Höhe und klopfte mit der anderen Hand auf Vladimirs Schulter.

Endlich kamen sie aus dem Stau heraus und parkten auf einem großen Platz.

"Hab noch keine Zeit gehabt, mich vor zu stellen: ich bin Georg."

"Hallo Georg", sagte Buddlibär und streckte seinen Rücken durch.

"Vladimir hat nicht gelogen: du bist Mischka wie aus dem Gesicht geschnitten! Meine Freunde sind alle da und werden sich freuen, dass du Spartak unterstützt. Ich bin überzeugt, die Italiener spielen mit gezinkten Karten und werden ihr Teufelchen medikamentös und psychologisch aufpäppeln, damit er fit ist. Mit den Spielern machen sie es genauso."

Er beugte sich vor, schaute sich verstohlen um und flüsterte: "Spartak braucht deine Unterstützung. Weißt du, die haben zur Zeit eine kreative Blockade im Offensivbereich…"

"Kreative Blockade im Offensivbereich?"

Georg und Vladimir winkten verzweifelt: "Nicht so laut, der Gegner hört mit…"

"Das interessiert doch keinen. Ich bleibe dabei: Fußball ist doof und einen sinnbildenden Hintergrund wird niemals ein Philosoph je ergründen, weil es schlicht und einfach keinen gibt."

"Das sind Vorurteile", verteidigte Georg den Fußball, "das Spiel bringt Völker einander näher und…"

"Sag das mal den Hooligans. Wobei: auch die kommen einander näher, wenn ich mir das richtig überlege."

"Was ist das?", Buddlibär deutete nach Süden, wo sich ein riesiges Gebäude im wahrsten Sinn aus dem Boden schraubte, "sieht aus wie ein überdimensionaler, kopfloser Käfer mit Spiralfederbeinen…"

"San Siro!", erklärte Vladimir freudig, "wo du Mischka machst und Spartak wird siegen!"

Allmählich trudelten weitere Spartak-Fans ein. Vladimir erklärte stolz, dass Buddlibär den Mischka mache. Sie ließen ihn hochleben, betrauerten den armen Original-Mischka und erzählten aus seinem Leben.

Buddlibär staunte, was der Ur-Mischka neben der Sauferei sonst so alles drauf hatte: mit verbundenen Augen Teller jonglieren, Autos nachjagen und im vollen Lauf Reifen zerbeißen, drei Stunden am Stück Seilhüpfen und dabei Wolgalieder singen, 30 Sekunden am Stück rülpsen und, und, und.

"Ich kann Fußbälle zertreten", verriet er stolz, worauf die fröhlichen Russen mit ihm auf Mischka trinken wollten. Hätte er jede Einladung angenommen, hätte er spätestens um zwei Uhr den Kasatschok einbeinig getanzt und wäre um vier Uhr ins Alkoholdelirium gefallen.

Gegen Abend machten sich zwanzig bis dreißig Männer auf den Weg zum Spiralbeinkäfer. Jemand hängte Buddlibär einen Spartak-Schal um. Von überall her strömten Leute, die meisten mit schwarz-roten Schals, und stauten sich vor den Eingängen auf. Alle schubsten und drängten.

Eichhörnchen staunte – hier ging es ab wie in einem harten Winter vor der Heukrippe. Vladimir und die Kumpels sangen lauthals Lieder in einer fremden Sprache.

"Kein Wunder", beschwerte sich Buddlibär, "geht es nicht vorwärts. Da vorne stehen Leute und versperren den Durchgang." Eichhörnchen reckte sich und sah Uniformierte, die jeden in eine Schleuse drängten und rummachten.

"Hinstellen", befahl einer der Wächter kantig und dirigierte Buddlibär in eine Schleuse, "Arme hoch - stillhalten."

Verdutzt stelle er sich hin und der Kantige fuhr im mit den Händen durch den Pelz.

"Wohl zu wenig Liebe zu Hause", motzte Buddlibär und schob die Hand weg.

Sofort stellte sich ein Zweiter mit stechendem Blick und einem schwarzen Stock, den er ungeduldig in die offene Handfläche schlug, dazu.

"Mach keinen Stress, sonst kommst du nicht rein", schnarrte er, "hier wird jeder abgetastet. Vorschrift!"

"Lass ihn machen", raunte Eichhörnchen. Das Wort 'Vorschrift' provozierte bei Menschen Gehirnleere und startete sinnlose Routineprozesse auf. Buddlibär nickte und ließ sie gewähren.

"Jetzt noch das Kostüm runter", bellte der Grabscher, "ich will sicher sein, dass du drunter nichts rein schmuggelst…"

"Er ist ein Bär", maulte Eichhörnchen.

"Seh ich. Trotzdem: Kostüm runter."

Vladimir klopfte dem Grabscher auf die Schultern: "Echt Bär, nicht Imitat wie Teufel. Spartak gewinnen."

Der mit dem Schlagstock nickte seinem Kollegen zu und der winkte Buddlibär verdutzt durch.

"Musst mir nach laufen", sagte Vladimir und marschierte durch einen Tunnel. Dieser öffnete sich zum Stadion hin. Eichhörnchen staunte. Es sah aus wie damals, als der Stausee in der Gegend abgelassen wurde. Ein riesiges Oval mit nichts drin. Nur standen damals nicht tausende von Menschen an den Seitenwänden, schwenkten Fahnen und sangen. Die schwarz-rot gestreiften Fahnen waren in der Überzahl. Ihre kleine Gruppe drängte sich durch die Reihen und gesellte sich zu Leuten, welche rot-weiße Spartak-Fahnen schwangen. Einer hielt den Ankömmlingen einen Becher Bier hin.

Vladimir winkte ab. "Nur gut fur Zahnputzen", meinte er verbittert, weil man ihm am Eingang die Wodkaflaschen weggenommen hatte. Das verpasste seiner Euphorie einen rüden Dämpfer.

'Wie im Bienenstock,' dachte Eichhörnchen, 'nur, dass die da wissen, was sie tun…'

Der Lärm wurde lauter, als die beiden Mannschaften auf den Platz trabten. Nach einer Weile blickte Buddlibär Eichhörnchen auf seiner Schulter an. "Warum lassen sie den Gelben nicht mitspielen. Der rennt und rennt und die spielen den Ball immer an ihm vorbei. Dabei hat er eine Pfeife mit, damit er sich bemerkbar machen kann."

Eichhörnchen zuckte mit den Schultern: "Du weißt das nicht? Selbst ein semi-professionelles Maskottchen müsste über Schiedsrichter Bescheid wissen. Niemand mag sie. Alle behaupten, er sei parteiisch und bevorzuge die jeweils andere Mannschaft. Er steckt in der Zwickmühle wie Eltern von verwöhnten Kindern, die beim Abwasch helfen sollten."

Die Schwarz-Roten spielten besser und als das erste Tor fiel, flippte das Stadion aus. Buddlibär riss die Arme hoch und jubelte. Die Rot-Weißen blickten verärgert.

"Ich dachte, er macht den Mischka für Spartak", empörte sich ein blonder Hüne.

Vladimir hob entschuldigend die Hände: "Ist noch in Ausbildung…", verteidigte er Buddlibär und stupste ihn mit düsterem Blick in die Seite: "Das die Falschen. Hör auf so, wenn du Mischka machen. Der nie Falsche nie hat gejubelt."

Die Spartak-Fans bemühten sich lauthals, doch ihre Lieblinge auf dem Platz ignorierten sie. Nach einer halben Stunde fiel das zweite Tor für Milano und Eichhörnchen verhinderte mit vehementem Zupfen an Buddlibärs Ohr, dass er wieder jubelte. Der Gelbe pfiff und die Mannschaften verschwanden vom Platz.

"Fertig?", fragte Buddlibär verblüfft.

"Halbzeit", belehrte ihn Vladimir, "Spartak hören jetzt große Predigt."

Buddlibär verstand: so wie die Rot-Weißen spielten, brauchten sie priesterlichen Beistand. Und es passte auch zu seiner Beobachtung, dass die Spieler sich vor Freistößen bekreuzigten und bittend in den Himmel starrten, bevor sie den Ball traten. Er erinnerte sich, dass irgendwer mal gesagt hatte, dass Fußball mehr als nur ein Spiel ist. Und vielleicht war Wodka gar kein Alkoholika, wie Eichhörnchen behauptete, sondern Weihwasser.

Eine Musikformation marschierte auf und schmetterte los.

"Klingt gut", meinte Buddlibär anerkennend, "eine Tarantella. Dazu kann ich tanzen. Hat mir wer im Zirkus beigebracht. Ich zeig mal, wie's geht."

Er wischte ein paar Spartak-Fans zur Seite. Eichhörnchen staunte, wie flink sich Buddlibär bewegte, mit den Hüften schwang, um die eigene Achse rotierte und mit den Armen schlenkerte. Es gelang ihm, die missgestimmten Spartiaken aus ihrer Agonie zu reißen.

"Keine Ahnung von Kasatschok", meinte einer anerkennend, "aber da ist Potential."

Buddlibärs Aufführung blieb nicht unbemerkt und bald schwenkte eine Kamera auf ihn. Ein gefundenes Fressen für den Regisseur der Fernsehübertragung, denn was sonst in den Pausen dargeboten wurde überbot punkto Unterhaltungswert eine Kita-Aufführung nicht – keine Stimmung, weil hier keine Helikoptereltern Begeisterung heuchelten. Er schaltete Buddlibär auf den großen Stadionbildschirm.

"Jetzt noch", japste Buddlibär außer Atem, "die Tarantella-Kasatschok-Kombination. Auf einem Bein…"

Wahrscheinlich hätte das geklappt, wenn nicht einer der Spartiaken seine Fahne quer über die Sitzreihen gelegt hätte. Die heimtückische Stange vereitelte das grandiose Finale. Als Buddlibär die Arme über der Brust verschränkte und das rechte Bein in die Höhe schwingen wollte, blockierte die Stange seinen Fuß. Mit rudernden Armen rang er um Gleichgewicht, aber sein eigener Schwung riss ihn um. Er knallte wuchtig auf die untere Sitzreihe und zerschmetterte ein halbes Dutzend Lehnen. Etwas benommen rappelte er sich auf.

"Bist du verletzt?", schrie Eichhörnchen.

"Nur im Stolz – hoffentlich hat das niemand gesehen."

"Fast niemand", grinste Eichhörnchen erleichtert und zeigte auf die große Anzeigetafel, wo Buddlibär im Großformat flimmerte. Buddlibär winkte zerknirscht in die Kamera. Dann schwenkte das Bild um, weil die Mannschaften wieder auf dem Platz erschienen.

Das Spiel verlief gleich, wie vor der Pause, nur in die andere Richtung. Im Block der Spartiaken verloren die Fans die Zuversicht, dass das Spiel noch drehen würde und konzentrierten auf die Flaschen mit der Zahnputzflüssigkeit. Beim 3:0 hielt Buddlibär-Mischka still, was ihm ein anerkennendes Nicken von Vladimir einbrachte. Kurz vor Ende des Spieles rollte der Ball in das Tor der Schwarz-Roten.

"Jetzt – jubeln", dirigierte Vladimir düster.

Mit hängenden Köpfen schlurften die Spartaner zum Ausgang. Vladimir diskutierte mit dem Hünen, was schief gelaufen war. Erstaunt hörte Buddlibär, dass der Trainer von Spartak Schuld war.

"Trainer falsch Taktik", erklärte Vladimir maulend.

"Stimmt, Trainer schuld", bestätigte der Hüne.

"Wie denn", hakte Buddlibär verwirrt ein, "den haben sie nicht mitspielen lassen. Lief immer vor dem Velounterstand auf und ab und wurde ignoriert…"

"Trainer schwach!"

Buddlibär blickte hilfesuchend zu Eichhörnchen.

"Ich hab dir schon im Zug gesagt, dass Fußball blöde ist", grinste es schulterzuckend.

Wenigstens geben sie nicht mir die Schuld, dachte Buddlibär. Er ahnte, dass er in den Augen von Vladimir und seinen Freunden den Mischka vergeigt hatte. Er hatte sich als verrosteten Mittelklassewagen aus zweiter Hand mit gefälschter TüV-Zulassung herausgestellt und nicht als der feurig blinkende Sportwagen, den sie erhofft hatten.

Einer der Polizisten, der die Menschenmasse gelangweilt beobachtete, deutete mit dem Zeigefinger auf Buddlibär und rief seine Kollegen. Auf beiden Seiten des Menschenstromes postierten sich mehr als zwölf Uniformierte. Als die Spartak-Fans auf ihrer Höhe waren, wuselten sie sich durch und umzingelten Buddlibär. Der mit dem Stern auf der Schulterklappe beobachtete die Arbeit seiner Kollegen mit strengem Blick.

"Du", sagte Stern, "du kommst mit."

Buddlibär blieb verdutzt stehen. Die Menschenschlange stockte.

"Lass Mischka", mischte sich Vladimir ein und stellte sich schützend vor sein Maskottchen, "muss Trauerarbeit machen jetzt. Weiß auch wie!"

"Das muss warten", sagte Stern bestimmt, "zuerst muss das Protokoll aufgenommen werden." Er zupfte seine Schirmmütze zurecht und zog sie bedeutungsvoll tiefer in die Stirn: "Sachbeschädigung – das wird geahndet!"

"Sachbeschädigung?", äffte Vladimir den Stern nach, "was Sachbeschädigung? Unfall! Verhaften Planer, weil wenig Platz geplant. Wegen doofen Stühlen kann nicht tanzen. Eigentlich klagen sollten wir. EUHG wird Recht mir geben."

Georg, der Hüne und drei weitere Spartak-Fans stellten sich neben Vladimir: "Das ist doch kleinlich wegen ein paar altersschwachen, billigen Stühlen einen Aufstand zu machen! Ist das die oft besungene Gastfreundschaft Italiens?"

Stern schüttelte den Kopf: "Mitkommen – Protokoll aufnehmen", leierte er und blickte unsicher zum Kollegen mit den verschränkten Armen, einem Doppelstern, der leicht erhöht in einiger Entfernung stand und beobachtete.

"Was ist los?" – "Geht’s weiter?" – "Vorwärts machen!"

Die Schwarz-Roten hinter den Spartiaken wurden ungeduldig – die Siegesfeier in der Stadt wartete. Die ersten mischten sich ein. Ein kleiner, schwarzhaariger Mann mit schwarz-rot bemalten Gesicht, was aussah wie ein Zebra mit Sonnenbrand, und einem riesigen Megaphon schob Georg zur Seite und stellte sich breitbeinig vor Stern.

"Lass sie durch – der Gästesektor wird ohnehin neu bestuhlt. So wie ihre Mannschaft gespielt hat, haben die schon Ärger genug."

"So isses", bestätigte Vladimir, "Bär jetzt weltberuhmt – du machen Promibashing."

Stern schüttelte trotzig den Kopf.

Zebra drehte sich um, stellte sich auf die Zehenspitzen und brüllte in sein Megaphon: "Die kassieren den Bären."

Jetzt reklamierten die Italiener und unterstützen die Russen. An Sterns Schläfen rannen Schweißtropfen über die Backe. Wieder sah er sich verzweifelt nach dem Chef um.

Eichhörnchen sondierte die Lage. Buddlibär war in Schwierigkeiten. Es war wie ein Fluch, dass sein Freund am Ende immer hinter Gittern zu landen drohte. Es begriff, dass Stern und seine Kumpels, die sich von gestikulierenden Italienern und schimpfenden Russen umringt sahen, nur Handlanger waren. Der Boss war der mit den verschränkten Armen. Ein Boss mit Leib und Seele der sich dadurch verriet, dass er im Hintergrund agierte und seine Untergebenen die Fehler machen ließ. Ein Boss der wusste, wie man Boss bleibt. 'Mit dem muss ich sprechen'.

Leutnant Dalla Rossi verstand nicht, warum die Schwarz-Roten für den Bären Partei ergriffen. Der Bär war die Lunte, woran sich vom Fußball erhitzte Gemüter entzündeten. Er überlegte eben, ob er noch drei, vier Hundertschaften Polizei und ein paar Wasserwerfer anfordern sollte, als etwas an der Hose zupfte. Er blickte hinab.

"Ich weiß, wie du aus der Sache raus kommst." Eichhörnchen kletterte auf die Schulter des Leutnants. "Du bist hier der Boss – nicht?"

Der Mann nickte. "Leutnant della Rossi", schnarrte er.

"Eichhörnchen", stellte sich Eichhörnchen vor und salutierte, "wenn du clever bist, lässt du den Bären durch."

"Warum sollte ich das?"

"Bis jetzt sind nur ein paar marode, altersschwache Stühle zu Bruch gegangen. Das da vorne hat Potential für mehr."

Della Rossi dachte nach. "Ich will verhindern, dass ein ausgewachsener Bär meine Stadt unsicher macht, aus Brunnen trinkt, den Verkehr aufhält..."

"Was gibt's da noch auf zu halten: die ganze Stadt ist ein einziger Stau", unterbrach Eichhörnchen unhöflich.

Leutnant della Rossi ließ sich nicht aus dem Konzept bringen: was der Fremdling als Stau einstufte wurde von den Einheimischen als gute Gelegenheit gesehen, mit Leuten ins Gespräch zu kommen.

Er sprach ungerührt weiter: "Ich ziehe ihn aus dem Verkehr, bis sich die Lage beruhigt hat. Sicherheitsmaßnahme. Morgen kann er raus, vielleicht übermorgen, wenn wir ihn versehentlich vergessen..."

"Wenn du den Bären kassierst, geht die Post erst recht ab, befürchte ich. Ich habe einen besseren Vorschlag", Eichhörnchen musste schreien, um den Lärm von drüben, wo einer der Italiener, der den Sieg seiner Mannschaft in der Stadt feiern wollte, Stern mit der Fahne wegschob und dafür die anderen Polizisten auf sich stürzen sah, zu übertönen, "Wenn du ihn aus dem Verkehr räumen willst, so schieb ihn ab. An die Grenze – ihr wisst ja, wie das geht."

Della Rossi rieb sich das Kinn und überdachte die Lage. Mittlerweile standen alle auf der Seite des Bären, egal ob rot-weiß oder schwarz-rot und es konnte durchaus sein, dass sie das Gefängnis stürmten, wenn er den Bären einlochte. Er ahnte eine Raserei, gegen welche der Sturm der Bastille ein laues Lüftchen war, voraus.

"Wird er freiwillig mitkommen, wenn wir ihn abschieben?"

Eichhörnchen nickte: "Wenn ich dabei bin, ja! Abschieben ist er sich gewohnt."

"Ok!"

Der Leutnant marschierte los und drängte sich durch die Menge die jetzt lauthals 'Mischka – Mischka' skandierte. Stern salutierte verdutzt, als sein Vorgesetzter neben ihm auftauchte. Della Rossi brachte sein Weltbild durcheinander. Vorgesetzte gehörten hinter den Schreibtisch oder zumindest hinter die sichere Abschrankung. Mit bestimmter Miene verlangte della Rossi von Zebra das Megaphon.

"Ein Missverständnis – meine Herrschaften, hier handelt es sich um ein dummes Missverständnis. Der Bär wird nur eskortiert. Er hat darum gebeten. Herrschaften, bitte geben sie Ruhe. Es ist nur ein Missverständnis. Machen sie Platz, damit der geschätzte Gast durch kann."

Er wies seine Leute an, eine Gasse zu bahnen. Eichhörnchen sprang auf Buddlibärs Schulter. "Geh ihm nach, er bringt uns hier raus", raunte es.

Hinter ihnen fielen sich die Fans von Spartak und der AC in die Arme und feierten die erfolgreiche Aktion 'free Mischka'. Wen kümmerte jetzt noch das Spiel, es gab was zu feiern.

Der Tross um Buddlibär entfernte sich und schwenkte in einen leeren Gang tief in den Eingeweiden des San Siro. Della Rossi zog ein Funkgerät aus der Brusttasche und gab Anweisungen an seine Leute draußen durch.

Er wandte sich um. "Alles klar – draußen wartet ein Wagen. Wo wollt ihr hin?"

"Istrien!"

Als sie aus dem Stadion kamen, stand ein Wagen mit ausgebauten Rücksitzen bereit. Della Rossi seufzte erleichtert auf. Seine unübertreffliche Übersicht und Kühnheit, mit der er die überkritische Lage gemeistert hatte, würde Bonuspunkte einbringen. Leutnant Conte, dieser schlüpfrige Kriecher, der den Vorgesetzten bei jeder Gelegenheit die Schuhe leckte und seine Leistungen völlig überspitzt darstellte, konnte einpacken.

"Du und Mischka. Rein mit euch."

"Er heißt Buddlibär", belehrte Eichhörnchen automatisch.

Della Rossi drängte loszufahren. Mit Blaulicht und heulenden Sirenen rasten sie aus der Stadt. Die beiden Polizisten waren begeistert von ihrem Auftrag und der Beifahrer, Guiseppe, fragte, ob Buddlibär nochmals die Tarantella zeigen könnte.

"Er hat Muskelkater", wehrte Eichhörnchen ab, bevor Buddlibär zustimmen konnte.

Der Wagen schwenkte auf die Autobahn ein. Der Fahrer schaltete Blaulicht und Sirene aus und reihte sich in die ostwärts strebende Kolonne ein. Nach einer Stunde bog Antonio, der Fahrer, auf einen Autobahnrastplatz ein.

"Sind wir schon da?"

"Nein, aber ich will ein Selfie mit euch", erklärte Antonio, "das könnt ihr mir nicht abschlagen."

"Bringen wir's schnell hinter uns", grummelte Eichhörnchen.

"Ok", willigte Buddlibär ein und kletterte aus dem Wagen.

Antonio und Guiseppe lichteten abwechslungsweise ihren Kollegen mit Buddlibär in allen möglichen Posen ab. Als Guiseppe vorschlug, Buddlibär solle sich auf den Boden legen und er stelle den Fuß in seinen Nacken, intervenierte Eichhörnchen.

"Ich glaube, ihr habt genug Bilder", schloss es die Fotosession.

Guiseppe zuckte mit den Schultern; "Na dann, also zurück ins Auto."

Nach einer Weile des Schweigens seufzte Eichhörnchen: "Warum gerätst du immer in solche Situationen?"

"Ist doch gut so", brummte Buddlibär schläfrig, "wenigstens müssen wir nicht nach Istrien latschen."

Eichhörnchen grinste in der Dunkelheit. Buddlibär gähnte laut.

"Eichhörnchen?"

"Ja."

"Ich konnte mich nicht mal von Vladimir und den anderen verabschieden. Dabei war er so stolz, mich zum Maskottchen ausgebildet zu haben."

"Der wird's verkraften – und ich vermute, ich weiß auch schon wie."

Buddlibär gähnte erneut. "Eichhörnchen?"

"Ja."

"Wer hat eigentlich gewonnen?"

Gugger schaltete verärgert sein Fernsehgerät aus. Der Tag endete so schlecht, wie er begonnen hatte. Kaum stand die Sonne über dem Horizont, tauchte Schawalder mit einem totgebissenen Huhn auf.

"Das hat dein gestörter Fuchs auf dem Gewissen", behauptete er, "ich hab genau gesehen, wie er abgezischt ist."

"Abgezischt?", echote Gugger gelangweilt, "so richtig abgezischt?"

"Wie der Blitz", bestätigte Schawalder. Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen schüttelte er das tote Huhn, dass der Kopf wild auf und ab pendelte, als ob es den Vorwurf Schawalders bekräftigen wollte.

Gugger lachte verärgert auf: "Dann war's nicht Knack. Der hinkt. Such dir einen anderen Schuldigen."

Schawalder lamentierte weiter, verlangte Schadenersatz und drohte mit strafrechtlichen Schritten.

"Mach doch", knurrte Gugger und knallte die Tür zu.

Das Asyl für Geifer und Knack, wurde zur Belastung. Knack wurde schon verdächtigt, eine Katze in der Nachbarschaft erledigt zu haben. Selbst die Reifenabdrücke auf dem Rücken der Katze, die Gugger dem Besitzer zeigte, überzeugten nicht: Knack war und blieb der Hauptverdächtige.

Der Katzenbesitzer schwor Rache. Obwohl Mitglied der Grünen und Vorstandsmitglied der Aktion "der Wald – dem Wald", die sich seit Jahren gegen das geplante Waldstadion zur Wehr setzte, fuhr er seither stundenlang im Dorf herum und hielt nach Knack Ausschau. Er nahm die CO2-Sünde auf sich. Die nach Dr. Bircher streng naturnah gefütterte Katze war es wert. Das Tier war ein Vorzeigeexemplar ökologisch vorbildlicher Tierhaltung und der Täter sollte dafür im mit nachwachsenden Ressourcen betriebenen Öko-Fegefeuer sühnen.

Knack war ein Problem. Doch echte Sorge empfand Gugger nur für Geifer, der in Agonie dahinvegetierte. Der Tierarzt erkannte die Ursache von Geifers Verhalten in dessen Lücken der Impfvorsorge. Er offerierte ein freundschaftlich motiviertes Sonderangebot zu 50% Rabatt unter der Voraussetzung, die abgelaufenen Medikamente verwenden zu dürfen.

"Die taugen auch innerhalb des Ablaufdatums nichts."

Gugger steckte in der Klemme. Seine Schutzbefohlenen fläzten untätig in seinem Haus herum, machten Dreck und leerten den Kühlschrank, ohne etwas zu sagen.

'Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich auch heiraten und Kinder haben können', bemitleidete er sich.

Am Abend gönnte er sich die Zusammenfassung der Champions-League Spiele. Mäßiger Fußball – aber was wirklich deprimierte waren die Bilder aus dem San Siro, die während der Pause aufgenommen und in Europa ausgestrahlt wurden.

"Die Bestie vergnügt sich mit Alkohol und exzessivem Ausdruckstanz, während wir hier fast drauf gehen."

Das Leben war ungerecht!


Balkany Knights

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