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Einführung

Supervision ist ein wesentlicher Bestandteil jeglicher psychotherapeutischer Ausbildung und auch einer späteren selbständigen klinischen Tätigkeit. Gerade für Gruppentherapeuten, die mit mehreren Patienten oder Klienten gleichzeitig arbeiten, ist sie unserer Einschätzung nach unabdingbar, da in einer Gruppe durch deren Pluralität und Öffentlichkeit immer wieder Verwicklungen »drohen«. Dieses konflikthafte Potential kann aber auch konstruktiv genutzt werden. Der Titel unseres Buches – Supervision in Gruppen – verweist auf eine doppelte Bedeutung: es geht dabei um die Supervision unterschiedlicher psychotherapeutischer Behandlungen (Einzelpsychotherapie, Gruppenpsychotherapie), die in einer Gruppe zusammen mit einer Gruppensupervisorin stattfindet und auch um kollegiale Intervisionsgruppen. Insofern dreht sich alles um die Gruppe. Die in einer Supervisionsgruppe vorgestellte klinische Behandlung oder soziale Begegnung wird im Gruppensetting »neu« sichtbar und erfahrbar, weil sie durch mehrere Augenpaare gesehen und durch die aktuelle Gruppendynamik neu gemischt wird. Dabei gestalten individuelle Psychodynamik der Teilnehmer und die Gruppeninteraktion (dynamische Matrix; Foulkes, 1974) die Supervisionsarbeit. Bewusste und unbewusste Elemente des umgebenden sozialen Kontextes beeinflussen ebenfalls die Gruppensupervision (Hopper, 2003). Dieser Verzahnungsprozess eröffnet durch seine Komplexität neue Perspektiven. Wir wollen in diesem Buch Kennzeichen, Vorzüge und Schwierigkeiten dieses Supervisionssettings genauer untersuchen. Außerdem werden unterschiedliche Modelle von Gruppensupervision vorgestellt, ebenso ihre wissenschaftliche Erforschung und Fragen der Ausbildung für eine gruppensupervisorische Tätigkeit.

Insgesamt geht es hier um »die Gruppe« – ein vielschichtiges, hochkompliziertes Setting, das durch seine Vernetzung und durch sein Aufeinanderbezogensein anregt und aufregt. Im Folgenden möchten wir einige Besonderheiten des Gruppensettings, die auch für die Supervisionsgruppe gelten, herausstellen. Anders als in der dyadischen Supervision sitzen sich in der Gruppe »Peers «, d. h. Gleichgestellte, gegenüber und der Kontakt verläuft auf »Augenhöhe«. Welche Folgen hat das für die Supervision in der Gruppe? Sie wird von unterschiedlichen Blickwinkeln auf den Supervisionsinhalt geprägt sein und von irritierenden, bisweilen auch blockierenden Affekten wie z. B.. Rivalität und Scham. Es werden sich unterschiedliche Wahrnehmungen der zu supervidierenden Szene entwickeln, die möglicherweise im dyadischen Supervisionssetting durch hierarchische Verzerrungen und einseitige Sichtweisen verloren gehen könnten. Durch diese Einschränkungen kann ein Supervisionspaar an seine Grenzen kommen, während die Gruppe in der Gruppensupervision trianguliert und leichter alternative Ideen entstehen lässt. Für die Supervision können sich dadurch neue Perspektiven eröffnen. Im »Hier und Jetzt« der Gruppe, aufbauend auf den unterschiedlichen, individuell und kulturell geprägten Biographien ihrer einzelnen Teilnehmer, kann sich im Miteinander (Interaktion) ein intensiver Wechsel aus Regression, Reflexion und Progression auf bewusster und unbewusster Ebene entwickeln, an dem jeder entsprechend seiner individuellen Ausstattung teilnimmt.

Dieser fruchtbare Prozess ist anregend und zugleich anstrengend, weil immer wieder Selbst- und Fremdbilder und damit verbundene wechselseitige projektive Verzerrungen die einzelnen Teilnehmer herausfordern. In der Supervisionsgruppe sitzen mehrere Personen – ihre Blicke kreuzen sich und können sich damit auch wechselseitig taxieren. Der Blick, der gerade noch eine neue Perspektive auf die zu supervidierende Thematik eröffnet hat, kann kurz danach ebenso entwerten oder verurteilen. Bei den Gruppenteilnehmern können sich als Folge davon Scham und Selbstzweifel einstellen. Jeder Blick hat immer auch eine triangulierende Funktion (Steiner, 2006) und wird entsprechend der jeweiligen Persönlichkeitsstruktur unterschiedlich verarbeitet werden. Die Differenzerfahrung des eigenen Erlebens gegenüber dem Blick des »Anderen« ist ein wesentlicher Stolperstein und damit auch Anstoß für die Entwicklung des Subjekts.

Der Blickkontakt, der auf jede Psychotherapie, die im Sitzen durchgeführt wird, zutrifft, kennzeichnet auch das Gruppensetting. Im besten Fall können Differenzerfahrungen ertragen und spielerisch genutzt werden. Oft ist dies auch nicht möglich und löst intensive Schamgefühle aus. Wird dies besprechbar und damit erträglich, können Lernprozesse bei dem Einzelnen angestoßen werden, was dem angehenden Gruppenpsychotherapeuten in der von ihm geleiteten Gruppe weiterhelfen wird.

Das Verunsichernde und Unkontrollierbare in jeder Gruppe und damit auch in einer Supervisionsgruppe, spricht Haubl in seinem Beitrag zur Gruppensupervision an: für ihn ist eine Gruppensupervision »eine gemeinsame Suchbewegung mit offenem Ausgang« (Haubl, 2017, S. 120).

Der »offene Ausgang« entzieht sich wie jedes Gruppengeschehen der individuellen Kontrolle und eröffnet damit alternative Ausblicke, die aber auch aufgrund möglicher vorhandener individueller Versagensängste und Schamgefühle nicht genügend genutzt werden können. Hier kommen Konflikte zwischen Individuum und Gruppe ins Spiel, die jede Supervisionsgruppe lebendig machen, aber auch ihr einzelnes Mitglied mehr oder weniger stark verunsichern können. Bion und Foulkes, die bekanntesten Gruppentheoretiker, steuern unterschiedliche theoretische Konzepte zur Erklärung dieser Situation bei und fokussieren auf die haltende Funktion des Gruppenleiters (Bion 1971, Foulkes 1974). Das Bionsche Begriffspaar des »Container-contained« findet hier Eingang, da nicht nur die Interaktion in der Supervisionsgruppe vom Gruppenleiter gehalten werden muss, sondern die Gruppe selbst als Container für abgespaltene Affekte des Behandlungsgeschehens fungiert.

»Supervisorin und Supervisionsgruppe sind Container für das Unverarbeitete, für schwer erträgliche und darum abgewehrte Affekte wie Wut, Ohnmacht, Neid, Scham, Erschöpfung, Trauer, Desorientierung, Angst …« (Barthel-Rösing, 2017, S. 131)

Liesel Hearst (2009) beschreibt dies als »Holding-Together-Function« der Gruppenanalytikerin, die Verbindungen zwischen abgespaltenen Gefühlen herstellt und damit Abgewehrtes integriert. In der Supervisionsgruppe bedeutet dies eine Verzahnung von manifesten Affekten innerhalb der Gruppe mit Supervisionsinhalten.

Ein Gruppensetting bietet immer auch die Möglichkeit der Interaktion, der Handlung, was Foulkes mit »Ich-Training in Aktion« bezeichnet. Es können alternative Phantasien und Handlungen erprobt und verinnerlicht werden, wodurch sich Selbst- und Objektrepräsentanzen verändern. Nitzgen nennt dies in Anlehnung an Foulkes ein »Ich-Training durch Handeln« und beschreibt dies, psychoanalytisch konzeptualisiert, als eine »intrapsychische Aktivität des Ichs durch die Interaktion in der Gruppe« (Nitzgen, 2017, S. 98) In der Supervisionsgruppe kann somit emotional unmittelbar etwas vom Behandlungsgeschehen erfahren, in Szene gesetzt und innerpsychisch verändert werden – eine lockende Alternative! Gleichzeitig entlastet die Supervisionsgruppe vom perfektionistischen Druck, da alle Teilnehmerinnen wechselseitig Phasen des Nicht-Lernens und Nicht-Verstehens wahrnehmen und anerkennen können. Insofern kann man auch die Yalomschen Wirkfaktoren der Gruppentherapie (Yalom, 2019) auf die Supervisionsgruppe übertragen.

Die Gruppeninteraktion – auch die der Supervisionsgruppe – wird nach Foulkes neben anderem auch durch die Elemente der »Matrix« bestimmt. Foulkes führte dieses gruppenanalytische Konstrukt quasi als Kunstgriff ein, um unbewusste und bewusste Kommunikationsprozesse innerhalb einer Gruppe zu erfassen. Er unterscheidet zwischen der »Grundlagenmatrix«, konzipiert als Behälter aller kulturellen unbewussten und bewussten Kommunikationen, der »individuellen Matrix«, verstehbar als individuelle psychische Innenwelt mit ihren Bestandteilen aus internalisierten Objektbeziehungserfahrungen und der »dynamischen Matrix«, die aus der aktuellen Interaktion innerhalb der Gruppe hervorgeht. Alle drei Matrizes formen die Gruppeninteraktion und sind der Resonanzboden der Supervisionsgruppe für die Wahrnehmung und Reflexion der zu supervidierenden Behandlung.

Eine Supervisionsgruppe kann, auch wenn sie nicht als therapeutische Selbsterfahrungsgruppe konzipiert ist, durchaus kathartische Prozesse bei den einzelnen Gruppenmitgliedern anstoßen und fordert der Gruppenleiterin immer wieder eine Reflexion ihrer Gegenübertragung ab, um destruktive Gruppenprozesse oder das Ringen der Gruppe um ihre Arbeitsfähigkeit zu verstehen und empathisch zu begleiten. Gleichzeitig bildet die Gruppendynamik einer Supervisionsgruppe, ebenso wie die jeder anderen Gruppe, das soziale Unbewusste in ihren Interaktionen ab. Nach Foulkes durchdringt das Soziale das Innerste (Foulkes, 1974).

Die Vernetzung und Verzahnung unterschiedlichster Elemente und Prozesse im komplexen Gruppengeschehen wird deutlich. Der vorliegende Band geht diese »vernetzten« Wege weiter und beschäftigt sich mit verschiedenen Aspekten von Supervision in Gruppen, die erläutert und auch kontrovers diskutiert werden.

Dialog

HS: Ein erster dialogischer Kommentar an dieser Stelle: Auch Gruppen von Peers rivalisieren. Sie entwickeln hierarchische Strukturen und handeln Verantwortlichkeiten aus. Die Wahrnehmung solcher Strukturen und ihre Berücksichtigung in der Gruppenarbeit sind mir wichtig. Sie werden durch das Bild »auf Augenhöhe« liebevoll verschleiert. In der Medizin setzt sich die Ärztin zu ihrem bettlägerigen Patienten, in der Pädagogik geht die Erzieherin in die Knie, um nicht »von oben herab«, sondern »auf Augenhöhe« zurechtzuweisen. Die Hierarchien bleiben aber. Aus gruppenanalytischer Sicht können sie berücksichtigt und oft mit Gewinn analysiert werden. Dazu trägt die Betonung eines »auf Augenhöhe« nicht bei. Mit einem solchen Bild bleibt auch offen, was auf den anderen »Höhen« und Ebenen der Kommunikation – auf Herz-, Bauch- und Beinebene geschehen mag. Sie sind bei einem Kontakt »auf Augenhöhe« ja ebenfalls mit im Spiel.

CB: Ja, »auf Augenhöhe« hat mehrere Aspekte. Aber die oben angeführten Beispiele beziehen sich auf Zweiersituationen, in denen die Augenhöhe etwas verschleiert, worauf zurecht verwiesen wird. Auch in einer Gruppe entstehen Hierarchien, aber sie werden aufgrund der Öffentlichkeit der Gruppe eher sichtbar, und es gibt weniger Möglichkeiten als im Einzelsetting, diese zu verschleiern. In der üblichen Zweiersupervision ist es für den Supervisanden schwieriger, die faktische Hierarchie wahrzunehmen und zu benennen. Dies ist auch ein Grund, warum wir in der Münchner Supervisorenfortbildung die Supervision und Intervision in Peergroups eingeführt haben. In der Gruppe tauscht man sich wechselseitig und konflikthaft aus und macht gemeinsame Lernerfahrungen. Es entwickeln sich auch Hierarchien mit Status- und Rollenzuweisungen, bedingt durch individuelle und soziale unbewusste Übertragungsmuster. Aber sie können durch die prozesshafte Entwicklung in Gruppen leichter in Frage gestellt, neu ausgehandelt und, wenn möglich, verändert werden.

Supervision in Gruppen

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