Читать книгу Die Perry Rhodan Chronik, Band 3 - Hermann Urbanek - Страница 4

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Ein Leben lang Perry

Von Susan Schwartz

Ich habe in jeder Hinsicht eine besondere Beziehung zu PERRY RHODAN.

Angefangen bei der Tatsache, dass ich etwa vier Wochen älter bin als die Serie, kam ich bereits sehr früh in Kontakt mit ihr. Mein Bruder brachte jede Woche das Heft mit nach Hause, das mein Vater sofort konfiszierte, um es zuerst zu lesen. Als Dritte bekam ich dann die ausgelesenen Hefte und ging mit ihnen auf meine Weise um, angemessen meinem Alter: Ich begrapschte, beschnüffelte, beleckte und zerfetzte sie. Wahrscheinlich habe ich dabei irgendwas assimiliert.

Als ich im lesefähigen Alter war, hatte mein Bruder längst andere Interessen, und so geriet PERRY RHODAN für einige Jahre in Vergessenheit.

Bis ich eines Tages mal ein Heft in die Hand bekam, mit einem fantastischen Titelbild, das von fernen Welten und Abenteuern sprach. Science Fiction sollte das sein? Kannte ich bis dahin nur von Asimov, Lem & Co., die ich bereits in meinem kleinen Zimmer stapelweise sammelte. Ich las rein, war angetan – und dabei blieb es. Lust auf Abo oder darauf, jede Woche an den Kiosk zu pilgern, hatte ich nicht.

Die Begegnung der dritten Art fand dann statt, als ich meinen jetzigen Mann kennenlernte. Wir kamen ins Gespräch, suchten nach Gemeinsamkeiten – und fanden sie. Science Fiction, Fantasy, Filme, und »was, du schreibst selbst?« Als Nächstes schleppte er mich zum Kiosk, zeigte mir MYTHOR, der damals gerade anlief – und PERRY RHODAN. Ich war jetzt »so wirklich« dabei und fing dann bald darauf mit dem Start der fünften Auflage von vorn an. (Krass – genau bei dieser Auflage werde ich in etwa zwei Jahren als Autorin mit vertreten sein …)

So erlebte ich also die Welt der 1960er Jahre noch einmal aus einer interessanten Perspektive. Zu einer Zeit, da die Erde durch die Kubakrise knapp am dritten Weltkrieg vorbeischrammte, da der Kalte Krieg seinen Höhepunkt erreichte, gründete ein Mann, der auf dem Mond ein Wunder erlebt hatte, die »Dritte Macht« und leitete den Weltfrieden ein.

Trotz der dramatischen Abenteuer und Gefahren – die Menschen der Erde fanden untereinander zum Frieden. Ein schöner Traum.

Das ist unwiderstehlich, vor allem in der Rückschau. Dazu gehört auch das etwas … hm … sagen wir höflich, sexistische Frauenbild. Meistens waren die Frauen »Mädchen« und hatten, obwohl hochdekorierte Wissenschaftlerinnen, häufig nicht mehr zu tun, als Kaffee zu bringen; doch es gab auch Ausnahmen, wie bei der Außerirdischen Thora und später Mory Abro, die Perry Rhodan ordentlich Zunder gab – bis er sie heiratete, dann versank sie leider in Bedeutungslosigkeit.

Was aber auch dazugehörte, waren die unglaublichen Werbeschnipsel. Arnold Schwarzeneggers Muskeln, die Röntgenbrille, das Haargel für den richtigen Scheitel, das beste Mittel gegen Bettnässen und natürlich die lustigen »Sea-Monkeys«, jene »Männchen, Frauen und Kinder«, die »miteinander spielen« sollten. Diese unvergesslichen Sammlerstücke wurden später nur noch von den YPS-Gimmicks übertroffen.

Bei PERRY RHODAN selbst war damals alles total ernst und seriös, wenn man die Herren (und erst viel später die Dame) Autoren so sah in ihren schicken Anzügen mit Krawatte, manchmal auch schon vor dem Porsche posierend. Auf der Leserkontaktseite war der Tonfall auch gediegen und distanziert. Dennoch entwickelte sich eine Fangemeinde, die sich beim ersten WeltCon stundenlang anstellte, um ein Autogramm zu erhalten und einmal Auge in Auge mit »dem« Lieblingsautor zu sein und vielleicht sogar ein paar Worte wechseln zu dürfen.

Die WeltCons, so behaupte ich, haben für allmähliche Auflockerung und Annäherung gesorgt. Denn es ist wichtig, dass die Fans sich einbezogen und ernstgenommen fühlen, dass sie ein Teil der »Familie« sein dürfen. Hierzu leistete auch das ungewöhnlich »flockige« und von mir sehr geschätzte PR-Magazin etwas, in dem sich viel Hintergrund von und über die Autoren fand – aber auch der Blick über den Tellerrand, mit fantastischen Grafiken und Kurzgeschichten abseits der PERRY RHODAN-Welt.

Aber da sind wir ja sowieso schon in den Achtzigern, als ich bei Heft 1 noch einmal anfing. Nach der Schwärmerei meines Mannes wollte ich es wissen. Also her mit der fünften Auflage und dann erst mal gelesen, gelesen. Zwischendurch Atari gezockt, weitergelesen. Eine Abwechslung zu Herberts »Dune« und anderen SF-Welten und natürlich Star Wars. Ich war damals noch jung genug, um über viele Dinge hinwegzusehen, über die ich heute stolpern würde – wie etwa das Frauenbild und noch so einige andere heutzutage skurrile Einsichten und Ansichten. Dennoch: Die Serie war damals gerade mal Anfang bis Mitte Zwanzig, so wie ich, da war der Abstand noch nicht so groß. Und die fabelhaften Abenteuer lenkten sowieso von den Mängeln ab, das machte einfach Spaß. Auch und vielleicht sogar vor allem die Albernheiten eines Roi Danton. Und warum? Weil es hier endlich einmal »menschlicher« wurde.

In der SF waren Emotionen ja bis Ende der 80er absolut verpönt. Sex fand, wenn überhaupt, irgendwo zwischen Seite 13 und 14 statt und wurde höchstens am Rande durch ein sachtes Berühren einer Hand am nächsten Tag offenbar. Liebe? Das ging denn doch zu weit. (Und geht ja manchen heute noch zu weit, die schon allein bei einem Wort wie »Zuneigung« sofort empört »Igitt! Cora-Roman!« reklamieren.)

PERRY RHODAN war, logischerweise, immer seiner Zeit verhaftet. Bewusst oder unbewusst ließen die Autoren ihre Gedanken und Erfahrungen mit einfließen, so dass man sich in gewissem Maße auch immer ein Bild über die allgemeine politische Lage machen konnte. Parallelen fanden sich durchaus. Das zeigte sich nicht nur in den Handlungen, sondern auch auf dem Cover, wo sich die elegante Lady im schicken gelben Kostüm (evtl. sogar mit Handschuhen) mit der Zeit zu einer bewaffneten und langmähnigen jungen Frau im engen Dress oder Minirock wandelte. So nach und nach wurden die Frauen auch nicht mehr bewusstlos auf Händen aus einer Gefahr getragen oder versteckten sich mit aufgerissenen Augen und aufgerissenem Mund hinter dem sie verteidigenden Helden.

Was das Frauenbild betraf, hinkte PERRY RHODAN in Text und Bild lange seiner eigenen Zukunft hinterher; so nimmt es nicht wunder, dass die Serie heute noch das Stigma der »Männerdomäne« aufweist. Was man über zwanzig Jahre lang gepflegt hat, ist nur schwer wieder loszuwerden. Bei mir führte es dazu, dass ich das Lesen wieder einstellte. Ich mochte die Serie, aber ich mochte sie nicht mehr lesen, sondern ich malte mir viel lieber aus, wie es wäre, wenn ich selbst mitschriebe.

Nicht dass ich jemals daran gedacht hätte, einen Text nach Rastatt zu schicken, ich schrieb auch nie Fanfiction. Die Mitarbeit traute ich mir zu dem Zeitpunkt, da gerade mein Debüt, aber im Genre Fantasy, ins Haus stand, nicht zu. Trotz meiner zu dem Zeitpunkt bereits sehr freundschaftlichen Verbindung zu Ernst Vlcek, wobei es da aber mehr um MYTHOR ging.

Aber in der Science Fiction und Fantasy kreuzen sich die Wege einfach immer wieder, dem kann man nicht entgehen. Man lernt Autorenkollegen kennen, man geht auf Cons und kommt ins Gespräch mit Fans … und ich selbst wurde allmählich auch erfahrener und sicherer. Einen PERRY RHODAN traute ich mir immer noch nicht zu, obwohl es schon so vorsichtige, sehr subtile Anfragen gab. Aber schreiben nach fremdem Exposé, im Korsett, im Zusammenspiel mit den anderen Autoren, die schon Jahrzehnte dabei waren? Das ist doch eine ganz andere Herausforderung.

Der ich mich dann eben 1991 doch stellte, als ich ganz konkret angesprochen wurde, weil einfach kein Weg an PERRY RHODAN vorbeiführte. Und ganz ehrlich – er war auch eine tolle Publikationschance zu einer Zeit, da deutschsprachige Autoren bei den Verlagen verpönt waren und kaum eigenständige Werke an den Lektor bringen konnten. Und an jener Serie mitzuwirken, die ich in der Jugend gelesen hatte, das wollte ich dann doch endlich einmal ausprobieren. Es war so weit!

So gehen wir also auf die eine oder andere Weise seit Anbeginn gemeinsam unseren Weg, PERRY RHODAN und ich, betrachten schmunzelnd unser Alter und sind gespannt auf das, was da noch kommen mag.

Das Projekt

Von Leo Lukas

Stellen wir uns einmal vor, 1961 hätten zwei Schriftsteller folgendes Projekt angekündigt: Sie würden einen fantastischen Kosmos erschaffen, der sich über unzählige Galaxien, mehrere Universen und Millionen von Jahren erstrecken werde, sowohl in die Vergangenheit als auch in die Zukunft. Dutzende professionelle Autoren und Illustratoren sollten daran mitwirken, Hunderte und Aberhunderte von Kreativen aus verschiedensten Ländern der Erde weitere Beiträge liefern – Kurzgeschichten, Grafiken aller Art, Musik, Filme, Modellbau, Kostüme, Rätsel, Spiele, Veranstaltungen von Stammtischtreffen bis zu mehrtägigen Conventions, und nicht zuletzt massenhaft Sekundärliteratur. Überdies sollten Tausende und Abertausende Leser die Möglichkeit wahrnehmen, ihrerseits diesen Kosmos durch permanentes Feedback mitzugestalten, anfänglich via Leserbrief, später via elektronische Medien, weit über fünfzig Jahre lang.

Wer hätte diesen beiden Schriftstellern auch nur minimale Chancen zugestanden, einen solchen Traum zu verwirklichen?

Nicht einmal Karl-Herbert Scheer und Walter Ernsting (alias Clark Darlton) selbst wären damals so kühn gewesen, ihrer neuen Science Fiction-Serie ein derartiges Wachstum weit über den deutschen Sprachraum hinaus zu prophezeien. Natürlich glaubten sie an »Perry Rhodan« und hofften, mehr als die vom Verlag maximal geplanten fünfzig Heftromane schreiben zu können. Aber dass sich daraus die umfangreichste literarische Unternehmung der Menschheitsgeschichte entwickeln würde, hätten gewiss auch sie nicht für möglich gehalten.

Quantität ist nicht alles, klar. Das PERRY RHODAN-Projekt weist allerdings obendrein einige ganz spezielle Qualitäten auf. Die Serie proklamiert, trotz der vielen Widrigkeiten und Fieslinge, mit denen sich unsere Helden fast pausenlos herumschlagen müssen, positive Utopien – angefangen von der Einung der Menschheit durch den Aufbruch zu den Sternen über den tiefgreifenden, vor allem von William Voltz geprägten Humanismus, der sich im Begriff »Terraner« ausdrückt, bis zur wahrhaft intergalaktischen Überwindung jeglicher Fremdenfeindlichkeit. Die Person, der »Charakter« Perry Rhodan steht nicht für egozentrischen Superheldenkult, sondern für den steten, gemeinsamen Kampf um bessere Lebensbedingungen für alle.

(Dabei ist Perry, weil so »gut«, dass es manchmal fast weh tut, als Figur für uns Autoren oft schwierig zu handhaben. Aber irgendwie haben wir es noch immer einigermaßen hingekriegt …)

Mich ganz persönlich fasziniert an diesem Irrwitz, der mich mittlerweile einige Jahre meines Lebens, allerhand Nerven und mindestens eine Beziehung gekostet hat, dass das Projekt Rhodan eine Art Mannschaftssport ist, ein Teamspiel. Ungeachtet der wenig erquicklichen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bin ich wie Kollege Michael Marcus Thurner leidenschaftlicher Fußballfan. Ein paar hübsche Analogien lassen sich da schon konstruieren. Wir sind aktuell elf Autoren, mit einer hervorragend besetzten Reservebank, dem besten Trainer der Welt und einem hochklassigen Amateurteam voller vielversprechender Talente. Unsere Fanclubs unterstützen uns gerade dadurch, dass sie uns ständig das Beste abverlangen. Wie bei jeder Spitzenmannschaft kommunizieren wir heftig (gelobt seien die elektronischen Medien!), und nicht selten entwickelt sich ein Spielzug anders als ursprünglich geplant.

Aber genau das ist das Geile daran!

Sosehr ich fluche, wenn ich wieder einmal einen Passball – soll heißen: ein Exposé – zu knapp zugespielt bekomme, so gern nehme ich die Vorgabe auf. Und versuche, im Rahmen meiner Möglichkeiten das Optimale daraus zu machen. Manchmal haue ich grauenhaft daneben, manchmal, eher selten, treffe ich mit dem Außenrist ins Kreuzeck. Dann kurz feiern lassen, locker auslaufen, und die Tortur fängt wieder von vorne an.

Um einen Buchtitel von Ror Wolf zu paraphrasieren: Der nächste Roman ist immer der schwerste.

Ich würde es niemals offiziell zugeben, aber unter uns: Ich hasse PERRY RHODAN. Jedes Mal wieder. Heulend und zähneknirschend, die Haare raufend und die Fäuste gen Himmel ringend, renne ich durch die Wohnung, sobald das Expo endlich eingetroffen ist. Diese Phase dauert im Schnitt ein bis drei Tage. Allmählich schält sich dann eine Idee heraus, ein Ansatz, wie ich die vorgeschlagene, eh nicht so blöde Geschichte zu meiner Geschichte machen könnte. Denn ohne Herzblut geht gar nichts. Wie es der grandiose Jazzmusiker Sun Ra formuliert hat: »I’m not talking about history. I’m talking about my story.«

Und wenn ich mich durchgequält habe, Kapitel um Kapitel, Seite um Seite, Anschlag für Anschlag, und schließlich das schönste, das tollste, das ultimate Wort hingetippt habe, nämlich »Ende« … Dann will ich sofort den nächsten RHODAN-Band anfangen.

Es macht mir keinen Spaß, nein, wirklich nicht. Nicht währenddessen, im Detail. Aber en gros es ist so wahnsinnig toll, diesem unglaublichen Kosmos ein paar weitere Facetten hinzufügen zu dürfen, als Teil dieses Teams, dieses Clubs, dieses Projekts immer wieder gewagte Aktionen mitzugestalten, dass ich dafür noch ganz andere Qualen auf mich nehmen würde.

Sagen Sie’s bloß nicht dem Chefredakteur.

PERRY RHODAN und ich

von Michael Marcus Thurner

1980 also.

Ich war schwer pubertär und begann nach etwa drei Jahren Leserschaft ganz allmählich, PERRY RHODAN zu begreifen. Das war wahrlich keine leichte Aufgabe. Ich hatte die diversen Auflagen kreuz und quer gelesen, in Romanschwemmen paketweise Romane gekauft (um zwei Schilling bzw. 30 Pfennig pro Stück) und versucht, gedanklich eine Ordnung in das Durcheinander zu bekommen, das aus Meister der Inseln, OLD MAN, Posbis, Blues, Götzen, Aphilie und vielen anderen Handlungssträngen bestand.

Doch nun begann ich dieses damals schon riesige Kunst-Universum von PERRY RHODAN zu verstehen, und ich hatte auch massenhaft Zeit dafür. Schließlich war die Schule fürchterlich öde geworden – wer interessiert sich im Alter von 17 Jahren schon für Buchhaltung –, Mädchen waren zwar rasend interessant, aber meistens sehr seltsam, und sie machten bloß Probleme. Ich musste also brachliegende Hirnbereiche mit diesen ganzen wichtigen Dingen wie zum Beispiel dem inneren Aufbau des Generationsraumschiffs SOL vollstopfen.

Ich fertigte Zeichnungen im A2-Format mit versteckten Kämmerchen an, mit geheimen Gängen und seltsamen Figuren, die sich durch das Schiff bewegten, mit prachtvollen Grünanlagen und Luxusappartements für Protagonisten wie Perry Rhodan himself, der mindestens 500 Quadratmeter Wohnfläche für sich beanspruchen konnte. Auch eine exakt vermessene Marathonstrecke existierte, die alle drei Schiffsteile mehrmals querte. Die Mannschaftsmitglieder der SOL hatten in meiner Vorstellung viel Zeit totzuschlagen …

Unangenehm in Erinnerung geblieben ist mir der damalige Phasenvertrieb, der bewirkte, dass die Romane der Erst- und Viertauflage, die ich mir jeden Freitag in der Trafik (am Kiosk) holte, in Wien etwa drei Monate später auslagen als im weiten Teilen Deutschlands. Brachte mir meine Mutter mal von einer Auslandsreise (und eine Fahrt nach Deutschland dazumal war eine Auslandsreise, mit mitunter sehr lästigen Zoll- und Grenzkontrollen) den neuesten Roman mit, hatte ich ein Heft in meiner Hand, das mir verriet, was in 13 Wochen in der Handlung passieren würde. Das Zeug war mit Informationen kontaminiert, die ich noch nicht haben wollte, und ich verfluchte ganz gehörig die Schuldigen an dieser seltsamen Zeitverschiebung.

1980 war aber auch das Jahr von Mythor. In den PERRY RHODAN-Heften wurde er heftig beworben. Natürlich wollte auch ich den jungen Barbaren mit der rätselhaften Geschichte quer durch das Reich Gorgan begleiten. Heft Nummer 1 kam im Frühjahr heraus, just an jenem Tag, da ich mit meiner Schulklasse zum Skikurs nach St. Christoph am Arlberg aufbrechen sollte. Verzweifelt klapperte ich die Trafiken am Wiener Westbahnhof ab, die 2,05 Meter langen Ski Atomic ARC immer mitschleppend, auch die Skischuhe und überhaupt die gesamte Ausrüstung, also mit gefühlten 50 Kilogramm Gepäck. Ich hab das Heft schließlich gefunden, zerknittert und am Titelbild eingerissen, aber das war mir wurscht. Meine Begeisterung am Lesen kannte dazumal keine Grenzen, und die Zugfahrt, eigentlich immer ein besonderes Highlight bei derartigen gemeinsam verbrachten Schulwochen, verbrachte ich tief versunken im Roman »Der Sohn des Kometen« von Hugh Walker vulgo Hubert Straßl.

Im Laufe der Jahre musste ich lernen, dass es vielleicht besser gewesen wäre, den einen oder anderen PERRY RHODAN-Roman wegzulassen und ein klein bissel mehr zu lernen. Denn Buchhaltung war zu meiner Überraschung dann doch ein wichtiger Gegenstand an meiner Handelsakademie. Auch Mädchen, so zeigte sich, hatten etwas Besonderes an sich, und so richtig seltsam waren sie dann doch nicht. Aber ich war nie ein besonders guter Schüler, und es sollte noch eine Weile dauern, bis ich diese Zusammenhänge allesamt begriff.

PERRY RHODAN blieb über die Jahre dennoch ein treuer Wegbegleiter. Ich fühlte, dass es Autoren gab, deren Romane mich besonders ansprachen. Dies waren in erster Linie die Werke von Willi Voltz und von Ernst Vlcek, der sein Österreichertum nicht verleugnen konnte. Ich entwickelte also anhand sogenannter Schundliteratur »Geschmack«. Ich begann zu unterscheiden und für mich selbst festzulegen, was mir gefiel und warum es mir gefiel. Dies geschah nicht bewusst, und ich legte keinerlei Kriterien fest. Aber ich fühlte, wenn ein Roman in sich stimmig und die Figuren gut gezeichnet waren.

Ich schrieb etwa 1981 meine erste Science Fiction-Kurzgeschichte. Sie sollte für etwa 15 Jahren auch meine letzte sein und wäre nie entstanden, wenn sie nicht so wunderbar in ein schulisches Aufsatzthema gepasst hätte. Es handelte sich um ein wunderbares Endzeitszenario mit den beiden letzten Menschen auf der Erde, in einer atomverseuchten Umwelt, und war schamlos aus einem »Heavy Metal«-Comic abgekupfert, wenn ich mich recht erinnere.

Ich empfand mich zu keiner Zeit meiner Jugend als angehender oder hoffnungsvoller Science Fiction-Autor. Mir war das Lesen genug. Ich hatte meine tägliche Wochenration PERRY RHODAN, las mitunter drei Auflagen parallel, und ich wühlte mich durch die Klassiker aus dem angloamerikanischen Raum, zuvorderst durch die Werke von Philip K. Dick und Robert A. Heinlein. Und dann durch die aufregenden Moewig-Ausgaben mit dem anrüchigen Titel »Playboy Science Fiction«, und dass ich durchs Lesen zum Playboy werden würde, musste jedermann klar sein, oder?

Jedenfalls erweiterte ich meinen Horizont, und PERRY RHODAN war nur noch ein Teil dessen, womit ich mich allwöchentlich beschäftigte. Doch ich blieb bei der Stange. Wollte wissen, wie es weitergehen würde mit Perry Rhodan und den anderen Protagonisten. Wollte erfahren, ob es ein Ende gab, ob das Universum ein Ende haben würde. Ich war Begleiter auf einer Reise, die ins schier Unendliche führte.

Ich begann zu arbeiten, heiratete, wechselte gefühlte 20-mal meinen Arbeitsplatz, trieb mich in der Weltgeschichte herum. Doch was auch immer geschah – am Freitag hatte das wöchentliche PERRY RHODAN-Heft lesebereit bei mir zu Hause zu liegen, um verschlungen zu werden. Dieses Ritual war für lange Zeit eine der wenigen Konstanten in meinem Leben, und erst 1996, da meine erste Tochter geboren wurde und ich eine erste richtige Kurzgeschichte schrieb, sollte sich alles ändern.

Doch das ist eine andere Geschichte. Ich wünsche jedem Leser dieses monumentalen Werks viel Spaß bei einer Reise durch jene Zeit, die für mich die Wegstrecke vom Jugendlichen zum – halbwegs – Erwachsenen darstellte.

Unsterbliche Helden – Sterbliche Leser

von Arndt Ellmer

Das Jahr 1980 begann für mich vielversprechend, und es endete mit einem Schock. Im Herbst 1979 hatte ich meine erste Storysammlung für die Reihe TERRA ASTRA geschrieben, die im Juni 1980 erschien. Es war ein unbeschreibliches Gefühl, das gedruckte Heft in Händen zu halten. Mein erster Gedanke galt einem Schulkameraden von einst, dem ich die intensive Begegnung mit PERRY RHODAN zu verdanken habe.

Damals waren wir 14. Andy pilgerte jeden Freitag zum Kiosk und kaufte sich dort seine Lieblingslektüre, PERRY RHODAN in der ersten und zweiten Auflage sowie die Erstauflage der Bruderserie ATLAN, die kurz darauf auf den Markt kam.

Es bürgerte sich ein, dass wir diesen Gang am Freitagnachmittag gemeinsam unternahmen, durch den Park und über die schmale Brücke direkt in den Laden. Mein Schulkamerad las die Romane meist am Samstag und Sonntag, dann gab er sie mir, und ich verschlang sie ebenfalls. Vier Jahre ging das so, bis uns die Vorbereitungen zum Abitur eine Zwangspause auferlegten. Ich verlor PERRY RHODAN für eineinhalb Jahre aus den Augen, dann entdeckte ich ihn an meinem Studienort Freiburg wieder – in einem Ständer am Eingang des Kaufhaus Hertie.

Während unserer Schulzeit wagte ich meine ersten Gehversuche als Autor von Kurzgeschichten. Ich fing ein paar an, aber irgendwie ging mir immer nach drei Seiten der Stoff aus. Die Versuche blieben fragmentarisch. Andy begutachtete die getippten Seiten jedes Mal, grinste fast väterlich und meinte, wenn ich so weitermachte, würde aus mir noch ein PERRY RHODAN-Autor.

Es dauerte Jahre, bis ich mich daran erinnern sollte.

In den siebziger Jahren tat ich mich in Sachen SF hauptsächlich als Leser hervor. Ungefähr ab 1976 arbeitete ich an einem Fanzine namens »Science Fiction Baustelle« mit, wo ich ein paar Kurzgeschichten veröffentlichte.

Irgendwann kam dann der Juni 1980. Ich erinnerte mich an Andy und seine Worte. Ich wollte ihm unbedingt und so schnell wie möglich ein Exemplar des TERRA ASTRA-Heftes 465 zukommen lassen. Andys Adresse ausfindig zu machen erwies sich allerdings als schwierig.

Schriftstellerisch überschlugen sich die Ereignisse in dieser Zeit. Ich brachte den zehnbändigen Sternenkinder-Zyklus bei TERRA ASTRA unter, und auf dem WeltCon in Mannheim fragte William Voltz mich, ob ich Lust hätte, bei ATLAN mitzuschreiben. Erfreut sagte ich zu und stürzte mich nach dem Con auf den zweiten Band des Sternenkinder-Zyklus und die nachfolgenden Romane.

Kurz vor Weihnachten erhielt ich den Jahresbericht meiner Schule. Unter den Todesanzeigen fand ich Andy, im Juni 1980 mit dem Motorrad tödlich verunglückt. Er wird es also nie erfahren, aber vielleicht weiß er es ja längst. Andy habe ich in einem meiner Romane verewigt. Ich habe ein Volk nach ihm benannt, die Andymer.

PERRY RHODAN – Zu neuen Ufern

Zu Beginn der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts war die deutsche SF-Szene geprägt durch einen gewaltigen Boom in allen medialen Bereichen und hier ganz besonders auf dem Sektor der Literatur. Neue Reihen wurden gestartet, bereits bestehende wurden zügig ausgebaut. Es gab kaum einen Verlag, der sich nicht dieser Literaturgattung angenommen hätte, und es schien fast so, als wären dem Höhenflug des Genres keine Grenzen mehr gesetzt.

Doch die Trendumkehr, bedingt einerseits durch die Übersättigung des Marktes, andererseits durch das Aufkommen neuer Medien, sie kam unausweichlich, und sie war für viele Verlage mit äußerst schmerzhaften Konsequenzen verbunden. Zahlreiche renommierte Reihen verschwanden vollständig, darunter die SF-Editionen von Ullstein oder Knaur, andere wurden zum Teil drastisch reduziert, wie das beispielsweise bei Heyne der Fall war.

Auch die Verlagsgruppe Pabel Moewig musste im Zuge der Marktbereinigung gewaltig Federn lassen und die MOEWIG SF und die PLAYBOY SF sowie TERRA und zahlreiche andere Reihen vom Markt nehmen, aber ihr Flaggschiff PERRY RHODAN, die größte SF-Serie der Welt, überstand alle Wirren und steuerte geradewegs ins nächste Jahrtausend. Zwar blieb auch der PR-Komplex nicht ganz von den Unbillen der Ereignisse verschont – einige Neuauflagen mussten eingestellt werden, und auch die Schwester-Serie ATLAN existierte zumindest zeitweise nicht mehr –, aber die PR-Erstauflage überstand alles doch mit Bravour. Und das, obwohl sie nicht nur mit den Tücken des veränderten Markts zu kämpfen, sondern auch einige tragische Todesfälle zu verkraften hatte.

Mit dem Tod von Willi Voltz im Jahr 1984 begann die Ära von Ernst Vlcek, der als Mann am Ruder die Geschicke PERRY RHODANS nicht weniger als sechzehn Jahre lang lenkte bzw. entscheidend mitgestaltete. Zuerst mit Thomas Ziegler, dann mit Kurt Mahr und schließlich Robert Feldhoff im Tandem führte er die PERRY RHODAN-Serie durch viele Klippen zu neuen Ufern. Nachdem die noch von Willi Voltz und Thomas Ziegler konzipierte Handlung um die Chaotarchen und die Chronofossilien abgeschlossen war, wurden die Terraner mit einem Dritten Weg, unabhängig von Kosmokraten und Chaotarchen, konfrontiert, der aber in seiner Form als Permanenter Konflikt eine Sackgasse bedeutete. Danach stießen die Terraner in ein sterbendes Universum vor und mussten sich den Rückweg in die Heimat hart erkämpfen, nur um in der Folge zunächst zur Großen Leere vorzustoßen, um das Große Kosmische Rätsel zu lösen und um schließlich festzustellen, dass unser Universum auch eine andere, eine negativ gepolte Seite besitzt.

Aber nicht nur astronomisch betrat die Serie Neuland: Durch die Abwendung der Unsterblichen von den Kosmokraten, deren Handlanger sie nicht länger sein wollten, wurden auch hier neue Wege beschritten, die zu neuen Ufern führten und immer noch führen.

Der vorliegende dritte CHRONIK-Band behandelt die Geschichte der Serie und der gesamten deutschen Phantastik-Szene vom WeltCon 1980 in Mannheim bis zum Band 1799, dem Ende des Hamamesch-Zyklus. Die in dieses Buch aufgenommenen Zitate wurden an die neue Rechtschreibung angepasst und sinnwahrend behutsam bearbeitet.Mit PERRY RHODAN-Band 1800 wurde der viel zu früh verstorbene Robert Feldhoff offiziell Co-Expokrat, ab Band 2000 steuerte er bis zu seinem Tod im Sommer 2009 die Geschicke der großen Weltraum-Serie allein. Darüber wird dann unter anderem im vierten Band der CHRONIK-Reihe berichtet werden.

Die Perry Rhodan Chronik, Band 3

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