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2. Sonnenberg – Leben in der Villa

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Der nächste Tag begann wie immer mit dem Frühstück. Dann räumten sie ihre Zimmer und meldeten sich an der Rezeption ab. Wolfram bezahlte und gab ein Kuvert für Sven ab mit der Bemerkung, dass er es bitte zustellen solle. Auf dem Kuvert stand „Olaf und Ivonne“. Darin befand sich ein Brief mit folgenden Worten:

Liebe Familie Jansen,

alles, was sich in diesem Kuvert befindet, überlassen wir euch. Es soll ein Dankeschön für die schönen Tage bei euch sein. Es ist das Restgeld, welches wir nicht mit nach Deutschland nehmen wollen. Das Zurücktauschen kostet aber auch wieder Geld und wir wollen die Banken nicht noch reicher machen. Nehmt es und denkt an uns.

Es grüßen euch aus dem deutschen Sonnenberg

Wolfram und Maria

Maria hatte diesen Brief geschrieben, da Wolfram zwar einigermaßen Norwegisch sprechen konnte, aber zwischen Sprechen und Schreiben liegen Welten, betonte er.

Auf der Fahrt nach Bergen waren alle recht ruhig. Jeder ging seinen Gedanken an die vergangenen Tage nach. Dagmar hatte wieder Laura auf dem Schoß, weil sie hinten zu fünft saßen. Am Flughafen gab Wolfram das Auto zurück und sie gingen zum Firmenjet, der sie zurück nach Uelzen brachte. Dort wartete schon die große Limousine auf sie, die sie zur Villa brachte.

Als sie die Villa betraten, fragten Eva und Laura: „Wir gehen wohl nicht nach Hause?“

„Doch!“, antwortete ihr Vati. „Wir sind zu Hause. Ab sofort wohnen wir hier.“

„Stimmt das?“, fragte Eva ihre Mutter.

„Ja, Eva. Das ist jetzt unser Zuhause. Wir müssen uns aber noch richtig einrichten.“

„Und was wird aus unserem Haus unten?“, fragte jetzt Laura.

„Das gehört in Wirklichkeit Onkel Manfred und Tante Dagmar. Sie haben uns dort nur bis zur Hochzeit wohnen lassen. Jetzt sind Mutti und ich verheiratet und wir wohnen nun hier oben. Tante Dagmar und Onkel Manfred werden ab heute wieder unten im Häuschen wohnen“, erklärte ihr Wolfram.

„Dann werden wir ja unsere Beete gar nicht mehr haben“, sagte Eva traurig.

Darauf antwortete ihr Dagmar: „Die werden wir für euch so lassen, wie sie sind. Ihr könnt uns doch immer besuchen, wenn ihr möchtet.“ Dabei sah Eva Wolfram fragend an.

Er nickte freundlich und meinte: „Jetzt geht ihr aber erst mal alle ins Bett und macht Mittagsschlaf. Ihr habt in den letzten Tagen wenig geschlafen. Du auch, Eva. Morgen musst du wieder in die Schule.“

Eva gefiel das ganz und gar nicht, aber sie fügte sich. Manfred und Dagmar räumten inzwischen ihren persönlichen Bedarf in ihr kleines Häuschen am Fuße des Grundstücks und brachten alles, was Maria, Wolfram und den Kindern gehörte, hoch in die Villa. Mit ihrem neuen VW Passat war das gar kein Problem.

Als die Kinder im Bett waren, zeigte Wolfram Maria die gesamte Villa. Er fing in der zweiten Etage mit den vier Gästezimmern und dem kleinen Bad an. In der ersten Etage lagen ihr Schlafzimmer, das große Bad, das Kinderzimmer, das Spielzimmer und noch zwei Zimmer ohne Bedeutung sowie drei Abstellräume.

„Hier werden unsere Kinder später jeweils ein eigenes Zimmer haben.“

„Und wer bekommt das vierte Zimmer?“, fragte Maria.

„Hm, wer weiß? Vielleicht brauchen wir irgendwann ein viertes Kinderzimmer“, sagte Wolfram lächelnd.

Maria verstand ihn nicht gleich, doch kurz darauf sah sie etwas verlegen nach unten. „Du wünschst dir ein eigenes Kind?“, fragte sie dann.

„Nein, kein eigenes. Das ist nicht mein Wunsch. Aber ich mag Kinder einfach und drei sind wenig, wenn man vier Kinderzimmer hat. Wir können auch eins adoptieren, wenn dir das lieber ist. Mir ist das wirklich egal.“

Maria sah ihren Mann an und schüttelte den Kopf. Dann umarmte sie ihn ganz liebevoll und beschloss in diesem Moment, ihm ein Kind zu schenken.

„Was gibt es hier noch alles, was ich nicht kenne?“, fragte sie jetzt.

„Dazu müssen wir ins Erdgeschoss. Hier gibt es den Saal, in dem wir Weihnachten gefeiert haben, die Bibliothek, ein Speisezimmer, das Klubzimmer mit dem Fernseher, zwei kleine Gästetoiletten, die Küche, ein kleines Büro und noch ein paar andere Räume. Am besten wir sehen sie uns der Reihe nach an.“

Sie gingen die Treppe hinunter und besichtigten Raum für Raum. Anschließend gingen sie in den Keller, wo Brünners Souterrain-Wohnung lag. Dann gab es hier noch den Waschmaschinen- und den Bügelraum, ein paar kleinere Abstellräume und eine Toilette. Zum Schluss zeigte Wolfram ihr das Schwimmbecken, welches direkt unter dem Saal war. Von hier aus gab es auch eine Tür zur Toilette.

„Hier ist ja noch ein Schwimmbecken. Wozu brauchen wir denn zwei davon?“

„Willst du im Winter da draußen nackt herumlaufen?“

„Ach so … na ja … eher nicht. Dann können wir ja baden, wann immer wir wollen. Das ist verrückt! Das ist ja wie im Film! Ist dieses Becken auch verstellbar?“, wollte Maria wissen.

„Genauso wie das draußen. Das habe ich voriges Jahr einbauen lassen, als ob ich gewusst hätte, dass ich es schon dieses Jahr brauche. Vielleicht gehen wir heute Abend mit den Kindern baden. Dann schlafen sie sicher wie die Murmeltiere.“

Maria nickte etwas abwesend. Sie musste das alles erst mal verkraften. Durch den Besuch bei ihren Eltern hatte sie den ganzen Villa-Gedanken weit verdrängt. Jetzt war er wieder mit voller Wucht da. Ihr gefiel die Villa. Aber der Gedanke, dass sie hier wohnen sollte, wollte sich einfach nicht einstellen. Alles war hier so groß, so weitläufig.

Plötzlich fiel ihr ein, dass sie ja ihre Eltern eingeladen hatten. „Was willst du meinen Eltern zeigen, wenn sie kommen?“, fragte sie jetzt besorgt.

Wolfram zuckte mit den Schultern. „Alles! Jetzt können sie doch wissen, wie ihre Tochter wohnt. Hauptsache, sie behalten es in Håp Land für sich. Dort möchte ich, so lange es geht, der Angestellte in der KOSCH-GmbH sein. Deshalb wäre es gut, wenn sie von der Villa erst hier erfahren.“

„Das Gesicht meines Vaters kann ich mir jetzt schon vorstellen. Ihm wird wohl eine Weile die Luft wegbleiben.“

„Er wird es trotzdem überleben, glaube ich“, meinte Wolfram lächelnd. „Gehen wir wieder hoch und helfen Dagmar und Manfred beim Räumen. Unsere Wäsche muss noch einsortiert werden, das Spielzeug der Kinder und auch die anderen Kleinigkeiten. Bis heute Abend müssten wir damit fertig sein.“

Die Sachen aus dem Häuschen lagen alle schön ordentlich im Saal. Dagmar und Manfred waren mit dem Umräumen schnell fertig. Das war auch nicht anders zu erwarten, hatten sie doch schon im Dezember vieles zusammengepackt und auch für den Rest Umzugskartons bereitgestellt. So trugen Wolfram und Maria die Wäsche nach oben in ihr Schlafzimmer und das Spielzeug ins Spielzimmer. Alles wurde gleich in die Schränke verteilt.

Nun wollte sich Maria die Küche genauer ansehen und ging hinunter. Hier stand der Herd in der Mitte. Alles war drei Nummern größer als in ihrem Häuschen, das ihnen ja gar nicht gehörte. Ob sie sich daran gewöhnen konnte, wusste sie noch nicht. Dagmar würde ihr sicher dabei helfen, dachte sie. Dieser Gedanke beruhigte sie.

Als sie Wolfram nicht im Spielzimmer fand, erkannte sie den ersten Nachteil von so einem großen Haus. Wo war er? Rufen wollte sie ihn nicht, weil die Kinder noch schliefen. Aber er hatte sie die Treppe hochgehen hören und war ihr gefolgt. Wolfram hatte nur kurz im Büro seine E-Mails überflogen. Sie gingen zusammen wieder hinunter und er erklärte Maria jetzt das Arbeiten mit dem Computer.

Das war für Maria neu. Sie hatte Andrea bewundert, wie schnell sie gelernt hatte, mit dem Computer umzugehen. Nun musste sie es selbst lernen. Was am Anfang so unvorstellbar schwierig aussah, war es am Ende gar nicht. Man musste sich nur auf das konzentrieren, was man wollte. Beim Schreiben suchte Maria ständig die Buchstaben, zumal es ihr zusätzlich schwerfiel, auf Deutsch zu schreiben. Norwegisch wäre ihr in diesem Fall lieber gewesen.

Als sie die Kinder hörten, gingen sie hoch und holten sie aus den Betten. Ihr Vati meinte zu ihnen: „Ab sofort dürft ihr allein aufstehen und euch anziehen, wenn ihr alle zusammen ausgeschlafen habt. Ihr müsst nicht mehr warten, bis wir euch holen.“ Ihre Mutti nickte ihnen zu. Damit war diese Sache beschlossen.

Sie gingen nun ins Klubzimmer und setzten sich dort an den gedeckten Tisch. Dagmar hatte ihnen Kakao und Kuchen hingestellt. „Aber bedienen lassen will ich mich nicht von Dagmar!“, sagte Maria selbstsicher.

„Das musst du auch nicht. Wir haben das so abgesprochen, dass sie das heute noch tut, damit du erst mal hier ankommen kannst. Ab morgen wird sie die Villa nur noch mit vorheriger Anmeldung betreten. Das Gleiche gilt auch für Manfred.“

„So habe ich das nicht gemeint“, sagte Maria kleinlaut.

„Aber ich! Als wir unten gewohnt haben, wolltest du doch auch nicht, dass sie einfach ins Haus kommen.“

„Ja schon, das war ja auch unser …“

Wolfram schüttelte den Kopf. „Nein! Es war ihr Haus. Trotzdem ist es so richtig. In unser Haus kann nur der kommen, der sich vorher anmeldet. Das ist doch bei deinen Eltern genauso. Man klopft und tritt dann erst ein, wenn man geöffnet bekommt. Das gilt hier ebenso. Wer uns besuchen will, muss sich vorher melden. Die Größe des Hauses spielt dabei keine Rolle.“

„Ja, wenn du das so siehst. Es ist eben alles noch ungewohnt“, versuchte sich Maria zu verteidigen.

„Können wir jetzt spielen gehen?“

„Das heißt richtig: Dürfen wir jetzt spielen gehen, Eva. Viele Menschen verwechseln dieses ‚können‘ und ‚dürfen‘. Du wirst es aber richtig lernen. Einverstanden?“

Eva nickte.

„Trotzdem denke ich, dass wir mal eine Runde um die Villa laufen. Ihr kennt ja das Gelände außerhalb des Badebeckens noch gar nicht. Seht mal nach draußen. Da ist herrliches Wetter.“

Nachdem sie sich angezogen hatten, gingen sie nach draußen. Die Sonne schien und es lagen fünf bis zehn Zentimeter Schnee. So stapften sie erst mal in Richtung ihres ehemaligen Häuschens und sahen von oben in den Garten. Aber da alles zugeschneit war, sah man nicht viel. Dann gingen sie nach rechts an Büschen und Bäumen entlang. Ab und zu kamen sie an einer Bank in einer Nische oder an einem kleinen Pavillon vorbei. Auch ein kleines Wäldchen gab es hier. Nicht so groß wie bei Håp Land, aber trotzdem schön.

„Gibt es hier auch Tiere?“, fragte Laura.

„Ich weiß nicht, vielleicht“, antwortete ihr Vati.

„Auch Elche?“, hakte Eva nach.

„Nein. Für so große Tiere ist doch der Wald zu klein. Aber Vögel, Kaninchen, Mäuse, Igel, Eichhörnchen und andere kleine Tiere könnte es hier schon geben. Wenn es wärmer ist, können wir ja mal die Tiere besuchen. Jetzt schlafen sie sicher alle.“

„Schade!“, sagte Julia traurig.

Da ging Wolfram in die Hocke, damit er auf gleicher Höhe mit den Mädchen war. „Im Mai werden viele Kätzchen geboren. Wie wäre es, wenn wir uns ein oder zwei Kätzchen zulegen würden?“

„Au, fein!“, jubelten die drei los.

„Aber warum nicht drei? Dann hätte jede von uns eins“, fragte Eva.

„Eva, Tiere können euch nie gehören. Sie können nur eure Freunde sein, aber nie euer Eigentum. Tiere sind kein Spielzeug! Wenn ihr sie aber wie eure Freunde behandelt, werden sie euch genauso lieben wie ihr sie. Das ist mit Tieren so. Ich denke, wir werden im Mai noch einmal darüber reden.“

Sie gingen weiter und kamen an eine Stelle, wo viele kleine Bäume standen. „Warum sind die Bäume hier so klein?“, wollte Maria wissen.

„Das sind Obstbäume“, klärte sie Wolfram auf. „Ein Teil sind Apfelbäume. Auch zwei oder drei Birnenbäume sind darunter. Ebenso Süß- und Sauerkirschbäume und auch zwei oder drei Walnussbäume. Dort hinten, die Büsche, sind Haselnusssträucher. Aber dort ernten meistens die Eichhörnchen.“

Als sie die ganze Runde um die Villa gegangen waren, sagte Maria: „Du hast es wunderschön hier.“

„Wieso ich?“, fragte Wolfram. „Wir!“

„Ach so, ja. Ich brauche noch eine Weile, bis ich das annehmen kann. Trotzdem ist es wunderschön.“

Da ergänzte Wolfram: „Wenn erst der Schnee weg ist und alles blüht, dann wird es dir noch besser gefallen.“

Maria zuckte mit den Schultern. Sie fand es jetzt schon himmlisch. Dann stutzte sie plötzlich. „Wo ist eigentlich das Schwimmbecken?“

„Das ist hochgefahren und zugeschneit. Wenn der Schnee getaut ist, wirst du es wieder sehen. Außerdem ist es im Winter ohne Wasser, damit der Frost keinen Schaden anrichten kann.“

Jetzt gingen sie noch einmal runter zum Häuschen und besuchten Dagmar und Manfred. Maria kam es besonders ungewöhnlich vor, dass sie an ihrem Haus nun selbst klingeln musste. Brünners freuten sich und baten sie ins Wohnzimmer. Alles sah jetzt ein klein wenig anders aus. Die Kinder freuten sich, weil es hier schön warm und kuschelig war.

Da meinte Manfred: „Na, Maria, schon eingelebt?“

Maria schüttelte den Kopf. „So richtig noch nicht. Es ist alles so groß und so weiträumig. Hier war mir alles so vertraut, weil es ähnlich wie zu Hause war. Aber die Villa oben, ich weiß nicht.“

„Das wird sich geben“, meinte Dagmar. „Wir sprechen uns im Sommer wieder. Bis dahin wirst du dich daran gewöhnt haben. So eine Villa hat ja auch Vorteile.“

„Das habe ich gesehen, als ich Wolfram gesucht habe. Ein riesiges Haus und ich wusste nicht, wo ich suchen sollte“, antwortete Maria.

„Wollt ihr gleich mitessen?“, fragte Dagmar jetzt.

„Na klar“, ergänzte Manfred. „Maria muss oben sowieso erst mal Inventur machen, um zu sehen, was sie alles noch an Lebensmitteln braucht.“

Maria sah Wolfram fragend an. Er nickte. Da nickte Maria auch.

Dagmar ging in die Küche und kam nach einer halben Stunde mit belegten Broten wieder. Dazu gab es eine große Kanne Tee. Nach dem Essen verabschiedete sich die Kosch-Familie und ging wieder hoch zur Villa. Auch die Mädchen wären gern in ihrem vertrauten Haus geblieben.

„So richtig haben die drei auch noch nicht verstanden, warum wir jetzt oben wohnen“, sagte Maria zu Wolfram.

„Das wird sicher noch eine Weile dauern. Nach dem Baden heute werden sie es vielleicht schon etwas besser verstehen.“

Als sie in der Villa angekommen waren, sagte Wolfram: „Es geht heute noch nicht gleich ins Bett. Wir wollen noch baden.“

„Das brauchen wir doch gar nicht. Wir haben doch vorgestern alle gebadet“, beschwerte sich Laura.

„Diesmal meine ich es anders. Zieht euch aus und dann jeder seinen Bademandel an. Wir holen euch im Kinderzimmer ab.“

„Och, schon wieder“, war Evas Kommentar.

Als Maria und Wolfram sie ebenfalls im Bademantel abholten, wunderten sich die beiden Großen. Sie gingen die Treppe runter bis in den Keller. Nun verstanden sie gar nichts mehr. Doch dann sahen sie das Schwimmbecken und jauchzten vor Freude. „Das meinte ich mit Badengehen“, rief ihr Vati hinter ihnen her. Aber völlig umsonst. Keine von den dreien hörte noch zu. Sie planschten schon im Wasser. Ihre Bademäntel lagen auf der Strecke zum Wasser. Maria und Wolfram sahen sich an, zuckten mit den Schultern, legten ihre Bademäntel auf eine Bank am Rand und sprangen ebenfalls ins Wasser. Ihnen reichte das Wasser natürlich nur bis zur Hüfte. Wolfram hatte die Höhe auf Julia eingestellt, als sie heute Nachmittag zum ersten Mal hier unten gewesen waren.

Nachdem der erste Baderausch vorbei war, holte Wolfram einen Ball und sie spielten alle fünf Ballfangen. Das war ein Erlebnis für die drei Geister. Nach einer Stunde konnten sie nicht mehr. Trotzdem wollte keine aus dem Wasser, doch alles Zetern half nichts. Noch im Bett sprudelten sie vor Begeisterung und Aufregung. Maria löschte das Licht und fünf Minuten später schliefen alle drei ganz fest.

„Und was machen wir jetzt?“, fragte Maria.

„Gehen wir noch einmal runter und schwimmen etwas. Das würde mir jetzt richtig guttun.“

Fünf Minuten später standen sie im Becken und genossen, wie der Boden ganz langsam immer tiefer sank und der Wasserspiegel stieg. Maria hatte ihre Arme um Wolframs Hals geschlungen und meinte: „Wenn ich ertrinke, musst du mich aber retten.“

„Das werde ich!“, versprach Wolfram lachend.

Doch der Boden blieb auf einer Höhe stehen, bei der Maria das Wasser bis zum Hals ging. Trotzdem sprang sie ihren Mann an, hielt sich mit ihren Knien an seiner Hüfte fest und rief: „Hilfe, ich habe keinen Grund mehr. Hilf mir, sonst muss ich ertrinken!“ Wolfram lächelte, hielt sie ganz fest und küsste sie.

Nach einer Weile, als sie mit dem Blödeln aufhörten, schwammen sie noch mindestens eine halbe Stunde. Maria setzte immer mal ab, aber ihre geschwommenen Strecken wurden immer länger.

„Wenn wir jeden Tag hier unten üben“, sagte Wolfram, „dann kannst du im Sommer sicher genauso gut schwimmen wie ich.“

„Wir können’s probieren. Es muss ja nicht jeden Tag sein, aber irgendwie gefällt mir das hier.“

Wolfram umarmte sie und meinte: „Ich hab’s dir doch gesagt. Du wirst die Villa noch lieben lernen.“

Maria zuckte mit den Schultern und schmunzelte vor sich hin. Ein Schwimmbecken im Keller war wirklich nicht zu verachten.

Im Bett umarmte sie ihren Wolfram und sagte: „Ich liebe dich!“ Dann schlief sie in dieser Umarmung ein.

Am nächsten Tag musste Maria ihre neue Arbeit antreten. Sie war mächtig aufgeregt. Wolfram empfahl ihr, eine schwarze Perücke zu tragen, die er extra dafür gekauft hatte, und auch die getönte Brille, die nur Fensterglas in der Fassung hatte. So konnte sie ihre blonden Haare verbergen und auch die Brille ließ sie anders aussehen. Ebenso sollte sie sich stark schminken. Wolfram meinte, es wäre besser so, denn dadurch werde sie niemand erkennen, wenn man ihr normal auf der Straße begegne. Maria befolgte jeden Rat, den ihr Wolfram gab. Sie vertraute ihm. Auch ihn kannte ja kaum jemand in der Firma persönlich.

Als Maria vor ihre drei Mitarbeiter trat, war sie nicht zu erkennen. Den Rest machte das elegante Kleid, das sie zwei Stunden vorher in Uelzen gekauft hatten. Nun stand sie vor Anja Kraft, Nicole Neumann und Paul Quertreiber. Sie erinnerte sich kaum noch, was Wolfram ihr als Anfangsrede empfohlen hatte. Trotzdem begann sie.

„Ich kann Sie drei zu dieser neuen Arbeit beglückwünschen. Sie sind die kräftige Anja, Doppel-N und der Quertreiber. Nennen Sie mich bitte immer nur Maria. Ich wünsche keine Titel oder Ähnliches. Sie werden größtenteils selbstständig arbeiten. Ich vertraue Ihrer Beurteilung. Nein, nein, nicht der Ihrer Vorgesetzten. Die würde vielleicht nicht so gut ausfallen. Aber dafür sind Sie ja hier, damit auch die Menschen an der Basis gerecht behandelt werden. Überprüfen Sie bitte selbstständig, ob das Eingereichte echt ist oder nur übertriebenes Geltungsbedürfnis. Alle berechtigten Fälle schicken Sie mir bitte per E-Mail zu. Meine E-Mail-Adresse ist hier.“ Damit reichte sie jedem einen Zettel, auf dem die Adresse stand. „Ich werde Sie nicht jeden Tag behelligen. Trotzdem erwarte ich von Ihnen eine vorbildliche Disziplin; besonders in der Einhaltung der Arbeitszeit. Denken Sie immer daran, dass Sie jetzt von der gesamten Belegschaft beobachtet werden. Sie können sich jetzt keine krummen Touren leisten. Es würde mir sofort zugetragen und ich wäre dann gezwungen zu reagieren. Wenn etwas passiert ist, dann teilen Sie mir das per E-Mail mit. Egal, was es ist. Wir werden uns bestimmt immer einig. Aber wenn es mir von anderer Stelle zugetragen wird, dann muss ich vielleicht Maßnahmen ergreifen, die wir vermeiden könnten, wenn es unter uns bliebe. Das wäre vorläufig alles, was ich Ihnen mitteilen wollte. Haben Sie noch irgendwelche Fragen?“

Anja fragte vorsichtig: „Sie sind wirklich die Frau vom großen Chef?“

„Ja, warum?“

„Ich habe Sie mir ganz anders vorgestellt. Irgendwie strenger.“

„Ich danke Ihnen. Sie sind für Ihre Ehrlichkeit bekannt. Aber mal unter uns gesagt, Chefs und ihre Frauen sind auch nur Menschen. Ich glaube, wir werden gut zusammenarbeiten. Sehen Sie mich nicht als Ihre Chefin, sondern mehr als Ihre Aufsicht. Das trifft es vermutlich besser. Wie ich schon sagte, werde ich nicht oft hier sein. Arbeiten Sie trotzdem gewissenhaft und wir werden gut miteinander auskommen.“

Da meldete sich Paul mit der Frage: „Wie können wir Sie erreichen, wenn es mal etwas Eiliges gibt? Ist E-Mail da nicht zu langsam?“

„Es gibt hier nichts Eiliges! Sollte es wider Erwarten doch einmal so sein, dann haben Sie von mir jetzt die Genehmigung, zu dritt zu beraten und am Ende selbst zu entscheiden. Eine Telefonnummer gibt es nicht von mir, wenn Sie das meinen. Ich bin viel unterwegs und ich mag Handys nicht. Haben Sie sonst noch Fragen?“

Die drei schüttelten die Köpfe.

„Dann wünsche ich Ihnen einen guten Start ins neue Arbeitsjahr. Auf Wiedersehen.“

Als Maria gegangen war, sahen sich die drei staunend an und zuckten mit den Schultern.

„Was war denn das?“, fragte Nicole.

Anja meinte: „Hoffentlich bleibt sie so. Sie macht einen netten Eindruck.“

„Na, das muss bei Frauen nicht viel bedeuten. Das kann schon morgen völlig anders sein“, sagte Paul dazu.

„Du musst es ja wissen“, kicherte Anja. Es war bekannt, dass Paul so seine Probleme mit Frauen hatte.

Im Moment hatten sie noch nicht viel zu tun. Deshalb bewerteten sie erst mal ihre neue Chefin. Nicole stellte fest: „Sie kommt bestimmt aus dem Osten. Habt ihr diesen merkwürdigen Akzent bemerkt?“

„Ich glaube, hinter Dresden sprechen sie so. Wie auch immer. Hauptsache, sie lässt uns in Frieden“, fügte Paul hinzu.

„Aber gut sieht sie aus“, sagte Anja.

Damit war das Thema Chefin erst mal abgehakt.

Vier Tage später rief Andrea abends an. Neben ihr stand Olaf. Er wollte unbedingt mit Wolfram sprechen. „Ich wollte mich noch für das Kuvert und das viele Geld bedanken. Warum haben Sie es nicht Andrea gegeben? Sie kann es doch genauso gebrauchen.“

Wolfram antwortete: „Andrea ist jetzt mit Sven verheiratet. Sven verdient recht gut. Für Sie war dieses Kuvert hilfreicher. Wir haben es wirklich gern gegeben. Olaf, ich verdiene hier in Deutschland gut. Für mich sind 740,-NOK nicht wirklich viel Geld. Wenn ich mit meiner Familie in einer Gaststätte essen gehe, bezahle ich etwa das Gleiche. Also haben wir nur einmal auf die Gaststätte verzichtet. Ich bin überzeugt, Ihnen hilft es mehr als uns. Haben Sie schon einmal Ihr Konto überprüft?“

„Nein. Wozu? Sie sagten doch, dass bei Ihnen erst am Monatsende Gehalt gezahlt wird.“

„Ich habe durchsetzen können, dass Sie einen Vorschuss bekommen. Den Rest gibt es dann am Monatsende.“

„Ist das wahr?“

„Warum sollte ich lügen? Vertrauen Sie mir. Mit solchen Dingen treibt man keine Scherze.“

„Vielen, vielen Dank! Auch vielen Dank von meiner Frau. Ich übergebe jetzt wieder an Andrea.“

„Hier ist Andrea. Wie geht es euch? Das junge Ehepaar in den eigenen Räumen. Ach, wenn es nur bei uns schon so weit wäre. Sven hat noch nichts Neues von dem Haus gehört. Drückt uns bitte beide Daumen, dass es klappt.“

„Hallo, Andrea. Hier ist Maria. Das mit dem Haus klappt ganz bestimmt. Und wenn nicht, dann packen wir unser Haus hier ein und schicken es mit der Spedition zu euch. Wir finden hier schon wieder etwas für uns.“

„Schön wäre es, wenn das so einfach ginge. Olaf und Ivonne habt ihr aber eine große Freude gemacht. Er war ganz aus dem Häuschen, als Sven ihm das Kuvert gab.“

„Hört er noch zu?“, fragte Maria.

„Nein. Er ist schon wieder rüber zu seiner Familie gegangen. Stell dir vor, sie haben schon an Kohlen gespart, um mehr Geld für Lebensmittel zu haben. Dass es so schlimm ist, habe ich nicht gewusst.“

Wolfram nahm Maria den Hörer aus der Hand und sagte: „Dann wird er sich noch mehr freuen, wenn er sein Konto ansieht. Unsere Firma hat ihm 4.500,- Kronen überwiesen.“

„Was denn, gleich den vollen Lohn?“, fragte Andrea.

„Nein. Ich hoffe, du bist uns jetzt nicht böse. Er ist von der Firma aufgrund seiner Aktivitäten auf 50 Prozent hochgestuft worden. Das bedeutet, er bekommt am Monatsende die gleiche Summe noch einmal. Ist das jetzt schlimm, weil du diese Hochstufung nicht bekommen hast?“

„Aber nein. Ich mache doch auch noch gar nichts. Olaf ist ständig unterwegs und sucht Baufirmen und Handwerker. Ich glaube, er hat schon einige zusammen.“

Wolfram war beruhigt. „Schön, dass du das so siehst. Ich glaube, seine Familie kann das wirklich gut gebrauchen. Aber sag ihm bitte noch nichts davon, dass er am Monatsende die gleiche Summe bekommt. So hat er eben am Monatsende noch einmal eine Überraschung.“

„Das verspreche ich. Wie geht es euch sonst so? Hier ist wieder alles wie immer. Nur wenn ihr da seid, ist hier wirklich was los. Schade, dass ihr nicht öfter kommen könnt.“

„Andrea? Hier ist wieder Maria. Wie sollen wir denn öfter kommen? Irgendwann müssen wir doch auch mal arbeiten.“

„Ja, ich weiß. Trotzdem ist es immer schön, wenn ihr da seid. Na, dann auf Wiedersehen, bis zum nächsten Mal.“

Herzensöffnung (2): Versöhnung

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