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Zweites Buch: Euterpe
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1. Nach dem Ende des Cyrus kam nun das Königthum an Kambyses, der ein Sohn war des Cyrus und der Kassandane, der Tochter des Pharnaspes; bei deren früherem Tod Cyrus selbst große Trauer angestellt, und so auch Allen, die er beherrschte, Trauer angesagt hatte. Kambyses also, der Sohn dieser Frau und des Cyrus, sah in den Ioniern und Aeoliern seine Knechte aus väterlicher Erbschaft; gegen Aegypten aber machte er einen Heereszug, wozu er unter andern Unterthanen auch die Hellenen mitnahm, die unter seiner Obermacht standen.
2. Die Aegyptier hatten, bevor über sie Psammitichus König war, den Glauben, sie setzen die allerältesten Menschen. Seitdem aber König Psammitichus hat wissen wollen, Wer die Aeltesten seyen, glauben sie, die Phrygier seyen älter, als sie, und sie, als die übrigen. Als nämlich Psammitichus auf dem Wege der Erkundigung keine Spur davon auffinden konnte, Wer die ältesten Menschen seyen, ersann er diesen Kunstgriff. Zwei neugeborne Knäblein von den nächsten besten Leuten gab er einem Hirten, um sie bei seinen Heerden auf die Art zu erziehen, daß er ihm aufgab, Niemand dürfe vor ihnen einen Laut hören lassen, sie müßten für sich in einer einsamen Hütte liegen, und er zur Stunde ihnen Ziegen zuführen; wenn er sie aber mit Milch gesättigt, seiner sonstigen Verrichtungen nachgehen. Das that Psammitichus und gab es so auf, um an den Knäblein, wenn sie über das undeutliche Lallen hinaus wären, zu hören, in welchen Laut sie zuerst ausbrächen. So geschah es denn auch. Denn als es eine Zeit von zwei Jahren war, daß der Hirt Dieß vollzog, und Derselbe die Thür öffnete und eintrat, fielen die beiden Knäblein ihn an, mit dem Laut Bekos, wobei sie die Hände ausstreckten. Wie denn Das der Hirt zum erstenmal hörte, ließ ergehen. Als aber bei wiederholtem Besuchen und Abwarten dieses Wort immer wiederkam, da zeigte er's endlich seinem Gebieter an, und führte, auf Dessen Geheiß, die Knäblein vor sein Angesicht. Nun hörte es Psammitichus selber und erkundigte sich, welche Menschen ein Wort Bekos haben; wobei er fand, daß es die Phrygier haben für das Brod. So räumten die Aegyptier ein, besonders in Erwägung dieser Geschichte, daß die Phrygier älter seyen, als sie.
3. Diesen Hergang der Sache habe ich von den Hephästuspriestern in Memphis gehört. Die Hellenen aber sagen unter anderem thörichtem Zeug, Psammitichus habe Weibern die Zungen ausgeschnitten, und dann die Knaben von diesen Weibern pflegen lassen. Ueber die Erziehung der Knaben also sagten sie so viel. Ich habe aber noch mehr zu Memphis gehört in Gesprächen mit den Hephästuspriestern. Dazu habe ich auch nach Theben und Heliopolis wegen des Nämlichen mich gewendet, weil ich wissen wollte, ob es mit Dem, was ich in Memphis hörte, übereinkommen werde. Denn die Heliopoliten sollen die größten Geschichtskundigen in Aegypten seyn. Was ich indessen von göttlichen Dingen erzählen hörte, bin ich nicht Willens, wieder zu erzählen, mit Ausnahme ihrer bloßen Namen, in Betracht, daß hievon Jedermann die gleiche Ueberzeugung hat; und werde nur Das das von aufzeichnen, wozu ich durch den Verlauf der Geschichte genöthigt bin.
4. Von menschlichen Dingen aber sagten sie Folgendes in Uebereinstimmung miteinander. Die Aegyptier hätten zuerst unter alten Menschen das Jahr erfunden, welchem sie vom Ganzen der Jahreszeiten zwölf Abtheilungen gaben. Und Das rechnen sie, nach meinem Urtheil, um so viel klüger, als die Hellenen, wiefern Diese nach jedem zweiten Jahr einen Schaltmonat, der Jahreszeiten wegen, einschalten; die Aegyptier dagegen bei ihrer Rechnung von zwölf dreißigtägigen Monaten, alljährlich fünf Tage über die Zahl dazu rechnen, wodurch für ihren Jahreszeitenkreis immer derselbe Ablauf herauskommt. Auch die zwölf Götternamen, sagten sie, seyen zuerst bei den Aegyptiern im Brauch gewesen, und von ihnen hätten sie die Hellenen angenommen. Wiederum Altäre, Standbilder und Tempel hätten sie zuerst den Göttern bestimmt, wie auch Bildnisse in Stein geschnitten. Hievon wiesen sie denn das Meiste in der Wirklichkeit nach. Weiter sagten sie, von den menschlichen Königen Aegyptens sey Menes der erste, unter welchem, außer dem Thebischen Kreis, ganz Aegypten ein Sumpf gewesen sey, so daß nichts daraus hervorstand von Allem, was jetzt unterhalb des See's Möris liegt; und es ist in diesen See, vom Meere aus, eine Fahrt von sieben Tagen stromaufwärts.
5. Was sie über das Land ragten, darin mußte ich ihnen beipflichten. Ist es doch, auch wenn man Nichts davon gehört, und blos gesehen hat, ganz offenbar, wenigstens für jeden Verständigen, daß jenes Aegypten, wohin die Hellenen schiffen, ein neu gewonnenes Stück vom Aegyptenland und ein Geschenk des Flusses ist; ja sogar, Was bis auf eine Fahrt von drei Tagen über den See hinaus liegt, und wovon Jene nichts mehr sagten, ist wiederum von dieser Art. Folgendes ist nämlich die Landesbeschaffenheit von Aegypten. Wer gleich beim Heranschiffen, noch eine ganze Tagereise weit vom Lande, das Senkblei hinabläßt, wird Schlamm heraufbringen und seine eilf Klafter messen. Dieß beweist, daß das angeschwemmte Land so weit geht.
6. Das eigentliche Aegypten aber hat längs dem Meer sechzig Schönen 59 in der Länge, nach meiner Begrenzung Aegyptens vom Plinthinetischen Busen bis zum Serbonischen See, an welchem das Kasische Gebirg hinläuft. Von da an also sind es sechzig Schönen. Alle landarmen Leute nämlich messen ihr Feld mit Klaftern, die minder landarmen mit Stadien, die viel haben, mit Parafangen, die sehr viel, mit Schönen. Nun gibt der Parasang dreißig Stadien; jeder Schönus aber, ein Aegyptisches Maß, sechzig Stadien. Demnach hätte Aegypten längs dem Meere dreihundert und sechzig Stadien.
7. Von da bis Heliopolis im Binnenlande ist Aegypten breit und durchaus ein abgedachtes, wasserloses Marschland. Und vom Meere landeinwärts nach Heliopolis ist es fast ein Weg von gleicher Länge, wie aus Athen, vom Altar der zwölf Götter, nach Pisa zum Tempel des Olympischen Zeus. Um Weniges nur, wie eine Berechnung zeigen müßte, sind diese Wege verschieden in der Länge, nicht über fünfzehn Stadien. Nämlich von Athen nach Pisa fehlen fünfzehn Stadien zu einem Weg von eintausend fünfhundert Stadien; vom Meer nach Heliopolis geht diese Zahl gerade auf.
8. Von Heliopolis weiter landeinwärts, ist Aegypten schmal. Denn an der einen Seite, der von Arabien, erstreckt sich ein Gebirg von Norden gegen Mittag und den Süd; welches immer landeinwärts nach dem sogenannten Erythräischen Meer hinläuft; und darin sind die Steinbrücke, die man zu den Pyramiden in Memphis ausgebrochen hat. Dorten geht nun das Gebirg aus und wendet sich in der besagten Richtung. Wo dasselbe seine größte Weite hat, soll es wie ich mir sagen ließ, von Morgen gegen Abend ein Weg. von zwei Monaten seyn; sodann gegen Morgen sollen seine Ausläufe Weihrauch tragen. Also das ist dieses Gebirge. Aber auf der Seite Aegyptens gegen Libyen läuft ein anderes felsiges Gebirg, worin die Pyramiden sind; das ist mit Sand überdeckt und hat denselben Zug, wie der Theil des Arabischen, der gegen Mittag geht. So ist der Landstrich von Heliopolis an eben nicht mehr groß für Aegypten; sondern vier Tagfahrten aufwärts (den Nil stromaufwärts), geht der schmale Theil von Aegypten. Was nun zwischen den besagten Gebirgen liegt, ist flaches Land; und es schienen mir, wo es am schmalsten ist, vom Arabischen Gebirg zum sogenannten Libyschen höchstens zweihundert Stadien zu seyn. Von da an aber ist Aegypten wieder breit. So ist also dieses Land beschaffen.
9. Von Heliopolis nach Theben ist es eine Fahrt von neun Tagen aufwärts; ein Weg von viertausend achthundert und sechzig Stadien, was einundachtzig Schönen sind. So finden sich die Stadien von Aegypten zusammen. Von dem Theil, der am Meere liegt, habe ich bereits vorhin angezeigte daß er dreitausend und sechzig Stadien hat; nun will ich auch merken, wie weit es vom Meer in's Binnenland bis Theben ist: nämlich sechstausend einhundert und zwanzig Stadien. Endlich von Theben nach der sogenannten Stadt Elephantine sind es tausend achthundert Stadien.
10. Das besagte Land also schien auch mir zum großen Theil, so wie es die Priester behaupteten, neu hinzugewonnen zu Aegypten. Denn Was zwischen den besagten Gebirgen ist, die über der Stadt Memphis liegen, das sah mir als ein einstiger Meerbusen aus, ziemlich, wie die Gegend um Ilium und Teuthranien, oder um Ephesus, und die Ebene des Mäander; so weit dieß Kleine mit Großem sich vergleichen läßt. Denn von den Flüssen, welche diese Lande angeschwemmt haben, ist keiner mit einer einzigen Mündung des Nil (und derselbe hat fünf) dem Maße nach einer Vergleichung werth. Und es sind noch mehr Flüsse, die, ohne eine Größe wie der Nil zu haben, Großes in's Werk richteten, als welche ich namentlich anzugeben vermag, und darunter nicht zuletzt, den Achelous, der durch Akarnanien fließt, und, wo er sich in's Meer ergießt, die Echinadischen Inseln zur Hälfte bereits zum Festland gemacht hat.
11. Um Lande Arabien nun, von Aegypten unsern, ist ein Meerbusen, der aus dem sogenannten Erythräischen Meere hereingeht; und wie lange und schmal dieser ist, will ich jetzt angeben. In die Länge nämlich, wenn man von der Bucht aus durch fährt nach dem offenen Meere, braucht man vierzig Tage zur Fahrt mit einem Ruderschiff; in die Breite, wo der Busen am breitesten ist, eine halbe Tagfahrt. Es ist in demselben jeden Tag Ebbe und Fluth. Eben ein solcher Busen, meine ich, ist auch Aegypten einmal gewesen, so daß der eine Busen aus dem nördlichen Meere hereinging gegen Aethiopien hin; der andere (Arabische, an dem ich bin) aus dem südlichen sich herzog gegen Syrien hin, und dieselben beinahe durch ihre Buchten sich zusammenbohrten, nur durch ein kleines Stück Landes getrennt. Sollte nun einmal der Nil sein Strombett in diesen Arabischen Busen herein leiten, was hindert dann, daß derselbe vom Fluß nicht zugeschwemmt werde, wenigstens inner zwanzigtausend Jahren? Indessen, ich denke doch, schon inner zehntausend Jahren würde er zugeschwemmt werden. Konnte also nicht auch, in all der Zeit, die vor mir verging, ein Meerbusen, und selbst ein viel größerer, als dieser, von einem Flusse zugeschwemmt werden, der so groß ist und so gewaltig arbeitet?
12. Ueber Aegypten also glaube ich, was man sagt, und bin selber ganz davon überzeugt, in Betracht, daß Aaegypten vor dem anstoßenden Lande hervorsteht, auf seinen Gebirgen Muscheln zeigt, und daß es Salztheile ausstößt, wovon selbst die Pyramiden angegriffen werden (auch ist dort oberhalb Memphis das einzige Aegyptische Gebirg, welches Sand hat); ferner, daß Aegypten weder dem benachbarten Arabischen Lande ähnlich ist, noch dem Libyschen, noch auch dem Syrischen (denn an Arabiens Küsten wohnen die Syrier); sondern einen schwarzen und brüchigen Boden hat, nämlich Moor und Schlamm, durch den Strom aus Aethiopien herabgeführt. Dagegen ist Sibyens Erde, wie bekannt, mehr röthlich und sandig; die Arabische und Syrische mehr thonhaltig und auch felsig.
13. Auch sagten von diesem Lande mir die Priester noch Dieß als ein bedeutendes Merkmal, daß unter König Möris der Fluß, wenn er zum wenigsten auf adit Ellen stieg, Aegypten unterhalb Memphis bewässerte. Und Möris war noch keine neunhundert Jahre todt, als ich Das von den Priestern hörte. Wenn aber jetzt der Fluß nicht zum wenigsten auf sechzehn oder fünfzehn Ellen steigt, so tritt er in's Land nicht aus. Und so, glaube ich, mag einmal den Aegyptiern, die unterhalb des See's Möris wohnen, darunter namentlich den Bewohnern des sogenannten Delta, dieses ihr Land, wenn es nach solchem Maß in seiner Höhe zusetzt, und in seiner Vermehrung immer das Gleiche absetzt, vom Nil unüberschwemmt bleiben, und den Aegyptiern selbst widerfahren, was sie behaupteten, daß den Hellenen widerfahren werde. Als sie nämlich hörten, daß der Hellenen ganzes Land Regen, aber keine Flüsse hat, die es bewässern, wie das ihrige, behaupteten sie "die Hellenen dürften einmal, getäuscht in ihrer Haupthoffnung, übel Hunger leiden." Dieses Wort will sagen: "Wenn einmal daselbst der Gott nicht regnen wollte, sondern Dürre andauern ließe, so würden die Hellenen dem Hunger Preis gegeben seyn; weil sie ja für das Wasser keine andere Hülfe haben, als daß es von Zeus kommt."
14. Das ist denn von den Aegyptiern in Betreff der Hellenen mit Recht bemerkt worden. Jetzt laßt mich aber auch angeben, wie es bei den Aegyptiern selber steht. Sollte sich daselbst, wie ich oben schon äußerte, das Land unter Memphis (denn das ist es, welches sich vermehrt) nach Maßgabe der verflossenen Zeit in die Höhe vermehren, was anders wird geschehen, als daß die dort wohnenden Aegyptier Hunger leiden? wenn ja doch ihr Land keinen Regen haben und der Fluß nicht im Stande seyn wird, auf die Felder auszutreten. Freilich wohl jetzt bringt man nirgends so mühelos die Frucht aus dem Boden, wie bei ihnen, weder bei den andern Menschen insgesammt, noch bei den übrigen Aegyptiern; da sie nicht die Mühe haben, mit dem Pfluge Schollen aufzuwühlen, auch nicht zu hacken, noch mit sonst einer Arbeit, womit sich die andern Menschen um die Saat bemühen; sondern ist jedesmal der Fluß von selbst gekommen, hat die Felder bewässert, und ist nach der Bewässerung wieder zurückgetreten, so besä't Jeder sein Feld und treibt dann Schweine 60 darauf. Hat er aber durch die Schweine die Aussaat einstampfen lassen, so wartet er von nun an die Ernte ab. Dann läßt er durch die Schweine das Korn ausdreschen, und so bringt er es ein.
15. Wenn wir es nun, in Bezug auf Aegypten, mit den Ansichten der Ionier halten wollten, welche behaupten, das Delta allein sey Aegypten, nämlich längs dem Meere gehe dasselbe von der sogenannten Perseuswarte bis zu den Pelusischen Taricheen (Mumienstätten), wo es dann vierzig Schönen sind, und wiederum vom Meere in's Binnenland erstrecke es sich bis zur Stadt Cerkasorus, woselbst der Nil sich spaltet, um nach Pelusium zu strömen und nach Kanobus; das übrige Aegypten sey theils Libysches, theils Arabisches Land wollten wir's mit dieser Meinung halten, so könnten wir demnach darthun, daß die Aegyptier vordem kein Land hatten. Ist ja doch eben das Delta, wie die Aegyptier selbst sagen und mir vorkommt, hervorgeschwemmt, und neuerlich, so zu sagen, zum Vorschein gekommen. Wenn sie also nicht einmal ein Land gehabt haben, was hatten sie ihre Annoth mit dem Glauben, daß sie die ersten Menschen gewesen? So durften sie auch, nicht in den Versuch mit den Knäblein sich einlassen, was für einen Laut sie zuerst von sich geben würden. Allein ich glaube, daß die Aegyptier mit dem, von den Ioniern so genannten, Delta nicht gleichzeitig, sondern von jeher da sind, reit es ein Menschengeschlecht gibt; nur, als das Land sich hervorstreckte, ihrer Viele waren, die zurückblieben und Vielen die nach und nach herabkamen. Vor Zeiten war es denn Theben, was Aegypten genannt wurde, welches einen Umfang hat von sechstausend einhundert und zwanzig Stadien.
16. Wenn wir nun hierüber richtig urtheilen, so haben die Ionier keine rechte Vorstellung von Aegypten; wenn aber die Ansicht der Ionier richtig ist, so thue ich dar, daß die Hellenen sammt den Ioniern nicht zu rechnen verstehen, indem sie behaupten, aus drei Theilen bestehe die ganze Erde, Europa, Asien und Libyen. Sie müssen ja noch einen vierten dazu rechnen, das Delta von Aegypten; da es denn doch weder zu Asien, noch zu Libyen gehört. Denn nun ist es doch nicht der Nil, nach dieser Ansicht, was Asien von Libyen abgrenzt; vielmehr bricht sich der Nil an der Spitze des Delta, so daß dieses zwischen Asien und Libyen in der Mitte wäre.
17. Lassen wir nun die Ansicht der Ionier; was aber wir eben hierüber ragen, ist Dieses. Aegypten ist al das Land, welches von den Aegyptiern bewohnt ist, so gut wie Cilicien das von den Ciliciern, Assyrien das von den Assyriern bewohnte. Grenzscheide von Asien und Libyen wissen wir eigentlich keine rechte, außer die Aegyptischen Grenzen. Wenn wir aber an die Annahme der Hellenen und halten wollen, so können wir annehmen, ganz Aegypten zerfalle, von den Katadupen (Wasserfällen) und der Stadt Elephantine an, in zwei Hälften, und schließe sich beiden Namen an, indem dieß eine Stück zu Libyen, das andere zu Asien gehöre. Denn eben der Nil fließt von den Katadupen an so, daß er Aegypten mitten durchschneidet, in's Meer. Und zwar bis zur Stadt Cerkasorus fließt der Nil als ein Strom; und von dieser Stadt an spaltet er sich in drei Arme, wovon sich der eine gegen Morgen wendet, was man die Pelusische Mündung nennt, und der andere gegen Abend geht, welches die Kanobische Mündung heißt. Aber der gerade Arm des Nil ist da, wo er in seiner Strömung an die Spitze des Delta kommt, und nun, indem er das Delta mitten durchschneidet, in's Meer ausläuft mit einem Theile seines Wassers, der mit nichten der schwächste oder unbekannteste ist; was man die Sebennytische Mündung nennt. Und trennen sich noch zwei andere Mündungen von der Sebennytischen, und strömen in's Meer, unter dem Namen der Saitischen die eine, und der Mendesischen die andere. Die Bolbitische Mündung und die Bukolische 61 sind keine ursprünglichen Mündungen, sondern gegraben.
18. Noch zeugt für meine Meinung, daß Aegypten so groß ist, als ich eben darthue, auch der von Ammon ertheilte Götterspruch, den ich hinterher nach meiner Meinung über Aegypten erfuhr. Es haben nämlich die von den Städten Marea und Apis, welche Aegypten, wo es an Libyen grenzt, bewohnen und sich selbst für Libyer, nicht für Aegyptier halten, weil ihnen die heiligen Gebote zur Last waren, und sie der Kühe sich nicht enthalten wollten, zu Ammon gesandt, mit der Erklärung: "sie hätten Nichts mit den Aegyptiern gemein, da sie ja außerhalb des Delta wohnen, und nicht mit ihnen zusammenstimmen; so wollten sie auch, daß ihnen frei stehe, von dem zu genießen." Allein der Gott ließ ihnen Das nicht zu und erklärte, das sey Aegypten, was der Nil in seinem Austritt bewassert, und das seyen Aegyptier, die unterhalb der Stadt Elephantine, wohnen, und aus diesem Flusse trinken.
19. So ward ihnen Dieß gesprochen. Der Nil tritt aber, wenn er anschwillt, nicht allein über das Delta aus, sondern auch auf das, als Libysch bezeichnete, Land und auf das Arabische, hie und da einen Weg von zwei Tagen auf beiden Seiten, oder drüber oder drunter. Doch über die Natur des Stromes konnte ich weder von den Priestern, noch von sonst Jemand Etwas vernehmen.
Und ich trachtete, von ihnen zu erfahren, was es macht, daß der Nil austritt und von der Sommersonnenwende an hundert Tage lang anschwillt, nachgerade aber, nahe an dieser Zahl von Tagen, zurücktritt und in seinem Strombette abnimmt, so daß er den ganzen Winter niedrig bleibt, bis wieder zur Sommersonnenwende. Darüber nun war ich nicht im Stande irgend Etwas von den Aegyptiern zu vernehmen, als ich mich bei ihnen erkundigte, was für eine Kraft dem Nil diese Natur gibt, die allen andern Flüssen zuwiderläuft. Eber das Gesagte also wollte ich wissen, und erkundigte mich zugleich, warum dieser Fluß allein keine Lüfte von sich zu wehen pflegt.
20. Einige Hellenen aber, die sich durch Weisheit auszeichnen wollten, gaben zur Auskunft über dieß Wasser dreierlei Wege an, wovon ich zweier nicht zu gedenken erachte, außer daß ich sie blos anzeigen will. Davon gibt der Eine an, die Etesienwinde (Passatwinde) seyen Ursach, daß der Fluß ans anschwelle, indem sie den Nil verhindern, ins Meer auszuströmen. Nun wehten aber oft die Etesien nicht, und der Nil that doch immer das Nämliche. Dazu, wenn die Etesien Ursach, wären, so müßten auch die andern Flüsse alle, die den Etesien entgegenströmen, in gleichem Falle seyn, so gut, wie der Nil, ja noch um so viel mehr, als sie kleiner sind und eine schwächere Strömung haben. Nun sind viele Flüsse in Syrien und viele in Libyen, bei welchen Dieß gar nicht so der Fall ist, wie beim Nil.
21. Der Andere ist noch unverständiger, als der Bezeichnete, und, so zu sagen, wunderbarer, da er angibt, indem er aus dem Oceanus ströme, komme er zu dieser Art, der Oceanus aber ströme um die ganze Erde.
22. Der dritte Weg der Auskunft, weit der scheinbarste, ist der irrigste. Denn, auch hier ist Nichts gesagt mit der Behauptung, der Nil laufe an vom geschmolzenen Schnee; da er aus Libyen mitten durch die Aethiopier läuft, und durch Aegypten ausfließt. Wie mag denn also vom Schnee anlaufen, da er aus den heißern Gegenden in die kältern läuft? Da sind Gründe die Menge für Jedermann, der nur so etwas zu ermessen im Stande ist, daß er wohl nicht vom Schnee anlaufen kann. Den ersten und stärksten Beweis aber geben die Winde, die warm aus jenen Gegenden wehen; den zweiten, daß dieß Land immerdar ohne Regen und Eis ist; auch auf Schneewetter ganz nothwendig in fünf Tagen Regen fallen muß, jene Lande also, wenn sie Schnee hätten, auch Regen haben würden. Zum dritten, die Schwärze der dortigen Menschen von der Hitze. Auch bleiben Weihen und Schwalben Jahr aus, Jahr ein, ohne abzuziehen; und die Kraniche, die sich vor dem Winter flüchten, wenn er im Scythenland einbricht, wandern zur Ueberwinterung in diese Gegenden. Wenn es demnach auch nur etwas schneite in diesem Laude, durch welches und aus welchem der Nil herströmt, so wäre alles Dieß nicht, wie es nothwendig begründet ist.
23. Wer aber die Meinung vom Oceanus angab, der führte seine Mähr in ein Dunkel zurück, wo er keinen Beweisgrund hat. Denn ich weiß wenigstens von keinem Fluß Oceanus, und glaube nur, daß Homer, oder Einer der Dichter vor ihm, den Namen erfunden, und in der Dichtung eingeführt hat.
24. Wenn ich nun, nachdem ich mich über die vorliegenden Meinungen aufhielt, selbst eine Meinung über diese dunkle Sache aufstellen muß, so will ich bemerken, wodurch ich glaube, daß der Nil des Sommers anschwillt. Zur Winterszeit wird die Sonne durch die Winterstürme aus ihrer alten Laufbahn vertrieben, und kommt in's hintere Libyen. Um es auf's kürzeste anzuzeigen, so ist Alles hiemit gesagt. Das Land nämlich, dem dieser Gott (die Sonne) am nächsten, oder woselbst er gerade ist, muß natürlich am meisten nach Wasser dürften, und seine Flüsse werden, so weit sie im Lande strömen, eintrocknen.
25. Um es nun aber mit mehr Worten auzuzeigen, so verhält es sich, wie folgt. Während die Sonne durch das hintere Libyen hinausläuft, hat sie folgende Wirkung: Bei der Heitere der Luft in diesen Gegenden und bei der Durchwärmung des Landes, da es keine kalten Winde hat, thut sie im Hinauslaufen dieselbe Wirkung, die sie sonst im Sommer zu thun pflegt, wo sie mitten am Himmel läuft; nämlich sie zieht Wasser an sich, und dann flößt sie es ab in die hintern Gegenden, wo es die Winde auffangen, zerstreuen und auflöser; wie denn natürlicher Weise der Süd- und der Thauwind (Südwest), die von diesem Lande herwehen, unter allen Winden am meisten Regen bringen. Doch glaube ich, daß die Sonne das jährlich gezogene Nilwasser nicht jedesmal ganz fahren läßt, sondern auch um sich her Etwas zurückbehält. Wenn nun der Winter gelinder wird, so kommt die Sonne wieder mitten an dem Himmel hervor, und von jetzt an zieht sie bereits an allen Flüssen gleich. Bis dahin haben die Andern bei reichlichem Zufluß von Regenwasser, da ihr Land Regen und Gießbäche hat, eine starte Strömung, des Winters aber, wenn die Regengüsse sie verlassen und zugleich die Sonne an ihnen zieht, eine schwache. Dagegen ist der Nil, der, ohne Regenwasser zu haben, von der Sonne angezogen wird, der einzige Fluß, der um diese Zeit natürlicher Weise eine weit geringere Strömung hat, als des Sommers; denn wird er da mit allen Gewässern gleichmäßig angezogen, so leidet er des Winters allein. Auf diese Art halte ich die Sonne für die Ursache.
26. Ebendieselbe ist auch, meiner Meinung nach, Ursache, daß die Luft daselbst trocken ist; indem sie ihre Bahn sich ausbrennt. So ist im hintern Libyen beständig nur Sommer. Und wenn der Stand der Jahreszeiten umwechselte, und da am Himmel, wo jetzt der Nord und Winter stehen, der Stand des Südens und Mittags, dagegen da, wo jetzt der Süd steht, der Nord seyn würde; wenn Das so wäre, so würde die Sonne, aus der Mitte des Himmels vom Winter und Nord vertrieben, in das hintere Europa laufen, so gut wie sie jetzt nach Libyen kommt. Wenn sie so durch gang Europa hinausliefe, möchte sie wohl am Ister (Donau) Dass selbe wirken, was sie jetzt am Nil thut.
27. Daß er endlich keine Luft von sich weht, darüber habe ich die Meinung, daß überhaupt aus warmen Gegenden kein Wind zu erwarten ist. Die Luft aus kalten pflegt gerne zu wehen.
28. Das bleibe denn, wie es ist und wie es von jeher war. Die Quellen des Nil aber vermaß sich Keiner von den Aegoptiern, Libyern und Hellenen zu wissen, mit welchen ich in's Gespräch kam, außer in Aegypten in der Stadt Sais der Schreiber der heiligen Schätze Athene's. Jedoch schien mir Derselbe zu scherzen, indem er sie bestimmt zu wissen behauptete. Er sagte aber Dieses: "Es wären zwei Berge mit spitzzulaufenden Gipfeln, zwischen der Stadt Syene im Thebischen Gebiet und der Stadt Elephantine gelegen, unter dem Namen Krophi der eine, Mophi der andere. Nun flößen also die Quellen des Nil, eigentlich tiefe Schlünde, mitten aus diesen Bergen; und die eine Hälfte des Wassers ströme nach Aegypten hin und gegen den Nordwind, die andere Hälfte nach Aethiopien und den Süd. Daß aber die Quellen tiefe Schlünde seyen, Das, behauptete er, habe der König von Aegypten, Psammitichus, erprobt. Er habe nämlich ein Seil, viele tausend Klafter lang, geflochten, und daselbst hinabgelassen, ohne auf den Grund zu reichen." Damit führte mich denn der Schreiber darauf, wenn anders dem so ist, wie er sagte, dort gewaltige Wirbel und einen Strudel zu vermuthen, so daß vor dem Stoß des Wassers an den Bergen das herabgelassene Senkblei nicht auf den Grund kommen konnte.
29. Sonst konnte ich schon Niemanden Etwas erfahren. Was ich indessen noch in Erfahrung brachte, als Augenzeuge bis zur Stadt Elephantine und von da durch Hören und Nachfragen, reicht nur so weit: Hinter der Stadt Elephantine geht es steil aufwärts; und nun kann man nicht anders fortkommen, als daß dort das Fahrzeug an Stricken auf beiden Seiten, wie ein Rind gezogen wird; reißt es aber, so wird das Fahrzeug von der gewaltigen Strömung fortgerissen. Das geht so eine Fahrt von vier Tagen, und der Nil ist dort so krumm, wie der Mäander. Zwölf Schönen sind's, die man auf diese Art durch schiffen muß. Alsdann kommt man auf eine Fläche, woselbst der Nil eine Insel umströmt; Tachompso ist ihr Name. Nun bewohnen das Land hinter Elephantine schon Aethiopier und auch zur Hälfte diese Insel, zur andern Hälfte Aegyptier. An dieselbe Insel stößt ein großer See, den rings nomadische Aethiopier umziehen; durchschifft man diesen, so kommt man auf das Strombett des Nil heraus, welches in den See geht. Alsdann steigt man aus und hat längs dem Fluß eine Reise von vierzig Tagen zu machen, da im Nil spitzige Klippen herausstehen und viele Scheeren sind, die keine Durchfahrt zulassen. Hat man in den vierzig Tagen diese Strecke zurück gelegt, so steigt man wiederum in ein Fahrzeug, um zwölf Tage zu schiffen; und alsdann kommt man in eine große Stadt, mit Namen Meroë. Das, sagt man, sey die Mutterstadt der übrigen des Aethiopier. Die Dortigen beten blos die Götter Zeus und Dionysus an, welche sie auch hoch verehren; und Dieselben haben ein Orakel des Zeus. Sie ziehen, so oft es ihnen der Gott durch seine Sprüche befiehlt, in den Krieg, und dahin, wohin er befiehlt.
30. Geht man nun von dieser Stadt zu den Schiffe weiter, so gelangt man wieder in der gleichen Zeit zu den Automolen (Ueberläufern), in welcher man aus Elephantine in die Mutterstadt der Aethiopier kam. Diese Automolen haben den Namen Asmach, welches Wort in unserer Sprache so viel bedeutet, als: die zur Linken des Königs Stehenden. Es waren das zweimalhundert vierzigtausend streitbare Aegyptier, die zu den dortigen Aethiopiern aus folgendem Grunde abfielen. Unter König Psammitichus standen Wachen in der Stadt Elephantine gegen die Aethiopier, und im Pelusischen Daphnå (Taphnes) eine gegen die Araber und Syrier, und in Marea gegen Libyen auch eine. Noch zu meiner Zeit halten eben so auch die Perser Wachen, wie sie unter Psammitichus waren: nämlich in Elephantine sowohl, als in Daphnä, ist Persische Besatzung. Jene Aegyptier nun waren drei Jahre in Besatzung gelegen, ohne daß Jemand sie ablöste. Da hielten sie Rath, machten gemeine Sache, fielen alle von Psammitichus ab und gingen nach Aethiopien. Psammitichus erfuhr es, und verfolgte sie. Er holte sie auch ein, und bat mit vielen Worten, sie möchten doch die heimischen Götter, und ihre Weiber und Kinder nicht verlassen. Da soll Einer derselben sein Schamglied gewiesen und gesagt haben: "wo dieses wäre, da würden sie schon Weiber und Kinder bekommen." Als Diese in Aethiopien ankamen, übergaben sie sich dem König der Aethiopier. Der belohnte sie hinwieder damit, daß er sie gewisse Aethiopier, die mit ihm in Zwist gerathen waren, austreiben hieß, um das Land derselben zu bewohnen. Als sie hierauf unter den Aethiopiern Wohnung gemacht hatten, wurden die Aethiopier mehr entwildert durch Annahme Aegyptischer Sitten.
31. So ist es mit Fahren und Gehen ein Weg von vier Monaten, daß man den Lauf des Nil über Aegypten hinaus noch kennt. So viel Monate nämlich ergeben sich, wenn man zusammenrechnet, wie lang Einer braucht, wenn er von Elephantine zu den genannten Automolen reist. Sein Lauf geht aber von Abend und Sonnenuntergang aus. Das Weitere vermag Reiner sicher anzugeben, weil jenes Land wüste ist vor Hitze.
32. Doch hörte ich noch Folgendes vor Cyrenäischen Männern, welche aussagten, sie seyen zum Orakel des Ammon gegangen, und da mit Etearchus, dem Könige der Ammonier, in's Gespräch gekommen; wo sie nach andern Gesprächen auch darauf gekommen seyen, über den Nil zu reden, wie Niemand seine Quellen wisse, und darauf Etearchus von Nasamonischen 62 Männern gesagt habe, die einmal zu ihm gekommen wären. Dieses aber ist ein Libysches Volk, und hält sich an der (großen) Syrte auf, und in dem Lande gegen Morgen von der Syrre nicht weithin. Die Nasamonen also, die gekommen und befragt worden seyen, ob sie etwas Neues zu sagen vermöchten über die Wüsten Libyens, hätten ausgesagt: bei ihnen wären muthwilige Söhne von mächtigen Männern gewesen, welche unter andern absonderlichen Streichen, die sie, als junge Männer, anstellten, auch einmal fünf unter sich durch's Loos bestimmten, die Wüsten Libyens zu besuchen, ob sie wohl, über die äußersten Entdeckungen hinaus, noch etwas Neues entdecken möchten. Wo nämlich Lybyen gegen Norden an's Meer stößt, von Aegypten an bis zum Vorgebirge Soloeis, den Enden Libyens, da entlang erstrecken sich durchgehends Libyer und viele Libysche Stämme, außer was Hellenen und Phönicier inne haben. Aber einwärts vom Meer und den am Meer wohnenden Menschen, dahineinwärts ist Libyen eine Wildniß, und hineinwärts von der Wildniß ist es Sand, arg, wasserlos und gänzlich wüste Nun seyen Jene von ihren Gesellen ausgeschickten Jünglinge, mit Wasser und Nahrungsmitteln wohl versehen, zuerst durch das bewohnte Land gegangen, nach Durchwanderung desselben in die Wildniß gekommen; und von da aus durch die Wüste gewandert, immer auf dem Wege gegen den Westwind. Und nach Durchwanderung einer langen sandigen Strecke, in Zeit vieler Tage, hätten sie endlich eine Ebene mit Baumwuchs gesehen; worauf sie zugegangen, und von den Früchten gepflückt hätten, die an den Bäumen hingen. Während dem Pflücken seyen dann kleine Männer zu ihnen herangekommen, noch unter mittelmäßiger Mannesgröße; welche sie mit sich fortnahmen; doch ohne daß die Nasamonen von ihrer Sprache, noch die Führer von den Nasamonen etwas verstanden. Diese hätten sie nun durch die größten Sümpfe geführt, nach deren Durchwanderung sie in eine Stadt gekommen, woselbst Aue ihren Führern an Größe gleich und von schwarzer Farbe wären. An der Stadt aber fließe ein großer Strom hin, und der fliese von Abend gegen Sonnenaufgang; auch zeigen sich in demselben Crocodile.
33. So weit also hatte ich die Rede des Ammoniers Etearchus angegeben, nur daß er noch hinzusetzte, die Nasamonen wären zurückgekehrt, wie die Cyrenäer gesagt haben, und die Menschen, zu welchen Dieselben gekommen, seyen alle Zauberer. Nun schloß aber auch Etearchus, jener Fluß, der dort vorbeifließt, sey der Nil; und das hat wirklich seinen guten Grund. Nämlich der Nil strömt aus Libyen her, so, daß er Libyen mitten durchschneidet, und (wie ich schließe, indem ich aus Ersichtlichem das Unbekannte abnehme,) unter dem gleichen Längenverhältnis von der Quelle an, wie der Ister. Denn auch der Isterfluß, der von den Selten und der Stadt Pyrene ausgeht, strömt durch Europa so, daß er es mitten scheidet. Diese Gelten sind außerhalb der Säulen des Herkules und Grenznachbarn der Cynesier, 63 welche unter den Bewohnern von Europa zu äußerst gegen Abend wohnen. Der Ister endigt aber seinen Lauf durch ganz Europa im Meere des Pontus Euxinus, dort, wo Istrien von den Milesischen Pflanzern bewohnt wird.
34. Nun ist der Ister, da er durch bewohntes Land Strömt, Vielen bekannt; aber von den Quellen des Nil vermag Niemand Etwas zu sagen, da Libyen, wo er es durchs strömt, gerade unbewohnt und wüste ist. Von seinem Lauf aber ist schon das Aeußerste angegeben, was nur immer durch Erkundigung zu erreichen war. Zulegt fließt er heraus nach Aegypten. Und Aegypten liegt so ziemlich, dem Gebirgsland von Silicien gegenüber; und von da gerade nach Sinope am Pontus Euxinus ist es ein Weg von fünf Tagen für einen rüstigen Mann; Sinope aber liegt dem Ister, wo er in's Meer ausfließt, gegenüber. So, glaube ich, läuft der Nil durch ganz Libyen im gleichen Verhältniß, wie der Ister (durch ganz Europa).
35. Jetzt komme ich daran, noch weitläufig von Aegypten zu reden; weil es viel mehr Wunder enthält, als jedes andere Land, und, mit jedem Land verglichen, außerordentliche Werke zeigt. Dieserwegen soll ein Mehreres davon gesagt werden. Die Aegyptier haben, nebstdem, daß bei ihnen der Himmel eigenthümlich ist, und ihr Fluß eine von den übrigen Flüssen verschiedenartige Natur zeigt, meist auch in Sitten und Bräuchen durchaus das Umgekehrte, als wie die übrigen Menschen, eingeführt. Da gehen die Weiber auf den Markt und handeln, die Männer dagegen halten sich in den Häusern und weben. Nun weben sollst Alle so, daß sie den Eilschlag oben einstoßen (stehend), die Aegyptier aber unten (sitzend). Die Lasten tragen die Männer auf dem Kopf und die Weiber auf den Schultern; bei'm Pissen stehen die Weiber aufrecht und die Männer sitzen. Ihre Ausleerung verrichten sie in den Häusern, 64 essen aber auf den Straßen, mit dem Bescheid, was unanständig, aber nothwendig ist, gehöre sich, im Verborgenen zu thun, was nicht unanständig, öffentlich. Priesterdienst übt kein Weib, weder bei männlichen, noch bei weiblichen Gottheiten; sondern bei Beiden durchaus Männer. Zur Erhaltung der Eltern haben die Söhne keine Verbindlichkeit, wenn sie nicht wollen, die Töchter aber volle Verbindlichkeit, auch wenn sie nicht wollen.
36. Die Priester der Götter pflegen sonst überall ihr Haar, in Aegypter aber scheeren sie sich. Bei den andern Menschen ist es Brauch, daß in der Trauer die nächsten Angehörigen ihr Haupt bescheeren; die Aegyptier aber lassen, um die Zeit eines Sterbefalls, die Haare auf dem Haupt und am Barte wachsen, während sie sollt geschoren sind. Die andern Menschen haben ein von den Thieren abgesondertes Leben, die Aegyptier leben mit den Thieren beisammen. Die Andern nähren sich von Waizen und Gerste, aber für einen Aegyptier sind diese Nahrungsmittel die größte Schande; das gegen machen sie ihre Speise von Besen, was man sonst wohl auch Spelt nennt. Den Teig kneten sie mit den Füßen und den Lehm mit den Händen, wie sie auch den Mist aufheben. Das Schamglied lassen die Andern, wie es ist, ausgenommen, Wer es von den Aegyptiern gelernt hat; Diese beschneiden es. Kleider haben die Männer immer zwei, die Weiber immer ein einziges. Die Segelringe und Taue binden die Andern auswendig an, die Aegyptier aber inwendig. Das Schreiben und das Rechnen mit Zahlzeichen geht bei den Hellenen von der linken nach der rechten Hand; bei den Aegyptiern aber von der rechten nach der linken; und dabei behaupten sie noch, bei ihnen geschehe es nach der rechten, bei den Hellenen aber nach der linken. Auch haben sie zweierlei Schrift, wovon die eine die heilige, die andere die gemeine heißt.
37. Bei ihrer Gottesfurcht, worin sie es unter allen Menschen am meisten überbieten, haben sie folgende Bräuche. Die ehernen Becher, woraus sie trinken, spülen sie jeglichen Tag aus, nicht blos Der und Jener nicht, sondern Alle. Sie tragen Kleider von Linnen, die immer frisch gewaschen sind; Was ihnen die größte Angelegenheit ist. Auch die Schamglieder beschneiden sie der Reinheit wegen, und achten es höher, rein zu seyn, als wohlanständig. Die Priester scheeren sich am ganzen Leib alle drei Tage, damit sie keine Laus, noch sonst etwas Unsauberes an sich haben bei'm Dienst der Götter. Die Kleidung, welche die Priester tragen, ist nur von Linnen, die Schuhe nur von Byblus; und eine andere Kleidung ist ihnen nicht erlaubt zu nehmen, auch nicht andere Schuhe. Dieselben baden sich zweimal jeglichen Tag kalt und zweimal jegliche Nacht. Und sonst vollziehen sie noch Pflichtleistungen in Unzahl, daß ich so sage. Doch haben sie auch nicht wenig Gutes. Von ihrem Eigenthum nämlich verbrauchen sie nichts und geben nichts aus; sondern haben sowohl ihr heiliges Gebäck, als Rindfleisch und Gänsefleisch für jeden in großer Menge, jeden Tag, und wird ihnen auch Rebenwein 65 gereicht. Aber Fische zu genießen, ist ihnen nicht erlaubt. Bohnen pflanzt man eben nicht in Aegyptenland, und wenn sie herauskommen, ißt man sie nicht so, noch speis't man dieselben gekocht. Die Priester ertragen nicht einmal ihren Anblick, aus dem Glauben, diese Hülsenfrucht sey unrein. Den Priesterdienst übt aber bei jedem Gott nicht blos Einer, sondern Viele, deren Einer Oberpriester ist; und so oft einer stirbt, tritt dessen Sohn an seine Stelle.
38. Die Stiere gelten bei ihnen für geheiligt dem Epaphus, weßhalb sie dieselben also prüfen. Sieht man an einem nur ein einziges schwarzes Haar, so läßt man ihn nicht für rein gelten. Dieß nämlich zu untersuchen, ist ein eigener Priester aufgestellt, der dabei das Thier aufrecht stehen und dann auf den Rüden liegen läßt, auch seine Zunge herauszieht, ob sie rein ist in den bestimmten Zeichen, die ich an einem andern Ort angeben will. Dazu besichtigt er auch die Haare am Schwanz, ob sie bei ihm von Natur richtig sind. Ist er in allen diesen Stücken rein, so zeichnet er ihn durch Byblus, den er um die Hörner windet; worauf er noch Siegelerde streicht und seinen Fingerring aufdrückt. So führen sie ihn ab. Ueber das Opfer eines angezeichneten ist Todesstrafe erhängt. Auf diese Weise wird das Thier geprüft.
39. Die Opferung aber ist also bei ihnen eingeführt. Haben sie das aufgezeichnete Thier zu dem Altar geführt, wo es geopfert werden soll, so zünden sie ein Fetter an. Alsdann sprengen sie Bein darauf über das Opferthier hin, rufen den Gott an, und schlachten es; nach der Schlachtung aber hauen sie ihm den Kopf ab. Nun ziehen sie vom Rumpf des Thieres die Haut ab, auf den Kopf aber stoßen sie eine lange Verfluchung aus, und tragen ihn fort; und zwar, wo ein Markt ist und sich bei ihnen Hellenen zum Handel einfinden, da tragen sie ihn auf den Markt, um ihn sofort herzugeben; wo es aber keine Hellenen gibt, da werfen sie denselben in den Fluß. Die Verfluchung nur, die sie allemal über den Kopf aussprechen, ist folgende: "Wofern über sie, die Opferits den, oder über ganz Aegypten ein Uebel kommen wollte, das sollte auf diesen Kopf übergehen." Es halten aber mit den Köpfen des Opferviehes und mit der Spendung des Weines alle Aegyptier dieselben Bräuche gleichmäßig bei allen heiligen Thieren; und von diesem Brauche kommt es, daß kein Aegyptier auch von dem Kopfe eines andern Geschöpfes jemals etwas genießt.
40. Ferner das Ausweiden der Opferthiere und das Verbrennen ist bei verschiedenen heiligen Thieren verschieden angeführt. Die Göttin aber, welche sie für die Größte halten, und der sie das größte Fest feiern, will ich nachgerade angeben. Wenn sie den Stier abgezogen haben, verrichten sie ihr Gebet, und nehmen sofort den leeren Wanst ganz heraus ; 66 die Eingeweide aber lassen sie im Leibe sammt dem Fett; und dann schneiden sie die Schenkel ab und oben die Hüfte, und die Schultern mit dem Hals. Haben sie Das gethan, so füllen sie den übrigen Leib des Stiers mit reinen Broden an, mit Honig, Rosinen, Feigen, Weihrauch und Myrrhen, und mit den andern Räucherwerken. Haben sie ihn damit angefüllt, so verbrennen sie ihn, mit reichlichem Zugießen von Oehl. Und wenn sie gefastet haben, dann opfern sie. Unter dem Brennen des Opfers schlagen sich Alle, und wenn sie sich geschlagen haben, tragen sie von den Ueberresten des Opfers ein Mahl auf.
41. Reine Stiere also und Stierkälber opfern die sämmtlichen Aegyptier; aber Kühe zu opfern ist ihnen nicht erlaubt, sondern dieselben sind der Isus heilig. Das Bild der Isis nämlich, vorstellend ein Weib, hat Kuhhörner, gleichwie die Hellenen die Io zeichnen; und die Kühe halten die Aegyptier alle miteinander weit am heiligsten unter allem Vieh. Deßwegen wird ein Aegyptier, Mann oder Weib, nie einen Hellenen auf den Mund küssen, auch nicht das Messer eines Hellenen gebrauchen, noch Bratspieße oder einen Kessel, noch wird er von reinem Stierfleisch kosten, wenn es mit einem Hellenischen Messer zerlegt ist. Sie bestatten aber die gestorbenen Rinder auf diese Weise. Die Kühe werfen sie in die Schwemme, die Stiere aber graben sie überall in ihren Vorstädten ein, so daß ein Horn oder beide zum Zeichen hervorstehen. Wenn er nun verfault und die bestimmte Zeit herannaht, kommt in jede Stadt ein Floß aus der Insel Prosopitis, wie sie heißt. Dieselbe liegt im Delta und hat einen Umfang von neun Schönen. Auf dieser Insel Prosopitis nun sind gar viele Städte; woher aber die Flöße sich einfinden, um die Stiergebeine aufzuheben, das ist die Stadt mit Namen Atarbechis; dort steht ein der Aphrodite geweihter Tempel. Aus dieser Stadt fahren Viele herum nach den verschiedenen Städten, um die Gebeine auszuscharren, die sie fortführen und allesammt an einer Stelle begraben. Eben so wie die Stiere begraben sie auch das sonstige Vieh, wenn es stirbt; wie es denn bei diesem gleichfalls ihr Gesetz gebeut und sie durchaus auch davon keines tödten.
42. Diejenigen, welche sich an's Heiligthum des Thebischen Zeus halten, oder vom Thebischen Kreise sind, enthalten sich sämmtlich der Schafe und opfern Ziegen. Es verehren nämlich nicht alle Aegyptier gleichmäßig dieselben Götter, ausgenommen die Isis und den Osiris, welcher Dionysus seyn soll; die sinds, welche sie alle gleichmäßig verehren. Dagegen Diejenigen, welche das Heiligthum des Mendes haben oder vom Mendesischen Kreise sind, enthalten sich der Ziegen und opfern Schafe. Die Thebaner nun sammt Allen, die ihnen zu Folge der Schafe sich enthalten, geben folgenden Grund von diesem Brauche an. Heracles habe durchaus den Zeus sehen wollen, und dieser habe nicht gewollt, daß er ihn schaue. Endlich aber, auf langes Anhalten des Heracles, habe es Zeus so gemacht, daß er einen Widder abzog, den abgeschnittenen Kopf des Widders sich vorhielt, das Vließ desselben anthat, und so sich Jenem zeigte. Seitdem machen die Aegyptier das Bild des Zeus widderköpfig, und von Diesen die Ammonier, Pflanzer der Aegyptier und Aethiopier, die auch in ihrer Sprache zwischen Beiden stehen. Und, wie mir scheint, gaben sich auch die Ammonier ihren Namen nach der Benennung desselben; da die Aegyptier den Zeus Amun heißen. Ihre Widder opfern die Thebaner nicht, sondern sie sind ihnen eben darum heilig. Nur an einem Tage des Jahrs, bei dem Feit des Zeus, schlachten sie einen einzigen Widder, ziehen ihn ab und thun damit wieder das Bild des Zeug an, zu welchem sie alsdann ein anderes Bild des Heracles herbeibringen. Haben sie Dieß gethan, so schlagen sie sich Alle bei dem heiligen Widder, und alsdann bestatten sie ihn in einer heiligen Gruft.
43. Ueber Heracles aber hörte ich die Behauptung, daß er unter den zwölf Göttern sey. Doch über den andern Heracles, welchen die Hellenen kennen, konnte ich nirgends in Aegypten Etwas hören. Und daß wenigstens die Aegyptier den Namen des Heracles nicht von den Hellenen, sondern die Hellenen vielmehr von den Aegyptiern bekommen haben und zwar die Hellenen, welche dem Sohne des Amphitryon den Namen Heracles gaben, dafür habe ich unter vielen andern Beweisen, daß dem so ist, besonders auch diesen, daß die beiden Aeltern unsers Heracles, Amphitryon und Alkmene, ursprünglich von Aegypten abstammen; so wie, daß ja die Aegyptier weder den Namen des Poseidon, noch der Dioskuren zu kennen behaupten, und diese Götter auch nicht unter ihre übrigen Götter aufgenommen sind. Wenigstens würden sie doch dieser, hätten sie den Namen irgend einer Gottheit von den Hellenen bekommen, nicht am wenigsten, sondern am meisten eingedenk seyn; haben sie anders damals Schifffahrt getrieben und die Hellenen Seefahrer gehabt; wo ich denn annehme, und guten Grund dafür finde, daß die Aegyptier wohl eher mit den Namen dieser Götter, als des Heracles bekannt worden wären. Allein Heracles ist bei den Aegyptiern ein ursprünglicher Gott; und, wie sie selbst sagen, sind es siebenzehntausend Jahre bis auf den König Amasis, da eben aus ihren acht Göttern die zwölfe wurden, für deren Einen Heracles ihnen gilt.
44. Weil ich nun hierüber; so weit es möglich war, etwas Sicheres wissen wollte, schiffte ich auch nach Tyrus in Phönicien, weil ich erfuhr, es sey dort ein denk Heracles geweihtes Heiligthum, und sah es wirklich, wie es reich ausgestattet ist mit allerlei Weihgeschenken und darin unter anderem zwei Säulen sind; die eine von lauterem Gold, die andere von Smaragdstein, welche bei Nacht gewaltig leuchten. Da ich auch mit den Priestern des Gottes in ein Gespräch kam, fragte ich wie lange es her sey, daß ihr Heiligthum gegründet worden; und fand, daß auch Diese nicht mit den Hellenen überein kommen. Sie behaupteten nämlich, zugleich mit der Anlegung von Tyrus sey auch das Heiligthum des Gottes gegründet worden, und Tyrus stehe bereits zweitausend und dreihundert Jahre. Noch sah ich in Tyrus ein anderes Heiligthum des Heracles, mit dem Beinamen des Thasiers. Nun kam ich auch nach Thasus, woselbst ich ein Heiligthum des Heracles fand, gegründet von Phöniciern, welche Thasus gestiftet haben, als sie ausgeschifft waren, die Europa zu suchen; was denn wiederum fünf Menschenatter früher vorkam, als Heracles, dee Amphitryons Sohn, in Hellas. Diese Erkundungen geben also sicher zu erkennen, daß Heracles ein alter Gott ist. So scheinen mir es auch bei den Hellenen Die am besten zu machen, welche sich zweierlei Heracles-Tempel gegründet haben, und dem Einen, unter dem Namen des Olympischen, opfern, dem Andern, als einem Heros, heilige Ehre weihen.
45. Noch sagen die Hellenen vieles Andere ohne Bedacht. So ist auch das eine einfältige Mähr, die sie von Heracles sagen: ihn hätten, als er nach Aegypten gekommen, die Aegyptier bekränzt und im Festzug hinausgeführt, um ihn dem Zeus zu opfern; er aber habe sich unterdem ruhig verhalten; als sie jedoch vor dem Altar ihn weihten, habe er sich zur Wehre gesetzt, und sie allesammt niedergemacht. Da scheinen mir die Hellenen, sofern sie Dieß sagen, der Eigenthümlichkeit der Aegyptier und ihrer Bräuche ganz und gar unkundig zu seyn. Denn Die, welchen es Sünde ist, Thiere zu opfern, nur die Schweine, 67 die Stiere und Kälber, wenn solche rein sind, und die Gäuse ausgenommen, wie könnten Die einen Menschen opfern? Dazu der einzige Heracles und noch Mensch, wie sie ja behaupten wie hätte er die Kraft gehabt, viele Tausende zu morden? Indem wir aber so viel hierüber gesprochen haben, wollen uns Götter und Heroen gnädig seyn!
46. Warum nun jene besagten Aegyptier ihre Ziegen und Böcke nicht upfern, das ist, weil die Mendesier den Pan unter die acht Götter rechnen. Auch zeichnen und hauen wirklich ihre Maler und Bildhauer das Bild des Pan, gleichwie die Hellenen, ziegenköpfig und bocksfüßig, ohne zu glauben, er sey von der Art, sondern gleicher Art mit den andern Göttern. Weßhalb sie ihn aber auf diese Art zeichnen, mag ich nicht gerne sagen. Es halten die Mendesier die Zieget überhaupt heilig; noch mehr als die weiblichen aber die männlichen, deren Hirten auch höher in Ehren stehen, und worunter besonders Einer ist, dessen Tod immer den ganzen Mendesischen Kreis in große Trauer versetzt. Und der Bock, wie Pan, heißt auf Aegyptisch Mendes. Auch geschah in demselben Kreis dieses Wunder, als ich dort war. Mit einem Weibe vermischte sich ein Bock öffentlich. Solches kam vor die Augen der Menschen.
47. Das Schwein aber seyeh die Aegyptier für ein unreines Thier an; und nicht nur, wenn Einer im Vorbeigegehen von einem Schwein blos am Kleide berührt wird, geht er sofort zum Fluß, und wäscht sich ab; sondern es sind auch allein die Schweinhirten, die, als eingeborne Aegyptier, in kein Aegyptisches Heiligthum hineinkommen, wie auch Niemand eine Tochter an sie zu geben, oder von ihnen zu nehmen sich entschließt; vielmehr die Schweinhirten nur unter sich sie geben und nehmen. Den andern Göttern Schweine zu opfern halten die Aegyptier nicht für recht; aber der Selene (Mondgöttin) und dem Dionysus opfern sie zur selben Zeit, an demselben Vollmond, ihre Schweine und speisen ihr Fleisch. Weßwegen sie aber die Schweine an den andern Festen verabscheuen und an diesem opfern, darüber hört man zwar bei den Aegyptiern eine Sage; allein, obwohl ich sie kenne, steht es mir nicht wohl an, sie anzugeben. Die Opferung der Schweine für die Selene wird aber so verrichtet. Nach der Schlachtung legt allemal der Opferer die Schwanzspitze, die Milz und das Darmnetz zusammen, und umhüllt es sofort mit allem Speck von dem Bauche des Thiers; dann bringt er's als Brandopfer dar. Und das übrige Fleisch essen sie an dem Vollmond, an dem sie die geheiligten Thiere opfern; sonst aber genießen sie an keinem Tage mehr Etwas davon. Die Armen unter ihnen formen, aus Mangel an Lebensbedarf, Schweine aus Teig, die sie backen und opfern.
48. Dem Dionysus aber schlachtet Jeder am Vorabendmahl des Festes ein Ferkel vor seiner Thür, und läßt es dann den Schweinhirten, der das Ferkel verkanst hat, fortnehmen. Im übrigen feiern die Aegyptier das Dionysusfest, ohne die Chöre, beinahe ganz ebenso, wie die Hellenen. Anstatt der Phallen aber haben sie andere Bilder von der Länge einer Elle erfunden, mit einem Zugfaden, welche die Weiber in den Flecken herum tragen, wobei sich das Schamglied immer hebt, das nicht viel kleiner ist, als der übrige Leib.
49. Nun glaube ich Dem, daß Melampus, Amythaons Sohn, mit diesem Opferfest nicht unbekannt, sondern desselben kundig war. Denn eben Melampus ist es, der den Hellenen den Namen des Dionysus, und sein Opferfest und den Phallusaufzug mitgetheilt hat. Nur hat er nicht genau die ganze Sache gefaßt und dargestellt, sondern die Weisheitslehrer nach ihm haben es noch weiter herausgestellt. Den Phallus jedoch, der dem s zu Ehren umgetragen wird, hat Melamspus selbst eingeführt; und was die Hellenen thun, Das haben sie von ihm so zu thun gelernt. Ich behaupte also, daß Melampus, als ein weiser Mann, sich die Seherkunst erworben, und von Aegypten her unterrichtet, mancherlei unter den Hellenen eingeführt hat; darunter auch das Dionysische, mit einigen Abweichungen. Denn mit nichten will ich behaupten, daß, Was in Aegypten dem Gott zu Ehren geschieht, mit Dem bei der Hellenen nur eben zusammentreffe; denn dann käme es mit der Hellenischen Art überein, ohne neuerlich eingeführt zu seyn. Und wieder ist es mit nichten meine Behauptung, daß die Aegyptier von den Hellenen diesen Gebrauch bekommen haben, noch sonst einen. Vielmehr halte ich am meisten dafür, daß Melampus das Dionysische kennen gelernt hat durch Kadmus den Tyrier und Diejenigen, welche mit Diesem aus. Phönicien in das Land gekommen sind, das jetzt Böotien heißt.
50. Und beinahe alle Namen der Götter sind aus Aegypten nach Hellas gekommen. Indem ich nämlich ihrer Herkunft von der Barbaren nachforsche, finde ich, daß dem so ist; und nun halte ich am meisten dafür, daß sie von Aegypten herüber gekommen. Denn mit Ausnahme des Poseidon und der Dioskuren, wie Das oben schon von mir bemerkt ist, 68 und der Here, Hestia (Vesta) und Themis, der Chariten und Nereïden, sind die Namen der andern Götter bei den Aegyptiern von jeher vorhanden. Da sage ich nur, was die Aegyptier selbst sagen. Und die Götter, die sie nicht zu kennen versichern, sind, wie ich glaube, von den Pelasgern benamt worden, außer dem Poseidon. Diesen Gott lernte man nämlich durch die Libyer kennen. Denn nirgends hatte man ursprünglich den Namen Poseidon's, als nur bei den Libyern, welche immer dieser Gott verehrt haben. Indessen haben die Aegyptier auch keinen Heroendienst im Brauch.
51. Dieß also und dazu noch Anderes, was ich angeben will, ist bei den Hellenen vou den Aegyptiern her in Brauch gekommen. Aber die Hermesbilder mit stehenden Schamgliedern zu machen, haben sie nicht von den Aegyptiern, sondern von den Pelasgern gelernt; indem es unter allen Hellenen zuerst die Athener, und von Diesen die Uebrigen annanmen. Die Athener nämlich, welche damals bereits zu den Hellenen gezählt wurden, bekamen Pelasger zu Mitwohnern in ihrem Lande, die daher auch anfingen für Hellenen zu gelten. Wer nun in den Geheimdienst der Kabiren eingeweiht ist, welchen die Samothracier begehen, die ihn von den Pelasgern annahmen, der weiß, was ich sage. Denn Samothracien bewohnten vordem eben diese Pelasger, welche Mitwohner der Athener wurden; und von ihnen haben die Samothracier den Geheimdienst angenommen. Daß also die Hermesbilder stehende Schamglieder haben, Das machten so zuerst unter den Hellenen die Athener, die es von den Pelasgern lernten. Auch haben die Pelasger hierüber eine heilige Sage erzählt, welche in den Mysterien von Samothracien geoffenbart wird.
52. Zuerst aber opferten die Pelasger überhaupt mit Anrufung der Götter, wie ich sicher in Dodona gehört habe, ohne Einem derselben Benennung oder Namen zu geben; weil sie davon noch nichts gehört hatten. Und Götter, das ist Mächte, benannten sie dieselben um deßwillen, weil sie alle Dinge in Ordnung gemacht hatten und in allen Bezirken walteten. Aber hernachmals, nach Berlauf einer langen Zeit, erfuhren sie von Aegypten her die Namen von den übrigen Göttern; von Dionysus aber erfuhren sie ihn viel später. Dann holten sie, nach einiger Zeit, über diese Namen einen Götterspruch in Dodona ein, sofern nämlich dieses Orakel für das allerälteste Orakel der Hellenen gilt, und zu der Zeit auch das einzige war. Als nun die Pelasger darüber in Dodona einen Spruch einholten, ob sie die Namen in Gebrauch erheben sollten, die von den Barbaren gekommen, erhob das Orakel die Stimme: "braucht sie." So brauchten sie denn von dieser Zeit an beim Opfern die Namen der Götter. Und, von den Pelasgern haben sie hernachmals die Hellenen empfangen.
53. Woher aber jeder einzelne Gott gekommen, oder ob immer Alle waren, und von was Gestalt ein Jeglicher, das war ihnen eher nicht bekannt, als seit gestern und vorgestern, daß ich so sage. Nämlich Hesiod und Homer sind, meines Dafürhaltens, um vierhundert Jahre älter; als ich, und nicht drüber. Und Diese sind es, welche den Hellenen ihre Götterwelt gedichtet, den Göttern ihre Benennungen gegeben, Ehren und Künste ausgetheilt, und ihre Gestalten bezeichnet haben. Die Dichter aber, die früher sollen gelebt haben, als diese Männer, lebten, nach meinem Dafürhalten, gerade später. Das Obige nun sagen die Dodonischen Priesterinnen, das Letztere, anlangend den Hesiod und Homer, sage ich.
54. Und von den Orakeln, nämlich dem Hellenischen und Libyschen, erzählen die Aegyptier folgende Geschichte. Es wären zwei heilige Frauen - so behaupteten die Priester des Thebischen Zeus - von Phöniciern aus Theben fortgeführt, und die Eine, wie sie erfahren hätten, nach Libyen, die Andere nach Hellas, verkauft werden; und dieselben Fragen seyen es, die bei den besagten Völkern die ersten Orakel gegründet. Da ich nun fragte, woher sie so bestimmt wüßten, was sie sagen, antworteten sie: es sey nach diesen Frauen von ihnen aus viel Nachsuchens gewesen, ohne daß sie im Stande waren, Dieselben aufzufinden; doch nachher hätten sie eben Das von ihnen erfahren, was sie gesagt haben.
55. Das hörte ich von den Priestern in Theben, und Folgendes behaupten in Dodona die Weifsagepriesterinnen: "es wären zwei schwarze Tauben aus dem Aegyptischen Theben ausgeflogen, und die eine nach Libyen, die andere zu ihnen gekommen. Die habe sich niedergesetzt auf eine Eiche und geredet mit menschlicher Stimme, hier solle ein Zeus-Orakel seyn. Das hätten sie so angenommen, daß es von der Gottheit ihnen entboten sey, und daraufhin eines gestistet." Und von der andern Taube, die nach Libyen zog, sagen sie, daß sie den Libyern befohlen, ein Ammons-Orakel zu stiftet. Dieses ist auch dem Zeus geheiligt. So sagten die Priesterinnen zu Dodona, wovon die älteste Promenia hieß, die nach ihr Timarete, und die jüngste Nikandra. Damit stimmen auch die andern Dodonäer überein, die bei dem Heiligthum sind.
56. Ich habe über sie folgende Meinung. Wenn die Phönicier wirklich die heiligen Frauen fortgeführt, und die Eine von ihnen nach Libyen, die Andere nach Hellas abgesetzt haben, so glaube ich, daß die letztere Frau im jetzigen Hellas, oder, wie es früher genannt ward, in Pelasgia, nach Thesprotien verkauft wurde, und dann ebendort in der Knechtschaft unter einem Eichbaum ein Zeus-Heiligthum gestiftet hat; wie denn natürlich war, daß eine Dienerin des Zeus vom Heiligthum zu Theben, auch da, wo sie hinkam, seiner eingedenk blieb. Und so hat sie hernach ein Orakel eingeführt, sobald sie die Hellenische Sprache verstand. Auch wird sie ausgesagt haben, ihre Schwester sey in Libyen von eben den. Phöniciern verkauft worden, von welchen sie selbst verkauft ward.
57. Tauben aber sind die Frauen, wie ich glaube, darum von den Dodonäern genannt worden, weil sie fremd waren und ihre Sprache ihnen vorkam, wie die von Vögeln. Aber nach einiger Zeit redete die Taube mit menschlicher Stimme, wie sie sagen; da ihnen bereits die Rede der Frau verständlich war; und nur so lange sie noch die fremde Mundart hatte, tam ihnen ihre Sprache vogelartig vor. Denn auf welche Art hätte doch eine Taube mit menschlicher Stimme gesprochen? Und mit der schwarzen Farbe dieser Taube zeigen sie an, daß die Frau aus Aegypten war. Auch die Weissagung, wie sie im Aegyptischen Theben und in Dodona ist, trifft ziemlich zusammen. Noch ist von Aegypten die Wahrsagung aus Opferthieren hergekommen.
58. Ja auch Festversammlungen und Aufzüge und Altarbesuche sind zuerst unter allen Menschen bei den Aegyptiern angestellt worden; und von ihnen haben es die Hellenen gelernt. Davon ist mir Das ein Beweis, daß sie dort offenbar schon seit langer Zeit angestellt werden, die Hellenischen dagegen neuerlich sind angestellt worden.
59. Nun halten die Aegyptier nicht blos Einmal des Jahres, sondern häufig Festversammlungen; vornämlich und am eifrigsten in der Stadt Bubastis, der Artemis. Zum zweiten in der Stadt Bustris, der Isis; denn eben in dieser Stadt ist das höchste Heiligthum der Isis, und dieselbe ist mitten im Delta von Aegypten gelegen. Und Isis ist nach der Hellenischen Sprache Demeter. Zum dritten halten sie in der Stadt Saïs der Athene eine Festversammlung; zum vierten in Heliopolis dem Helios (Sonnengott), zum fünften in der Stadt Butos der Leto, zum sechsten in der Stadt Paprémis dem Ares.
60. Wenn sie nun nach Bubastis fahren, machen sie es, wie folgt. Es schiffen Männer und Weiber zusammen, und es ist eine große Menge von Beiden auf jeglichem Floß. Da haben die einen Weiber Klappern in den Händen und klappern, andere flöten die ganze Fahrt hindurch; die übrigen Weiber und Männer Ringen und klatschen in die Hände. So oft sie aber auf der Wasserfahrt wieder an eine Stadt kommen, stoßen sie das Floß an's Land und thun Folgendes. Die einen Weiber nämlich thun, was ich schon bemerkt habe, die andern hohenecken mit Geschrei die Weiber in derselber Stadt, andere tanzen, und noch andere stehen auf und decken sich auf. So machen sie es an allen Städten, die längs dem Flusse liegen. Und wenn sie in Bubastis anlangen, feiern sie das Fest mit großen Opferungen; und es geht mehr Rebenwein bei diesem Fest auf, als im ganzen übrigen Jahr zusammen. Dabei kommen denn, was Mann und Weib ist, außer den Kindern, an die siebenmal Hunderttausend zusammen, wie die Eingebornen sagen. Das ist es also, was sie da machen.
61. Und wie sie der Isis in der Stadt Bubastis ihr Fest begehen, ist von mir zuvor schon bemerkt worden. Es solagen nämlich nach der Opferung sich Alle, Männer und Weiber, wohl viele tausend Menschen. Doch Den, am deßwillen sie sich schlagen, wäre mir Sünde zu nennen. Sämmtliche Karier aber, die in Aegypten wohnhaft sind, thun noch so viel drüber, daß sie mit Messern sich vor die Stirne hauen; und dadurch geben sie zu erkennen, daß sie Fremdlinge sind und keine Aegyptier.
62. So oft sie aber in Saïs sich zu den Opferfesten zusammenfinden, brennen Alle in einer Nacht viele Lampen unter freiem Himmel rings um die Häuser her. Und diese Lampen sind Schalen voll Salz und Oehl, worauf sich oben der Lampendocht befindet. Der brennt denn die ganze Nacht; und so ist auch der eigentliche Name des Festes Lampenerleuchtung. Selbst diejenigen Aegyptier, die gerade nicht zu dieser Festesversammlung kommen, beobachten die Nacht der Opferung, und lassen Alle auch ihre Lampen leuchten, so daß nicht nur in Saïs allein, sondern durch ganz Aegypten Erleuchtung ist. Weßhalb aber dieser Nacht Licht und Ehre zugefallen ist, darüber gibt es eine heilige Sage.
63. Nach Heliopolis und Butos aber gehen sie blos, um Opfer zu bringen; in Papremis jedoch feiern sie Opfer mit heiligen Handlungen, wie an den übrigen Orten. Aber um die Zeit, wenn die Sonne sich neigt, sind einige wenige Priester um das Bild herum geschäftig; die Meisten von ihnen stehen mit hölzernen Keulen am Eingang; und Andere, die ein Gelübde erfüllen wollen, über tausend Männer, stehen auch sämmtlich mit Holzprügeln, ihnen gegenüber auf einem Haufen. Nun führen sie das Bild, in einem kleinen hölzernen und vergoldeten Tempel, am Vorabend heraus in ein anderes heiliges Gebäude. Da ziehen denn die Wenigen, die bei dem Bilde zurückbleiben, einen vierrädrigen Wagen, worauf der Tempel steht mit dem Bilde, das er einschließt. Die Andern aber, die in der Vorhallen stehen, lassen sie nicht herein; allein die Gelübdepflichtigen, die dem Gott beistehen, schlagen zur Abwehr auf sie los. Da gibt es nun eine hitzige Prügelschlacht, wobei sie die Köpfe einander zerschlagen, und, wie ich glaube, wohl auch Viele an den Wunden sterben; unerachtet die Aegyptier selbst behaupteten, es sterbe kein Einziger.
64. Und diese Festversammlung behaupten die Eingebornen darum eingeführt zu haben: in diesem Heiligthum wohne die Mutter des Ares. Nun sey Ares auswärts erzogen worden, und als er zum Manne gereift war, hergekommen, um mit seiner Mutter Umgang zu haben; da ihn denn die Diener seiner Mutter, weil er ihnen noch nie zu Gesicht gekommen war, nicht ruhig herzuließen, sondern abhielten; worauf er aus einer andern Stadt Leute holte, den Dienern übel mitspielte, und zu seiner Mutter einging. Daher behaupten sie, dem Ares diese Schlägerei bei seinem Ferte eingeführt zu haben.
Und daß man nicht in einem Heiligthum mit Weibern sich vermische, oder ungewaschen von den Weibern her in ein Heiligthum eingehe, diese Pflicht haben sie zuerst gehalten. Denn fast alle andern Menschen, außer den Aegyptiern und Hellenen, vermischen sich in den Heiligthümern, und gehen ungewaschen von den Weibern weg in's Heiligthum, in der Meinung, die Menschen seyen, wie die andern Thiere; weil sie ja auch die andern Thiere und die Vogelbrut sich in den Tempeln der Götter und in ihren Hainen begatten sähen.
Wäre nun Dieses dem Gott nicht lieb, so würden es auch die Thiere nicht thun. Mit solchem Bescheid thun sie denn, was mir nicht wohlgefällt. Die Aegyptier aber treiben es überhaupt gar weit in ihren heiligen Pflichten, darunter aud hierin.
65. Aegypten, obwohl Libyens Nachbarland, ist eben nicht thierreich; so viel sie aber deren haben, die sind sämmtlich heilig; wovon ein Theil unter den Menschen lebt, der andere nicht. Wollte ich jedoch sagen, weßwegen die heiligen Thiere geweiht sind, so würde mich Das auf die göttlichen Dinge führen, die ich auszusagen mich sehr scheue. Und was ich bereits mit Berührung derselben bemerkt habe, Das war ich nothwendig gedrungen, zu sagen. Ihr Brauch ist aber bei den Thieren folgender: Je zur besondern Pflege derselben sind Wärter aus den Aegyptiern aufgestellt, männliche und weibliche, da der Sohn vom Vater die Ehrenstelle überkommt. Nun leistet an sie in den Städten Jedermann damit sein Gelöbniß, daß er unter Angelobung an den Gott, dessen Thier es allemal ist, seinen Kindern entweder den ganzen Kopf, oder die Hälfte, oder das Drittheil des Kopfes schiert, dann die Haare gegen Silber abwägt, und Was es wiegt, an die Wärterin der Thiere zahlt. Die schneidet dafür den Thieren Fische vor und gibt sie ihnen zu fressen. Ihre Pflege also ist auf diese Art festgesetzt. Falls aber Jemand ein solches Thier umbrächte, so ist, wo es mit Willen geschieht, Tod seine Strafe; geschieht es aber ohne Willen, so büßt er die Strafe, welche die Priester ansetzen. Wer aber jemals einen Ibis oder Habicht umbringt, sey es mit Willen, sey es ohne Willen, der muß ohne Gnade sterben.
66. So viel nun da Thiere sind, die mit den Menschen zusammenleben, so würden ihrer doch noch viel mehr, wenn nicht über die Katzen Folgendes käme. So oft die Weibchen geworfen, gehen sie nicht mehr zu den Männchen; die aber trachten, sich mit ihnen zu mischen, und sind es nicht im Stande. Dagegen brauchen sie folgende List. Sie rauben und entwenden den Weibchen die Jungen, und bringen dieselben um; jedoch ohne sie zu treffen. Und jene, ihrer Jungen beraubt, verlangen nach neuen; und so gehen sie wieder zu den Männchen. Denn dieses Thier liebt die Jungen sehr. Wenn aber eine Feuersbruust entsteht, kommt über die Katzen ein Gotteswunder. Die Aegyptier stehen nämlich, als Wachen, um die Katzen herum, ohne sich um die Löschung des Brands zu kümmern; die Katzen aber entwischen den Menschen oder setzen über sie weg und springen in's Feuer. Geschicht Dieß, so kommt über die Aegyptier große Trauer. Wo aber in einem Haus eine Katze von selber stirbt, da scheeren die Inwohner alle blos ihre Augbraunen; bei Welchen aber ein Hund stirbt, immer den ganzen Leib und den Kopf.
67. Die Katzen werden nach ihrem Tod in heilige Gemächer geschafft, und da werden sie, einbalsamirt, begraben in der Stadt Bubastis. Die Hunde aber begraben sie je in ihrer Stadt in heiligen Grüften. Und ebenso wie die Hunde werden die Ichneumons begraben. Die Spitzmäuse aber und die Habichte schaffen sie nach der Stadt Butos, und die Ibisse nach Hermopolis. Die Bären, die indeß selten sind, und die Wölfe, die nicht viel größer, als Füchse sind, begraben sie, wo sie dieselben liegend finden.
68. Die Krokodile haben folgende Natur. Die vier schlimmsten Wintermonate hindurch frißt es Nichts. Es ist vierfüßig, und dabei ein Land- und Wasserthier; legt auch Eier und brütet sie aus; hält sich die meiste Zeit des Tages auf dem Trocknen, und die ganze Nacht im Flusse auf, weil das Wasser wärmer ist, als die freie Luft und der Thau. Unter allen Thieren, von denen wir wissen, wird es aus dem kleinsten am größten. Die Eier nämlich, die es legt, sind nicht viel größer als Ganseeier, und das Junge ist nach dem Maß seines Ei's; im Wachsen aber wird es bei siebenzehn Ellen und noch größer. Es hat Schweinsaugen und große Hauzähne nach dem Maß des Leibes. Es ist das einzige Thier, das keine Zunge hat; auch bewegt es die Unterkinnlade nicht, sondern ist zugleich das einzige Thier, das die obere Kinnlade zur untern herabdrückt. Noch hat es starke Klauen und eine schuppige Haut, am Rücken undurchdringlich. Es ist blind im Wasser, im Freien aber sehr scharfssehend. Von seinem Leben im Wasser hat es den ganzen Rachen immer voll Blutigel. Alle übrigen Vögel und Thiere fliehen es; aber mit dem Strandläufer lebt es in Frieden, weil er ihm einen Dienst erzeigt. So oft nämlich das Krokodil aus dem Wasser an das Land gegangen ist und dann gähnt (Dieß ist es aber immer gewohnt gegen den West zu thun), so schlüpft alsbald der Strandläufer in seinen Rachen und verschluckt, die Blutigel; und über diesen Dienst freut es sich, und thut dem Strandläufer kein Leid.
69. Einigen Aegyptiern nun sind die Krokodile heilig, andern nicht; sondern sie behandeln dieselben als Feinde. Aber die um Theben und die um den See Möris wohnen, die halten sie sehr heilig. Auch unterhalten sie an beiden Orten ein Krokodil für Alle, das an die Hand gewöhnt ist; welchem sie Geschenke von Gußstein und Gold in die Ohren, und Armbänder um die Vorderfüße anlegen, eigene Speisen und Opferthiere bringen, und es, nach einer herrlichen Pflege im Leben, im Tode noch einbalsamiren und in Heiligen Grüften begraben. Die aber um die Stadt Elephantine wohnen, essen sie selbst: so wenig halten sie dieselben für heilig. Sie werden indeß nicht Krorodile genannt, sondern Champsa. Den Namen Krokodil haben nur die Ionier ihren gegeben, indem sie ihre Gestalt mit den Krokodilen (Eidechsen) verglichen, die es bei ihnen in den Hecken gibt.
70. Sein Fang ist viel- und manchfach; die Art aber, die mir immer noch am meisten erzählenswerth scheint, will ich jetzt beschreiben. Vorerst wirft man einen Schweinsrücken, als Köder, an einem Widerhaken mitten in den Fluß, und hat dabei am Ufer des Flusses ein lebendiges Ferkel, welches man schlägt. Vernimmt nun das Krokodil dessen Stimme, so geht es derselben nach; stößt es dann auf den Schweinsrücken, so verschluckt es ihn, und nun zieht man. Sobald es nun an das Land gezogen ist, so hat ihm der Jäger vor allen Dingen die Augen recht mit Koth zu überschmieren; und mit diesem Mittel bekommt er es ganz leicht vollends in seine Hand; ohne dieses Mittel ginge es mit Noth.
71. Die Flußpferde aber sind nur im Papremitischen Kreise, und sonst nirgends in Aegypten heilig. Diese zeigen folgende natürliche Beschaffenheit: Es ist ein vierfüßiges Thier, mit gespaltenen Klauen, hat Ochsenhufen, eine Stumpfnase, Pferdemähne, hervorstehende Hauzähne, Pferdeschweif und Stimme, die Größe, als wie der größte Ochs; und seine Haut hat eine solche Dicke, daß, wenn sie ausgetrocknet ist, Lanzenschäfte daraus gemacht werden.
72. Noch gibt es Fischottern in dem Fluß, die sie für heilig halten. Auch gilt ihnen unter allen Fischen der sogenannte Schuppenfisch für heilig, und der Aal. Diese sind dem Nil heilig, wie sie behaupten; und von den Vögeln die Fuchsgänse. 69
73. Auch ist noch ein anderer Vogel heilig, mit Namen Phönix; den ich indessen nicht sah, als nur im Bildniß; wie er denn auch gar selten, und (wie die Heliopoliten sagen), in fürfhundert Jahren einmal zu ihnen kommt; und zwar behaupten sie, er komme immer, wenn sein Vater gestorben ist. Er ist aber, wenn er dem Bildniß gleich sieht, in Größe und Aussehen, wie folgt. Theils ist sein Gefieder goldfaserig, theils roth, am meisten ist er wohl dem Adler im Umriß zu vergleichen und in der Größe. Von diesem sagen sie nun, daß er Folgendes anstelle, was sie mich nicht glauben machen. Aus Arabien her trage er seinen Vater, in Myrrhen eingemacht, in das Heiligthum des Helios, und begrabe ihn auch im Heiligthum des Helios. Er träge ihn aber so: zuerst mache er aus Weihrauch ein Ei, so groß er es du tragen vermag; hernach erprobe er das Gewicht desselben; und habe er es erprobt, so höhle er erst das Ei aus, um den Vater hinein zu legen, und dann verschließe er mit frischem Weihrauch die Höhlung, worein er den Vater gelegt hat; wodurch, wenn der Vater darin liegt, wieder die nämliche Schwere heraus kommt; und so eingemacht trage er ihn nach Aegypten in das Helios-Heiligthum. So, sagen sie, mache es dieser Vogel.
74. Noch sind in der Gegend von Theben heilige Schlangen, welche den Menschen durchaus nicht gefährlich sind, und bei unbedeutender Größe, zwei Hörner tragen, oben am Kopf angewachsen. Diese begraben sie, wenn sie gestorben sind, im Heiligthum des Zeus, indem sie behaupten, diesem Gott seyen dieselben geheiligt.
75. Auch ist ein Stück Landes in Arabien, ziemlich nach der Stadt Buto hin gelegen; und in diese Gegend ging ich, um mich über die geflügelten Schlangen zu unterrichten. Daselbst sah ich Knochen von Schlangen und Gräten in unbeschreiblicher Menge. Da waren nämlich Haufen von Gräten, große und geringere, und wieder noch kleinere; und deren waren viel. Diese Gegend aber, in der die Gräten aufgeschüttet sind, ist also beschaffen: Es ist eine Mündung aus Gebirgsengen in eine große Ebene, welche zusammenstößt mit der Ebene von Aegypten. Nun heißt es, daß mit dem Frühling die geflügelten Schlangen aus Arabien nach Aegypten fliegen, die Ibisvögel aber ihnen entgegen kommen an die Mündung dieses Landes, und sie nicht einlassen, sondern todt machen. Um dieser That willen, sagen die Araber, stehe denn auch der Ibis bei den Aegyptiern in so hohen Ehren; und die Aegyptier stimmen selbst damit überein, daß sie darum diese Vögel verehren.
76. Der Ibis aber hat folgendes Aussehen. Er ist durchaus gar schwarz, hat Kranichbeine, ein Gesicht mit einem rechten Krummschnabel, eine Größe, als wie der Krex. 70 Die schwarzen, die Feinde der Schlangen, haben diese Art; die aber, welche mehr den Menschen unter den Füßen herumlaufen (es gibt nämlich zweierlei Ibisse) – diese Art ist kahl am Kopf und am ganzen Hals; hat weißes Gefieder, ausgenommen Kopf und Nacken und die Flügelspitzen und die Spitze des Hintertheils, welches Genannte alles gar schwarz ist; und an den Beinen, wie im Gesicht, ist sie der andern Art ähnlich. Jene Schlange aber hat eine Gestalt, wie die Wasserschlangen. Sie trägt aber keinen gefiedelten Fittig, sondern hat in den Flügeln am meisten Aehnlichkeit mit der Fledermaus. So viel mag über die Heiligen Thiere bemerkt seyn.
77. Bei den Aegyptiern selbst sind Diejenigen, welche im Saatland wohnen, wiefern sie unter allen Menschen am meisten das Gedächtniß pflegen, bei weitem die größten Geschichtskundigen, die ich kennen gelernt habe. Folgendes aber ist ihre gebräuchliche Lebensweise. Sie führen in jedem Monat drei Tage hintereinander ab, indem sie mit Brechmitteln und Klystieren auf die Gesundheit hinarbeiten, in dem Glauben, von den gewöhnlichen Nahrungsmitteln entstünden alle Krankheiten der Menschen. Nun sind auch an sich schon die Aegyptier nach den Libyern die gesündesten unter allen Menschen; was, wie ich meine, an den Jahreszeiten liegt, weil die Jahreszeiten sich nicht verändern. Denn beim Wechsel überhaupt entstehen besonders die Krankheiten der Menschen, darunter besonders bei dem der Jahreszeiten. Sie essen Brod, und machen aus Vesen ihr Brod, welches sie Cyllestis nennen. Der Wein, der bei ihnen gebräuchlich ist, wird aus Gerste gemacht; denn Reben gibt es keine in ihrem Lande. Von den Fischen dörren sie die einen an der Sonne und genießen sie roh, die andern eingefalzen in Salzwasser. Von den Vögeln genießen sie die Wachteln, die Enten und das kleine Gevögel roh; nur daß sie es zuvor einsatzen. Und was es sonst noch an Vögeln oder Fischen bei ihnen gibt, mit Ausschluß derjenigen, die bei ihnen für heilig erklärt sind, die genießen sie alle gebraten und getodt.
78. In ihren Gesellschaften bei den Reichen, trägt Einer nach dem Essen immer einen Todten im Sarge herum, der aus Holz verfertigt und in Malerei und Arbeit so gut, wie möglich abgebildet ist, immerhin eine oder zwei Ellen groß; zeigt ihn dann jedem Gast und sagt: "Sieh' auf Diesen, und so trink und sey fröhlich; denn ein Solcher wirst du nach deinem Tode seyn."
79. Sie halten sich an die Bräuche ihrer Väter, ohne jemals fremde dazu aufzunehmen. Unter andern merkwürdigen Weisen haben sie auch ein Lied, denselben Linus, der in Phönicien gesungen wird, in Cypern und an andern Orten, und, wiewohl er bei verschiedenen Völkern verschiedene Namen hat, doch gerade der nämliche ist, den die Hellenen unter dem Namen Linus fingen. Daher mich denn, wie so vieles Andere in Aegypten, besonders Das Wunder nimmt, woher sie den Linus haben; aber sie fangen ihn offenbar jederzeit. Auf Aegyptisch heißt aber der Linus Maneros. Von ihm behaupten die Aegyptier, daß er des ersten Königs von Aegypten einziger Sohn gewesen, und nach seinem frühzeitigen Tod mit diesen Klagliedern von den Aegyptiern geehrt worden, auch dieser ihr erster und einziger Sang gewesen sey.
80. Auch darin treffen die Aegyptier mit den Lacedämoniern allein unter den Hellenen zusammen. Wenn die Jüngern unter ihnen den Aeltern begegnen, gehen sie ihnen aus dem Weg und weichen; stehen auch vor ihnen, wenn sie herankommen, vom Sitze auf. Jedoch darin treffen sie mit gar Keinen der andern Hellenen zusammen, daß sie, anstatt einander zu begrüßen auf der Straße, ihre Huldigung bezeugen, indem sie die Hand bis zum Knie herabsenken.
81. Ihr Anzug sind linnene Röcke, an den Beinen eins gefranzt, welche sie Kalasiris nennen; und darüber tragen sie weiße, wollene Gewande übergeworfen. Keiner jedoch geht mit wollenem Anzug in den Tempel, noch wird Einer damit begraben; denn Das wäre Sünde. Und Dieses stimmt mit dem sogenannten Orphischen (und Bacchischen, eigentlich aber Aegyptischen) und mit dem Pythagorischen Geheimdienst überein. Denn auch den Theilnehmern von diesen ist es Sünde, in wollenen Gewanden begraben zu werden. Und darüber gibt es eine heilige Sage.
82. Weiter ist noch Folgendes Erfindung der Aegyptier: welchem Gott jeder Monat und Tag heilig ist; welches Schicksal Einer je nach dem Tage seiner Geburt erfahren, wie er endigen und was er nachher seyn wird. Dessen haben sich auch die Hellenen, welche in der Dichtkunst aufgetreten sind, bedient. Dazu haben sie mehr Zeichen aufgefunden, als die übrigen Menschen zusammen. Wenn nämlich ein Zeichen geschehen ist, merken sie den Ausgang schriftlich; und wo man hernachmals etwas Dem Aehnliches geschieht, glauben sie, es werde ebenso ausgehen.
83. Mit der Weissagekunst aber steht es bei ihnen, wie folgt. Von den Menschen steht diese Kunst Keinem zu; von den Göttern ein und andern. So gibt es daselbst ein Orakel des Heracles, des Apollo, der Athene, der Artemis, des Ares, des Zeus; und was sie am höchsten in Ehren halten unter allen Orakeln, das ist das der Leto in der Stadt Butos. Indessen die Weissagungen selbst sind bei ihnen nicht auf eine Art bestellt, sondern verschieden.
84. Die Heilkunst ferner haben sie folgendermaßen eins getheilt. Jeder Arzt ist für eine Krankheit, und nicht für mehrere; da ist nun alles voll von Aerzten. Nämlich die einen Aerzte sind für die Augen da, andere für den Kopf, andere für die Zähne, andere für die Krankheiten des Unterleibs, andere für die unsichtbaren.
85. Die Klage und Todtenbestattung ist bei ihnen folgende. Immer wenn ein Mensch aus einem Hause verscheidet, der für dasselbe von einiger Bedeutung war, beschmiert sich sofort die ganze weibliche Sippschaft aus diesem Hause den Kopf mit Rothe, und wohl auch das Angesicht. Alsdann lassen sie den Todten im Hause; sie selbst aber schweifen in der Stadt umher und schlagen sich, wobei sie übergürtet sind und die Brüste sehen lassen; und mit ihnen alle weibliche Angehörigen. Andererseits schlagen sich auch die Männer, gleichfalls übergürtet. Und wenn sie Das gethan haben, bringen sie ihn erst zum Einbalsamiren.
86. Dazu sind eigene Leute ansäßig, deren Kunst Dieses ist. Bringt man zu Diesen einen Todten, so zeigen sie Muster von Todten, in Malerei auf Holz nachgemacht; wobei sie die eine Art für die köstlichste erklären (mit einem
Namen, den ich nicht für erlaubt halte, bei einer solchen Sache zu nennen 71; und eine zweite zeigen, die geringer und wohlfeiler, und eine dritte, die am wohlfeilsten ist. Nach dieser Angabe lassen sie sich von den Leuten sagen, nach welcher Art sie ihren Todten wollten zubereiten lassen. Jetzt machen sich die Einen, sind sie nur erst über den Lohn einig, wieder fort; die Andern bleiben in ihrer Wohnung, und balsamiren auf die köstlichste Art so: Zuerst ziehen sie das Gehirn mit einem krummen Eisen durch die Nasenlöcher aus auf welche Art sie einen Theil desselben ausziehen, einen Theil durch Einschütten künstlicher Mittel; hernach machen sie mit einem scharfen Aethiopischen Steine einen Einschnitt an der Weiche, und nehmen sofort die ganze Bauchhöhle aus. Haben sie diese ausgereinigt und Palmwein durcheingeschüttet, so schütten sie wieder geriebene Specereien durchein. Als dann füllen sie noch den Bauch mit reinen geriebenen Myrrhen, mit Kasia und den sonstigen Räucherwerken, außer Weihrauch, und nähen ihn wieder zu. Haben sie Dieß gethan, so legen sie ihn in Natron, und verwahren ihn siebenzig Tage; länger dürfen sie ihn nicht einlegen. Sind nun die siebenzig Tage vorüber, so waschen sie den Todter und umwickeln den ganzen Leib mit Bändern, die aus Linnenzeug von Byssus geschnitten sind; streichen auch Gummi darunter, dessen sich überhaupt die Aegyptier gewöhnlich statt des Leims bedienen. Sodann nehmen ihn die Angehörigen in Empfang, Tassen sich das hölzerne Abbild eines Menschen verfertigen, worein sie, wenn es fertig ist, den Todten sperren; und so eingeschlossen bewahren sie ihn auf in einem Grabgemach, wo sie ihn aufrecht an die Wand stellen. So machen sie die kostbarste Leichenbereitung.
89. Die aber das Mittlere wählen und das Kostbare scheuen, bereiten sie, wie folgt. Sie füllen erst Klystierspritzen mit dem Oehl, das die Cedern geben, und damit füllen sie sofort die Bauchhöhle des Todten an, ohne ihn aufs zuschneiden ober den Magen herauszunehmen; sondern, nach: dem sie das Klystier durch's Gefäß eingeflößt und am Rückweg verhindert haben, legen sie ihn auf die bestimmten Tage ein, und lassen am letzten das Cedernöhl aus, das sie zuvor hineinließen, welches dann eine solche Kraft hat, daß es zugleich mit sich den Magen und die Eingeweide aufgelöst herausspült, während das Fleisch vom Natron aufgelöst wird; so daß an dem Todten nur noch Haut und Knochen bleiben. Wenn Das gethan ist, geben sie so den Todten wieder ab, ohne daß sie sonst Etwas zu schaffen hätten.
88. Die dritte Einbalsamirung endlich ist folgende, womit sie die weniger Bemittelten zubereiten. Sie schütten in die Bauchhöhle Reinigungssaft hinein, legen ihn die siebenzig Zage ein, und alsdann geben sie ihn wieder ab zum Forttragen.
89. Aber die Weiber von angesehenen Männern geben sie nicht sogleich nach ihrem Ende zum Einbalsamiren, auch nicht Weiber, die sehr schön und mehr von Bedeutung sind; sondern lasen sie immer drei oder vier Tage liegen, und übergeben sie dann erst den Balsamirern. Das machen sie deßwegen so, damit die Balsamirer sich nicht etwa mit den Weibern vermischen möchten. Sie hätten nämlich, versichern sie, den Fall gehabt, daß sich Einer mit der frischen Leiche eines Weibes vermischte, was sein Kunstbruder angegeben habe.
90. Wenn aber in Aegypten Einer von ihnen selbst, oder, was gleich gilt, ein Fremder gefunden wird, den ein Krokodil geraubt oder der Strom selbst um's Leben gebracht bat, so müssen ihn unerläßlich immer Diejenigen, an deren Stadt er ausgeworfen wird, einbalsamiren, aufs schönste ausschmücken, und in heiligen Grüften begraben. Ja, es darf ihn sonst niemand anrühren, selbst kein Angehöriger und Freund, als die Priester des Nil selbst, die ihn, als welcher mehr sey, denn eine bloße Menschenleiche, eigenhändig begraben.
91. Von Hellenischen Gebräuchen wollen sie Nichts wissen, und um es gleich ganz zu sagen, überhaupt Nichts von Gebräuchen irgend anderer Menschen. Das beobachten denn so die Aegyptier alle. Chemmis aber, eine große Stadt des Thebischen Kreises, liegt nahe bei Neapolis, und in dieser Stadt ist ein viereckigtes Heiligthum des Perseus, Sohnes der Danaë; rings um dasselbe stehen Palmbäume, und die Vorhalle des Heiligthums ist von Stein, sehr groß, und darauf stehen zwei große Bildsäulen von Stein. In dieser Umgränzung steht der Tempel, und in ihm ein Bild des Perseus. Und die Chemmiten dort sagen, Perseus werde oft in ihrem Lande und oft innerhalb des Heiligthums gesehen; auch finde sich ein Schnürschuh von seinem Fuße, in der Größe von zwei Ellen; und so oft dieser gesehen werde, komme Segen über ganz Aegypten. Das sagen sie; was sie aber dem Perseus Hellenisches veranstalten, ist, daß sie ihm ein Kampfspiel in allen Kampfarten feiern, wozu sie als Preise Vieh, Mäntel und Haute ausstellen. Und auf meine Frage, warum ihnen allein Perseus zu erscheinen pflege, und warum sie von den übrigen Aegyptiern sich unterscheiden durch die Feier eines Kampfspieles, erklärten sie, Perseus stamme aus ihrer Stadt. Denn Danaus und Lynceus seyen aus Chemmis, und von da nach Hellas geschifft. Von diesen führten sie nun das Geschlecht der Reihe nach herab bis auf Perseus. Der sey nach Aegypten gekommen, wovon sie dieselbe Ursache angeben wie die Hellenen, um nämlich das Gorgohaupt aus Libyen zu holen; und da sey er auch zu ihnen gegangen, und habe alle reine Stammverwandten erkannt, wie er denn schon bekannt mit dem Namen der Stadt Chemmis nach Aegypten gekommen, durch seine Mutter davon unters richtet; und daß sie ihm ein Kampfspiel begehen, geschehe auf sein eigenes Geheiß.
92. Alles Das haben die oberhalb des Marschrandes wohnenden Aegyptier im Brauch. Im Marschlande selbst aber halten die Einwohner an denselben Bräuchen, wie die andern Aegyptier; unter andern auch darin, daß Jeder nur mit Einem Weibe haust, gleichwie die Hellenen. Uebrigens haben sie zum Nahrungsbehelf auch Dieß erfunden. Wenn allemal der Fluß anschwillt, und die Felder unter Wasser setzt, wachsen im Wasser viele Lilien, welche die Aegyptier Lotus nennen; und diese pflücken sie, dörren sie an der Sonne, zerschroten alsdann das mohnähnliche Ding, das mitten im Lotus steckt, und bereiten daraus Brod im Feuer gebacken. Auch ist die Wurzel dieses Lotus eßbar und mundet nicht übel, ist rundlich und von der Größe eines Apfels. Auch haben sie noch andere rosenähnliche Lilien, die gleichfalls im Wasser vorkommen, und wovon die Frucht in einem andern beigewachsenen Kelch von der Wurzel heraus kommt, fast ganz einer Wespenwabe an Gestalt vergleichbar. Darin stecken eßbare Körner, so groß wie ein Oehltern, in Menge; welche sowohl frisch, als gedörrt gegessen werden. Den Byblus ferner, der alljährlich wachst, reißen sie aus dem Marschboden aus, und schneiden dann das Obere ab, um es sonst zu verwenden; was aber unten noch einer Eule lang bleibt, essen und verkaufen sie. Wer sich aber den Byblus sonderlich gut machen will, schmort denselben in einer Bratpfanne und ißt ihn so. Andere, die dort allein von Fischen leben, fangen dieselben und nehmen die Eingeweide ans, dörren sie dann an der Sonne und speisen sie nun gedörrt.
93. Die Zugfische finden sich eigentlich nicht in den Flüssen, leben vielmehr in den Seen, und machen es, wie folgt. So oft sie der Trieb zur Befruchtung ankommt, schwimmen sie schaarenweise hinaus in's Meer. Dabei gehen die Männchen voran und lassen Samen fahren, die Weibchen aber schnappen ihn hinter ihnen auf, und werden davon befruchtet. Haben sie nun im Meere sich befriedigt, so schwimmen sie wieder zurück, je an ihren gewohnten Aufenthalt. Nur gehen jetzt schon nicht mehr die nämlichen voran; sondern die Anführung kommt an die Weibchen. Indem aber diese schaaarenweise vorangehen, machen sie es eben so, wie es die Männchen machten; nämlich sie lassen Eier fahren, je und je einige Körner, welche nun die Männchen hinter ihnen verschlucken. Diese Körner sind aber Fische, und aus den übrigen Körnern, die nicht verschluckt werden, entsteht der jedesmalige Nachwuchs der Fische. Wenn man aber welche von ihnen fängt, während sie in's Meer hinausschwimmen, so sieht man immer, daß sie links am Kopfe aufgerieben sind; schwimmen sie hingegen wieder zurück, so sind sie rechts aufgerieben. Das bekommen sie davon: sie halten sich links am Lande, wenn sie in's Meer hinabschwimmen, und wieder, wenn sie zurück schwimmen, halten sie sich an dieselbe Seite an, drängen sich fest und streifen so sehr, wie möglich, daran hin, um ja nicht, wegen der Strömung, des Weges zu verfehlen. Ferner jedesmal, wenn der Nil anfängt anzuschwellen, fangen zuerst die Erdlöcher und die Pfuhle längs dem Fluß an sich zu füllen, indem das Wasser aus dem Flusse hineinläuft; und nicht so bald sind diese voll, so füllen sich auf einmal alle mit kleinen Fischen an. Woher aber Diese wahrscheinlich kommen, das glaube ich so zu erkennen. Wenn allemal das Jahr vorher der Nil abnimmt, haben die Fische Eier in den Schlamm gelegt und weichen nun mit dem letzten Gewässer zurück; tritt nun das Wasser nach Umlauf seiner Zeit wieder ein, so kommen auch die Fische alsbald aus den Eiern hervor. So verhält es sich mit den Fischen.
94. Ihr Oehl nehmen die Aegyptier im Marschland von der Frucht der Sillicyprien (Wunderbaum), was die Aegyptier Kiki nennen; und Das machen sie so: Längs den Ufern der Flüsse und Seen pflanzen sie diese Sillicyprien, die bei den Hellenen von selber wild wachsen. Die werden also in Aegypten gepflanzt und tragen Frucht in Menge, welche aber übel riecht. Haben sie diese eingesammelt, so stampfen sie die einen und pressen sie dann aus; andere braten sie und kochen sie dann aus, und was davon abfließt, heben sie auf. Dieß ist fett und nicht minder zu Lichtern tauglich, als Baumöhl; nur macht es einen schweren Dampf.
95. Gegen die Müden, deren es über die Maßen viele gibt, haben sie folgende Anstalt. Denen, welche hinter dem Marschlande wohnen, helfen ihre Thürme, in welchen sie oben sich schlafen legen, weil die Mücken der Winde wegen nicht im Stande sind, hoch zu fliegen. Die Einwohner vom Marschland aber haben anstatt der Thürme folgende andere Anstalt. Bei ihnen besitzt Jedermann ein Netz, womit er des Tags auf den Fischfang geht; bei Nacht aber bedient er sich desselben dazu, daß er um das Bett her, worin er ausruht, dieses Netz aufstellt, alsdann hineinschlüpft und darunter schläft. Und die Mücken, die, wofern er in einen Rock oder ein Linnentuch eingewickelt schliefe, durchstechen würden, machen durch das Garn schon gar keinen Versuch.
96. Die Fahrzeuge aber, worauf sie Fracht fahren, sind aus einem Dornbaum gemacht, dessen Gestalt dem Cyrenäischen Lotus sehr ähnlich, und dessen Harz Gummi ist. Aus diesem Dorn hauen sie die Balten von der Länge zweier Ellen, schichten sie dann, wie Ziegel, aneinander, und bauen das Schiff auf folgende Art. Um dichte und lange Pflöcke befestigen sie die zwei Ellen langen Balten; und, haben sie auf diese Art das Schiff gebaut, so legen sie Querbalken darüber her. Dazu nehmen sie gar keine Rippen, stopfen aber ins wendig die Fugen mit Byblus aus; machen dann ein Steuer, und das wird durch den Schiffsboden durchgetrieben; zum Mast aber nehmen sie einen Dornbaum, und zu den Segelt Byblus. Diese Fahrzeuge können den Fluß hinauf nicht Steuern, wenn nicht ein tüchtiger Wind geht; sondern werden vom Land aus gezogen; aber den Strom hinunter fährt man so mit ihnen: Da ist eine viereckige Platte, 72 vom Tamariskenstrauch gemacht, mit einer Horde von Rohr zusammengeflochten, und wiederum ein Stein mit einem Loch, ungefähr zwei Talente im Gewicht. Hievon läßt man nun die Platte, an ein Tau gebunden, vorne am Schiff hintreiben, den Stein an einem andern Tau hinten. So geht dann die Platte, indem die Strömung hinein fährt, geschwind vorwärts und zieht die Baris nach (das ist nämlich der Name dieser Fahrzeuge); der Stein aber, der hinten nachgezogen wird und auf dem Grunde ist, erhält der Fahrt die Richtung. Und solcher Fahrzeuge haben sie eine große Menge, worunter einige viele tausend Talente tragen.
97. So oft der Nil über das Land austritt, sieht man nur die Städte hervorragen, die fast ganz aussehen wie die Inseln im Aegäischen Meer. Denn sonst ist ganz Aegypten ein Meer; nur die Städte allein ragen hervor. Da machen sie denn, so oft Dieß eingetreten ist, ihre Hin- und Herfahrten nicht mehr in dem Strombett des Flusses, sondern querfeldein. So bei der Fahrt nach Memphis von Naukratis geht dann der Weg gerade an den Pyramiden vorbei; das ist aber nicht der ordentliche; sondern an der Spitze des Delta und an der Stadt Cerkasorus. Und Wer nach Naukratis vom Meere und von Kanobus her feldein schifft, kommt zur Stadt Anthylla und dem sogenannten Archandropolis.
98. Davon ist die erstere, Anthylla, eine namhafte Stadt, blos zum Schuhgeld ausgesetzt für die Frau des jedesmaliger Königs über Aegypten. Und Das geschieht, seit Aegypten unter den Persern steht. Die andere Stadt scheint mir ihren Namen vom Eidam des Danaus zu haben, von Archander, Phthius Sohn, eines Sohnes von Achäus; heißt sie ja doch Archandropolis (Archandersstadt). Wohl kann es auch ein anderer Archander seyn; indessen ist der Name wenigstens nicht Aegyptisch.
(Menes, erster König von Aegypten. Vor Chr. 2235–2173.)
99. Bisher haben nun meine eigene Anschauung, Urtheile und Erfahrnisse gesprochen; nunmehr aber gedenke ich die Aegyptischen Geschichten anzugeben, wie ich sie vom Hören habe. Doch wird darunter auch von meiner Anschauung Manches kommen.
Menes, der erste König von Aegypten, hat für's Erste, Tagten die Priester, auch Memphis ausgedämmt. Der Fluß sey nämlich ganz längs dem sandigen Gebirge gegen Libyen hingelaufen; und nun habe Menes weiter hinten einhundert Stadien von Memphis, seinen mittäglichen Arm zugedämmt und so das alte Strombett ausgetrocknet, den Fluß aber in einem Rinngraben zwischen den Gebirgen durchgeleitet. Auch jetzt noch wird von den Persern dieser Arm des Nil, dessen Lauf vom Damm begrenzt ist, unter großer Obhut gehalten, indem sie alljährlich sein Wehr machen. Nachdem so dieser erste König, Menes, das vom Damm begrenzte Stück zum festen Land gemacht, habe er auf demselben eine Stadt angelegt, welche jetzt Memphis heißt (denn auch Memphis liegt in der schmalen Strecke von Aegypten), und außen um dieselbe herum einen See aus dem Strom gegen Norden und Abend gegraben; denn gegen Morgen begrenzt sie der Nil ohnehin; sodann habe er das Hephästus-Heiligthum in derselben gegründet, das groß ist und sehr nennenswerth.
(Nitokris, 1994 - 1982.)
100. Hernach sagten die Priester aus einem Buche noch von dreihundert und dreißig Königen die Namen her. Unter so vielen Menschengeschlechtern waren achtzehn Aethiopier und eine eingeborne Frau; im übrigen Männer aus Aegypten. Und die Frau, welche Königin war, hatte auch, wie jene Babylonische, den Namen Nitokris. Von ihr sagten sie: um ihren Bruder zu rächen, welchen die Aegyptier, da er ihr König war, ermordet - und eben nach seiner Ermordung ihr das Königthum übergeben hatten - um Den zu rächen, habe sie viele Aegyptier durch List zu Grunde gerichtet. Sie habe nämlich ein unterirdisches Gemach von großem Umfang, das sie gebaut hatte, vorgeblich eingeweiht, vorsätzlich aber etwas Anders angerichtet, nämlich eine Menge Aegyptier, die sie hauptsächlich als Mitschuldige des Mordes kannte, zur Bewirthung dahin eingeladen, und unter dem Schmausen durch einen verborgenen, großen Hohlgraben den Fluß hereingelassen. So viel sagten sie denn von Dieser, und außerdem nur, daß sie selbst, nachdem sie Dieß ausgeführt, sich in ein Gemach voll Ache geworfen habe, um keine Rache zu erfahren.
(Möris, 1445 - 1416.)
101. Die übrigen Könige, sagten sie, haben keine Werte ausgeführt, und so auch nichts Glänzendes, einzig den lebten von ihnen, Möris, ausgenommen. Dieser habe sich ein Denkmal aufgeführt, des Hephästus Vorhalle an der Seite gegen den Nordwind, auch einen See gegraben, dessen Umfang an Stadien ich später angeben werde, und Pyramiden in demselben aufgebaut, deren Größe ich zugleich mit dem See bemerklich machen will. So viel habe Dieser, von den Uebrigen aber kein Einziger Etwas ausgeführt.
(Sesostris, 1416-1357.)
102. Darum will ich, mit Uebergehung Dieser, von dem König, der nach ihnen kam, deß Name war Sesostris, Meldung thun. Der sey, sagten die Priester, zuerst mit langen Schiffen vom Arabischen Busen ausgefahren und habe die Küstenbewohner längs dem Erythräischen Meer sich unterworfen, bis er endlich im Weiterschiffen in ein Meer kam, das vor Seichte nicht mehr schiffbar war. Als er nun von da zurück nach Aegypten kam, zog er, laut der Sage der Priester, mit vielem Kriegsvolk durch das Festland, und unterwarf jedes Volk, das ihm in den Weg kam. Und wo er darunter auf Solche stieß, die tapfer im Kampf waren und gewaltig um ihre Freiheit rangen, da setzte er in ihrem Lande Säulen, deren Inschriften seinen und seines Vaterlandes Namen besagten, und daß er mit seiner Macht Dieselben unterworfen. Wo er aber ohne Widerstand und Mühe die Städte in seine Hand bekam, da zeichnete er in die Säulen nicht nur Dasselbe ein, wie bei den Völkern, die sich mannhaft bewiesen, sondern zeichnete auch dazu hin ein weibliches Schamglied, um offenbar zu machen, daß sie feig im Kampf gewesen.
103. Auf solche Art durchzog er denn das Festland, bis er endlich, aus Asien nach Europa hinübergedrungen, die Scythen und Thracier sich unterwarf. Das waren, dünkt mir, die Aeußersten, zu denen das Aegyptische Heer kam; denn in ihrem Lande sieht man noch die Säulen aufgestellt, weiter hinaus aber nicht mehr. Hier kehrte er um, ging zurück, und kam hierauf an den Phasisstrom; wo ich nurmehr keine bestimmte Auskunft geben kann, ob der König Sesostris selbst aus seinem Heere einen großen Theil aussonderte und daselbst zurückließ als Anbauer in dem Laude, oder ob von seinen Soldaten etliche, seines Herumziehens überdrüssig, am Phasisstrom zurückblieben.
104. Denn Das sieht man, daß die Kolchier Aegyptier sind, und ich habe, was ich da sage, selber früher gedacht, als von Andern gehört. Da ich es nun zu Sinn gefaßt hatte, befragte ich Beide; und die Kolchier erinnerten sich mehr der Aegyptier, als die Aegyptier der Kolchier. Doch erklärten die Aegoptier, sie glauben, daß die Kolchier vom Speere des Sefoftris seyen; was ich auch selbst schon daraus schloß, weil sie schwarzhäutig und kraushaarig sind. Wiewohl, Das führt an sich zu nichts; denn von der Art sind auch noch Andere. Allein weit mehr aus dem Grund: weil die Kolchier, Aegyprier und Aethiopier allein unter allen Menschen von jeher ihre Schamglieder beschneiden. Die Phonicier dagegen und die Syrier in Palästina geben selber zu, daß sie es von den Aegyptiern gelernt haben, und die Syrier am Thermodon und Partheniosfluß, und die Grenznachbarn von Diesen, die Makronen, erklären, neuerlich von den Kolchiern es gelernt zu haben. Das sind nämlich die einzigen Völker, die sich beschneiden; und Diese thun es offenbar den Aegyptiern nach. Aber von den Aegyptiern selbst und Aethiopiern vermag ich nicht zu sagen, welcher Theil es dem andern abgelernt hat; ist es doch offenbar uralt. Daß es aber im Verkehr mit Aegypten in Aufnahme kam, dafür gilt mir Folgendes als Hauptbeweis: Sämmtliche Phönicier, die mit Hellas in Verkehr stehen, machen es mit den Schamgliedern den Aegyptiern nicht mehr nach, sondern lassen die Schamglieder ihrer Nachkommenschaft unbeschnitten.
105. Nun will ich noch etwas von den Kolchiern sagen, wie sie den Aegyptiern ähnlich sind. Die Leinwandarbeit ist allein bei ihnen und den Aegyptiern gleich; auch hat ihr ganzes Leben und ihre Sprache Aehnlichkeit mit einander. Die Kolchische Leinwand wird von den Hellenen Sardonische genannt; die jedoch, welche von Aegypten kommt, nennt man auch die Aegyptische.
106. Die Säulen aber, welche Sesostris, der König von Aegypten, in die Lande setzte, die sieht man zum größten Theil nicht mehr stehen; doch im Palästinischen Syrien sah ich selbst solche, und die besagten Inschriften daran und weibliche Schamglieder. Noch sind auch in Ionien zwei Abbilder dieses Mannes in Felssteine eingehauen, wo man aus dem Ephesischen nach Phocäa geht und wieder von Sardes nach Smyrna. An beiden Orten ist ein Mann eingegraben in der Größe von vier Ellen und einer Spanne, mit einem Speer in der rechten Hand und einem Bogen in der Linken, und mit dem übrigen Zeug in gleicher Art, Aegyptischem nämlich und auch Aethiopischem angethan; und von dessen einer Schulter zur andern läuft, über die Brust hin eingehauen, heilige Aegyptische Schrift, die so viel besagt: "Ich habe dieses Land mit meinen Armen gewonnen." Doch, Wer und woher er sey, Das zeigt er hier nicht an, anderswo aber hat er's ans gezeigt. Endlich wollen Einundandere, die des Memnon's Bildniß gesehen haben, ihn darin erblicken, womit sie weit von der Wahrheit entfernt sind.
107. Diesen Sesostris von Aegypten also habe auf seinem Rückzug, wo er viele Menschen mit sich führte von den Völkern, deren Lande er sich unterworfen, sagten die Priester, als er auf dem Rückweg im Pelusischen Daphnä war, sein Bruder, welchem er Aegypten anvertraut hatte, zu einem Gastmahl geladen und seine Söhne dazu; dann außen um das Haus her Holz aufgeschichtet, und diese Schickte in Brand gesteckt. So wie nun Sesostris Dessen inne geworden, hätte er gleich mit seiner Frau sich berathen (er habe nämlich auch seine Frau auf dem Zuge bei sich gehabt), die ihm gerathen habe, von ihren sechs Söhnen zwei auf den Scheiterhaufen zu legen, als eine Brücke über das Feuer, auf ihnen dann heraus zu gehen und sich so zu retten. Das habe Sesostris gethan; und auf diese Art seyen zwei seiner Söhne verbrannt, die Uebrigen aber sammt dem Vater gerettet worden.
108. Als Sesostris nach Aegypten zurückgekehrt war und sich an seinem Bruder gerächt hatte, brauchte er den Haufen, den er mitgebracht, nämlich die Leute, deren Länder er unterworfen hatte, zu Folgendem. Sowohl die Steine, die unter diesem König zum Heiligthum des Hephästus beigeschafft wurden, welche von ungemeiner Größe sind, haben sie herangeschleppt; als auch alle die Rinngräben, die jetzt Aegypten hat, mußten sie graben; und machten so, im unfreiwilligen Dienst, Aegypten, das zuvor durchaus bereitbar und befahren war, untauglich hiezu. Denn seit dieser Zeit ward Aegypten, obgleich durchaus eine Ebene, unberitten und unbefahren; und davon sind die Rinngräben Ursache, deren viele sind und von allen möglichen Richtungen. So durchschnitt der König das Land darum, weil alle Aegyptier, die ihre Städte nicht am Fluß, sondern mitten im Lande hatten, so oft der Fluß zurücktrat, aus Wassermangel Brunnen haben mußten, die ein salzigtes Trinkwasser hatten. Darum ward also Aegypten durchschnitten.
109. Auch sagten sie, daß derselbe König das Land unter alle Aegyprier vertheilt habe, daß er Jedem ein gleiches viereckiges Stück gegeben, und dann davon seine Einkünfte bezogen habe, indem er den jährlichen Zoll einer Abgabe darauf setzte. Wem aber von seinem Stück der Fluß Etwas wegriß, der hatte diesen Vorfall bei ihm anzuzeigen, worauf er seine Leute schickte, die nachsehen und wieder ausmessen mußten, um wie viel kleiner der Platz geworden sey; damit er vom Uebrigen nach Maß der angesetzten Abgabe zolle. Von daher, glaube ich nun, ist die Erfindung der Feldmeßkunst nach Hellas hinüber gekommen; während die Poluhr, der Stunden weiser und die zwölf Abtheilungen des Tages durch die Babylonier den Hellenen bekannt wurden.
110. Eben dieser König ist der Einzige von Aegypten, der über Aethiopien herrschte. Als Denkmale hinterließ Derselbe steinerne Bildsäulen vor dem Hephästus-Heiligthum; zwei von dreißig Ellen, nämlich sich und seine Frau; seine Söhne aber, deren vier sind, je von zwanzig Ellen. Die sind es, vor welche der Hephästuspriester in viel späterer Zeit den Darius von Persien seine Bildsäule nicht wollte hinstellen Taffen, mit der Behauptung, er habe keine solche Werte vollbracht, wie Sesostris von Aegypten. Denn Sesostris habe sich sonst nicht wenigere Völker unterworfen, als er; aber auch die Scythen; Darius hingegen nicht vermocht, die Scythen zu überwinden. So sey er dann nicht berechtigt, vor die Weihstiftungen von Jenem sich hinzustellen, ohne ihn in reinen Werken übertroffen zu haben. Damit soll nun auch Darius zufrieden gewesen seyn.
(Phero, 1357 - 1291.)
111. Nach dem Ende des Sesostris, sagten sie, sey an seinen Sohn Phero das Königthum gekommen; der durch keinen Kriegszug sich ausgezeichnet, aber den Unfall gehabt hat, blind zu werden durch folgende Geschichte. Als damals gerade der Fluß, im höchsten Stand bis auf achtzehn Ellen, die Felder überschwemmte, warf sich ein Sturmwind drauf, und der Fluß gerieth in Wallung. Da habe, sagen sie, dies sey König im Frevelmuth einen Speer ergriffen und mitten in die Wirbel des Stromes geworfen; worauf er alsbald an den Augen erkrankt und erblindet sey. Und zehn Jahre lang sey er blind gewesen; aber im eilften Jahr sey eine Weissagung aus der Stadt Buto ihm zugekommen: "es gehe die Zeit seiner Strafe aus, und er werde wieder sehend werden, wenn er sich die Augen mit dem Garn einer Frau warde, die nur mit ihrem Mann umginge, unberührt von andern Männern." So habe er's denn zuerst mit seiner Frau versucht; darauf, als er nicht wieder sehend wurde, der Reihe nach mit Auen es versucht. Wieder sehend geworden, habe er nun die Frauen, mit denen er den Versuch gemacht, Die ausgenommen, mit deren Harn gewaschen er sehend wurde, in eine Stadt zusammengebracht, die jetzt Erythre-bolus genannt wird; und daselbst sie Alle zu Hauf sammt der Stadt verbrannt. Die aber, mit deren Harn gewaschen er sehend ward, nahm er selbst zur Frau. Auch weihte er für die Errettung von seinem Augenübel Weihgeschenke in alle namhaften Heiligthümer; und darunter sind, was noch besonders merkwürdig ist, die sehenswerthen Werke, die er in's Helios-Heiligthum weihte, zwei steinerne Spitzsäulen, jede aus einem ganzen Stein, in der Länge jede hundert Ellen, und acht Ellen in der Breite.
(Proteus, 1291–1237.)
112. Von Diesem, sagen sie, sey an einen Memphier das Königthum gekommen, dessen Name nach der Hellenen Sprache Proteus sey; und Dieser hat jetzt in Memphis einen sehr schönen, wohl eingerichteten Hain, vom Hephastus-Heiligthum gegen den Südwind gelegen. Um diesen Hain herum wohnen Tyrische Phönicier; und die ganze Strecke dort heißt Tyrier-Lager. In demselben Haine des Proteus ist aber ein Heiligthum von Aphrodite, der Fremden, wie es genannt wird; von welchem ich vermuthe, daß es ein Heiligthum von Helena, Tyndareus Tochter, ist, da ich die Sage gehört habe, daß Helena sich bei Proteus aufhielt, besonders aber weil es den Zunamen hat von Aphrodite, der Fremden; denn sonst wird kein anderes Heiligthum der Aphrodite zubenannt "von der Fremden."
113. Nun sagten mir die Priester auf meine Erkundigung in Betreff der Helena, es sey so ergangen. Alexander sey mit Helena, die er aus Sparta geraubt, nach Hause geschifft. Da trieben ihn, als er im Aegäischen Meere war, widrige Winde in die Aegyptische See; von da (denn der Sturm ließ nicht nach) kam er nach Aegypten, und zwar daselbst in die jetzt sogenannte Kanobische Mündung des Nil und nach Taricheä." An diesem Gestade stand und steht jetzt noch ein Heracles-Heiligthum; und falls Einem in dasselbe ein Sklave flieht und sich die heiligen Mahlzeichen einäzt, womit er sich; dem Gott überantwortet, so ist er unantastbar. Dieser Brauch besteht auf gleiche Weise von jeher bis auf mich. Dem Alexander aber wurden Diener ungetreu, die von dem Brauch bei diesem Heiligthum gehört hatten; und, als Schützlinge im Tempel des Gottes, verklagten sie den Alexander, den sie in Noth bringen wollten, und erzählten die ganze Geschichte mit der Helena und seinem Frevel gegen Menelaus; und zwar verklagten sie ihn bei den Priestern und dem Wächter jener Mündung, dessen Name Thonis war.
114. Auf Dieses hin schickte Thonis eiligst nach Memphis an Proteus Botschaft ab, mit solchen Worten: "Es ist ein Fremdling da, ein Teukrer von Geschlecht, welcher eine sündige That in Hellas gethan, indem er seines Gastfreundes Weib verführt hat, und nun mit ihr rammt einer Menge Schätze von Winden hieher in dein Land verschlagen ist. Sollen wir denn Diesen ruhig abfahren lassen, oder aber ihm nehmen, Was er mitgebracht hat?" Dagegen schickte Proteus den Bescheid mit solchen Worten: "Diesen Menschen, Wer es auch ist, der sündlich an einem Gastfreund gehandelt hat, ergreifet und führet ihn zu mir, auf daß ich sehe, Was er wohl sagen wird."
115. Darauf ergreift denn Thonis den Alexander, und nimmt seine Schiffe in Beschlag; und hernach brachte er ihn nach Memphis rammt der Helena und den Schätzen, nebst den Schützlingen. Da nun Alle herbeigeführt waren, fragte Proteus den Alexander, Wer er sey und woher er komme? Der sagte ihm sein Geschlecht her, gab auch den Namen seines Vaterlandes an, dazu erzählte er ihm auch, woher er komme auf seiner Fahrt. Hernach fragte ihn Proteus, woher er die Helena habe; und da nun Alexander in seiner Rede aus dem Gleise kam und nicht die Wahrheit sagte, widerlegten es jene Schützlinge, indem sie die ganze Geschichte des Frevels erzählten. Zuletzt aber gab ihnen Proteus feinen Ausspruch in folgenden Worten: "Wäre mir's nur nicht eine so theure Sache, Keinen von all den Fremden zu tödten, die noch jemals durch Sturm in mein Land kamen, so hätte ich dich wollen für den Hellenen büßen lassen, du Ausbund von Schlechtigkeit, der du, gastfreundlich aufgenommen, die sündlichste That gethan hast. Zu deines Gastfreundes Weit bist du gegangen; und selbst Das war dir nicht genug; sondern du hast sie so weit getrieben, daß du jetzt mit ihr davon gehen kannst. Ja, es war dir nicht einmal so genug, sondern du mußtest auch vorher noch das Haus des Gastfreundes plündern. Nun aber, da es mir einmal eine theure Sache ist, keinen Fremdenmord zu begehen, so laß ich dich die Frau und die Schätze nicht mehr fortnehmen, sondern ich will sie dem Hellenischen Gastfreund aufbewahren, bis er selbst kommt, um sie fortzunehmen; dich aber und deine Gefährten bescheide ich in dreien Tagen, aus meinem Lande nach einem andern abzusteuern, widrigenfalls ihr als Feinde behandelt werden sollt."
116. Das ist die Art, wie die Priester sagten, daß Helena zu. Proteus gekommen; und ich glaube, auch Homer hat von dieser Sage Runde gehabt, nur daß sie nicht eben so gut für sein Dichterwerk sich schickte, als jene andere, welche er nahm; so daß er sie liegen ließ, aber doch anzeigte, wie er auch mit dieser Sage bekannt sey. Das zeigt sich nämlich, wiefern er in der Ilias dichtete, und sich sonst nirgends wieder darauf einließ, von der Irrfahrt des Alexander, daß er mit Helena verschlagen worden, und außer anderweitigem Verirren, auch nach Sidon im Phönicischen gekommen sey. Und Dessen gedenkt er in "Diomedes Heldenpreis,"73 wo die Worte also lauten:
Wo die Gewande, die kunstreichschimmernden, Werte der Frauen
Sidon's, lagen, die selbst der göttliche Held Alexandros
Her von Sidon gebracht, da er fuhr auf räumiger Meerfluth,
Damals, als er sich Helena holte, die Edelgeborne.
Auch in der Odyssee 74 gedenkt er Dessen in folgenden Worten:
Solche Kräuter besaß Zeus Tochter zu weisem Gebrauche,
Gute: es hatte sie einst die Hausfrau Thon's, Polydamna,
Ihr in Aegypten geschenkt; dort trägt in Menge das Fruchtfeld Kräuter, viele zu gutem Gebräu, und viele zu bösem.
Und wiederum Folgendes sagt Menelaus zu Telemachus: 75
Noch in Aegypten, als hieher schon ich trachtete, hielten
Götter mich auf, da ich nicht sie geehrt mit Festhekatomben.
1I1n1 1di111esen Worten zeigt er an, daß er bekannt war mit der Irrfahrt des Alexauder nach Aegypten. Denn Syrien grenzt mit Aegypten zusammen, und diejenigen Phönicier, welchen Sidon angehört, wohnen in Syrien.
117. An diesen Worten und an dieser Stelle nicht zuletzt, sondern hier vornämlich, zeigt es sich, daß die Cyprischen Gesänge nicht von Homer sind, sondern von einem Andern. Denn in den Cyprischen Gesängen steht, in dreien Tagen sey Alexander mit Helena nach Ilium gekommen bei günstig wehendem Wind und ruhiger See. In der Ilias aber heißt es, er sey irrgefahren mit ihr. Doch lassen wir nun den Homer und die Cyprischen Gesänge!
(Fortsetzung)
(Proteus, 1291 - 1237.)
118. Als ich nun die Priester fragte, ob es eine eitle Sage sey, was die Hellenen von Ilium sagen, oder nicht, gaben sie darauf folgenden Bescheid, wie sie es durch Erkundigung bei Menelaus selbst, zu wissen behaupteten. Nämlich nach dem Raube der Helena sey, zum Beistaub des Menelaus, ein großes Heer von Hellenen in's Teukrische Land gekommen, und dieses habe, als es an's Land gestiegen und gelagert war, Abgesandte nach Ilium geschickt, da denn auch Menelaus selber mitgegangen sey. Diese nun hätten, nach ihrem Einlaß in die Mauern, Helena sammt den Schätzen zurückgefordert, welche Alexander entwendet, und für den ans gethanen Frevel Buße gefordert; worauf die Teukrer damals und nachher, eidlich und sonder Eid, dieselbe Erklärung gaben, sie hätten Helena nicht, auch nicht die angesprochenen Schätze; sondern Das sey alles in Aegypten, und so wäre es nicht billig, daß sie dafür Buße erstatten, was Proteus, der Aegyptische König, habe. Da hätten die Hellenen, in der Meinung, von ihnen verhöhnt zu werden, nun erst sie belagert und endlich die Stadt erobert. Als aber nach dieser Eroberung sich Helena nicht vorfand, sondern die Hellenen dieselbe Erklärung, wie Anfangs erhielten, da glaubten sie erst der anfänglichen Erklärung und schickten nun den Menelaus selbst an Proteus.
119. Als Menelaus nach Aegypten gekommen und nach Memphis hinauf geschifft war, und die wahre Geschickte angegeben hatte, ward er mit gastfreundlicher Freigebigkeit empfangen und erhielt Helena unversehrt zurück, dazu auch alle seine Schätze. Trotz dieser Aufnahme nun wurde Menelaus zum Frevler an den Aegyptiern. Es hielten ihn nämlich von seiner Abfahrt widrige Winde zurück; und da Dieß lange Zeit so anhielt, ergriff er ein sündliches Mittel, indem er zwei Knaben von eingebornen Leuten zu Schlachtopfern nahm. Als hierauf diese seine That ruchtbar und er verhaßt und verfolgt wurde, floh er sofort mit seinen Schiffen nach Libyen. Wohin er von da aus sich gewandt, vermochten nun die Aegyptier nicht mehr anzugeben; vom Bisherigen aber behaupteten sie, theils durch Erkundigung es zu wissen, theils zu sagen, was sie, als bei ihnen selbst geschehen, bestimmt wüßten.
120. So viel sagten die Aegyptischen Priester, und auch ich stimme der bemerkten Sage über Helena bei, wozu ich weiter bemerke, daß Helena, wenn sie in Ilium gewesen, den Hellenen wäre zurückgegeben worden, sey es nun mit Willen, oder wider Willen des Alexander. Denn so mit Tollheit geschlagen war doch Priamus gewiß nicht, noch die andern Angehörigen von ihm, um ihr eigenes Blut, ihre Kinder und die ganze Stadt aufbieten zu wollen, damit Alexander mit Helena hausen könne. Und wenn sie auch in der ersten Seit Dieß beschlossen hätten, so sind ja nicht nur von den andern Troern, so oft sie mit den Hellenen sich schlugen, Viele ums gekommen; auch von Priamus eigenen Söhnen mögen es immerhin zwei oder drei oder mehr seyn, die in der Schlacht geblieben sind, wenn ich hierin den Sagendichtern folgen soll; und nach solchen Vorfällen, denke ich, würde wohl Priamus und hatte er selbst mit Helena gehaus't - sie den Achäern zurückgegeben haben, um nur einmal der gegenwärtigen Drangsale los zu werden. Auch ging das Königthum nicht auf Alexander über, so daß er, als Priamus alt war, zu schalten gehabt hätte; sondern Hektor, der älter war und mehr Mann, als Jener, hätte dasselbe, nach Priamus Tod empfangen müssen; und dessen Sache wäre es nicht gewesen, dem frevelnden Bruder nachzugeben, zumal da derselbe ihm selbst für sich, und den andern Troern insgesammt, so große Drangsale zugezogen hatte. Nun hatten sie aber die Helena nicht, um sie zurückgeben zu können, und ihrer wahrhaften Aussage glaubten die Hellenen nicht; was, nach meiner Auslegung, auf Veranstaltung der Gottheit geschah, auf daß sie in ihrem völligen Untergang den Menschen sichtbar machten, wie für große Frevelthaten auch groß die Heimsuchungen der Götter sind. So habe ich nun Dieses, wie ich dafür halte, gesagt.
(Rhampsinit, 1237 - 1182.)
121. Von Proteus, sagten sie, sey das Königthum an Rhampsinitus gekommen, welcher sich zum Denkmal die Vorhallen vom Hephästustempel hinterließ, die auf der Abendseite liegen. Und gegenüber von den Vorhallen setzte er zwei Bildsäulen, in der Größe von fünf und zwanzig Ellen, wovon die Aegyptier die auf der Nordseite stehende (welche gegen Süden schaut) Sommer nennen, die auf der Südseite (welche gegen Norden schaut) Winter. Und vor der, welche sie Sommer nennen, werfen sie sich nieder und thun ihr Gutes; aber der mit Namen Winter erweisen sie gerade das Entgegengesetzte. Desselben Königs Reichthum an Geld sey so groß gewesen, daß ihn keiner der nachmaligen Könige überbieten, oder ihm nahe kommen konnte. Da er nun seine Schätze in Sicherheit aufbewahren wollte, habe er ein steinernes Gemach erbaut, das mit einer seiner Wände an den äußern Flügel seines Hauses stieß. Der Werkmeister davon habe nun aus bösen Absichten, Folgendes angestellt. Einen der Steine habe er so eingerichtet, daß er sich von zwei Männern oder von Einem leicht aus der Wand heraus nehmen ließ. Und als dieses Gemach aufgeführt war, verwahrte der König seine Schätze darin. Nach Verlauf einiger Zeit berief nun der Baumeister, kurz vor seinem Lebensende, seine Söhne (deren er zwei hatte), und erzählte denselben, wie er für sie gesorgt, daß sie vollauf zu leben hätten, und den Kunstgriff, den er bei Erbauung des königlichen Schatzes angewendet habe; und nach genauer Beschreibung, wie der Stein herauszunehmen sey, gab er ihren die Maße dazu, mit dem Bedeuten, wenn sich immer auf diese Acht hätten, würden die Verwalter von den Schätzen des Königs seyn. Darauf endigte er sein Leben; seine Söhne aber schoben das Wert nicht lange auf: sie gingen des Nachts zur Königsburg, fanden wirklich den Stein in dem Gebäude auf, konnten auch leicht damit umgehen, und nahmen eine Menge Schätze heraus. Als nun der König wieder einmal das Gemach öffnete, wunderte er sich, die Gefäße von den Schätzen nicht voll zu sehen; wußte aber doch Niemanden Schuld zu geben, da die Siegel (an der Thüre) unversehrt waren, und das Gemach verschlossen. Doch als er bei zwei- und dreimaligem Oeffnen die Schätze immer vermindert sah (denn die Diebe hörten nicht auf, zu plündern), da machte er's also. Er ließ Schlingen verfertigen und legte sie um die Gefäße her, worin die Schätze waren. Da nun die Diebe kamen, wie zuvor, und Einer hineinschlüpfte und an ein Gefäß ging, wurde er sogleich in der Schlinge gefangen. So wie er aber seine Noth bemerkte, rief er sogleich seinem Bruder, gab ihm die Sache zu erkennen, und hieß denselben eiligst hereinschlüpfen, und ihm den Kopf abschneiden, damit er nicht, sähe man ihn und sande, Wer er sey denselben ebenfalls in's Verderben brächte. Dem schien Das wohlgesprochen, und er befolgte es wirklich, paßte dann den Stein wieder in die Fuge und ging nach Hause mit dem Kopf seines Bruders. Wie es nun Tag ward und der König in das Gemach trat, wurde er ganz betroffen durch den Anblick von dem Leibe des Diebs, der ohne Kopf in der Schlinge stak, während das Gemach unbeschädigt war, ohne Eingang und ohne ein Schlupfloch nach aussen. In dieser Verlegenheit soll er es nun also gemacht haben. Er hing den Leichnam des Diebes an der Mauer auf und stellte Wächter dazu, mit dem Befehl, falls sie einen weinen oder wehklagen sähen, Den sollten sie ergreifen und zu ihm führen. Als nun der Leichnam aufgehängt war, soll es seiner Mutter arg gewesen seyn. Sie sprach mit ihrem übriggebliebenen Sohne und gebot ihm, es zu veranstalten, wie er nur könne, daß er den Leib seines Bruders herunterkriege; und, wenn er Das unterlassen wollte, drohte sie ihm, zum König zu gehen und anzuzeigen, daß er die Schätze habe. Als ich nun die Mutter so hart anließ gegen den übriggebliebenen Sohn, und Alles, was er ihr sagte, vergeblich war, soll er folgenden Kunstgriff angewandt haben. Er schirrte Esel an, legte ihnen Schläuche voll Wein auf und trieb alsdann die Esel vor sich her; und als er an die Wade des aufgehängten Todten kam, so zog er drei oder vier aufgebundene Zipfel der Schläuche auf. Als nun der Wein auslief, schlug er sich vor den Kopf mit lautem Geschrei, als wisse er nicht, zu welchem Esel er sich zuerst wenden solle. Die Wächter aber sahen nicht sobald die Menge Wein, die auslief, als sie sämmtlich mit Gefäßen in den Weg rannten, und den ausfließenden Bein als gute Beute einsammelten; worüber er sich zornig stellte, und Alle ausschalt. Da ihm aber die Wächter zuredeten, stellte er sich, als werde er allmählig ruhiger und sein Zorn lasse nach; und zuletzt trieb er die Esel aus dem Wege und schirrte sie zurecht. Wie nun ein Wort das andere gab, auch Der und Jener seinen Spaß mit ihm hatte, und ihn zum Lachen brachte, gab er ihnen noch einen Schlauch dazu; und jetzt beschlossen sie, an Ort und Stelle sich zum Trinken zu lagern, wollten auch ihn dabei haben und hießen ihn bleiben, um hier bei ihnen mitzutrinken; wozu er sich denn auch verstand und da blieb. Endlich als sie ihm bei'm Trinken herzlich schön tharen, gab er ihnen noch einen zweiten Schlauch dazu. Da wurden die Wächter vom tüchtigen Zechen übermäßig getrunken; und, vom Schlaf überwältigt, streckten sie sich au derselben Stelle hin, wo sie getrunken hatten. Nun nahm er, da es schon tief in der Nacht war, den Leib des Bruders herunter, und schor auch noch allen Wächtern zum Schimpf den rechten Backenbart ab; legte dann den Leichnam auf die Esel und trieb sie nach Haus, nachdem er so, was ihn seine Mutter geboten, vollzogen hatte.
Der König soll es aber, als ihm gemeldet wurde, der Leichnam des Diebes sey, entwendet, sehr arg empfunden haben; und da er durchaus ausfindig machen wollte, Wer in aller Welt Solches angestellt habe, soll er, was mir einmal nicht glaubwürdig ist, Folgendes gethan haben. Er ließ seine Tochter in der Bude feil setzen, und gab ihr auf, Jeden ohne Unterschied anzunehmen; ehe sie aber zusammenkämen, müsse ihr Jeder den klügsten und den sündlichsten Streich sagen, den er in seinem Leben ausgeführt, und wenn da Einer die Geschichte mit dein Dieb erzähle, Den solle sie ergreifen und nicht heraus lassen. Dies that das Mädchen, wie es ihr vom Vater geboten war; der Dieb aber, der verstand, wo das hinaus wolle, beschloß, den König noch an Verschlagenheit zu übertreffen und soll Folgendes gethan haben. Er schnitt den ganzen Arm vom frischen Leichnam bei der Schulter ab und nahm ihn unter dem Mantel mit. So ging er zur Tochter des Königs, und da sie ihn ebenso, wie die Andern befragte, erzählte er ihr, als seinen sündlichsten Streich, daß er seinem Bruder, der im Schatz des Königs in eine Schlinge fiel, den Kopf abgeschnitten, und als den klügsten, daß er die Wächter trunken gemacht und den aufgehängten Leichnam seines Bruders herunter genommen habe. Als sie Das hörte, wollte sie ihn fassen; der Dieb aber streckte ihr im Dunkeln den Arm des Todten hin, worauf sie dann zugriff und ihn hielt, in der Meinung, seinen eigenen Arm festzuhalten; und nun ließ er denselben los und entwischte schnell zur Thüre hinaus. Als nun auch Dieses dem König hinterbracht wurde, ward er gang betroffen über die Schlauigkeit und Kühnheit des Menschen. Zuletzt soll er aber in sämmtliche Städte eine Verkündigung haben ausgehen lassen, mit Gewährung von Straflosigkeit, und mit großen Versprechungen, wenn er sich vor sein Angesicht stellen würde. Dem habe der Dieb getraut und sich ihm gestellt; und Rhampsinitus habe ihn höchlich bewundert, ja ihm jene Tochter zur Hausfrau gegeben, als dem allergescheidtesten Menschen; wiefern er nämlich, die Aegyptier über alle Andere setzte, und ihn über die Aegyptier.
122. Hernach, sagten sie, sey dieser König lebendig da hinabgestiegen, wo nach dem Glauben der Hellenen der Hades ist, woselbst er mit Demeter gewürfelt und bald gegen sie gewonnen, bald verloren habe; dann sey er wieder mit einem Geschenk von ihr heraufgekommen, einem goldenen Handtuche. Und von dieser Niederfahrt des Rhampsinitus her, da er wies der gekommen, versicherten sie, daß die Aegyptier ein Fest halten; wovon auch ich weiß, daß sie es noch zu meiner Zeit begehen; nur ob sie es aus sonst einem oder aus diesem Grunde feiern, vermag ich nicht zu sagen. Da weben die Priester am selben einen Tag ein Uebergewand fertig, und verbinden sofort Einem von ihnen mit einer Binde die Augen; dann führen sie ihn in jenem Uebergewand auf den Weg nach dem Heiligthum der Demeter; und nun kehren sie selbst wieder zurück; er aber, sagen sie, werde von zwei Wölfen in das Heiligthum der Demeter geführt, das von der Stadt zwanzig Stadien entfernt ist; und wiederum aus dem Heiligthum hinaus auf den nämlichen Platz führen ihn dies selben Wölfe zurück.
123. Diese Aussagen der Aegyptier mag annehmen, Wem Solches glaublich ist; mir liegt bei meinem ganzen Geschichtsgang nur ob, daß ich die Aussagen, wie ich sie jedesmal höre, ausschreibe. Und Fürsten der Unterwelt, sagen die Aegyptier, sind Demeter und Dionysus. Auch sind die Aegyptier die ersten, welche die Meinung ausgesprochen haben, daß die menschliche Seele unsterblich ist, und, wenn der Körper verwest, immer in ein anderes, eben zum Leben kommendes, Geschöpf hineingeht; sey sie nun jedesmal herumgewandert in allen Land- und Meer- und Himmelsthieren, so gehe sie wieder in einen zum Leben kommenden Menschenleib ein, und diese Umwanderung mache sie in dreitausend Jahren. Diese Meinung haben unter den Hellenen Etliche angenommen, die einen früher, die Andern später, als wäre sie ihnen eigen, deren Namen 76 ich weiß, ohne sie aufzuschreiben.
(Cheops, 1182 - 1132.)
124. Nun, sagten sie, sey bis auf König Rhampsinitus Aegypten gang in guter Verfassung gewesen und dieses Land hoch in die Blüthe gekommen; Cheops aber, der nach Diesem König über sie war, habe es ganz schlecht getrieben. Indem er nämlich alle Tempel schloß, habe er für's erste sie vom Opfern abgehalten, sodann Alle geheißen, ihre Arbeit zu thun. Da seyen die Einen angewiesen worden, aus den Steinbrüchen im Arabischen Gebirg Steine bis an den Nil hin zu schleppen; und wiederum habe er Andern verordnet, die auf Fahrzeugen über den Strom geschafften Steine in Empfang zu nehmen, und zum sogenannten Libyschen Gebirg weiter zu bringen. Und es arbeiteten an zehnmal zehntausend Menschen beständig in drei Monate lang. Diese Abmühung des Volkes habe eine Zeit ausgemacht, einmal von zehn Jahren, zu dem Bau des Weges, wozu sie die Steine heranschleppten, ein Wert, das meines Dafürhaltens nicht eben viel geringer ist, als die Pyramide (denn seine Länge sind fünf Stadien und die Breite zehn Klafter, und seine höchste Höhe acht Klafter: er ist von geglättetem Stein, mit eingegrabenen Bildern); Das also machte zehn Jahre; dazu kamen an dem Hügel, worauf die Pyramiden stehen, die unterirdischen Gemächer, die er sich als Grüfte auf einer Insel machen ließ, indem er einen Rinngraben des Nil hereinleitete. Die Aufrichtung der Pyramide selbst aber habe eine Zeit von zwanzig Jahren gemacht, und sie hat, bei vierseitiger Gestalt, in jeglichem Seitenstück acht Plethren, und gleiche Höhe, ist von geglätteten und genau gefügten Steinen; dabei kein einziger Stein unter dreißig Fuß.
125. Diese Pyramide wurde gemacht nach Art einer Treppe mit Stufen, was Einundandere auch Absätze oder Staffeln nennen. Und nachdem sie dieselbe in dieser Gestalt gemacht hatten, hoben sie die übrigen (geglätteten, zur Bekleidung der Oberfläche bestimmten) Steine auf Maschinen, die von kurzen Balken gemacht waren, in die Höhe, und zwar vom Boden aus auf die erste Stufenreihe, wo dann der Stein, wenn er da hinaufgekommen war, wieder in eine Maschine kam, die auf der ersten Reihe stand; von dieser wurde er nun auf die zweite Reihe hinaufgezogen auf einer andern Maschine. So viel nämlich da Reihen von Stufen waren, ebenso viel waren auch Maschinen; oder aber sie schafften dieselbe Maschine, eine einzige, leichtbewegliche, von einer Reihe zur andern, so oft sie den Stein laden; um es namlich auch auf beide Arten anzugeben, wie sie dabei verfuhren. So wurde denn ihr oberster Theil zuerst fertig gemacht; hernach machten sie es weiter herunter fertig; zuletzt haben sie daran, was zu ebener Erde und ganz zu unterst war, fertig gemacht. An der Pyramide ist auch mit Aegyptischen Schriften aufgezeichnet, wie viel zu Rettichen, Zwiebeln und Knoblauch, für die Arbeiter aufgebraucht worden; daß es nämlich, wie ich mich ganz wohl der Versicherung meines Dolmetschers erinnere, der die Schriften las, eintausend sechshundert Silbertalente gekostet habe. 77 Und wenn sich Dieses so verhält, wie viel muß nicht sonst noch aufgewendet worden seyn für Eisen zum Arbeitszeug und für Speise und Kleidung der Arbeiter! wiefern sie die besagte Zeit an den Werten gebaut, und, wie ich denke, noch außerdem zum Brechen und Fortbringen der Steine, und zur Arbeit am unterirdischen Graben, nicht wenig Zeit gebraucht haben.
126. Cheops soll aber so weit in seiner Schlechtigkeit gegangen seyn, daß er, da er Geld brauchte, seine eigene Tochter in einer Bude habe feil sitzen lassen, mit dem Gebot, ein gewisses Stück Geldes zu erwerben (denn bestimmt gaben sie es nicht gerade an); da sie denn nicht nur, was ihr der Vater angelegt, erworben, sondern auch für sich selbst ein Denkmal zu hinterlassen gedacht, und nun Jeden, der zu ihr kam gebeten habe, daß er ihr einen Stein an dem Werte (dienten möchte. Und aus diesen Steinen, behaupteten sie, sey die Pyramide erbaut worden, die unter den dreien in der Mitte vor der großen Pyramide steht, und an jeder Seite anderthalb Plethren mißt.
(Chephren, 1132 - 1076.)
127. Fünfzig Jahre, sagten die Aegyptier, sey dieser Cheops König gewesen, und nach seinem Ende das Königthum an seinen Bruder Chephren gekommen, der es wiederum ganz auf dieselbe Weise gehalten und insbesondere gleichfalls eine Pyramide errichtet habe, die jedoch in ihrem Maß der andern nicht gleichkommt (wie denn Dieses auch ich gemessen habe); und so sind auch keine unterirdischen Gemächer darunter, und es geht kein Rinngraben des Nil hinein, wie er in die andere strömt, wo er in einem gemauerten Hohlgang immer eine Insel umströmt, worauf sie sagen, daß Cheops selber liege. Hingegen führte er das erste Stockwerk von buntem Aethiopischem Stein auf, blieb vierzig Fuß unter der Größe jener andern (Pyramide), und baute sie an die große hin. Beide stehen nun auf demselben Hügel, der so ziemlich hundert Fuß Höhe hat. Und Chephren, sagten sie, sey sechs und fünfzig Jahre König gewesen.
128. Dieß sind hundert und sechs Jahre an der Zahl, daß es in Aegypten ganz schlecht verging, und die Tempel verschlossen waren, ohne in dieser ganzen Zeit geöffnet zu werden. Diese Namen wollen die Aegyptier vor Haß gar nicht aussprechen; sondern nennen auch die Pyramiden "die Pyramiden von Philition" (Philitis), einem Hirten, der zu dieser Zeit seine Heerden in diesen Gegenden weidete.
(Mycerinus, 1076 - 1056.)
129. Nach Diesem, sagten sie, sey Mycerinus, des Cheops Sohn, König über Aegypten gewesen, der an seines Vaters Werken Mißfallen gehabt und selbst wieder die Tempel öffnen, und das, bis zur äußersten Noth bedrückte, Volk zu seinen Arbeiten und Opfern habe zurückkehren lassen, auch am gerechtesten unter allen Königen Recht gesprochen habe. In diesem Stücke loben sie unter sämmtlichen Königen, die je Aegypten hatte, Diesen am meisten; wiefern er, außerdem, daß er gut richtete, namentlich, wenn sich Einer in Folge seines Gerichts beschwerte, den Unmuth desselben mit einer besondern Gabe aus seinem Eigenthum gestillt habe. Während dieser Mycerinus so mild gegen die Landesfinder war, und Dieses ihm so anlag, habe sein Unglück zuerst mit dem Tode seiner Tochter angefangen, als des einzigen Kindes in seinem Hause. Da habe er in seinem großen Schmerz über den Unfall und um seine Tochter auf eine übergewöhnliche Weise zu bestatten, eine Kuh von Holz und hohl machen lassen, alsdann dieselbe Vergoldet, und darin eben diese verstorbene Tochter bestattet.
130. Diese Kuh wurde nicht in der Erde begraben, sondern war noch zu meiner Zeit zu sehen, in der Stadt Sais befindlich, wo sie in der Königsburg steht, in einem Prunkgemach, und bei ihr jeglichen Tag allerlei Räucherwerk verbrannt wird, und jede Nacht eine Lampe die ganze Nacht hindurch brennt. Nahe bei dieser Kuh in einem andern Gemach stehen die Bildnisse der Krebsweiber des Mycerinus, wie die Priester in der Stadt Sais sagten; und wirklich stehen da Hochbilder (Kolossen) von Holz, ungefähr zwanzig an der Zahl, nackend gearbeitet; was sie indessen sind, darüber weiß ich Nichts anzugeben, als nur das Gesagte.
131. Etliche aber erzählen über diese Kuh und die Hochbilder folgende Sage: Mycerinus sey in seine eigene Tochter verliebt gewesen, und habe sich sonach mit ihr, gegen ihren Willen, vermischt. Hernach, sagen sie, erhängte sich die Jungfrau aus Gram; worauf er sie in der Kuh bestattete, ihre Mutter aber den Dienerinnen, welche die Tochter dem Vater preisgegeben, die Hände abhieb; und so sey nun an ihren Bildnissen Dasselbe geschehen, was an ihnen im Leben geschah. Doch, was sie da sagen, sind meines Erachtens lauter Possen, insbesondere das von den Händen der Hochbilder; hier habe ich's ja selbst gesehen, daß sie durch die Zeit ihre Hände verloren haben, die man noch zu meiner Zeit bei ihren Füßen liegen sieht.
132. Dieselbe Kuh ist fast ganz mit einem Purpurgewand überdeckt, und nur am Nacken und Kopf zeigt sie sich vergoldet mit dickem Gold, und zwischen ihren Hörnern ist der Sonnenkreis in Gold abgebildet. Sie ist nicht aufrecht, sondern auf den Knieen liegend, und in der Große, wie eine große lebendige Kuh. Alljährlich wird dieselbe aus ihrem Gemach, herausgetragen. Wann nämlich die Aegyptier sich schlagen um des Gottes willen, den ich bei einer solchen Sache nicht nenne, dann tragen sie auch die Kuh an's Licht heraus. Denn sie selbst soll, behauptet man, sterbend ihren Vater Mycerinus gebeten haben, einmal im Jahre sie die Sonne sehen lassen.
133. Was nun zum zweiten, nach dem Trauerfall seiner Tochter, diesem Könige soll widerfahren seyn, war, daß ihm eine Weissagung aus der Stadt Buto 78 zukam: "es stehe ihm bevor, nur noch sechs Jahre zu leben und am siebenten zu endigen." Das sey ihm arg gewesen, und er habe an das Orakel gesandt mit Vorwürfen an die Gottheit, indem er sich darüber aufhielt, daß sein Vater und Oheim, welche die Tempel verschlossen, der Götter nicht gedacht, vielmehr auch die Menschen in's Verderben gebracht haben, doch so lange Zeit gelebt hätten, ihm aber, bei seiner Frömmigkeit bevorstehen solle, so schleunig zu endigen. Darauf sey ihm aus dem Orakel der zweite Ausspruch zugekommen: "Darum eben beschleunige sich sein Leben, wiefern er nicht gethan, Was zu thun war. Denn es sollte mit Aegypten schlimm gemacht werden hundert und fünfzig Jahre lang, was die zwei Könige vor ihm gemerkt haben, er aber nicht." Auf diese Antwort habe Mycerinus, da er einmal hiezu verurtheilt sey, sich Lampen die Menge machen lassen, die er, so oft es Nacht ward, anzündete, dabei trank und sich's wohl seyn ließ, ohne Aufhören bei Tag und bei Nacht, auch mit Umherschweifen in den Marschländern und Hainen oder wo er sonst erfuhr, daß die gelegensten Lustwörter seyen. Dieß stellte er denn in der Absicht an, um das Orakel Lügen zu strafen, auf daß er, anstatt seiner sechs Jahre zwölfe herausbrächte, indem er die Nächte zu Tagen machte.
134. Auch Dieser hinterließ eine Pyramide, die viel kleiner ist, als die seines Vaters, und an jeder Seite zwanzig Fuß ermangelt zu drei Prethren, vierseitig von Gestalt, und zur Hälfte von Aethiopischem Stein; von ihr behaupten ein und andere Hellenen, sie sey von der Buhlerin Rhodopis, was nicht richtig ist. Ja, wenn sie Dieses sagen, sey ich, daß sie nicht einmal wissen, wer Rhodopis war; sonst würden sie ihr nicht die Errichtung einer solchen Pyramide zuschreiben, wozu man, daß ich so sage, unzählige Tausende von Talenten braucht; außerdem, so hat Rhodopis unter dem König, Amasis geblüht und nicht unter Diesem. Nämlich gar viele Jahre nach diesen Königen, welche diese Pyramiden hinters ließen, lebte Rhodopis, gebürtig von Thracien, und war Jadmon's Sklavin, eines Sohnes von Hephästopolis, aus Samos, und Mitsklavin Aesop's, des Fabeldichters. Denn auch Dieser war bei Jadmon, wovon Das nicht den schwächsten Beweis abgab, daß auf den oftmaligen Aufruf der Delphier, nach göttlichem Spruch: "Wer den Bußzoll für das Leben Aesop's erheben wolle" sonst Niemand erschien, als der Sohn von Jadmon's Sohne, auch ein Jadmon, der ihn erhob. Also war auch Aesop bei Jadmon.
135. Rhodopis nun kam nach Aegypten, indem sie der Samier Xanthus dahin brachte, und zwar zu Gewerb, wurde aber hier um einen hohen Preis losgekauft von Charaxus aus Mitylene, dem Sohn des Skamandronymus und Bruder der Liederdichterin Sappho. So wurde denn Rhodopis befreit und blieb in Aegypten, und, da sie voll Liebreiz war, erwarb sie sich große Schätze für eine Rhodopis, darum aber noch nicht genug zu einer solchen Pyramide. Noch heute kann ja, Wer will, den Zehenten von ihren Schätzen sehen, und da braucht man ihr keine großen Schätze zuzuschreiben. Rhodopis mochte nämlich gerne ein Denkmal von sich in Hellas hinterlassen, und ein solches Stück, wie sonst in keinem Heiligthum erfunden und gestiftet ist, nach Delphi zu ihrem Gedächtniß weihen. Da ließ sie denn viele Bratspieße, für einen ganzen Ochsen, von Eisen machen, so viel ihr Zehenter austrug, und schickte sie nach Delphi, wo sie auch jetzt noch aufgehäuft liegen, hinter dem Altar, den die Chier geweiht haben, dem eigentlichen Tempel gegenüber. Ueberhaupt pflegen die Buhlerinnen in Naukratis liebreizend zu seyn. Denn einmal erlangte Diese, der man das Angeführte nach sagt, einen solchen Ruhm, daß wirklich allen Hellenen der Name Rhodopis bekannt geworden ist; sodann ist nach ihr auch der Name einer Archidice in Hellas ertönt, die jedoch weniger, als Jene, das allgemeine Gespräch, war. Als aber Charaxus, nach der Loskaufung der Rhodopis, heimgekehrt war nach Mitylene, verspottete ihn Sappho stark in einem Liede. Genug denn von der Rhodopis.
(Asychis, 1056 - 1006.)
136. Nach Mycerinus, sagten die Priester, sey Asychis König über Aegypten gewesen; der habe dem Hephöstus die Vorhallen gegen Sonnenaufgang hin errichtet, bei weitem die schönsten und bei weitem die größten. Zwar sind an sämmtlichen Vorhallen Gebilde eingehauen und sonst tausenderlei Bauwerke zu schauen: aber bei jenen zuallermeist. Unter diesem König, sagten sie, haben die Aegyptier bei großer Stokkung im Geldverkehr, ein Gesetz bekommen, daß man den Leichnam seines Vaters zum Pfand hergebe, und so erst eine Schuld aufnehme, wozu noch folgendes Gesetz gefügt worden sey, daß der Darleiher zugleich über die ganze Gruft Dessen, der die Schuld aufnimmt, Herr sey, und der Einsetzer des Pfandes, wollte er die Schuld nicht abtragen, der Strafe unterworfen sey, daß weder ihm selbst nach seinem Ende ein Begräbniß zu Theil werde, noch der Seinigen irgend Einer nach seinem Ableben in jenem väterlichen Grab oder in sonst einem begraben würde. Auch habe dieser König die frühern Aegyptischen Könige überbieten wollen, und zu seinem Gedächtiß eine Pyramide hinterlassen, die er aus Ziegeln machte, worein Schriften in Stein gegraben waren, die so viel besagten: "Schätze mich nicht gering neben den steinernen Pyramiden; denn ich übertreffe sie so sehr, als Zeus die andern Götter. Denn man langte mit einer Stange in einer See hinunter: und allen Schlamm, der an die Stange sich anhieng, nahm man, bildete Ziegel daraus und hat auf diese Art mich aufgerichtet." Das habe Dieser ausgeführt.
(Sabako, der Aethiopier, 765 - 715. Anysia, 1006 - 1004.)
137. Nach Diesem soll König gewesen seyn ein blinder Mann aus der Stadt Anysis, mit Namen Anysis. Unter diesem König seyen die Aethiopier und Sabako, der Aethiopier König, mit starker Macht auf Aegypten losgezogen. Da sey dieser Blinde eilig in die Marschländer geflohen, der Aethiopier aber fünfzig Jahre lang König über Aegypten gewesen, in denen er Folgendes ausgeführt habe. So oft sich ein Aegyptier verging, gedachte er keinen zu tödten, sprach aber doch Jedem, nach der Größe des Verbrechens, sein Urtheil, wornach er ihnen auferlegte, Erde aufzudämmen je an der Stadt, woher jedesmal die Verbrecher waren. Und so wurden die Städte noch höher. Zuerst nämlich wurden sie aufgedämmt von Denen, welche die Rinngräben unter König Sesostris gruben; und unter dem Aethiopier zum zweiten wurden sie nun gar hoch. Während aber schon andere Städte in Aegypten hoch gestellt sind, kommt mir vor, daß man besonders stark an der Stadt Bubastis aufgedämmt hat, wo auch ein Heiligthum der Bubastis steht, von größter Merkwürdigkeit; denn es gibt wohl andere Heiligthümer von größerem Umfang und Aufwand, aber keines anmuthiger, wie Dieb, zu schauen. Und Bubastis ist nach der Hellenischen Sprache Artemis.
138. Dieses ihr Heiligthum ist also beschaffen. Außer dem Eingang ist es ganz eine Insel, indem Rinngräben vom Nil hereingehen, die, ohne sich zu vermischen, auf jeder Seite bis zum Eingang des Heiligthums laufen, so daß es rechts der Eine, links der Andere umströmt, jeder von hundert Fuß Breite und von Bäumen beschattet. Die Vorhallen aber haben eine Höhe von zehn Klaftern und sind mit sechs Ellen hohen Bildwerken ausgeschmückt, die der Rede werth sind. Dieß Heiligthum, mitten in der Stadt gelegen, sieht man auf dem ganzen Weg ringsherum unter sich. Da nämlich die Stadt hoch aufgedämmt, das Heiligthum aber noch unverrückt ist, wie es von Anfang errichtet ward, so hat man freie Einsicht. Um dasselbe läuft ein Wall, worein Bilder gehauen sind. Innen ist aber ein Hain von den höchsten Bäumen um einen großen Tempel her angepflanzt, in welchem das Götterbild selber steht. Breite und Länge des Heiligthums macht allseits ein Stadium. An jenen Eingang geht noch ein Weg, mit Steinen gepflastert, so ziemlich drei Stadien lang, der über den Markt gegen Morgen fährt, in einer Breite von vier Plethren, und rechts und links mit himmelhohen Bäumen bepflanzt; der fährt in's Hermesheiligthum.
139. Aber die endliche Entfernung jenes Aethiopiers, sagten sie, seyn so gekommen. Er sey nach einem Traumgesicht eilig entwichen, in welchem ihm vorkam, ein Mann an seiner Seite rathe ihm, die Priester in Aegypten allzusammen mitten zu zerhauen; und nach diesem Gesicht habe er gesagt, die Götter, bedünke ihn, halten ihm diesen Vorwand hin, damit er durch Frevel am Heiligen sich von Götter oder Menschen ein Unglück zuzöge; nun werde er aber Das nicht thun, vielmehr sey seine Zeit ausgegangen, auf welche ihm gesprochen sey Aegypten zu beherrschen, und dann es zu verlassen. Noch in Aethiopien nämlich hatten ihm die Orakel, an welche sich die Aethiopier halten, die Stimme ertheilt, daß er König seyn sollte über Aegypten fünfzig Jahre. Wie also diese Zeit ablief und ihn noch das nächtliche Traumgesicht aufregte, zog Sabako freiwillig aus Aegypten ab.
(Anysis, von 954 an.)
140. Als nun der Aethiopier sich aus Aegypten fortgemacht, soll der Blinde wieder zur Herrschaft aus den Marschländern hervorgekommen seyn, wo er fünfzig Jahre, unter Aufdämmung einer Insel aus Asche und Erde, zugebracht hatte, Er soll nämlich, die Aegyptier, die mit Speise zu ihm kamen, wie dazu immer Welche beauftragt waren, ohne Wissen des Aethiopiers, geheißen haben, ihm Asche zum Geschenke mitzubringen. Diese Insel konnte vor Amyrtäus 79 Niemand ausfindig machen; sondern mehr als siebenhundert Jahre lang waren die Könige vor Amyrtäus außer Stand, sie aufzufinden. Der Name aber dieser Insel ist Elbo, und ihre Größe allseits zehn Stadien.
(Sethon, der Priester 715 - 671. Krieg mit Sanherib 712.)
141. Nach Diesem sey nun der Priester des Hephästus, mit Namen Sethon, König geworden; Der habe sich nichts daraus gemacht, den streitbaren Stand der Aegyptier wegzuwerfen, als würde er seiner niemals bedürfen; da er ihnen denn unter anderer Verunehrung die Felder wegnahm, womit sie unter den vorigen Königen, Jeder mit zwölf auserlesenen Feldern, betheiligt waren. Darauf sey aber Sanacharibus (Sanherib), der König der Araber und Assyrier, mit einem großen Heere gegen Aegypten gezogen, und nun hätten die streitbaren Aegyptier auch nicht mögen zur Wehre ziehen. Da sey der Priester, im Drang der äußersten Noth, in's Allerheiligste gegangen, und habe vor dem Götterbild gejammert, welches Schicksal ihm drohe. Unter dem Wehklagen sey aber Schlaf über ihn gekommen, und ihm vorgekommen in einem Gesicht, der Gott stehe bei ihm, und spreche ihm Muth ein, wie er, ohne etwas Widriges zu befahren, dem Arabischen Heer entgegenziehen könne; denn er selbst werde ihm Helfer senden. Im Vertrauen auf diese Traumerscheinung habe er also von den Aegyptiern mitgenommen, Was ihm folgen wollte, und in Pelusium sich gelagert. Da sind nämlich, die Pässe des Landes. Es sey ihm aber kein einziger Streitbarer gefolgt; nur Krämer, Handwerker und Marktvolk. Nun sie dahin gekommen waren, habe sich des Nachts über ihre Gegner ein Schwarm von Feldmäusen ergossen, die Köcher ihnen zernagt und die Bogen, auch die Handhaben der Schilde, so daß am folgenden Tag, da sie entblößt von Waffen, flohen, eine Menge gefallen sey. Daher steht jetzt dieser König im Hephästusheiligthum von Stein, mit einer Maus auf der Hand, welche in Schriften sagt: "Schau auf mich, und sey fromm."
(Von Menes bis Sethon sind 564 Jahre.)
142. So weit in dieser Geschichte haben die Aegyptier und ihre Priester mir gesagt und gewiesen, daß vom ersten König bis auf diesen Priester des Hephästus, der zuletzt König war, dreihundert und einundvierzig Menschenalter, und in diesen eben so viele Könige, und wiederum auch eben 10 viele Oberpriester gewesen. Nun machen dreihundert Menschenalter zehntausend Jahre aus, da drei Menschenalter hundert Jahre sind. Sodann die einundvierzig noch übrigen Menschenalter, die zu den dreihundert kamen, sind tausend, dreihundert und vierzig Jahre. Also in eilftausend, dreihundert und vierzig Jahren kam, sie sagten, kein Gott in Menschengestalt vor; wie sie denn auch bei den weitern Königen von Aegypten nichts der Art von früherer oder späterer Zeit sagten. In eben dieser Zeit nun, sagten sie, sey die Sonne viermal im Aufgang aus der Ordnung gekommen: zweimal von da, wo sie jetzt untergeht, aufgegangen, und zwei mal da, von wo sie jetzt aufgeht, untergegangen; und das, bei sey gar nichts in Aegypten anders geworden, weder an den Ergebnissen des Landes, noch des Flusses, noch mit den Krankheiten, noch in der Sterbefällen.
143. Wie es nun die Priester des Zeus in Theben früher schon bei dem Geschichtsschreiber Hekatäus machten, als er ihnen sein Geschlecht aufzählte, und im sechzehnten Glied seinen väterlichen Stamm an einen Gott anknüpfte, so machten sie es auch bei mir, ohne daß ich mein Geschlecht aufs zählte. Sie führten mich in den Tempelraum, welcher groß ist, und wiesen nun die ganze angegebene Zahl an hölzernen Hochbildern nach. Denn jeder Oberpriester stellt bei seinem Leben daselbst sein Bildniß auf. Davon wiesen mir also die Priester die Zahl so, daß sie immer wieder vom Sohne den Vater nachwiesen, indem sie vom Bildniß des Nächstverstorbenen an Alle durchgingen, bis sie dieselben sämmtlich gewiesen hatten. Wie aber Hekatäus sein Geschlecht aufzählte, und im sechzehnten Glied an einen Gott anknüpfte, haben sie, dem gegenüber, bei der Zählung auch das Geschlecht angesagt, indem sie's ihm nicht zugestanden, daß ein Mensch von einem Gott stamme; und zwar sagten sie es ihm gegenüber so an, daß sie jedes von den Hochbildern für einen Piromis, der von einem Piromis stamme, erklärten, bis sie alle dreihundert und fünfundvierzig Hochbilder, als Piromis, stammend von Piromis, durchgewiesen hatten, allein ohne daß sie dieselben an einen Gott oder einen Heroen anknüpften. Piromis aber ist nach unserer Sprache ein "Ehrenmann."
144. Und von solcher Art denn, erklärten sie sofort, seyen sie Alle, deren Bildnisse da standen, von den Göttern aber weit entfernt. Doch vor diesen Menschen seyen Götter die Herrscher in Aegypten gewesen, aber ohne mit den Menschen zusammen zu leben; 80 und davon habe immer Einer die Obergewalt gehabt; zuletzt sey Orus (Horus), der Sohn des Osiris, ihr König gewesen, welchen die Hellenen Apollo nennen; der sey, nach Absetzung des Typho, zuletzt König gewesen. Osiris aber ist Dionysus nach der Hellenischen Sprache.
145. Bei den Hellenen nun gelten Herakles, Dionysus und Pan für die jüngsten Götter; in Aegypten aber ist Pan der allerälteste und unter Denen, welche die acht ersten Götter seyn sollen; Herakles unter den zweiten, die ihrer zwölf seyn sollen; und Dionysus unter den dritten, den Nachkommen der zwölf Götter. Nun habe ich aber schon angezeigt, 81 wie viel Jahre die Aegyptier behaupten, daß von Heratles bis auf König Amasis seyen; von Pan aber sollen es deren noch mehr, von Dionysus am wenigsten seyn, wiewohl man auch von Diesem fünfzehntausend Jahre zählt bis auf König Amasis. Und Dieses behaupten die Aegyptier mit Bestimmtheit zu wissen, wiefern sie die Jahre beständig zählen und beständig aufschreiben. Von Dionysus, welcher der Sohn Semele's, der Tochter des Kadmus, seyn soll, sind es nun beiläufig tausend sechshundert 82 Jahre bis auf mich, und von Herakles, Alkmene's Sohne, neunhundert Jahre; endlich von Pan, dem Sohne der Penelope (denn Dieser und des Hermes Sohn soll Pan, nach den Hellenen seyn) sind weniger Jahre, als von den Trojanischen Zeiten her, beiläufig achthundert bis auf mich.
146. Von diesen beiderseitigen Angaben steht es nun frei, die anzunehmen, welche man eher glauben will, und ich habe dann schon meine Meinung über dieselben dargethan. 83 Sind indessen, so wie Herakles, der Sohn Amphitryons, auch diese Andern in Hellas sichtbar und eben daselbst alt geworden, nämlich auch Dionysus, der Semele, und Pan, der Penelope Sohn, so könnte man sagen, sie haben auch, während sie eigentlich Menschen seyen, die Namen jener ältern Götter bekommen. Nun sagen aber sie Hellenen von Dionysus, daß ihn gleich nach seiner Geburt Zeus in seine Hüfte genäht und nach Nysa gebracht habe, welches hinter Aegypten in Aethiopien liegt; und von Pan wissen sie nicht einmal anzugeben, wohin er nach seiner Geburt gerathen. Da ist mir denn offenbar, daß die Hellenen die Namen dieser Götter später, als die der übrigen, erfahren haben, und ihren Ursprung von der Zeit an zählen, seit der sie es erfahren haben. Das war es also, was die Aegyptier selbst sagen.
(Dodekarchie, von 671 – 650.)
147. Was nun noch die andern Menschen und die Aegyptier, in Uebereinstimmung mit den Andern, sagen, daß in diesem Lande vorgekommen sey, Das will ich nunmehr bemerken; und dazu wird auch Manches von meiner eigenen Anschauung kommen. Als die Aegyptier, nach der Herrschaft des Hephästuspriesters, frei geworden waren, stellten Dieselben (denn nie wären sie im Stand ohne König zu leben) zwölf Könige auf, wobei sie aus ganz Aegypten zwölf Abtheilungen machten. Diese Könige Herrschten, nach wechselseitiger Verbindung durch Heirathen, unter dem gemeinschaftlichen Gesetz, daß sie einander nicht stürzen, noch trachten wollten, Einer vor dem Andern Etwas voraus zu bekommen; vielmehr wollten sie ganz und gar Freunde seyn. Und Dieses machten sie deßwegen sich zum Gesetz, worauf sie strenge hielten, weil ihnen gleich Anfangs, als sie ihre Herrschaft ans traten, der Spruch geworden war: "Welcher von ihnen aus eherner Schaale spenden würde im Hephästusheiligthum, der werde über ganz Aegypten König seyn." Sie kamen nämlich immer zusammen in alle Heiligthümer.
148. So beschlossen sie denn auch miteinander, ein gemeinsames Denkmal zu hinterlassen, und errichteten dem zu Folge ein Labyrinth (Irrbau), welches ein wenig hinter dem Möris-See, ziemlich nahe bei der sogenannten Krokodilenstadt (Arsinoe) liegt. Dieß habe ich schon selbst gesehen, und fand es über alle Beschreibung. Denn nähme Einer alle die Bauten der Hellenen und die von ihnen aufgeführten Werke, so würde bei ihnen zusammengerechnet, Arbeit und Aufwand sich) doch unter diesem Labyrinthe zeigen; so sehr auch der Tempel in Ephesus und der in Samos gewiß der Rede werth ist. Zwar schon die Pyramiden waren über Beschreiben, und jede für sich viele der größten Hellenischen Werke werth; allein das Labyrinth übertrifft noch die Pyramiden. Es hat nämlich zwölf Höfe mit Bedachung, 84 deren Thore einander gegenüber stehen, sechs gegen den Nord und sechs gegen den Süd gelegen in einer Reihe; und außen herum schließt sie eine Mauerwand ein. Und innen sind zweierlei Gemächer, die einen unterirdisch, die andern im obern Raum über diesem, dreitausend an der Zahl, beide besonders eintausend fünfhundert. Von den Gemächern des obern Raumes nun spreche ich nach eigener Anschauung, wie ich sie mit eigenen Augen durchging; aber von den unterirdischen habe ich mir nur sagen lassen. Denn die Aegyptischen Aufseher wollten sie durchaus nicht zeigen, weil nämlich daselbst die Grüfte der Könige, eben der. Erbauer dieses Labyrinthes, und der heiligen Krokodile sich befänden. Also spreche ich von den untern Gemächern nach dem Hörensagen; die obern aber, fast übermenschliche Werte, habe ich selbst beschaut. Hat man doch an den Ausgängen, die durch die Zimmer, und den Schlangengängen, die durch die Höfe sich so ganz mannichfach ziehen, sein größtes Wunder, wenn man aus einem Hof hineingeht in die Gemächer, und aus den Gemächern in Vorhallen und wieder in andere Zimmer aus den Vorhallen, und in andere Höfe aus den Gemächern, an welchen allein die Decke, so wie die Mauerwand von Stein, und die Wand überall voll von eingehauenen Bildern ist. Auch ist jeder Hof aussen mit Säulen umgeben, und von weißem, genau gefügtem Stein. An der Ecke aber, wo das Labyrinth ausgeht, stößt eine Pyramide von vierzig Klaftern daran, worauf große Thiergebilde eingehauen sind, und zu welcher hin ein Weg unter der Erde gemacht ist.
149. Noch größer, als bei diesem doch so eingigen Labyrinth, ist das Wunder, das man an dem sogenannten Möris-See hat, bei welchem dieses Labyrinth erbaut ist. Das ganze Maß reines Umfangs ist dreitausend und sechshundert Stadien, was sechzig Schönen sind, eben so viele, als Aegypten längs dem Meere hat. Dieser See liegt der Länge nach vom Nord gegen den Süd, und mißt in seiner tiefsten Tiefe fünfzig Klafter. Daß er aber von Menschenhänden gemacht und gegraben ist, zeigt sich an ihm selbst. Denn so ziemlich mitten im See stehen zwei Pyramiden, deren jede fünfzig Klafter über das Wasser hervorragt, und wiederum eben so tief in's Wasser hineingebaut ist; auf beiden aber ist ein steinernes Hochbild, sitzend auf einem Thronstuhl. Also sind diese Pyramiden hundert Klafter hoch, und diese hundert Klafter machen gerade ein sechsplethriges Stadium, die Klafter zu sechs Fuß oder vier Ellen gemessen, da der Fuß vier Handbreiten und die Elle sechs Handbreiten macht. Das Wasser nun in diesem See hat nicht dort seinen eigenen Ursprung; denn hier ist ja das Land sehr wasserlos; sondern es ist aus dem Nil durch einen Rinngraben hineingeleitet; und zwar läuft es sechs Monate in den See hinein, sechs andere Monate wieder in den Nil heraus. So oft es nun da hinaus abläuft, wirft dasselbe allemal die sechs Monate hindurch dem Königshaus täglich, ein Silbertalent an Fischen ab, so oft aber das Wasser hineingeht, zwanzig Minen.
150. Noch sagten mir die Eingebornen, daß dieser See sich in die Libysche Syrte ergieße, indem er sich unter der Erde, längs dem Gebirg, hinter Memphis, gegen Abend, in das Binnenland hineinziehe. Da ich nun nirgends einen Schutt aus diesem Graben liegen sah, und es mir gleichwohl darum zu thun war, fragte ich die nächsten Anwohner des Sees, wo der ausgegrabene Schutt wäre. Und Diese haben mir, wo man ihn hinaus geworfen hat, angezeigt, und mich's leicht glauben gemacht, weil ich durch Erzählung wußte, wie auch in der Asyrischen Stadt Ninus ein Gleiches geschehen war. Nämlich die Schätze vom König Sardanapallus, Ninus Sohn, welche groß waren und in Schafkammern in der Erde vermehrt, nahmen Diebe sich vor, auszugraben. Da zogen diese Diebe von ihrem Hause in der Richtung zum königlichen Hause einen unterirdischen Graben; und den Schuttauswurf aus diesem Graben warfen sie, so oft es Nacht wurde, in den Tigrisfluß, der an Ninus vorbeiströmt; bis sie zu Stand gebracht hatten, was sie wollten. Ein Gleiches, hörte ich, sey auch bei dem Graben am Aegyptischen See geschehen, und hier nicht des Nachts, sondern am Tage: daß nämlich die Aegyptier den Schutt, den sie ausgruben, in den Nil geworfen, der ihn aufnahm und sonach verschwemmte. So, sagt man, sey dieser See gegraben worden.
151. Die zwölf Könige nun, die immer Gerechtigkeit gehalten hatten, opferten einmal im Heiligthum des Hephäst; und als sie am letzten Tage des Festes eben die Spendung ausgießen wollten, brachte der Oberpriester die goldenen Schalen heraus, womit sie zu spenden pflegten, aber für die zwölf Mann nur eilf, weil er sich verzählte. Wie also der letzte in der Reihe, Psammitichus, keine Schale hatte, nahm er seinen Helm von Erz herunter, hielt ihn dar und spendete damit. Auch die andern Könige trugen nämlich insgesammt Helme, wie sie auch damals solche auf hatten. Psammitichus hatte indessen ohne allen böslichen Vorsatz den Helm dargehalten; aber die Andern faßten diese Handlung des Psammitichus und den Orakelspruch zu Herzen, worin ihnen gesprochen war, Welcher von ihnen spende mit eherner Schale, der würde allein König von Aegypten werden; und in Erinnerung dieses Spruches hielten sie zwar nicht für gut, den Psammitichus zu tödten, da sie nach Untersuchung befanden, daß er's ohne Absicht gethan; beschloßen aber, ihn des besten Theils seiner Macht zu entkleiden, und in die Marschländer zu treiben, von wo aus er mit dem übrigen Aegypten Nichts verkehren dürfe.
152. Diesen Psammitichus nun hatten von einer früheren Flucht vor dem Aethiopier Sabako, der seinen Vater Neko getödtet - von dieser damaligen Frucht nach Syrien hatten ihn, nach dem der Aethiopier auf sein Traumgesicht hin abgezogen war, die Aegyptier zurückgeholt, und zwar Die aus dem Saitischen Kreise: und jetzt, als König, traf es ihn, daß er zum zweitenmal vor den eilf Königen, wegen des Helms, in die Marschländer fliehen mußte. Nun nahm er sich aber vor, im Bewußtseyn, daß sie ihn schändlich behandelt hätten, an seinen Vertreibern sich zu rächen. Da kam ihm auf seine Sendung nach der Stadt Buto an's Leto-Orakel, woselbst die Aegyptier ihre untrüglichste Weissagung haben, der Spruch zu, vom Meere her werde ihm in der Erscheinung eherner Männer Rache kommen. Dagegen trug er einen starten Unglauben in sich, daß eherne Männer ihm zu Hülfe kommen würden. Es dauerte aber nicht lange, so mußten Ionische und Karische Männer, die nach Beute ausgeschifft waren, nach Aegypten verschlagen werden; und als Diese in ihrer ehernen Rüstung an's Land gestiegen waren, kommt in die Marschländer zu Psammitichus ein Aegyptier, mit der Botschaft (da er nämlich zuvor noch keine Männer in eherner Rüstung gesehen hatte), es seyen eherne Männer vom Meere hergekommen, die das Feld plündern. Da merkte er die Erfüllung des Götterspruches, machte sich den Ioniern und Kariern Freund, und bewog sie durch große Versprechungen, zu ihm zu treten. Und als er sie bewogen hatte, stürzte er wirklich mit den ihm gleichgesinnten Aegyptiern und diesen Hülfstruppen die Könige.
153. Als nun Psammitichus von ganz Aegypten Herr geworden war, errichtete er in Memphis dem Hephäst die Vorhallen, die gegen den Südwind liegen, und baute dem Apis einen Hof, worin Derselbe, so oft er sich zeigt, unterhalten wird, gegenüber von den Vorhallen, ganz mit Säulen umgeben und voll Bildwerte; und anstatt der Pfeiler stützen diesen Hof zwölfellenhohe Colosse (Hochbilder), Apis ist aber nach der Hellenischen Sprache Epaphus.
154. Den Ioniern aber und Denen, die für seine Sache mitgearbeitet hatten, gab Psammitichus Ländereien zur Niederlassung, die einander gegenüber liegen, indem der Nil die Mitte hält; und "Lager" war der Name, den sie bekamen. Diese Ländereien gab er ihnen, und leistete auch sonst noch alle seine Versprechungen; zu dem übergab er ihnen Aegyptische Knaben zum Unterricht in der Hellenischen Sprache. Und von Diesen, welche die Sprache erlernt haben, stammen die jetzigen Dolmetscher in Aegypten. So bewohnten nun die Ionien und Karier lange Zeit hindurch jene Ländereien, die gegen das Meer hin, ein wenig unterhalb der Stadt Bubastis, an der sogenannten Pelusischen Mündung des Nil gelegen sind. Doch in späterer Zeit hieß sie König Amasis dieselbe räumen und sofort in Memphis sich niederlassen, um an ihnen eine Wache gegen die Aegyptier zu haben. In Folge dieser ihrer Niederlassung in Aegypten wissen nun wir Hellenen, durch Verkehr mit ihnen, Alles, was seit König Psammitichus und nachmals in Aegypten geschah, mit Bestimmtheit. Denn sie waren die ersten von fremder Zunge, welche Niederlassung in Aegypten erhielten. Auch befanden sich in jenen Gegenden, die nie räumten mußten, wirklich noch zu meiner Zeit die Walzen (Werfte) ihrer Schiffe und Die Trümmer ihrer Wohnungen. So gewann Psammitichus Aegypten.
155. Nachdem ich des Orakels von Aegypten schon vielmal gedacht habe, will ich jetzt eigens davon sprechen, wie es denn auch der Rede werth ist. Dieses Orakel von Aegypter ist nämlich der Leto heilig und gegründet in einer großen Stadt bei der sogenannten Sebennytischen Mündung des Nil, wo man vom Meere landeinwärts schifft. Der Name dieser Stadt, wo das Orakel sieht, ist Buto, wie ich sie zuvor schon namhaft gemacht habe. In diesem Buto steht ein Heiligthum des Apollo und der Artemis. Nun ist der Tempel der Leto, worin eben das Orakel ist, selbst schon recht groß, und seine Vorhallen erheben sich zu einer Höhe von zehn Klaftern; woran ich aber unter Dem, was in die Augen fällt, mein größtes Wunder hatte, das will ich anzeigen. In diesem heiligen Bezirk der Leto steht nämlich ein Tempel, der aus Einen Stein in die Höhe und in die Länge gearbeitet ist, und bei gleichen Wänden überall vierzig Ellen mißt. Auch als Schlußdecke liegt wieder ein Stein darauf mit einem vierellenbreiten Krongesimse.
156. Dieser Tempel also ist mir von Dem, was bei diesem Heiligthume in die Augen fällt, das Bewundernswürdigste; nächstdem aber die Insel mit Namen Chemmis, welche in einem tiefen und breiten See an dem Heiligthum in Buto siegt, und von der die Aegyptier sagen, daß sie eine schwimmende Insel sey. Ich selbst habe sie nun weder schwimmen, noch sich bewegen seh'n; nur hörte ich's mit Staunen, daß es wirklich eine schwimmende Insel gebe. Auf eben dieser Insel steht ein großer Tempel des Apollo, und sind dreierlei Altäre errichtet: zugleich ist sie dicht mit Palmen und einer. Menge anderer, fruchtbarer und unfruchtbarer, Bäume bepflanzt. Zu ihrer Behauptung, daß sie schwimmend sey, führen nun die Aegyptier die Sage an, daß auf dieser Insel welche vorher nicht schwimmend gewesen sey, Leto, eine aus dem Geschlecht der acht ersten Götter und wohnhaft in der Stadt Buto, wo sie eben dieses Orakel hat, den Apollo verborgen habe, den sie von der Isis sich hatte anvertrauen lassen, und ihn so auf dieser Insel, die jetzt eine schwimmende heißt, damals gerettet habe, als Typhon überall herum suchte, um den Sohn des Osiris aufzufinden. Apollo nämlich und Artemis, sagen sie, seyen Kinder des Dionysus und der Isis, Leto aber ihre Pflegerin und Retterin gewesen. Auf Aegyptisch nun ist Apollo: Orus; Demeter: Isis; und Artemis: Bubastis. Aus dieser, und keiner andern Sage, hat auch Aeschylus, Euphoriou's Sohn, Das genommen, was ich gleich anzeigen will, und worin er der Einzige ist unter den frühern Dichtern. Er hat nämlich die Artemis zu einer Tochter des Demeter gemacht. Also auf diese Art soll die Insel schwimmend gewesen seyn. Das ist es, was sie sagen.
(Psammitichus, 671 – 617.)
157. Psammitichus aber war König über Aegypten vierundfünfzig Jahre, wovon er neunundzwanzig vor der großen Stadt Azotus in Syrien lag, sie belagerte und endlich einnahm. Dieses Azotus hat unter allen Städten, wovon wir wissen, die langwierigste Belagerung ausgehalten.
158. Psammitichus hatte einen Sohn, Neko, der auch König von Aegypten ward. Dieser legte die erste Hand an den Rinngraben, der in's Erythräische (rothe) Meer geht, und nach Diesem von Darius dem Perser hinausgegraben wurde. Derselbe ist eine Fahrt von vier Tagen lang, und so breit gegraben, daß zwei Dreiruder neben einander daher fahren können. Das Wasser ist in denselben aus dem Nil geleitet, und zwar ein wenig hinter der Stadt Bubastis, nach der Arabischen Stadt Patumus hin; und so geht er dann in's Erythräische Meer. Zuerst ist er nämlich in die Aegyptische Ebene gegen Arabien hin eingestochen, an welche hinten das Gebirge stößt, welches sich nach Memphis zieht, und die Steinbrüche enthält. Um Fuße eben dieses Gebirges ist der Rinngraben der Länge nach von Abend gegen Morgen hingeleitet; alsdann zieht er sich aber in Schluchten hinein, und läuft vom Gebirge gegen Mittag und den Südwind in den Arabischen Busen. Wo nun der kürzeste und nächste Durchweg aus dem nördlichen (mittelländischen) Meere das südliche, eben dieses sogenannte Erythräische, führt, das ist vom Kasischen Gebirg, der Gränze Aegypten's und Syrien's, gerad aus tausend Stadien in den Arabischen Busen. Das ist der nächste Durchweg: aber der Rinngraben ist viel länger, insofern er mehr Krümmungen hat; und über dem Einstechen desselben unter König Neko gingen zwölfmal zehntausend Aegyptier verloren. Niko hörte indessen mitten im graben auf, da ihm eine Weissagung in den Weg trat, daß er dem Barbaren vorarbeite." Barbaren nennen nämlich die Aegyptier Alle, die nicht gleiche Sprache mit ihnen haben.
(Neko's Sieg über die Juden. 608. Vergl. Buch der Chronik II, XXXV, 22. Könige II, XXIII, 29.)
159. Neko hörte also am Rinngraben auf, und wandte sich zu Kriegszügen. Da wurden Dreiruder, die einen für's nördliche Meer, die andern im Arabischen Busen für's Erythräische Meer gemacht, wovon noch die Walzen (Werfte) sich zeigen. Und die brauchte Neko in der Zeit, da es nöthig war, und besiegte auch die Syrer (Juden) in einem Landtreffen zu Magdolus, nach welcher Schlacht er die große Syrische Stadt Kadytis 85 wegnahm. Und das Kleid, in welchem er gerade diese Thaten vollbrachte, sandte er dein Apollo zum Weihgeschenk zu den Branchiden im Milesischen. Darauf endigte er, nachdem er im Ganzen sechszehn Jahre geherrscht hatte, und überließ einem Sohne Psammis die Herrschaft.
(Psammis, 601 - 595.)
160. Unter diesem Aegyptischen König Psammis geschah es, das Gesandte der Eleer ankam'n, die rühmten, daß unter alten Menschen sie ihr Olympisches Kampfspiel am gerechtesten und schönsten eingerichtet hätten, und meinten, zu dem hin könnten selbst die Aegyptier; die weisesten Menschen, Nichts mehr auffinden. Als nun die Eleer in Aegypten selbst sagten, weßhalb sie gekommen waren, da rief der König die Aegyptier zusammen, welche die Weisesten hießen. Und die Aegyptier versammelten sich, und vernahmen aus dem Munde der Eleer Alles, was sie bei ihrem Kampfspiel zu thun haben; nach dessen vollständiger Erzählung Dieselben erklärten, sie kommen wegen weiterer Belehrung, ob die Aegyptier hier noch etwas Gerechteres aufzufinden wüßten. Diese beriethen sich und befragten dann die Eleer, ob ihre eigenen Bürger mitkämpfen. Diese erklärten, es stehe Jedem von ihnen, wie von den andern Hellenen, gleichermaßen frei, zu kämpfen. Dagegen erklärten die Aegyptier: bei dieser Einrichtung hätten sie das Recht ganz verfehlt; denn da helfe Alles nichts, daß sie nicht, mit Ungerechtigkeit gegen Fremde, für die Kämpfer aus ihrer Stadt stimmen würden. Nein, wollten sie wirklich eine gerechte Einrichtung machen, und seyen deßwegen nach Aegypten gekommen, so sollten sie ihr Kampfspiel für fremde Kämpfer einrichten, und keinen Eleer kämpfen lassen, Das gaben die Aegyptier den Eleern an.
(Apries, 595 – 570.)
161. Auf Psammis, der nur sechs Jahre König von Aegypten, einen Kriegszug nach Aethiopien gethan, und gleich darauf geendigt hatte, folgte Apries, Psammis Sohn. Der war nach seinem Urgroßvater Psammitich der glücklichste unter den bisherigen Königen während einer Herrschaft von fünfundzwanzig Jahren, in denen er gegen Sidon ein Heer führte, und mit dem Tyrier zur See kämpfte. Da es ihm aber schlimm ergehen sollte, so ging es von einem Anlaß aus, den ich des Weiteren in den Libyschen Geschichten 86 erzählen will, für jetzt aber nur mit Wenigem. Apries sandte nämlich ein Kriegsheer wider die Cyrenäer aus, und da erlitt er einen harten Stoß. Mit diesem Vorwurf fielen die Aegyptier von ihm ab, in der Meinung, Apries habe sie absichtlich in ihr offenbares Unglück geschickt, gerade damit sie zu Grunde gingen, und er über die übrigen Aegyptier unangefochtener herrsche. Das nahmen sich eben die Heimkehrenden und die Freunde der Umgekommenen arg zu Herzen, und fielen geradewegs ab.
162. Auf die Nachricht hievon schickte ihnen Apries den Amasis zu, sie mit Worten zu beruhigen. Als nun Dieser gekommen war und den Aegyptiern in den Weg trat, setzte ihm, während er ihnen ihr Beginnen untersagte, ein Aegyptier, der hinter ihm stand, einen Helm auf, und erklärte dabei, mit diesem Heim habe er ihn als König bezeichnet. Dem war diese Handlung eben nicht unwillkommen, wie er bewies. Da ihn nämlich, die abtrünnigen Aegyptier zu ihrem König aufgestellt hatten, schickte er sich an, gegen Apries zu zieh'n. Auf die Nachricht davon sandte nun Apries einen ehrenhaften Aegyptier aus seiner Umgebung, mit Namen Patarbemis, an Amasis, mit dem Auftrag, Denselben lebendig vor ihn zu bringen. Wie Patarbemis mit seiner Einberufung zu Amasis kam, lüpfte sich Amasis (denn er saß gerade zu Pferde), und ließ einen streichen, und das hieß er ihn dem Apries bringen. Dennoch habe Patarbemis dafür gehalten, daß er auf die Sendung des Königs zu ihm gehen müsse, Jener aber darauf geantwortet, daß er hiezu sich längst anschicke, und Apries solle ihm Nichts vorzuwerfen haben: denn er werde sich einfinden, und auch noch Andere mitbringen. Nun sey Patarbemis nach solchen Reden über seine Gesinnung nicht ungewiß geblieben, und, wie er denn auch seine Anstalten sah, in Eile abgegangen, um schleunigst dem Könige anzuzeigen, was in Werk sey. Und als er bei Apries ankam, ohne den Amasis mitzubringen, habe Dieser, ohne lang zu fragen, im größten Zorn Befehl gegeben, ihm Ohren und Nase abzuschneiden. Wie aber die übrigen Aegyptier, die noch für ihn gesinnt waren, ihren ehrenhaftesten Mann so schandbar beschimpft sahen, da hielten sie sich keinen Augenblick mehr, fielen, auch zu den Andern ab, und übergaben sich dem Amasis.
163. Apries bekam auch hievon Nachricht, bewaffnete nun seine Hülfsvölker und führte sie gegen die Aegyptier. Er hatte nämlich Karier und Ionier, als Hülfsvölker, bei sich, dreißigtausend Mann; und seine Königsburg war in der Stadt Sais, groß und sehenswerh. So ging Apries mit den Seinen auf die Aegyptier, Amasis mit den Seinen auf die Fremden los, und Beide kamen zur Stadt Momemphis, um alsbald sich an einander zu versuchen.
164. Die Aegyptier haben aber lieben Geschlechter (Casten), die da Priester und Krieger genannt sind, weiter Rinderhirten, Schweinhirten, Gewerbsleute, Dolmetscher und Steuermänner. So viel Geschlechter haben die Aegyptier, und ihre Namen kommen von ihrem Geschäft. Ihre Krieger heißen Kalasirier und Hermotybier, und sind aus folgenden Kreisen: denn ganz Aegypten ist in Kreise abgetheilt.
165. Die Kreise der Hermotybier sind: der von Busiris, von Sais, von Chemmis, von Papremis, die sogenannte Insel Prosopitis, und halb Natho. Aus diesen Kreisen sind die Hermotybier, weiche, wenn sie auf's höchste kommen, hundert und sechzigtausend Mann machen. Von Diesen versteht Keiner eine Gewerbearbeit, sondern sie sind nur dem Kriegswesen gewidmet.
166. Die Kreise aber der Kalasirier sind: der von Theben, von Bubastis, Aphthis, Tanis, Mendes, Sebennys, Athribis, Pharbäthis, von Thmuis, von Onuphis, von Anysis und von Myekphoris, welcher Kreis auf einer Insel liegt, gegenüber der Stadt Bubastis. Das sind die Kreise der Kalasirier, welche, wenn sie auf's höchste kommen, zweihundert und fünfzigtausend Mann machen. Auch sie dürfen ebensowenig ein Gewerb ausüben, sondern über einzig das Kriegsgeschäft aus, das vom Vater auf den Sohn übergeht.
167. Nun kann ich aber nicht mit Bestimmtheit entscheiden, ob die Hellenen auch Das von den Aegyptiern angenommen haben, indem ich's auch bei den Thraziern, Scythen, Persern und Lydiern, und fast bei allen Barbaren sehe, daß die gewerbtreibenden Bürger, sammt ihren Nachkommen, für minder ehrenwerth, als die Ändern gehalten werden, Diejenigen aber, welche sich mit keinem Handwerk befassen, für edel gelten, und vornämlich Die, welche sich dem Kriege widmen. Angenommen ist es einmal von allen Hellenen, und vornämlich von den Lacedämoniern. Am wenigsten werden Sie Handwerker noch bei den Korinthiern mißgeachtet.
168. Jene hatten auch ein besonderes Ehrentheil allein unter den Aegyptiern, mit Ausnahme der Priester, nämlich Jeder zwölf auserlesene Felder, stenerfrei. Das Feld hat aber allseits hundert Ellen in Aegypten; und die Aegyptische Elle ist gerade der Samischen gleich. Das hatten sie insgesammt als besonderes Theil; folgendes aber genoßen sie abwechslungsweise, und nie wieder die Nämlichen. Je tausend Kalasirier des Jahrs, und ebenso viel Hermotybier, dienten als Leibwache des Königs: und Diese bekamen dann außer ihren Feldern noch Folgendes, Tag für Tag gereicht: an Gebäck Jeder fünf Minen im Gewicht, an Rindfleisch zwei Minen, an Wein vier Arysteren (Nösel). Das ward der jedesmaligen Leibwache gereicht.
169. Da nun Apries mit seinen Hülfsvölkern und Amasis mit allen Aegyptiern an der Stadt Momemphis sich begegnet waren, stießen sie aneinander, und so gut die Fremden kämpften, so wurden sie doch, als sie an Zahl weit Geringern, überwunden. Von Apries ragt man aber, sein Sinn wäre gewesen, daß ihn auch kein Gott des Königthums entsetzen könne: so fest dünkte er sich zu stehen. Allein damals wurde er im Treffen überwunden, und gefangen abgeführt nach der Stadt Sais, in sein vormaliges Haus, jetzt schon des Amasis Königs Burg. Da wurde er eine Zeit lang in der Königsburg unterhalten; auch behandelte ihn Amasis gut. Als aber endlich die Aegyptier ihm vorwarfen, er thue daran nicht recht, daß er seinen und ihren ärgsten Feind unterhalte, so übergab er nun erst den Apries den Aegyptiern. Diese erwürgten ihn, und begruben ihn hernach in den Gräbern seiner Väter, welche im Heiligthum der Athene sind, nächst am Tempelraum, vom Eingang linker Hand. In diesem Heiligthum innen begruben die Saiten alle Könige aus diesem Kreise. So ist auch das Grabmal des Amasis zwar weiter vom Tempelraum, als das des Apries und seiner Ahnen, indessen doch in einem Hofe des Heiligthms, eine große steinerne Halle, die mit Säulen, welche Palmbäume vorstellen, und mit sonstiger Pracht geschmückt ist. Zu dieser Halle steht eine Doppelthür, und innerhalb dieser ist die Grust.
170. Noch ist Dessen Gruft, des Narxen ich nicht für erlaubt halte, bei einer solchen Sache auszusprechen, in Sais, im Heiligthum der Athene, hinter dem Tempel, die ganze Wand der Athene entlang. Auch stehen in dem heiligen Bezirk große Spitzsäulen von Stein; und daran ist ein See, mit einem steinernen Rand eingefaßt und schon in der Rundung gearbeitet, der mir von derselben Größe zu seyn schien, wie der sogenannte Ringförmige in Delos.
(Thesmophorien aus Aegypten in den Peloponnes 1570.)
171. Und in diesem See geben sie Nachts die Darstellungen seiner Schicksale, welches die Aegyptier ihren Geheimdienst (Mysterien) nennen. Indessen hievon, obwohl ich ein Mehreres von der ganzen Art und Weise weiß, laßt mich reinen Mund halten. Auch von der Weihe der Demeter, welche die Hellenen Thesmophorien (Gesetzeinführung) nennen, laßt mich wiederum, obwohl ich davon weiß, reinen Mund halten, außer was daran offen und erlaubt ist. Es waren die Töchter des Danaus, welche diese Weihe von Aegypten hergebracht und den Pelasgischen Weibern gelehrt haben. Nachher aber, als dies im Peloponnes von den Doriern aufgejagt wurde, ging die Weihe verloren, und nur diejenigen Peloponnesier, welche noch zurück sieben und nicht verjagt wurden, die Arkadier, haben dieselbe noch erhalten.
(Amasis von 570 an.)
172. Nach solchem Sturz des Apries ward nun Amasis König, der aus dem Kreise von Sais stammte; und die Stadt, aus welcher er war, hat den Namen Siuph. Anfänglich verachteten die Aegyptier den Amasis und hielten keine großen Stücke auf ihn, wiefern er ja aus dem Volke herkam, und aus keinem angesehenen Hause war; hernach aber gewann sie Amasis auf eine weisliche, gar nicht unvernünftige Art. Er hatte, wie überhaupt unzählige Güter, auch ein goldenes Fußbecken, in welchem Amasis selbst sammt allen seinen Gästen immer die Füße wusch. Dieses zerschlug er sofort und machte ein Götterbild daraus, weiches er an dem gelegensten Platze der Stadt aufstellte. Nun gingen die Aegyptier zu diesem Bild hinaus, und verehrten es höchlich. Sobald aber Amasis Kenntnis hatte von dem Betragen der Leute, rief er die Aegyptier zusammen und gab die Erklärung: dieses Bild sey aus dem Fußbecken gemacht, worein die Aegyptier vordem gespieen, gepißt und ihre Füße darin gewaschen hätten: und jetzt verehren sie's höchlich. Nun aber erklärte er selbst im gleichen Fall mit dem Fußbecken zu seyn. Wenn er nämlich auch vordem Einer vom Volk gewesen: jetzt sey er doch ihr König. Darum sollten sie ihn ehren und auf ihn Acht geben. Auf solche Art gewann er die Aegyptier, daß es ihnen recht war, ihm zu dienen.
173. Bei seinen Geschäften aber hielt er folgende Einrichtung: des Vormittags bis zu der Zeit, da der Markt voll wird, 87 verrichtete er fleißig die vorkommenden Geschäfte: von da an aber trank er und verspottete seine Mitzecher, war leichtfertig und scherzhaft. Darüber wurden seine Freunde unwillig, und machten ihm Vorstellungen mit solchen Reden: "König, du vergißt dich selber, daß du dich allzusehr in Kleinlichkeit versinken lösest. Denn du solltest ernsthaft auf ernstem Throne den ganzen Tag deine Geschäfte verrichten: so würden die Aegyptier erfahren, wie sie von einem großen Mann beherrscht werden, und du würdest in einem bessern Rufe steh'n. Nun führst du dich aber gar nicht königlich auf." Hierauf antwortete er ihnen, wie folgt: "Wer einen Bogen hat, spannt ihn auf, wenn's ihn zu brauchen noth ist; hat er ihn aber gebraucht, so spannt er ihn ab. Denn wenn derselbe die ganze Zeit aufgespannt bliebe, so müßte er zerspringen, so daß er nicht mehr zu brauchen wäre, wenn's noth ist. So ist denn auch der Mensch eingerichtet. Wollte er immer ernstlich arbeiten, und nicht auch zum Theil dem Scherz sich hingeben, so müßte er unversehens zum Narren oder zum Stumpfsinnigen werden. In Erkenntniß Dessen, gebe ich jedem sein Theil."
174. Das gab er seinen Freunden zur Antwort. Noch sagt man von Amasis, daß er als gemeiner Mann schon trinklustig und spottluftig, aber durchaus kein ernsthafter Geschäftsmann war, und so oft ihm bei seinem Trinken und Wohlleben die Mittel ausgingen, auf Dieberei umging. Diejenigen nun, welche behaupteten, er habe ihre Sachen genommen, führten ihn, auf sein Leugnen, jedesmal vor das Orakel, welches sie gerade hatten; da er denn oft von den Orakeln überwiesen wurde, oft auch loskam. Wie er aber bereits König war, machte er's, wie folgt. Wo ihn ein Gott freigesprochen hatte, daß er kein Dieb sey, da nahm er sich nichts um sein Heiligthum an, und gab nichts zu dessen Erhaltung her, auch ging er nicht hin, um zu opfern; weil nämlich Diese alle nichts werth, und ihre Orakel trüglich erfunden wären. Wo sie ihn aber gepackt hatten, daß er ein Dieb sey, da nahm er sich ihrer ganz vorzüglich an, weil sie in Wahrheit Götter wären, und untrügliche Orakel gäben.
175. Auch errichtete er der Athene in Sais die bewundernswerthen Vorhallen, worin er alle (Vorgänger) weit überbot: so hoch lind so groß sind sie, und von solcher Größe und Beschaffenheit die Steine; sodann machte er große Hochbilder und mächtighohe Männersphinxe (Sphinxe mit menschlichem Gesichte), und schaffte auch sonst noch Steine von ungeheurer Größe zum Vorrath heran. Davon holte er die einen aus den Steinbrüchen bei Memphis, die mächtiggroßen aber aus der Stadt Elephantine, die von Sais eine Fahrt von zwanzig Tagen entfernt ist. Was ich aber darunter nicht zum wenigsten, sondern zum meisten bewundere, ist, daß er ein Haus aus Einem Steine von der Stadt Elephantine herbeischaffte, wozu man drei Jahre brauchte und wobei zweitausend Männer an der Zugarbeit angestellt waren, und zwar sämmtlich Steuermänner (Leute aus der Schiffercaste). Diese Kammer hat außen einundzwanzig Ellen in der Länge, vierzehn in der Breite und acht in der Höhe. Das sind die auswendigen Maße dieser Kammer aus einem Stein; innen aber hat sie achtzehn Ellen und fünf Handbreiten in der Länge, zwölf Ellen in der Breite und fünf Ellen in der Höhe. Dieselbe steht am Eingang des Heiligthums. Denn in das Heiligthum hinein, behauptet man, sey sie deßwegen nicht gezogen worden, weil der Baumeister der Kammer, während man daran zog, über den großen Zeitaufwand aus Ueberdruß am Werke aufgeseufzt habe, worüber Amasis im Innern sich so getroffen fühlte, daß er nicht mehr fortziehen ließ. Wiederum sagen auch Einige, es sey ein Mensch, der am Hebelwerk mitarbeitete, dabei umgekommen: und daher sey sie nicht hineingezogen worden.
176. Noch weihte Amasis auch in allen übrigen namhaften Heiligthümern Werte von sehenswerther Größe; darunter auch in Memphis das auf dem Rücken liegende Hochbild, nahe am Hephästustempel, welches fünfundsiebzig Fuß Länge hat. Und auf demselben Fußgestell stehen zwei Hochbilder, die von Aethiopischem Steine sind, jedes zwanzig Fuß groß, das eine rechts, das andere links von dem großen. Auch ist in Sais ein ebenso großes von Stein, in derselben Lage, wie das in Memphis. Endlich ist Amasis auch der Erbauer des Isisheiligthums in Memphis, welches groß und sehenswürdig ist.
177. Gerade damals, unter König Amasis, soll Aegypten im höchsten Segen gestanden haben, sowohl in Dem, was der Fluß dem Lande, als was das Land dem Menschen leistet. Und es habe im Ganzen zwanzigtausend bewohnte Städte gehabt. Dann ist auch folgendes Gesetz der Aegyptier eine Einrichtung von Amasis, daß Jahr um Jahr jeder Aegyptier bei dem Kreisobersten sich ausweisen mußte, wovon er lebte, und, wo er Das nicht that, oder keine rechtliche Lebensart darthun konnte, mit dem Tode bestraft wurde. Dieß Gesetz hat der Athener Solon aus Aegypten genommen und den Athenern gegeben, bei welchen es, als ein untadliges Gesetz, für immer gilt.
178. Als Hellenenfreund bewies sich Amasis überhaupt gegen ein und andere Hellenen. Besonders aber hat er Denen, welche nach Aegypten kommen, die Stadt Naukratis zur Niederlassung gegeben; Andern aber, welche sich nicht niederlassen wollen, und nur Schifffahrt dahin treiben, gab er Plätze zur Stiftung von Altären und Bezirken für die Götter. Nun haben den größten Bezirk, der auch der berühmteste und nutzbarste ist, das sogenannte Hellenium, folgende Städte gemeinschaftlich gestiftet; einmal von den Ioniern: Chios, Teos, Phocäa und Klazomenä; dann von den Doriern: Rhodus, Knidus, Halikarnaß und Phaselis; endlich von den Aeoliern: die einzige Stadt der Mitylenäer. Diesen gehört dieser Bezirk; und auch die Vorsteher des Hafens werden von diesen Städten gegeben. Alle andern Städte, die auch Ansprüche darauf machen, thun Das, ohne solche wirklich zu haben. Nur besonders haben noch die Aegineten für sich einen Bezirk des Zeus gestiftet, auch die Samier einen der Hera, und die Milesier des Apollo.
179. Und vor Alters war Naukratis - allein ein offener Hafen. Wenn nun Einer zu irgend einer andern Mündung des Nil heran kam, so mußte er schwören, komme nicht mit Fleiß hieher, und hatte er's abgeschworen, erst mit dem nämlichen Schiff zur Kanobischen (Mündung) fahren; im Fall er aber nicht im Stande war, gerade gegen widrigen Wind zu fahren, so mußte er seine Waaren in Flößen um das Delta herumführen, bis er endlich nach Naukratis kam. So hoch war Naukratis bevorzugt.
(Delphischer Tempelbrand 548. Vergl. I, 50.)
180. Als die Amphiktyonen den Aufbau des jetzigen Tempels in Delphi um dreihundert Talente verdungen (der früher eben dort befindliche war nämlich von selbst abgebrannt), und hiebei die Delphier ein Viertheil an bedungenen Lohn zu leisten traf; da denn Diese überall herum in den Städten Beisteuer sammelten: so kamen sie bei dieser Gelegenheit in Aegypten nicht am schlechtesten weg. Denn Amasis gab ihnen tausend Talente Alarm, und die in Aegypten ansäßigen Hellenen zwanzig Minen.
181. Noch stiftete Amasis mit den Cyrenäern Freundschaft und Streitgenossenschaft; ja er hielt für gut, auch von dorther eine Frau zu nehmen, entweder aus Luft nach einem Hellenischen Weibe, oder sonst der Freundschaft mit den Cyrenäern zu lieb. Da nahm er nach Einigen die Tochter von Battus, nach Andern von Arcesilas, nach Andern von Kritobulus, einem ehrenhaften Mann unter den Bürgern, deren Name Ladice war. Als nun Amasis bei Dieser schlief, war er nicht im Stande, sich mit ihr zu vermischen, während er doch der andern Weiber genießen konnte. Und als Das zum öftern so war, sprach Amasis zu eben dieser Ladice: "Weib! du hast mir's angethan: nun hilft aber auch alles nichts, du mußt des ärgsten Todes sterben, den je ein Weib erlitt!" Da sich tun Amasis durch kein Läugnen besänftigen ließ, gelobte Ladice der Aphrodite in ihrem Sinn, wenn sich in dieser Nacht Amasis mit ihr vermischen würde (wodurch sie noch gerettet werden könnte), werde sie ihr ein Bild nach Cyrene schicken. Sofort nach diesem Gelübde vermischte sich Amasis mit ihr: und so oft er von nun an zu ihr kam, konnte er's, und hatte sie hernach recht lieb. Ladice aber leistete ihr Gelübde an die Göttin. Sie ließ nämlich ein Bild machen, und sandte es nach Cyrene, wo es noch zu meiner Zeit erhalten war. Seine Stellung ist aus der Stadt der Cyrenäer hinausgerichtet. Dieselbe Ladice hat Kambyses, als er sich zum Herrn von Aegypten gemacht hatte, gefragt, Wer sie sey, und darauf unverletzt nach Cyrene geschickt.
182. Amasis hat auch Weihgeschenke nach Hellas gestiftet; einmal nach Cyrene das vergoldete Athenebild und ein gemaltes Bildniß von sich; dann der Athene in Lindus zwei Bilder von Stein und einen sehenswerthen Panzer von Linnen; dann nach Samos der Here zwei Bildnisse von sich in Holz, die bis auf meine Zeit noch im großen Tempel hinter der Thüre stehen. Und zwar nach Samos sandte er die Weihgeschenke wegen seiner Gastfreundschaft mit Polykrates, dem Sohne des Aeakus; nach Lindos aber um keiner Gastfreundschaft willen, sondern weil das Heiligthum der Athene in Lindos die Töchter des Danaus sollen gegründet haben, als sie dort anlandeten auf der Flucht vor den Söhnen des Aegyptus. Das sind die Weihgeschenke des Amasis. Endlich ist er der Erste, der Cypern genommen, und es sich unterworfen hat zur Zinsessentrichtung.
59 Der Aegyptische Schönus betrug (wie man aus eben diesem Capitel ersieht) sechzig Stadien, also (da vierzig Stadien auf eine geograph. Meile kommen) anderthalb geograph. Meilen; Dem gemäß der Parasang (die Persische Meile) dreiviertel geograph. Meilen. Die Klafter, eine gestreckte Mannslänge, mißt sechs Fuß.
60 Vielleicht Ochsen.
61 Oder die Phatnitische.
62 Vergl. IV, 182.
63 Vergl. IV, 49.
64 Die Griechen hatten öffentliche Abtritte. S. Casaubonus zu Theophrasis Characteren 14.
65 Vergl. Cap. 77.
66 Nach andern Handschriften: "Wenn sie erst der Isis gefastet und ihr Gebet verrichtet haben, opfern sie ihr den Stier, ziehen ihm dann die Haut ab, und nehmen sofort den leeren Wanst ganz heraus."
67 S. Cap. 47. Nach Andern Schafe (Cap. 42.).
68 Cap. 43.
69 Eine in Löchern lebende Gänse- oder Entenart.
70 Unter diesem Namen scheinen mehrere Vögel mit spitzigem, sägeförmigem Schnabel begriffen gewesen zu seyn.
71 Dieser Name bezog sich wahrscheinlich auf die Leiche des Gottes Osiris. Vergl. Cap. 90.
72 Bret (oder vergl.).
73 Diese Verse stehen Il. VI, 290. ff., welches von den spätern Grammatikern nicht so überschrieben war, wie es Herobot hier angibt. Es hieß nämlich "Hector's und Andromache's Unterredung," während das vorhergehende fünfte Buch den Titel hat "Diomedes Szeldenpreis." Dieser paßt jedoch ganz wohl auch noch auf das sechste. In Herodot's Ausgabe waren vielleicht beide ein Buch.
74 IV, 227.
75 IV, 351.
76 Pherecydes, Pythagoras u.
77 Zwei Millionen, zweihunderttausend Reichsthaler.
78 Vergl. II, 83. 152. 155. 156.
79 Vergl. Thucyd. I, 110. Dieser froh in dieselben Sumpfgegenden, als die Athener in Aegypten von dem Perserfeldherrn Megabazus aufgerieben, und die Aegyptier wieder dem Perserkönig Artaxerxes Langhand unterthan wurden; zur Zeit der Blüthe Herodot's.
80 Andere: "und haben bei den Menschen gewohnt."
81 II, 43.
82 Andere: "tausend und sechzig."
83 Cap. 43 - 49. 52.
84 Andere: "zwölf Höfe und eben so viel Zimmer."
85 Vergl. III, 5.
86 IV, 159.
87 10 Uhr.