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3 Benjamin

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Schmerzen! Es tut alles weh. Vor allem der Kopf. Wo bin ich? Was passiert mit mir? Warum diese Schmerzen?

Plötzlich wird es gleißend hell. Ich schließe die Augen, aber das Licht dringt durch die Lider und blendet mich nun in Rot. Ich will schreien, aber es scheint mir, dass kein Ton meine Lippen verlässt. Ich will um mich schlagen, wegrennen, irgendwas tun. Aber ich scheine gefesselt. Gefesselt und geknebelt.

Dann setzt plötzlich der Lärm ein. Kreischende Geräusche. Geschrei. Ich werde geschubst und geschlagen. Mein Gott, wo bin ich? Was passiert mit mir?

Die Schmerzen werden immer stärker. Alles verschwimmt mir noch mehr vor Augen, wird undeutlicher. Ich verstehe nicht, was die Menschen, die mich anbrüllen, von mir wollen. Aber ich kann doch gar nicht antworten, solange ich geknebelt bin. Aber das ist alles egal. Ich spüre nur noch die Schmerzen. Schmerzen. Schmerzen…

Schwer atmend wache ich auf.

Ich sitze in meinem Sessel. Mein Sessel ist mein Ruhepol. Ein alter, rot bezogener Ohrensessel. Er steht am großen Fenster zur heimischen Terrasse und gibt mir einen unfassbar schönen Blick über die Landschaft am Rand von Frühlingsfelde. Der Blick geht über das Tal, über das sich Frühlingsfelde leicht erhebt. Dieser Blick hat mich mein Leben lang beruhigt und getröstet. Ich habe ihn nach meinem ersten verlorenen Fußballspiel, nach meiner ersten 5 in Mathe und nach meiner ersten Enttäuschung in Liebesdingen genossen. Und er hat geholfen. So auch diesmal.

Ich kann voll in diesem Blick aufgehen. Im Hintergrund höre ich weit entfernt Sirenen und einen Hubschrauber, doch ich bin ganz bei mir und dem Blick. Zwischendurch schießen mir immer wieder Momente der Angst und des Schmerzes in den Körper. Aber diese Erinnerungen an den Traum verblassen allmählich gegenüber der Macht des Blicks.

Er hat mich noch nie enttäuscht, er war immer da. Anders als die Menschen um mich herum, anders als alles, was ich in der Stadt erlebt habe. Der Blick ist für mich da. Die Felder und die Hügel. Die Bäume des kleinen Wäldchens auf der linken Seite. Der Bach, von dem ich erahne, wie er aus dem Wäldchen nach rechts fließt. Alles ist da. Auch der Horizont.

Ganz früher habe ich mir immer vorgestellt, dass dahinter wohl der Ozean sein muss. Ich habe davon geträumt, irgendwann einmal darauf zu fahren. Ferne Länder zu besuchen. Fremde Menschen kennenzulernen. Andere Kulturen zu erfahren. Und zu helfen. Wie meine Eltern. Meine großen Vorbilder.

Diese Wünsche haben sich mit der Zeit erledigt.

Aber der Blick ist geblieben. Das ruhige Gefühl, das er erzeugt. Der innere Frieden, wenn ich in dem Sessel sitze.

Wie kann es sein, dass ich in dieser Umgebung einen solch heftigen und schlimmen Traum habe?

Die Zeit in der Stadt schießt mir ins Gedächtnis. Menschen, mit denen ich Zeit verbracht habe. Menschen, mit denen ich oberflächlichen Spaß hatte. Menschen, die mich gleichzeitig als „Landei“ verspotteten.

Ist es dieser Konflikt, diese Unehrlichkeit, die solch einen Traum zur Folge hat? Ist dieser Traum die Strafe für mein Leben in der Stadt? Dieses Leben, das so wenig mit mir und meiner wahren Persönlichkeit zu tun hat? Das Leben, in dem ein Landei so tut, als sei es ein Städter?

Diese Gedanken können ja nur Kopfschmerzen machen. „Also lass' sie doch bleiben und genieß' die Aussicht“, sage ich mir. Mein Blick schweift über die Felder, die Wiesen und das Wäldchen. Vereinzelt hüpfen und fliegen ein paar Tiere durch das Bild. Ansonsten fühle ich mich beruhigend alleine. Nur ich, der Blick und mein Sessel.

Und die Gedanken an früher. Damals, als das Leben noch geregelt lief. Morgens in die Schule, mittags nach Hause, essen, ein paar Hausaufgaben erledigen und raus. Treffen mit Freunden. Anfangs zum Spielen, später zum Rumhängen. Auch wenn wir nicht in der Großstadt lebten, fühlten wir uns doch wie alle Teenager: unschlagbar und unsterblich.

Und so mischten wir das ganze Dorf auf. Ärgerten die Nachbarshunde, klauten Blumen in Vorgärten und ritzten unsere Initialen in Parkbänke.

Dumm nur, dass uns jeder kannte.

Ich hatte aber weiterhin das Glück, dass meine Eltern auch anderen gegenüber ihren Lieblingssatz vertraten: „…es gibt so viel Schlimmeres in der Welt!“

Womit sie sich in diesen Fällen nicht gerade Freunde machten. Doch das Besondere an Frühlingsfelde war und ist, dass sie deshalb nicht zu Außenseitern wurden. Und ich nicht zum „Sohn von den Spinnern“, wie es bestimmt an anderen Orten der Fall gewesen wäre.

Nein. In Frühlingsfelde freuen sich immer alle, wenn meine Eltern mal da sind. Sie freuen sich, uns alle zu sehen. So ist Frühlingsfelde.

Solche Gedanken entstehen, wenn ich in meinem Sessel sitze und nach draußen blicke.

Mein Sessel.

Wie war ich nur hierhergekommen?

EinBlick

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