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Gespräche verlaufen selten wie geplant

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Schon meine Gedanken stürmten in einer Menge und Geschwindigkeit in mein Bewusstsein, dass ich nicht an ihnen halten konnte, denn so schnell zogen sie weiter, um neuen Eindrücken Platz zu machen. Das Problem bekam eine zusätzliche Dimension, wenn ich meine Gedanken mit anderen teilte. Vor allem verliefen Gespräche so schnell, viel zu schnell. Man konnte gar nicht schnell genug reagieren. Nie hatte ich das Gefühl alles zu gesagt zu haben, was ich wusste bzw. was relevant war. Zum Ende hin blieb so viel offen, dass noch gesagt werden müsste. Die Dynamik in Gesprächen führte zu unreflektierten Reaktionen. Häufig fühlte ich mich falsch verstanden. Ich fühlte mich immer wieder wie in einem Film, der einmal gestartet, abläuft bis zum Nachspann. Alles ist vorbestimmt. Eine Intervention ist unmöglich.

Nur in meinen Monologen dachte ich tatsächlich, was ich in Dialogen gerne gesagt hätte. Wieso wusste ich so viel mehr, als ich zu sagen wusste? Ich würde Fortschritte machen, aber es würde immer wieder Leute geben, die eloquenter sind. Immer wieder entschied nicht das Gewicht von Argumenten den Gesprächsausgang. Das lag auch an gekonnten Inszenierungen. Der Einsatz von Stilmitteln wie Lautstärke, Dreistigkeit, Penetranz und Empörung waren gesprächsbegleitende Emotionen mit einschüchternder Wirkung. Da gab ich schnell klein bei.

Meine einzige Waffe gegen Einschüchterung wurde es, mich immer wieder auf den Gesprächsgegenstand zu beziehen. Mit aller Kraft versuchte ich, mich emotionalen Anschlägen zu erwehren, auch indem ich versuchte, selbst möglichst emotionslos zu antworten. Ich versuchte auf der Ebene zu bleiben, die ich verstand.

Viele Jahre später würde ein Kommunikationstrainer bei einem Vortrag folgenden Satz sagen: „Ihr müsst das Gespräch immer wieder auf die Sachebene zurückführen“

Dieser Satz löste bei mir ein kleines Déjà vu aus. Genau das war damals auch meine Intention.

Da wo sich Gespräche anbahnten, bereitete ich mich zudem zukünftig auch noch vor. Ich machte mir Notizen und entwickelte Argumentationsstrategien. So handhabte ich das auch, als ich für Sabine schwärmte. Ich brachte einfach meinen romantischen Monolog zu Papier. Dann fasste ich alles auf einer kleinen Karte (A6) in kurzen prägnanten Wendungen zusammen. So konnte ich beim Vortrag jede Windung meiner Gedanken in Worte fassen. Als ich die Karte in der Art anwendete, wie ich das im Fernsehen bei Moderatoren in Interviews gesehen hatte, reagierte mein Schwarm enttäuscht.

„Wie unromantisch und unecht“, waren ihre enttäuschten Worte. Und eine Freundin ergänzte: „Wahre Gefühle sprudeln doch einfach aus dem Herzen direkt durch Augen und Mund heraus.“

Mein Geschenk, ein kleines Penatencreme®-Pröbchen nahm sie trotzdem. Ich war resigniert. Verstehen konnte ich das nicht. Wie sollte ich etwas sprudeln lassen, wenn ich einen Kloß im Hals hatte. Das Problem lag doch genau darin, dass es mir technisch nicht gelang, die vorhandenen und registrierten wahren Gefühle rauszulassen. Eloquenz war mir nicht angeboren.

Trotz des ausbleibenden Erfolgs entwickelte ich meine Methode weiter. Einige fanden mich dann gefühlskalt. Aber ich empfand es als gefühlskalt, wenn man mich mit Emotionen erschlug, die ich nicht händeln konnte. Der Bezug auf die Sachebene, machte mich sicherer. Ich redete über das, was ich verstand. Die emotionale Auseinandersetzung brauchte noch viel Geduld und Übung. Noch heute ist mir die Befindlichkeit eines Gesprächspartners nicht immer klar. Menschen können sehr subtil sein.

Jahrgang 1963 - Eine Kindheit unter dem Einfluss der Kriegsgeneration und progressiven 68er

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