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2. Kapitel

„Die Nacht war wundervoll, hm?“

Alex streckte den rechten Arm aus. Albert Krümmer döste noch vor sich hin.

„Ja, aber vielmehr als die letzten Tage hast Du auch nicht geschlafen“, murmelte er.

„Na und?“ Ihre Zunge liebkoste sein linkes Ohr. „Aber Du auch nicht.“

Wo sie recht hatte … er konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Außerdem vollbrachte ihre Zunge Wunder darin, seine Gedanken in ganz andere Bahnen zu lenken.

„Ich hab heute keine Lust, zur Berufsschule zu fahren“, seufzte er.

„Na, dann machen wir eben blau.“ Sie rückte etwas näher an ihn heran.

„Geht nicht. Ich muss unbedingt die Prüfung schaffen. Sonst kann ich meine Mechanikerstelle vergessen.“

„Warum reparierst Du die Bremsen denn nicht selbst?“

Natürlich musste sie das fragen … sie dachte ja, es ging nur um die Bremsen. Wenn Du wüsstest, dachte Albert.

„Geht nicht. Krieg’ ich vielleicht noch unter Garantiefall durch.“

Eine lahme Ausrede, aber was Besseres fiel ihm nicht ein. Ihre straffe Brust drückte sich verlockend gegen seinen Ellenbogen und seine Gedanken schweiften unweigerlich zurück zur letzten Nacht.

„Naja, vielleicht hast Du recht. Ich ruf’ nachher mal bei Baumeister an. Haben wir halt die Grippe.“

Ernst Baumeister erschien gegen 10.00 Uhr auf der Bildfläche.

„Der Al und die Al“, witzelte er. Für diesen dummen Spruch spießte Alex ihn regelrecht mit ihren Blicken auf.

„Schaust Du mal, ob wir noch warmen Kaffee haben?“, fragte Albert sie.

Sie küsste ihn und verschwand im Haus.

„Also, Al. Was ist hier los? Ich sehe an Deinem Gesicht, dass es hier nicht um eine Überprüfung der Bremsen geht.“

Albert Krümmer erzählte seinem Freund, was gestern vorgefallen war. Auch die Beobachtung, die Alex gemacht hatte, ließ er nicht aus. Er wusste, wie es klingen musste, aber er musste das geklärt haben.

„Gut, dann nehmen wir den Wagen mal auseinander.“ Ernst rollte seine Ärmel nach oben. „Weißt Du, Al, jeden Anderen würde ich für verrückt erklären. Aber, wir kennen uns einfach zu lange, was?“, lachte er.

„Ja, wahrscheinlich“, stimmte Albert zu. Er fühlte sich erleichtert. Sie machten sich an die Arbeit.

„Woher, sagst Du, kam die Stimme?“

„Von überall. Als käme sie von allen Seiten.“

„Hmmmm. Sehen wir uns zuerst mal den Kofferraum an. Wenn dann machen wir das richtig.“

Die Beiden gingen zur Rückseite des Wagens. Albert Krümmer öffnete den Deckel des Kofferraums. Er erwartete nicht, viel zu sehen. Auf jeden Fall nicht das, was sie zu sehen bekamen. Doch zuerst war da der Gestank, unbeschreiblicher Gestank.

Fassungslos starrten die Beiden auf den Inhalt des Kofferraums. In einem aufgeschlitzten Sack starrte ihnen das verunstaltete Gesicht einer Frau entgegen. Der Kofferraum wirkte fiel zu klein für ihre Gestalt. Verkrümmt und verdreht schien ihre blasse Hand mit den blauen und eingerissenen Fingern um Hilfe zu bitten.

Sie mochte noch keine dreißig gewesen sein. Der Verwesungsprozess hatte schon eingesetzt. Maden krabbelten über die Leiche der Frau, fielen aus ihrem Mund und von ihrer geschwollenen, blauen Zunge und aus ihren Augenhöhlen. Dicke, fette Maden, satt und fett gefressen, die sich unter der Haut durcharbeiteten und sich in endlosen Massen in den Wunden tummelten … Albert taumelte zurück. Ernst hatte die Hand über seinen Mund geschlagen.

„Wir müssen das der Polizei melden“, presste er zwischen seinen Fingern hervor.

Die beiden Jungen und das Mädchen, die mir gegen 11.00 Uhr in meinem Büro gegenübersaßen, sahen verstört aus. Ich war innerhalb der letzten drei Jahre zum Leiter der Mordkommission befördert worden.

„Kühn, ... Randolph Kühn“, stellte ich mich vor und reichte allen die Hand. Mit einer knappen, aber einladenden, Geste wies ich den Dreien Platz zu nehmen.

Mir wurde berichtet, was passiert war. Zumindest versuchten sie es. Ich hatte einiges zu tun, die wirren Geschichten zu ordnen. Es spielte keine Rolle, ob ich Ihnen glaubte oder nicht. Es war meine Aufgabe der Sache nachzugehen. Ich schickte einen Streifenwagen zu der Stelle, wo der BMW abgestellt worden war.

„Und der Wagen ist die ganze Nacht nicht bewegt worden?“, fragte ich, während wir uns in meinem Dienstwagen auf der Fahrt zum Haus der Krümmers unterhielten.

„Ich habe bei Al, ... bei Herrn Krümmer übernachtet“, gestand das Mädchen.

Soso, dachte ich.

„Aha, also ein Alibi, wie? Hat jemand Nachschlüssel?“

„Nicht, dass ich wüsste“, antwortete Krümmer. „Aber ich glaube, ich hab’ vergessen, den Kofferraum abzuschließen, gestern Abend.“

„Das war natürlich eine Glanzleistung von Ihnen“, sagte ich schärfer als beabsichtigt. Es war nicht so, als würde ich von einem grünen Jungen wie ihm Umsicht erwarten.

„Ich hab’ mit der Sache nichts zu tun“, schrie Krümmer fast. Ich konnte mir regelrecht vorstellen, wie er im Stimmbruch geklungen haben musste.

„Schon gut! Beruhigen Sie sich, Herr Krümmer. Aber die Geschichte, die sie mir da vorhin erzählt haben, mit der Stimme, ...“, setzte ich kopfschüttelnd an.

„Sie halten mich für verrückt, ja?“

Oder wahlweise für jemanden, der zu tief ins Glas geschaut hatte, dachte ich, aber ließ mir nichts anmerken.

„Durchaus nicht. Aber wir müssen eine vernünftige Erklärung dafür finden, Herr Krümmer. Das müssen Sie doch einsehen. Sie sagen, die Stimme war im Wageninneren? Also haben Sie den Kofferraum durchsucht?“

„Dazu sind wir gar nicht erst richtig gekommen“, mischte sich nun Ernst Baumeister ein. Er schien der Ruhigste der Drei zu sein.

Alexandra Meisner hingegen war wenig hilfreich, ob nun Schock oder Trotz der Auslöser war, sie schwieg beharrlich.

„Wir sind gleich da. Und ich zweifle auch nicht an Ihrem Verstand, Albert.“ Unwillkürlich nannte ich den Jungen beim Vornamen. Es half vielleicht, die Spannung abzubauen. „Die Tatsachen stimmen, falls es sich um den Wagen handelt, den Sie mir beschrieben haben. Wir haben ihn damals verkaufen lassen, aber das lag nicht mehr in meiner Zuständigkeit. Ich war damals jedenfalls mit dem Fall betraut. Es ist tatsächlich ein Mord darin verübt worden.“

Auch Ernst Baumeister sah jetzt etwas erschrocken aus. Ich hielt vor dem Haus und stellte den Motor ab. Die Kollegen waren bereits eingetroffen. Sie standen um den Wagen herum. Ich stieg aus, und meine Fahrgäste folgten.

„Herr Kommissar?“

Einer der Streifenbeamten kam auf mich zu.

„Mein Name ist Zimmermann“, stellte er sich respektvoll vor. „Hören Sie. Wir haben im Kofferraum ... nichts entdecken können.“

„Wie bitte?“, fragte ich.

„Da ist absolut nichts“, wiederholte der Beamte.

Einigermaßen verärgert starrte ich die Drei an. Hatten sie sich einen Scherz mit mir erlaubt und eine falsche Anzeige gemacht?!

„Also!“ sagte ich scharf, „was geht hier vor?!“ Ich wollte eine Antwort. Meine Zeit war nicht so großzügig gestreut, dass ich sie gerne verschwendete.

„Wir haben die ... äh ... Tote gesehen“, verteidigte sich Ernst Baumeister. „Albert und ich!“

„Also gut“, sagte ich. „Albert Krümmer hat Ihnen von der Stimme, die er angeblich gehört haben will, erzählt. Dann hat Ihnen auch noch Frau Meisner hier ... berichtet, dass sie einen Toten am Steuer sitzen sah, gestern Abend. ... Begreiflich, dass Sie sich, infolge des Schocks, durchaus eingebildet haben könnten, eine Leiche zu sehen, Herr Baumeister. Und Sie“, ich deutete auf Krümmer, „sagen Sie die Wahrheit. Wie haben Sie von dem Mord in dem Wagen Kenntnis erhalten? Durch die Zeitungen von vor drei Jahren? Dann haben Sie einen Freund beauftragt, Frau Meisner zu erschrecken, indem er sich als Toter hinter das Steuer des Wagens setzt. Ich will Sie, Krümmer, Morgen in meinem Büro sehen! Und wenn Sie bis 11.00 Uhr nicht erschienen sind, lasse ich sie abholen“, stellte ich klar und mit diesen Worten stapfte ich zu meinem Wagen zurück.

War ich zu hart gegen den Jungen vorgegangen? Aber ich konnte unter den gegebenen Umständen, und ohne konkreten Verdacht, keine weitere Untersuchung des Wagens anordnen – oder mir eine derartige Zeitverschwendung leisten. Nein, Krümmer musste sich einer Untersuchung unterziehen und sich für diesen Fehlalarm verantworten. Da würde er nicht drum rumkommen. Aber trotzdem ging mir die Sache den ganzen Tag nicht aus dem Kopf.

Die Drei standen um den BMW herum. Sie sahen zu, wie die Streifenwagen verschwanden.

„Die erklären uns für verrückt“, sagte Baumeister tonlos.

„Hauptsächlich haben sie es auf mich abgesehen.“ Albert Krümmer senkte bei diesen Worten den Kopf.

„Ich schlage vor, wir machen eine kleine Spritztour. Vielleicht fällt uns was Besonderes auf“, schlug Ernst vor. Die Euphorie über diese Idee hielt sich allerdings in Grenzen.

Die Drei stiegen widerwillig in den BMW.

„Wenn ihr mich fragt, passiert überhaupt nichts“, erklärte Krümmer im Brustton der Überzeugung. Vielleicht wollte er sich selbst beruhigen.

„Meinst Du?“, fragte Baumeister zweifelnd, der das Steuer übernommen hatte.

Er war ein guter und sicherer Fahrer, obwohl er erst seit wenigen Wochen den Führerschein besaß. Er und Albert hatten die Prüfung zusammen bestanden. Alexandra Meisner, die ein Jahr jünger war, hatte selbstverständlich noch keine Fahrerlaubnis.

„Ich bin ziemlich sicher. Wer auch immer dafür verantwortlich ist, hat es auf mich abgesehen“, murmelte ich bitter.

„Ich könnte Dir den Gefallen tun und Dir zustimmen … würdest Du Dich dann besser fühlen?“ Ein tiefes Lachen füllte den Raum. „Tut mir leid, Du irrst Dich, Krümmer.“ Ein tiefer, beunruhigender Kehllaut. Ernst fuhr krampfhaft geradeaus, Albert fühlte ein Zittern in seinen Händen, während sich Alexandra blass in die Rückbank drückte.

„Ich möchte Deine Freunde auch an unserem kleinen Spielchen teilhaben lassen. Hat euch das kleine Schauspiel gefallen? Wie dumm von euch, gleich zur Polizei zu laufen.“

„Vorsicht, rot!“, warnte Krümmer. Der BMW schaffte es, genau auf der Linie zum Halten zu kommen.

„Ihr habt sie also auch gehört?“, fragte Baumeister gepresst atmend.

„Ja“, bestätigten die beiden ängstlich. „Natürlich haben sie mich auch gehört. Wisst ihr, wer ich bin? Es spielt keine Rolle … für euch bin ich der Tod. Und ich werde euch alle holen. Es wird mir eine Freude sein. Nur die Elite stirbt jung, richtig?“

„Woher kommt nur diese Stimme?“, fragte Alex hysterisch. „Halt an, Ernst! Ich ... mir ist schlecht“, würgte sie.

„Aber, aber. Sie werden doch nicht gleich die Nerven verlieren …? So ein selbstbewusstes und hübsches Mädchen sollte nicht Quieken wie eine überfahrene Maus. Mit Ihnen werde ich ganz charmant abrechnen“, versprach er mit leiser Stimme. Das Wispern war fast schlimmer als das laute Lachen. “Keiner von euch wird das hier überleben. Bedankt euch bei eurem Freund Albert hier. Er wollte nicht auf mich hören. Wollte den Wagen nicht verkaufen. ... Jetzt steckt ihr bis zum Hals mit drinnen.“

Baumeister steuerte auf einen Parkplatz.

„Warum hier anhalten, Baumeister? Fahr weiter, fahr ruhig weiter“, amüsierte sich die Stimme.-

„Ich ... kann nicht“, stammelte Ernst gepresst. Es mochte nur eine Stimme sein, aber die Bedrohung fühlte sich real an.

Wieder ertönte dieses Lachen.

„Du willst also jetzt sofort sterben? ... Ich denke, das wäre doch zu einfach. Ich werde mir einen nach dem anderen von euch vornehmen …“ Ein kurzer Atemzug, ein Schnauben. „Einen … nach … dem … anderen.“

„Was haben wir Dir getan?“, verzweifelte Albert.

„Ihr habt den Wagen. Es ist der Wagen, versteht ihr? Nein, das versteht ihr nicht, oder? Ihr seid zu

dämlich dazu, das zu verstehen. Was wäre, wenn ich sagen würde, dass ich zu meinen Lebzeiten den Wagen gefahren habe? Oder vielleicht ... hätte ich ihn gern gefahren …“ Schweigen. Es rauschte. Unangenehmes weißes Rauschen, bevor die Stimme wieder das Auto füllte. „Aber dann hat ihn mir diese andere Person … dieses hintertriebene Miststück, den Wagen vor der Nase weggeschnappt. Meinen Wagen. Dafür hat sie bezahlt, mit ihrem Leben. Aber das ist nicht genug. Wenn ich ihn nicht haben kann, soll ihn niemand haben …“

„Und, ... wenn ich ihn wieder verkaufe?“, presste Albert hervor.

„Als würde ich euch deshalb leben lassen, Du hattest Deine Chance, Krümmer. Ich sagte bereits … für euch bin ich der Tod.“

Einige Zeit herrschte Schweigen.

„Und Sie, werte Frau Meisner, haben mich gestern Abend sogar gesehen, als ich hinter dem Steuer gesessen habe.“

„Das ...“ Als die Stimme ihren Namen aussprach, hatte ihre Unterlippe angefangen zu zittern.

„Und deshalb ... werdet ihr alle sterben. Ich bringe euch alle um“, zischte die Stimme. „Verkauft den Wagen, es wird euch nicht helfen. Versucht zu fliehen, es wird euch auch nichts nützen. Der Tod ist überall.“

Danach … nichts mehr, aber dieses Stille machte es nicht besser. Die Drei waren nur noch Schatten ihrer Selbst. Es fühlte sich nicht an wie ein Scherz, nicht mal wie ein schlechter.

„Wir fahren zurück“, sagte Baumeister stockend. „Das ist einfach zu viel für mich“, gestand er leise.

Sie fuhren ohne weitere Zwischenfälle zum Haus der Krümmers zurück. Sie brachten es nicht über sich, sich anzuschauen oder noch ein Wort über den Vorfall zu verlieren. Es war klar, dass die Polizei ihnen nicht glauben würde …

Ich steuerte mein Büro an. Das Mittagessen in der Kantine war fürchterlich.

„Entschuldige, dass ich Dich störe.“

Hinter meinem Schreibtisch saß Kriminalassistent Roderich Seik.

„Was kann ich für Dich tun?“

„Ich habe in der Sache ermitteln lassen. Ich meine, ich habe Krümmers Vergangenheit überprüft. Er absolviert derzeit eine Berufsfachschule, die sich auf Automechanik spezialisiert hat.“

„Ja, und?“, fragte ich, nur halb interessiert.

„Er hat dort einen untadeligen Ruf. Beste Noten. ... Und nun kommen wir zum Kernpunkt. Vor zwei Tagen ist einer seiner Mitschüler ... verschwunden.“

„Verschwunden?“ Das wiederum sicherte Seik meine volle Aufmerksamkeit.

„Sein Fiat ist mit einem Totalschaden in einem Waldstück gefunden worden. Aber von ihm selbst fehlt jede Spur“, lieferte Seik mir weitere Details.

„Wie heißt der Junge?“ Ich kaute auf meiner Unterlippe.

„Norbert Klein.“

Norbert Klein, wiederholte ich in Gedanken, doch der Name sagte mir nichts.

„Ja, und weiter?“, fragte ich.

„Nichts weiter. Ich dachte, es besteht da vielleicht in irgendeiner Weise ein Zusammenhang …“ Seik zuckte mit den Schultern.

„Du verrennst Dich da in was, Roderich. Das ist einfach ...“ An den Haaren herbeigezogen, lag mir auf der Zunge, aber ich verkniff es mir.

Mein Untergebener rang nach Worten.

„Weißt Du, mir gefällt die Sache auch nicht“, seufzte ich. „Aber ich kann – und das habe ich euch heute schon mal gesagt - keine Untersuchung in dieser Sache anordnen. Aber irgendwas ist oberfaul, da hast Du wohl recht. Wir sollten Krümmer vielleicht doch im Auge behalten. Ich habe morgen früh ein Gespräch mit ihm.“

„Wie ist die Sache vor drei Jahren eigentlich ausgegangen?“, wollte Seik plötzlich wissen, während er sich aufsetzte.

„Naja, Du kennst doch unseren ehemaligen Chef. Bei dem ist alles relativ schnell zu den Akten gewandert, was nicht unbedingt ganz, ich machte eine vielsagende Geste, „... einfach zu klären war.“

„Naja, wohl richtig. Bei Neureiter war hier einiges anders. Aber damals war ich auch noch nicht Kriminalassistent. Da bist Du mir schon um einiges ...“, setzte Seik im Brustton der Überzeugung an, doch ich fiel ihm ins Wort, bevor die Lobeshymne auf meine Person Blumen treiben konnte.

„Schon gut, Roderich. Jedenfalls gefällt mir die Sache mit dem Wagen überhaupt nicht. Die Drei haben wirklich verängstigt gewirkt.“

„Ja, so was lässt sich nicht so ohne Weiteres vortäuschen“, stimmte Seik zu.

„Vielleicht“, überlegte ich laut, „sollten wir Bernd mal fragen, warum er die Sache damals so rasch auf sich beruhen hat lassen. Irgendwie war das seltsam, weißt Du?“

„Naja, wie gesagt, ich war damals noch nicht bei der Mordkommission“, wiederholte Seik mit einem ratlosen Gesicht.

„Vielleicht sollte ich Bernd mal wieder besuchen“, murmelte ich.

Bernd Neureiter war erstaunt, als ich plötzlich vor ihm stand.

Er saß auf der Veranda vor seinem Haus.

„Mensch, Randy, alter Junge. Wie geht’s uns denn, hm?“

Irrte ich mich, oder sah er etwas alarmiert aus?

„Ach, reiner Höflichkeitsbesuch, Bernd. Wollte einfach meinem alten Chef und Freund mal einen Besuch abstatten und über die alten Zeiten reden.“ Ich versuchte, meinen ganzen Charme aufzubringen.

„Ach, weißt Du, ich bin eigentlich ganz glücklich, dass ich von dem Laden nichts mehr sehe“, brummte Neureiter, sich zurücklehnend.

„Das kann ich mir vorstellen“, erwiderte ich.

„Und wie gefällt Dir die Position? Ist ein verdammt anstrengender Job, was?“

Er schaute mir direkt ins Gesicht und musterte es.

„Da hast Du recht. ... Naja, kann sein, dass ich Deine Hilfe brauche, Bernd. In einer sehr unangenehmen Sache“, begann ich.

„Oh.“ Diesmal wirkte er wirklich überrascht. „Was ist denn los?“

„Nachher“, winkte ich ab. „Erst mal interessiert mich, wie’s Dir geht. Ich hab gehört, Du hast Deinen Mercedes verkauft, stimmt doch?“

„Ja, jetzt fahre ich ein kleinbürgerliches Auto. Einen VW Typ 36 1600. Drastischer Abstieg, aber war nichts zu machen. Was Besseres konnte ich mir nicht leisten.“ Er sprach ruhig. Es wunderte mich, dass er sich mit so wenig zufriedengab.

„Aber ein BMW ist doch gar nicht mehr so teuer, oder?“ Gut gemeinte Worte, die jedoch nicht so ankamen.

„Worauf willst Du hinaus, Randy? Wird das ein Verhör?“ Neureiter hatte das Gesicht verzogen.

„Um Gottes willen, nein“, wehrte ich mit beiden Händen ab und fügte mit schwarzem Humor an: „Keine Sorge. Ich werde Dich nur gleich aufs Präsidium mitnehmen und mindestens zehn Jahre einbuchten.“

„Naja, gut. Also, vermutlich hast Du recht. Aber ein BMW? Ich weiß nicht. Nicht unbedingt der Wagen, den ich mir kaufen würde“, sagte er schließlich.

„Aber Du erinnerst Dich doch noch an den Fall vor drei Jahren?“

„Von vor drei Jahren“, verbesserte er mich. Eine Macke seinerseits, die manchmal nervig werden konnte.

„Ja, sicher. ... Du warst ja schon immer ein Perfektionist in Grammatik.“ Reine Wortspielerei, dachte ich nichtsdestotrotz.

„Wir hatten vor drei Jahren viele Fälle“, befand Neureiter knapp.

„Ich meine den Mordfall mit diesem blauen Wagen. Ein BMW war’s, glaube ich.“

Neureiter versteifte sich.

„Gibt es irgendeinen Anlass, in dieser alten Geschichte herumzuwühlen?“, fragte er schließlich unterkühlt.

„Ja, den gibt es. Der blaue Wagen ist wieder aufgetaucht.“

„Ja, und?“

„Mich würde interessieren, warum der Fall damals so schnell zu den Akten gewandert ist. Ich meine, ... es war immerhin ein Mord.“

„Das ist nicht erwiesen, Ran. Es ist absolut nicht erwiesen, dass es ein Mord war. Könnte auch Selbstmord gewesen sein. An dem Gürtel befanden sich keine anderen Fingerabdrücke...“

Ich ärgerte mich etwas, schließlich war der Fall schlussendlich als Mord eingestuft worden.

„Ja, ich weiß schon. Aber trotzdem. Wie bist Du an die Identität der Frau rangekommen, Bernd?“ Eine Frage, die mich damals schon beschäftigt hatte.

„Die Identität? ... Du meinst die Identifizierung der Toten? Mir wurden anonym das Foto und die Daten zugesandt. Als ich dann auch noch festgestellt habe, dass der Wagen auf den Namen der Frau zugelassen war, war die Sache für mich klar.“

Und das kam Dir nicht komisch vor? Ein Gedanke, den ich nicht unterdrücken konnte. Es schien, als wollte Neureiter noch etwas sagen, aber er schwieg plötzlich.

„Du wolltest noch was sagen, Bernd?“ Ich warf ihm einen fragenden Blick zu.

„Ach, es ist bestimmt nicht mehr wichtig, aber wenn du’s trotzdem hören möchtest, gut. Ich hab’s niemandem erzählt, aber Dir als altem Freund kann ich es ja wohl erzählen, was? Also: Ich bin von höchster Stelle darauf hingewiesen worden, nicht weiter in der Sache zu ermitteln. Und ich würde Dir raten, das auch nicht zu tun. Es gibt Leute, denen man lieber nicht begegnet, und man vergisst sie auch so schnell nicht wieder, wenn man ihnen begegnet ist.“

So war das also, dachte ich. Doch ich musste zugeben, die Antwort befriedigte mich nicht sehr.

Tödliche Gier

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