Читать книгу Erweiterte Reflexionslogik - Holger Wendelken - Страница 5
Einführung
Оглавление1. Das von uns wahrgenommene Universum ist ein Paradoxon.
2. Jeder Mensch – oder genauer: jedes bewusstseinsfähige Wesen – ist in der Lage, Paradoxa zu erkennen und entscheidbar aufzulösen.
Diese zwei Behauptungen müssen natürlich erst einmal bewiesen werden. Und das ist leider keine triviale Angelegenheit. Die Standardlogik bietet keine Werkzeuge, um ein solches Vorhaben auszuführen. Wollen wir uns also mit Ungeheuern wie Antinomien und der Unendlichkeit anlegen, ist es unverzichtbar, eine erweiterte Logik zu konstruieren, die uns mit den notwendigen Werkzeugen versorgt, um Einblick in Aufbau und Wirkungsweise dieser Objekte zu erhalten.
Eine Warnung sei vorweg ausgesprochen: Die Thematik ist nicht wenig verwirrend. Um zu verstehen, wie eine Antinomie (diesen Begriff gebrauche ich übrigens synonym zum Begriff des Paradoxons) aufgelöst wird, muss man verstehen, was eine Antinomie ist, was durchaus verstörend sein kann. Doch wenn Sie sich, vielleicht mit ein wenig Mut und Abenteuerlust, dazu entscheiden, dieses Buch weiterzulesen, dann werden Sie es sicher – weitgehend – unbeschadet überstehen. Und wenn Sie die Reflexionslogik verstanden haben, dann wird Ihnen kein Paradoxon jemals wieder schlaflose Nächte bereiten.
Wie auf jeder Abenteuerreise werden Ihnen viele triviale Dinge begegnen, wie zum Beispiel einige Sätze über den Begriff der Identität; diese sind schon in der Antike genauso gebraucht worden, und sie werden Ihnen ganz intuitiv klar sein. Doch das soll nicht dazu verführen, dass Sie Ihre Aufmerksamkeit verringern, denn ganz plötzlich werden Sie mit Objekten konfrontiert werden, die Ihre volle Aufmerksamkeit erfordern werden, etwa der Definition einer S-Identität, die ganz und gar nicht trivial ist, denn sie ist nichts Geringeres als ein Paradoxon, eines der Ungeheuer also, die es zu bezwingen gilt.
Die Reflexionslogik ist vor allem aus der Notwendigkeit der Beantwortung zweier Fragen her motiviert:
1. Gibt es ein logisches Modell, welches die Wirkungsweise des Bewusstseins zu beschreiben vermag?
2. Gibt es ein hinreichend mächtiges, logisches System, das sowohl vollständig als auch vollständig entscheidbar ist?
Die Antwort auf beide Fragen lautet: Ja, die Reflexionslogik.
Die Mathematik ist eine Wissenschaft des Entscheidens. Unentscheidbare Sätze, wie beispielsweise »Es existiert eine Menge aller Mengen, die sich selbst nicht enthalten.«, stören den Anspruch, alle Aussagen in der Mathematik entweder beweisen oder widerlegen zu können. Ziel der Reflexionslogik ist es, auftretende Antinomien lokal zu begrenzen und präzise vorauszusagen, an welchen Stellen Antinomien auftreten können.
Antinomien werden nicht vollständig verschwinden, was in dem Satz über die Unvollständigkeit von Reflexionsabbildern kumuliert. Dennoch lässt sich ein (entscheidbarer) Satz über Vollständigkeit und (globale) Entscheidbarkeit der Reflexionslogik formulieren. Mehr noch: Die Reflexionslogik verdeutlicht, dass Antinomien ein vitaler Bestandteil der modernen Mathematik sind, denn über sie lassen sich genau jene Räume konstruieren, mit denen sich die Standardmathematik beschreibend beschäftigt.
Die Mathematik ist auch eine Wissenschaft des Unterscheidens. Zentraler Begriff der Reflexionslogik hingegen ist die Identität. Wenn die Reflexionslogik in der Mathematik Gültigkeit besitzen soll, muss der Begriff der Identität rigoros angewendet werden können, das heißt: Es muss in einer logischen Operation der Bestimmung der Identität eines Objektes präzise entscheidbar sein, ob ein Objekt identisch mit einem anderen Objekt ist oder nicht – oder möglicherweise beides, was in der Standardlogik ein Paradoxon ergäbe, nicht jedoch in der Reflexionslogik.
Die Reflexion ist der Operator der Identität, welches in der Definition des Begriffes der Reflexion erklärt wird. Dadurch wird die Identität als aktive logische Operation herausgestellt, was der Bedeutung des Begriffes entspricht und sie aus dem Schattendasein der Nicht-Beachtung oder des nebenbedeutenden Implizierens befreit.
Eigentlich ist die Reflexionslogik aus der Erkenntnistheorie her motiviert: Ihr Initialgrund ist die Konstruktion eines mathematisch-logischen Modells zur Beschreibung von Erkenntnis und Bewusstsein. Das Bewusstsein ist eine Reflexion im Sinne der Reflexionslogik, welche den Raum unserer Erkenntnis vollständig zu beschreiben vermag: ein Zirkelschluss, ist doch unser Bewusstsein das zentrale – mehr noch: das einzige – Werkzeug, mittels dessen wir das uns umgebende Universum wahrnehmen. Daher sind die Hauptbegriffe, Reflexion und Identität, eher an Psychologie und Erkenntnistheorie gelehnt, als an die Mathematik. Manchem werden Begriffe wie Identität, Neutralität, Negativität, Reflexion und Antinomie. vielleicht eher der Philosophie zugehörig erscheinen. Wir werden jedoch sehen, dass diese Begriffe mit mathematisch-logischer Präzision bestimmbar und auswertbar sind.