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Wo sind wir?

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„Wohin müssen wir jetzt?“, schrie Onta nach hinten. Sophie schaute auf ihren Monitor. „Eigentlich geradeaus“, rief sie mit gerunzelter Stirn und schaute nach vorne. Ein breiter Flusslauf versperrte ihnen den Weg. Onta, Lulu und Alba scharrten sich um Sophie. „Mistding!“, schimpfte Onta und kratzte sich an der Wade, wo eine Bremse sie gestochen hatte. „Hör auf!“, raunzte sie Alba an und reichte ihr eine Creme. Sophie vermisste Suki, sie war immer so friedlich. Doch leider half sie Masaru.

Sophie seufzte und schaute wieder auf die Karte. „Wo sind wir überhaupt?“, fragte Lulu und schaute Sophie über die Schulter. „Auf alle Fälle nicht da, wo wir sein sollten“, grummelte Onta. Sie hatte recht, schluckte Sophie. Sie waren nicht da, wo sie sein sollten. Dabei hatte sich die GPS-Tour so gut gelesen im Netz.

Am Anfang waren sie auch durch eine schöne Alleen-Landschaft gefahren, bis zu dem Zeitpunkt, an dem es hieß, dass man die Straße verlassen sollte. Danach ging es über geteerte Landwirtschaftswege, anschließend auf unbefestigte Wege und zum Schluss über Stoppelfelder. Sophie seufzte. „Ehrlich gesagt weiß ich nicht, wo wir sind.“ Sie blickte sich um. Rechts und links von dem Fluss, waren abgeernteten Felder und Grasflächen. „Hast du eine Karte dabei?“, fragte sie Alba, woraufhin Sophie nickte und anfing, in ihrer Tasche zu kramen.

„Wie wär´s wir machen hier unser Picknick?“, fragte Onta und schaute die Mädchen mit großen Augen an. „Du hast doch erst gefrühstückt“, meinte Lulu leicht miesmutig. Ihre Schuhe waren von Dreck besprenkelt, ebenso wie ihre Hosen. „Ich hoffe das war keine Gülle, durch die wir vorhin gefahren sind“, sprach sie leise vor sich hin und setzte sich zu Onta, welche die belegten Brötchen verteilte. „Ich fürchte das war es“, erwiderte Onta trocken und rümpfte die Nase. „Was?“ „Gülle!“

Alba, die das Gekabbel der beiden beobachtet hatte, schüttelte den Kopf. „Und Sophie, wo sind wir?“, fragte sie nach einer Weile. Sophie blickte nochmals auf ihre Karte. „Also wir sind hier.“ Sie deutete auf einen Punkt neben dem aufgezeichneten Fluss. „Circa zwanzig Kilometer vom nächsten Ort entfernt und fünfzehn Kilometer von der Stelle, wo wir sein sollten“, antwortete sie zerknirscht, während sie ihren Tracker von der Himbeere abbaute und verstaute. „Und wo ist die nächste Straße?“, fragte Alba hoffnungsvoll. „Also wenn wir dem Flusslauf folgen, müssten wir an eine Landstraße kommen.“ Sie schauten sich um, das Ufer des Flusses war schlammig und morastig. Einzig auf ihrem kleinen Hügel, war der Boden trocken. „Und wenn wir einfach den gleichen Weg zurückradeln?“, schlug Onta kauend vor. „Nein! Ich fahr nicht noch einmal durch die Gülle“, protestierte Lulu, bevor Sophie antworten konnte. „Lulu hat recht, noch mal vier Stunden über diese Holperpisten mach ich auch nicht mit. Und schaut euch mal den Himmel an“, sprach Alba und deutet nach Süden. Eine stahlblaue Wolkenfront baute sich über den grünen Wiesen auf.

„Haben wir noch eine andere Alternative?“, fragte Alba. Sophie ging zu ihrem Gepäck und kramte wieder in ihrer Tasche. Mit einem Fernglas kam sie zurück. „Lass mal sehen“, langsam betrachtete sie die Landschaft um sich herum. „Da, da hinten ist eine Scheune. Da könnten wir wenigsten den Regenschauer überstehen“, rief sie und deutete an den Horizont. „Wo? Ich seh` nichts“, meinte Onta und entriss Sophie das Fernglas. „Also, das ist aber noch ein ganzes Stück, Sophie.“ „Na besser als nass werden!“, meinten Alba und Lulu gleichzeitig.

Eine Stunde später hatten sie es geschafft. Onta öffnete die Tür der Scheune. Die Windböe trieben die Mädchen wie verängstigte Schafe in das Halbdunkel hinein. Kaum waren sie drinnen, öffnete der Himmel seine Schleusen. Mit einem „Uff, gerade noch geschafft“, legte Onta ihr Rad auf den Boden. Alba machte die Tür zu und blinzelte nach draußen. „Das sieht nicht so aus, als würde es in der nächsten Zeit aufhören zu regen", sagte sie leise zu den Mädchen. „Na Hauptsache, wir sind im trockenen“, kommentierte Onta ihre Lage. Sophie schaute zu ihrer Fahrradtasche, in der sich ihr GPS-Tracker befand. Was war nur falsch gelaufen, dass sie nun in einer Scheune saßen, es langsam kalt wurde und sie nicht genau wussten, wo sie waren? Und die Wettervorhersage hatte auch nicht gestimmt.

Sie blickte nach oben zum Dach. Der Regen trommelte heftig dagegen, dennoch war die Scheune trocken. Das Heu duftete wunderbar. Sie blickte sich weiter um. Moment mal, war da ein Kamera? Hier mitten auf dem Land, in einer Scheune? „Schaut mal!“, rief sie zu den Mädchen und zeigte auf die kleine Kamera am Dachfirst. „Mach mal Platz“, drängte sich Onta dazwischen. „Was?“, fragte Lulu von hinten. Verblüfft schauten alle vier in die Kamera. Probeweise winkte Onta. „Meint ihr, da schaut jemand zu?“, fragte sie zögerlich. Sophie zuckte mit den Schultern, während sich Alba und Lulu mit einem „Unglaublich“ abwandten. Wer sicherte seine Scheune schon mit einer Kamera? Sie schaute sich weiter um. Und tatsächlich wurde sie fündig. An der Tür waren kleine Sensoren angebracht. „Ich glaube, wir kriegen bald Besuch“, orakelte sie, als sie wieder bei Onta war und sich einen Schokoladekeks aus ihrer Tasche klaubte. „Besuch?“, fragte Onta mit hochgezogenen Augenbrauen. Sophie nickte und erklärte den anderen kurz ihre zweite Entdeckung. „Sachen gibt´s“, kommentierte Alba ihre Ausführung kopfschüttelnd. „Aber was ist hier so wichtig, dass man Sicherheitstechnik in einer Scheune einsetzt? Hier gibt es doch nur Heu“, wollte Onta mit fragendem Blick wissen. Lulu schnappte einen Keks aus Ontas Hand und ging zum Heu. Sie beugte sich, nahm eine Handvoll, roch daran und ließ es leise wieder auf den Haufen rieseln. „Ich glaube das ist kein normales Heu“, meinte sie langsam. „Heu ist Heu oder?“, maulte Onta unwirsch. Lulu kam wieder zurück. „Nein, Heu ist nicht Heu“, erklärte sie lächelnd. „Gib mir mal deine Karte Sophie“, bat sie. Schweigend betrachtete sie die Karte. Alle schauten sie an, als sie sagte: „Hier gibt es ein Gestüt. Von der Familie van Walden, glaube ich.“

Aus der Ferne hörte man Traktorengeräusche. Alle blickten auf. Wie die Wiesel flitzen sie zur Tür. „Ich glaube, da kommt unsere Antwort“, meinte Sophie trocken, als sie alle an der Tür der Scheune standen und in den Regen schauten. Ein blaues Ungetüm schälte sich aus dem regengrauen Hintergrund.

„Hilfe gefällig Mädels?“, grinste sie ein braunhaariger junger Mann aus der Fahrerkabine an. „Ähm, ja“, war das Erste, was Sophie herausbrachte, nachdem Onta sie gestupst hatte. „Na, dann zieht das mal an. Ich bin übrigens Vic“, stellte er sich vor und warf ihnen vier große gelbe Mäntel zu. „Wir müssen eine halbe Stunde fahren. Ihr müsst auf dem Hänger Platz nehmen“, erklärte er ihnen, als er die Räder auflud.

Sie waren trotz der Mäntel nass und durchgefroren, als sie am Gestüt ankamen. „Ich hab mir bestimmt eine Erkältung geholt“, jammerte Alba. „Ach was, sieh es einfach als Abenteuer an“, gluckste Onta, die ihrer Freundin kameradschaftlich auf die Schulter klopfte. Eine Erkältung habe ich mir wahrscheinlich auch geholt, jammerte Sophie im Stillen. Seltsam, Lulu hat auf der gesamten Fahrt nicht einmal geklagt, nicht ein Ton war über ihre Lippen gekommen. Und der junge Mann hatte wirklich kein Schlagloch ausgelassen, so kam es Sophie jedenfalls vor. Mit einem Ruck hielt Vic das Gefährt. „Aussteigen!“, tönte es von vorne.

Mit steifen Gliedern standen sie auf. „Ab mit euch in Haus“, brummte sie ein älterer Mann an, der dazugekommen war. Vic schnappte sich Lulus Hand und zog sie in ein überwuchertes Backsteingemäuer durch die Tür in die Wärme. „Na, ihr seht aber nass aus“, begrüßte sie eine schlanke grau melierte Frau. „Tja wie Kanalratten“, entfuhr es Vic und grinste die Mädchen an, bevor er wieder nach draußen ging. Sophie spürte, wie sie rot wurde. „Also gut, ihr geht erst mal ins Bad und ich schau, ob euch die Kleider der Jungs passen“, wies sie die Frau resolut an.

Zehn Minuten später, und der Erkenntnis, dass Lulus Mobiltelefon den Ausflug nicht überstanden hatte, saßen sie halbwegs trocken und in Kleidern, die ihnen am Körper runterschlackerten, in der warmen großzügigen Küche. Der Kakao dampfte aus ihren Tassen. Fast wie im Zuckerstückchen, dachte Sophie. Wenn das Hemd nicht so kratzten würde. Die grau melierte Frau hatte sich als Lioba van Walden vorgestellt. Als sie kurz die Küche verließ, um nach ihrem Mann zu sehen, hatte ihnen Lulu mit großen Augen zugeraunt, dass Frau van Walden eine der erfolgreichsten Dressurreiterin der Welt gewesen war. Was ihr nur ein „Aha“, von Onta eingebracht hatte. „So meine Lieben. Ich bin Henrik“, stellt sich der Mann von vorhin vor. „Wir sind Lulu, Alba, Onta und Sophie“, übernahm Lulu ihrerseits die Vorstellung. „Aha und wie seid ihr Mädchen in unsere Scheune gekommen?“, wollte er wissen. Lulu sah Sophie Hilfe suchend an. Kurz erklärte Sophie wie und warum sie jetzt hier saßen. Zwischendrin gesellte sich auch Vic in die Küche und schnappte sich einen Becher Kakao.

„Da habt ihr aber richtig Glück gehabt bei dem Wetter“, meinte Vic und deutete nach draußen. Der Regen prasselte auf den Hof, vermischt mit Hagel, wie Sophie feststellte. Nach einem Augenblick der Stille fragte Onta vorsichtig: „Aber warum haben Sie eine Kamera in der Scheune?“ Alle vier Mädchen schauten die van Walden an. Nach einem kurzen Seitenblick auf seine Frau, die ihm zunickte, erklärte Henrik die Umstände: "... so nun wisst ihr, warum wir eine Scheune mit einer Kamera haben.“ Junge, das hätte sich Sophie auch nicht träumen lassen, dass Gras so wichtig war. Aber wenn man Pferde im Stall hat, die laut Lulu mehrere Millionen wert sind, muss man wohl darauf achten. „Sagt mal wie kommt ihr eigentlich wieder nach Hause? Mit euren Rädern sicherlich nicht“, fragte Lioba van Walden plötzlich. „Leider ist mein Telefon bei dem Ausflug kaputt gegangen“, druckste Lulu herum. „Wenn wir also ihres benutzten könnten?“ „Oh natürlich“, antwortet Frau van Walden. „Kommt mit, im Büro steht das Telefon.“

Ein paar Minuten später kamen Lulu und Onta wieder fröhlich strahlend zurück. "Mein Vater lässt uns abholen. In einer Stunde wird der Wagen da sein“, verkündete Lulu. „Und Tantchen ruft bei dir zu Hause an“, fügte Onta hinzu und blickte zu Sophie.

„Was ist, wollt ihr einen kleinen Rundgang über den Hof?“, fragte Vic und schaute die Mädchen spitzbübisch an. „Ihr könnt auch füttern helfen“, meinte er grinsend. „Natürlich sehr gerne“, versuchte Lulu geziert zu antworten, was aber in dem lauten „Ja“ von Onta unterging. „Also Vic“, meinte seine Mutter leicht tadelnd. Gemeinsam gingen die vier Mädchen hinter ihm her. Im Stall angekommen erklärte er Lulu die unterschiedlichen Zuchtlinien der Dressurpferde. Alba und Onta blieben bei den Jungfohlen stehen und sahen ihnen begeistert zu. Während Sophie den Technikaufwand bewunderte, die in der Stallung und dem Reitstall eingesetzt wurde. Plötzlich klingelte ein Telefon. Vic entschuldigte sich kurz und ging dran. „Ja, in Ordnung“, hörte sie ihn sagen. „Mädels, euer Abholservice ist gerade vorgefahren“, verkündete er und scheuchte sie Richtung Ausgang. Mit einem Bedauern lösten sich Alba und Onta von den Jungpferden. Als sie auf den Hof kamen hörten sie die tiefe Stimmen von Lulus Vater sagen: „Goldblatt, angenehm.“ Vics Vater und Herr Goldblatt drehten sich um, als die Mädchen sie fast erreicht hatten. Das Gesicht von Lulus Vater hellte sich erfreut auf. „Ah, da seid ihr ja“, begrüßte er sie. „Kommen sie doch bitte rein“, bat ihn Frau van Walden. Herr Heinz, der Chauffeur, schob den Rollstuhl von Herrn Goldblatt über das Kopfsteinpflaster in das Haus hinein. Während sich die Erwachsenen unterhielten, merkte Sophie, wie sie immer müder und müder wurde. „So meine Damen, dann bringen wir euch mal nach Hause“, unterbrach Herr Goldblatt Sophies dahindämmern. „Und eure Räder holt Herr Heinz am Freitag ab.“ Mit einem „Vielen, vielen Dank für ihre Hilfe“, verabschiedeten sich die Mädchen, bevor Herr Heinz sie in den Wagen bugsierte. Kaum waren sie eine Weile gefahren, wurde es ruhig im Fond des Wagens. Der Regen prasselte wieder gegen die Scheiben, während die Klimaanlage warme Luft durch das Auto pustete. Leise hörte Sophie noch, wie Herr Goldblatt zu Herrn Heinz sagte: „Ein Wagen voller Mädchen und alle schlafend“, und leise dabei lachte.

Das Törtchen-Team und Madame Fine

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