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Das Motorenbrummen von Tausenden von Pkws ließ die Luft vibrieren.

„Kleinvieh macht auch Mist“, sagte Bob Washburn, nachdem er eine Weile den Kopf schräg gelegt und gehorcht hatte.

„Kein Widerspruch“, entgegnete Jim Sherman, ohne seine Position im Liegestuhl zu verändern. „Und viel Kleinvieh macht viel Mist. Und so weiter. – Hast du noch andere interessantere Erkenntnisse beizusteuern?“

„Zehntausend Zuhörer“, murmelte der schwarze Riese versonnen und faltete die Hände hinter dem Kopf. Er schien Jims Bemerkung nicht gehört zu haben. „Das macht fünftausend Four-Wheeler, wenn man mal zwei Leute pro Wagen rechnet. Und die sind jetzt alle im Aufbruch.“ Mit einer knappen Kopfbewegung deutete er in die Richtung, in der sich die Parkplätze auf freiem Weideland befanden. „Ich frage mich, wie viel Trucks man brauchen würde, um den gleichen Krach zu machen.“

„Tausend.“

„Tausend?“ Bob richtete sich im Campingstuhl auf und sah seinen Partner verblüfft an.

„Fünf Benzinkutschen auf einen Truck“, antwortete Jim todernst.

„Du meinst, von der Lautstärke her?“

„Genau. Und von der PS-Zahl her.“

„Sag mal, hast du das irgendwie … berechnet?“

„Nicht nötig. So was hat man im Gehör. Berufserfahrung.“

Bob stieß die Atemluft durch die Nase aus. „Die mir natürlich fehlt, willst du damit wohl sagen?“

„Du hast es erfasst, Bob“, erwiderte Jim grinsend. „Du bist gar nicht so dumm, wie du aussiehst, Partner.“ Der breitschultrige Trucker reckte sich, schob seinen Stetson aus der Stirn und erhob sich zu seiner vollen Größe von sechs Fuß.

„Du riskierst ’ne dicke Lippe, Massa Sherman!“, griente Bob.

„Wie meistens“, sagte Jim grinsend, drehte sich eine Zigarette und setzte sie mit dem zerbeulten Army-Feuerzeug in Brand. Er ging zum Fahrerhaus des „Thunder“ und holte zwei gut gekühlte Coke Dosen aus der Coolbox. Der rote Kenworth W 900 Conventional stand unmittelbar neben den Mobile Homes, in denen die Künstlergarderoben und die Büros der Konzertveranstalter untergebracht waren.

Jim begab sich wieder vor die mächtige Kühlerhaube mit dem chromfunkelnden Rammschutz, wo Bob und er ihre Klappmöbel aufgebaut hatten. Seit sie mit den „Yellow Rose Ramblers“ unterwegs waren, hatten sie die Campingstühle und den Tisch fast jeden Tag gebraucht, denn das Wetter hatte sich bei den Freiluftkonzerten immer von der besten Seite gezeigt. Jim warf dem hünenhaften Schwarzen, der einmal Schwergewichtsprofiboxer gewesen war, eine der Coke-Dosen zu.

„Der Dank deines wütenden Shotgun ist dir sicher“, feixte Bob.

Jim schmunzelte. „Ich wusste, du lässt es nicht auf eine Schlägerei mit mir ankommen, Bob.“

„Klar, Mann! Ich schlottere vor Angst!“ Bob schlug die langen Beine übereinander. Er riss die Dose auf, trank einen Schluck und zündete sich eine Zigarette an. „Wie auch immer – störend wirkt eigentlich nur dieser elende Benzingestank.“ Er hob die Nase schnuppernd in die Luft und verzog das Gesicht. „Was ist Diesel dagegen!“

„Wahrer Balsam“, sagte Jim und nickte zustimmend.

Das vieltausendstimmige Brummen der Benzinschlucker verlor nur langsam an Lautstärke.

Wes Morton und Luther Guild polterten mit ihren hochhackigen Cowboy-Boots die Bühnentreppe herunter. Morton war groß und schlaksig, hatte aschgraues Haar und einen ebensolchen Schnauzbart. Zusätzlich pflegte er seinen Dreitagebart. Luther Guild, ein athletisch gebauter Schwarzer, trug das Kraushaar kurzgeschoren wie früher, als er noch Sergeant bei der US-Army gewesen war.

Beide standen als Roadies in den Diensten von Jessica James und den „Yellow Rose Ramblers“. Roadies werden jene unersetzlichen Helfer von Musikern genannt, die Verstärkeranlagen und Instrumente aufbauen und das Dickicht von Kabeln verlegen.

„Wir sind soweit“, sagte Morton zu den beiden Truckern und hakte die Daumen hinter den Gürtel seiner Jeans. „Kommt ihr mit und beaufsichtigt das Laden, Jungs?“

Hinter der Bühne tauchten die ersten Lastenträger auf, bepackt mit den zentnerschweren Lautsprecherboxen. Morton und Guild heuerten die Burschen für die knochenschindende Schlepperei stets an Ort und Stelle an. Bezahlt wurden sie nach pauschalen Tagessätzen. Arbeitsbeginn bei Eintreffen der Ramblers am Veranstaltungsort, Arbeitsende nach Konzertschluss. Das konnte unterschiedlich lange dauern, weil die Anzahl der Zugaben entscheidend für die Dauer des Auftritts war.

Jim und Bob begleiteten die Roadies zum Heck des Sattelaufliegers. Die beiden Heckklappen standen noch vom Entladen weit offen. Eine breite Rampe war eingehängt. Das Piano und die größten und schwersten Lautsprecherboxen wurden auf Rollen bewegt.

Gemeinsam mit den beiden Roadies überwachten Jim und Bob das Verteilen der Lasten im Container. Da es unter den einzelnen Stücken enorme Gewichtsunterschiede gab, hing es von der Platzierung der schweren Geräte im Laderaum entscheidend ab, dass der Thunder anschließend verkehrssicher war und nicht mit Schlagseite dahinschlich wie ein müder alter Büffelbulle.

Jim warf einen Blick zu den Mobile Homes. während er seine Zigarette austrat.

In den Gassen vor den Veranstalter-Büros und den Garderoben herrschte reger Betrieb. Techniker und Platzordner lieferten ausgefüllte Formulare ab und gaben sich die Türknäufe in die Hand. Reporter und Fotografen traten sich auf die Füße. Uniformierte Sicherheitskräfte drängten einen Pulk von Fans zurück, die noch immer ausharrten, um Autogramme der Ramblers zu erhaschen. Doch zwei Figuren passten nach Jims Meinung nicht in das Bild, an das er nun schon gewohnt war.

Er konnte die enge Gasse zwischen Jessicas und Belles Garderoben zur Hälfte einsehen.

Dort lungerten die beiden Burschen, als sei es die selbstverständlichste Sache der Welt, dass sie sich diesen Platz ausgesucht hatten, um an ihren Bierdosen zu nuckeln und sich einen Glimmstängel nach dem anderen zwischen die Zähne zu klemmen. Und keiner von den hin und her Eilenden schien sie zu bemerken. Nicht einmal die, die eigentlich für die Sicherheit verantwortlich waren.

Jim wandte sich von der Rampe ab und ging zu den beiden Männern hinüber. Noch bevor die Kerle ihn bemerken konnten, drehte er sich halb um und gab seinem Partner ein Handzeichen.

Bob brauchte nicht lange zu überlegen. Er setzte sich in Marsch.

Jim ging auf die Mobile Homes zu. Sowohl Jessica als auch Belle hielten sich in den kastenförmigen Dingern auf, die man auf Räder stellen und durch die Gegend kutschieren konnte. Schräg gegenüber nahmen Dennis Huffman und Calvin Kyles vor dem Eingang ihrer Garderobe verpackte Pizza-Viertel entgegen, die ein flachsblonder Halbwüchsiger ihnen besorgt hatte.

Dennis nickte Jim zu. Weder Calvin noch er hatten den richtigen Blickwinkel, um die beiden herumlungernden Burschen sehen zu können.

Der hochgewachsene Texaner erreichte den Eingang der engeren Gasse zwischen den beiden Kästen.

Die Burschen rührten sich nicht, standen lässig mit den Schultern angelehnt. Sie sahen Jim zwar, taten aber so, als wäre er gar nicht vorhanden. Der Schwarzhaarige mit dem Schnauzbart zupfte mit aufreizend langsamen Bewegungen eine Zigarette aus seinem Päckchen, schob sie zwischen die Zähne, biss Kerben in das Filtermundstück und steckte den Tabak bedächtig mit einem Streichholz an. Der andere, mit einer schwarzen Baskenmütze über dem Stoppelhaar, ließ seine geleerte Bierdose fallen und zertrat sie. Unter der Sohle des Springerstiefels entstand ein blechernes, knirschendes Geräusch.

Jim drang grinsend in die Gasse vor. Mit einer schnellen Handbewegung nahm er dem Schnauzbärtigen die Zigarette aus dem Mund und trat sie aus.

Der Kerl starrte ihn mit einer Mischung aus Wut und Verwunderung an.

„Verschwindet“, sagte Jim. „Ihr habt euch in der Hausnummer geirrt, Freunde!“

Der Bierdosentreter reagierte schneller als sein Buddy mit dem klaffenden Gebiss. Er duckte sich wie eine angreifende Bulldogge und stieß sich ab. Der andere wich zurück.

Jim ließ den Heranschnellenden in seine hochruckenden Fäuste laufen.

Der heimtückische Tiefschlag, den der Borstenhaarige anbringen wollte, erreichte Jim nicht. Stattdessen wurde der Mann zurückgeschleudert und prallte gegen seinen unschlüssigen Kumpan.

Der Schnauzbärtige erschrak angesichts der sich anbahnenden Niederlage des anderen. Er warf sich herum, um sich aus dem Staub zu machen.

Bob Washburn empfing ihn, indem er seine perlweißen Zähne zeigte wie ein hungriger Grizzlybär. Der Bursche verharrte erschrocken.

Jim wartete nicht ab, wie diese Begrüßung ausging. Er setzte nach und erwischte den Kerl mit der Baskenmütze noch im Taumeln mit einer knallharten Geraden, die den Burschen außer Gefecht setzte.

Am anderen Ende der Gasse war Bob mit seinem Gegner – oder besser: Opfer – beschäftigt. Der Sehnige schwankte unter den punktgenau gezielten Hieben des ehemaligen Boxprofis, hielt sich aber mit erstaunlicher Energie immer noch senkrecht. Bob hielt inne, als sein Mann an die Wand sackte und in sich zusammenzusinken drohte. Mit einem Griff unter das Kinn bewahrte Bob den Burschen davor, den Erdboden aufzusuchen.

Jim hatte unterdessen den anderen gepackt und in die Vertikale gezogen. Graue Augen starrten ihn bösartig an.

„Ihr haltet euch für schlau“, zischte der Borstenhaarige in einem nasal klingenden Englisch. „Aber dafür kriegt ihr’s um so dicker, verlasst euch drauf!“

„Wir werden versuchen, uns daran zu erinnern“, entgegnete Jim eisig. „Fragt sich nur, ob wir euch laufen lassen oder dem County Sheriff übergeben.“

Der andere lachte verächtlich. „Spiel dich nicht auf, Monsieur. Ihr wollt euch wichtigmachen, was? Haben wir irgendwas getan, was den Sheriff vom Hocker reißt? Haben wir die süße Jessica vergewaltigt oder gekidnappt? Oder haben wir uns das kreolische Luder vorgenommen? Oder was?“

„Wir könnten höchstens euch rankriegen!“, schrie der andere. „Wegen vorsätzlicher … vorsätzlicher …“

„Körperverletzung“, half Bob ihm freundlich auf die Sprünge. „Warte noch einen Moment, Cajun, dann wird vorsätzliche schwere Körperverletzung draus.“

Der Sehnige schwieg. Sein Adamsapfel zeigte an, wie er krampfhaft schluckte.

Jim stieß den Kerl mit der Baskenmütze gegen Belle Fortunes Garderobe und starrte ihn aus schmalen Augen an. Der Mann fing an zu grinsen. Es war ein gemeines, hinterhältiges Grinsen. Und etwas Rätselhaftes ging von ihm aus, irgendeine Eigenschaft, die sich in keiner Weise einschätzen ließ.

Fand dieser verschlagene Typ einen besonderen Reiz daran, etwas anzudeuten, was er tatsächlich vorgehabt hatte? Oder noch vorhatte?

Burschen dieser Sorte gab es bei jeder solchen Großveranstaltung wie diesem Konzert der „Yellow Rose Ramblers“. Jim beruhigte sich damit. Leider gab es tatsächlich keine rechtliche Handhabe, das Duo aus dem Verkehr ziehen zu lassen. Sie hatten ja nichts verbrochen.

„Haut ab“, sagte Jim daher kurzentschlossen.

Bob schnappte sich die beiden Burschen und trieb sie auf der anderen Seite aus der Gasse hinaus in Richtung Parkplatz.

Sie stolperten durch das kniehohe Gras. Der mit der Baskenmütze drehte sich noch einmal um.

„Au revoir!“, schrie er. „Auf Wiedersehen!“

„Na, das wollen wir doch nicht hoffen“, knurrte Bob.

Die beiden Trucker wechselten einen Blick.

„Ich bin aber sicher, das können wir wörtlich nehmen“, sagte Jim.

„Dann sollten wir ihnen schnell diese Flausen austreiben“, entgegnete Bob und grinste wieder. „Noch können wir sie erwischen.“

Aber dass er die ganze Sache nicht ernst nahm, war schon in seinen Mundwinkeln zu erkennen.

Tödliche Tournee

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