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Geburt von Tochter Maria

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Am 25. März 1903 gebar Lina in ihrer Schlafkammer eine Tochter, sie nannten sie Maria. Gerufen wurde sie „Mariechen“. Gustav wollte seine kleine Tochter gar nicht anfassen, weil er glaubte, er könnte sie zerdrücken. Aber Lina sorgte dafür, dass ihr Gustel die kleine Mariechen in den Arm nehmen konnte. Gustav machte mit Mariechen allerlei Späße, er konnte ja so zart sein. Beim Stillen sang Lina leise Kinderliedchen. Wenn Gustav dann zur Tür herein schaute, rührte ihn das sehr.

Alle auf dem Hof waren glücklich. Eines abends im Oktober lagen Lina und Gustav im Bett.

„Lina, ich glaube wir bekommen ein Problem. Der Hof ist zu klein, um uns alle zu ernähren. Ich habe mir etwas überlegt. In Kotzenau hat vor drei Monaten eine Eisengießerei aufgemacht, die Fabrik stellt Arbeiter ein. Die tägliche Arbeitszeit beträgt 12 Stunden, aber

Samstag nur 8 Stunden. Wenn ich dort Arbeit bekäme, hätten wir ein schönes Stück Geld jede Woche. Ich könnte dann nach Feierabend noch die Felder bestellen, wenn ihr Frauen, wie bisher, allein das Vieh versorgen würdet“.

„Hm…, hört sich nicht schlecht an, aber glaubst du, dass dir die Arbeit nicht zu viel wird?"

„Ich werde es schaffen, weil ich es schaffen will.

Morgen gehe ich zur Eisengießerei und bitte um Arbeit. Wenn ich sie bekomme, dann können wir uns noch ein Kind leisten“. Lina rückte ihren jungen Körper ganz fest an ihren Gustel heran:

„Das wäre schön, sehr schön, Gustel!"

Gustav bekam in der Eisengießerei einen Arbeitsplatz. Weil er auch von der Stellmacherei etwas verstand, wurde er als „Former“ – Formenbauer – für die Gussteile angelernt.

Opa Hermann hatte sich auf dem Altenteil gut erholt, so dass er auch wieder ein bisschen mehr auf dem Hof arbeiten konnte. Zum Wochenende konnten sie sich die Zeitung „Lübener Nachrichten“ mit einem Lokalteil für den Raum Kotzenau leisten. In dieser Zeitung erfuhr man vieles, was in der Welt passierte. Gustav las, dass die Unzufriedenheit der Gießereiarbeiter über die Arbeitsbedingungen und wegen des niedrigen Lohnes überall in Deutschland zu Unruhen unter den Arbeitern führte. Aber Gustav war klug, er wusste, dass es weit und breit keine andere Arbeit gab. Also, Mund halten.

Es lief alles wunderbar. Lina entwickelte sich zu einer guten und fleißigen Bäuerin. Gustav hatte ihr eine Zentrifuge mit einer großen Handkurbel gekauft. Nun entrahmte Lina mechanisch die Milch und erhielt so Sahne zum Buttern und entrahmte Milch. In dem Butterfass stellte Lina nun eine hervorragende Butter her. Salzarme Butter, wie Lina meinte, Frauenbutter, und stark gesalzene Butter, so genannte Männerbutter. Lina traf mit dem Kaufmann im Nachbarort Jakobsdorf eine Vereinbarung. Fast alle Butter erhielt der Krämer zum Weiterverkauf, ebenso die Eier. Inzwischen hatte Lina mehr als 30 Hühner. Auch die geschlachteten Hühner und Enten nahm der Krämer ab. Alles was sie brachte wurde in ein Buch auf die Habenseite geschrieben, und wenn Lina etwas für den Haushalt benötigte, wurde dies vom Krämer auf der Sollseite vermerkt. Am Ende eines jeden Monats wurde das Konto saldiert und vom Krämer mit Bargeld ausgeglichen. Es kam selten vor, dass Lina etwas bezahlen musst.

Soweit die Buttermilch nicht getrunken wurde stellte Lina daraus einen wohlschmeckenden Quark her, der zur Selbst-versorgung gebraucht wurde.

Gustav war sehr musikalisch. Er besaß schon als Kind drei Instrumente, die er von seinem Opa geschenkt bekommen hatte: eine Geige, eine Trompete und ein Bandonium – ein sechseckiges Zieharmonika-Instrument mit Knöpfen. Im Winter, wenn auf dem Hof nicht viel zu tun war, spielte er abends meist Geige. In Jakobsdorf schloss er sich der dortigen Musikkapelle an und spielte in der Winterzeit samstags zum Tanz. Gustav blühte mit seiner kleinen Familie und nicht zuletzt wegen seiner zusätzlichen Arbeit richtig auf. Er war ständig zu Späßen aufgelegt. So brachte er seine Lina immer zum Lachen.

Die Eisengießerei wurde immer größer, ein Neubau folgte dem anderen. Im Dezember 1904 wurde Gustav ins Büro bestellt. Dort ernannte man ihn zum Formermeister, natürlich mit deutlich mehr Geld. In der Eisengießerei hatte es die ersten Streiks gegeben, aber Gustav hielt sich davon immer fern. Gustav wollte von der Politik nichts wissen. Aber eines hatten die Streiks im ganzen deutschen Reich bewirkt: die tägliche Arbeitszeit wurde auf nur 10 Stunden und Samstag auf 6 Stunden begrenzt.

Die Freude war riesig, als er die Beförderung abends Lina in allen Einzelheiten erzählte, insbesondere deshalb, weil Lina ihr zweites Kind erwartete.

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