Читать книгу Dennis und Guntram - Zaubern für Fortgeschrittene (Band2) - Hubert Wiest - Страница 7
3. Der Ringerverein
ОглавлениеDennis hatte die Vorhänge in seinem Zimmer zugezogen. Er wollte den grauen Regen nicht sehen, der in stürmischen Böen gegen das Fenster klatschte. Fast wie Ohrfeigen klang es.
Dennis lag auf seinem Bett, kuschelte sich an sein riesiges Plüschschwein und las ein Vampirbuch. Guntram fläzte auf dem Sessel gegenüber und blätterte in einer zerfledderten Fußballzeitschrift. Die orangefarbene Lampe leuchtete wie ein dicker Vollmond. Keiner sagte ein Wort, nur die Kokoskekse knirschten beim Essen.
Da riss Dennis' Mutter die Kinderzimmertür auf und strahlte mit der Frische eines Zitronenreinigers. Dennis schreckte hoch, Guntram setzte sich auf und zog seinen flaschengrünen Samtumhang zurecht.
„Ihr hängt zu viel herum, Kinder. Ihr müsst mehr unternehmen. Wir haben früher auch bei so einem Wetter draußen gespielt“, strahlte Dennis' Mutter.
„Du nervst, Mama“, sagte Dennis. Er hielt sein Vampirbuch vors Gesicht.
Als hätte sie ihn nicht gehört, fuhr Frau Blauberg mit fröhlicher Stimme fort: „Aber das Rumhängen hört ab nächster Woche auf. Dennis, ich habe dich beim Ringerverein angemeldet. Dort wo auch Kalle und seine anderen beiden Freunde sind. Kalles Mutter hat mir von dem Verein erzählt. Sie war ganz begeistert. Ich habe sofort mit dem Trainer telefoniert. Er freut sich sehr und hat bisher aus jedem Sofafaulenzer einen strammen Max gemacht. Guntram, du bist auch herzlich eingeladen mitzukommen. Ein bisschen Sport schadet niemandem.“
Dennis rutschte das Vampirbuch aus den Händen. War seine Mutter völlig durchgedreht? In den Ringerverein? Das war das Allerletzte. Sich von Kalle oder irgendeinem anderen Klops auf der miefigen Matte wie ein Schnitzel plattdrücken lassen? Niemals! Er wollte kein strammer Max werden. „So eine Schnapsidee, Mama. Das kommt überhaupt nicht infrage“, protestierte Dennis. Aber er kannte den Gesichtsausdruck seiner Mutter. Wenn sie so fröhlich strahlte, war es ihr besonders ernst.
Frau Blauberg schien Dennis' Nein überhaupt nicht zu hören. Stattdessen erzählte sie munter weiter: „Ringen ist keine Frage der Größe, sondern der Technik und Intelligenz, sagt Herr Pumprick, euer Trainer. Es fördert den Sportsgeist.“
Guntram zupfte an seinem Rüschenhemd und zog seine Stirn in Falten: „Ich denke, das ist nichts für mich.“
„Am besten, du probierst es erst einmal aus. Aufhören kannst du später immer noch“, flötete Frau Blauberg.
„Ich könnte auch erst später anfangen“, warf Guntram ein. Doch das schien Frau Blauberg nicht zu hören. „Nächste Woche Dienstag, drei Uhr beginnt euer erstes Training.“
Dann rauschte sie fröhlich aus dem Zimmer und knallte die Tür so laut hinter sich zu, dass es Dennis ein mittleres Donnerwetter und zwei Tage Computerverbot eingebracht hätte.
„Niemals geh' ich da hin“, empörte sich Guntram. „Ich lass' mich von Kalle und den anderen nicht freiwillig verprügeln.“
Dennis nickte stumm. Er wusste, wenn seine Mutter sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, gab es keine Ausflucht. In den letzten Wochen hatte sie oft herumgenervt, er solle irgendwelche dämlichen Kurse besuchen, sich für etwas entscheiden. Was hatte sie nicht alles vorgeschlagen. Hätte er doch den blöden Bastelkurs gewählt, dann müsste er sich nächste Woche nicht von Kalle plattmachen lassen.
„Ich geh' da nicht hin“, sagte Guntram und stampfte mit dem Fuß auf, als wäre er erst drei.
„Jetzt lässt du mich auch noch im Stich“, beschwerte sich Dennis und knetete verzweifelt sein Plüschschwein.
„Natürlich nicht. Keiner von uns beiden geht da hin“, erklärte Guntram.
„Meine Mutter lässt sich in solchen Dingen nie umstimmen. Wenn sie sich das in den Kopf gesetzt hat, gibt es kein Zurück.“
„Ich hab' da eine Idee“, grinste Guntram Mempelsino von Falkenschlag zuversichtlich. Dennis deutete fragend auf Guntrams Zauberstab. Doch Guntram winkte ab: „Den brauchen wir dazu nicht. Dein Computer reicht. Mit einer E-Mail bringe ich die Sache in Ordnung. Lass mich nur machen.“ Aber Dennis zweifelte, dass es so einfach sein würde.
Die Gespräche mit Mama verliefen in den nächsten Tagen alles andere als erfolgreich. Sie gab kein bisschen nach und beharrte darauf, dass Dennis den Ringerverein zumindest ein Vierteljahr besuchen müsste. Dennis graute davor, sich jeden Dienstag verprügeln zu lassen. Er sah im Kalender nach. Kein einziger Feiertag fiel auf einen Dienstag. Er überlegte, welche Krankheit ihn dienstags befallen könnte, oder ob er zumindest seinen Trainingsanzug mit Handtüchern ausstopfen sollte. Dann würde es vielleicht nicht ganz so weh tun. Guntram war auch keine große Hilfe. Er tat so, als ginge ihn das nichts an und hatte nur ein bisschen an Dennis' Computer her¬umgetippt. Das war doch auch keine Lösung. Dennis fürchtete, alleine in den Ringerverein gehen zu müssen.
Am nächsten Sonntagmorgen saßen die Blaubergs beim gemeinsamen Frühstück. Guntram war auch eingeladen. Eigentlich liebte es Dennis, am Sonntag in aller Ruhe einen Lachstoast zu essen und dann vielleicht einen zweiten und einen dritten. Aber heute schmeckte ihm nicht einmal der erste. Er hatte sich fest vorgenommen, noch einmal den Ringer¬verein anzusprechen, und dass er auf keinen Fall da hingehen wollte.
Draußen goss es in grauen Strömen. Alle Farben schienen wie weggewaschen zu sein. Die dürren Äste zitterten, als würden sie vor Kälte frieren.
Da bremste ein brauner Kleinbus und hielt direkt vor Blaubergs Haus. Ein dicker Mann in schlammgrüner Regenjacke sprang aus dem Wagen. Er trug Gummistiefel, die aussahen wie von einem Riesen geliehen. Sie reichten bis zur Hüfte.
Dennis wunderte sich, als es keine Minute später an ihrer Haustür klingelte. Wer war das? Jetzt, am Sonntagmorgen.
Noch ehe Dennis sich beschweren konnte, dass er mal wieder die Tür öffnen musste, war Guntram aufgesprungen und hatte die Haustür aufgerissen. Der dicke Mann in der schlammgrünen Regenjacke und den Riesengummistiefeln stapfte herein. Er tropfte die ganze Küche voll. Herr und Frau Blauberg glotzten ihn verdutzt an.
Aus so kleinen Augen, dass Dennis nicht erkennen konnte, welche Farbe sie hatten, strahlte der dicke Mann Frau Blauberg an: „Guten Morgen, ich bin der Huber Schorsch. Ich möchte Sie abholen, Frau Blauberg. Es ist ein wenig feucht heute, aber das passt schon. Die anderen warten bereits im Bus.“ Lässig deutete er nach draußen auf das braune Auto.
Herr und Frau Blauberg starrten den Mann an, als wäre er der Osterhase höchstpersönlich.
Das schien den Mann ein wenig zu verunsichern. Er kniff die Augen zusammen, sodass sie ganz verschwanden und sagte: „Sie wissen schon, wegen ihres Angelkurses, Frau Blauberg.“
Frau Blauberg starrte mit offenem Mund und schnappte wie ein Fisch nach Luft. Sie schien überhaupt nichts zu verstehen. Und Dennis wusste, seine Mutter hasste angeln, all die kalten, glitschigen Fische.
Umständlich knöpfte der dicke Mann seine Regenjacke auf und fischte ein zusammengefaltetes Stück Papier aus der Innentasche. Er klappte es auf und hielt es Frau Blauberg sichtlich erleichtert unter die Nase. „Hier habe ich ihre E-Mail. Sie haben sich für den Angelkurs angemeldet. Da steht, dass sie gleich heute anfangen möchten.“
Dennis zwinkerte Guntram zu. Nun verstand er, wofür Guntram seinen Computer gebraucht hatte.
Und auch Herr Blauberg lächelte. Er legte seine Hand auf Frau Blaubergs Knie und sagte: „Aber Hanne, ich wusste gar nicht, dass du einen Angelkurs gebucht hast. Das ist ja fantastisch. Im Frühling, wenn du die Prüfung bestanden hast, gehen wir gemeinsam angeln.“ Er strahlte seine Frau an.
Frau Blauberg starrte immer noch auf den dicken Mann, als könnte sie durch ihn hindurchsehen. Plötzlich sprang sie auf und schrie mit schriller Stimme, wie es Dennis noch nie zuvor bei seiner Mutter erlebt hatte: „Ich will überhaupt keinen Angelkurs machen. Ich hasse Angeln. Ich hasse Fische. Und jetzt raus hier. Sie tropfen unsere ganze Küche nass.“
Der dicke Mann stolperte rückwärts und murmelte: „Entschuldigung, Entschuldigung, ich dachte nur ...“ Dabei wedelte er mit der E-Mail.
Die Haustür fiel ins Schloss. Frau Blauberg stand immer noch vor dem Frühstückstisch und lief rot an, wie ein Glas, in das Tomatensaft gegossen wird. Streng blickte sie in die Runde, sah zunächst ihren Mann an, dann Dennis und schließlich Guntram. Unwirsch fragte sie: „Wer war das? Wer hat mich zu diesem idiotischen Angelkurs angemeldet?“
„Ich“, sagte Guntram Mempelsino von Falkenschlag, ohne einen Augenblick zu zögern. „Ich war das.“
Frau Blauberg ging einen Schritt auf Guntram zu. Sie ließ ihre Worte wie Hagelkörner auf Guntram herabprasseln: „Du kannst mich doch nicht für einen Kurs anmelden, den ich überhaupt nicht besuchen möchte. So geht das nicht!“
Guntram lächelte freundlich. „Oh, das ist gut zu wissen. Sehr gut. Ganz ausgezeichnet.“
Nun schmunzelte auch Dennis und er fand, es war genau der richtige Zeitpunkt: „Mama, Guntram und ich möchten auf gar keinen Fall in den Ringerverein gehen.“
Frau Blauberg stutzte einen Moment, dann begann sie zu lachen und hörte überhaupt nicht mehr auf. Sie musste sich setzen und japste schließlich: „Das steckt also hinter meinem Angelkurs. Na schön, ich gebe mich geschlagen, ihr müsst nicht in den Ringerverein, auch wenn es euch guttäte. Aber entscheidet euch wenigstens für einen anderen Kurs, damit ihr nicht jeden Nachmittag zu Hause sitzt.“
„Ich denke, ein Angelkurs wäre genau das Richtige für uns“, erklärte Guntram, und Dennis nickte zufrieden.