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|48|16 WÜRZBURG 12. BIS 15. SEPTEMBER 1864 Katholische Presse KEIN KOT AUF DEN KLERUS
Оглавление„Wer ist schuld daran, wenn ein großer Teil der Wiener Tagespresse von Juden redigiert wird, die mit dem Katholizismus begreiflicherweise nichts gemeinsam haben können?“ Der Münchener Redakteur Ernst Zander, dessen ultramontane und antisemitische Haltung bekannt ist, stänkert gerne gegen die vermeintliche „Judenpresse“. Aber dieses Mal hat er seine eigenen Leute auf dem Kieker. Er fährt fort: „Meine Herren, die könnten redigieren, so viel sie mögen, wenn ihr gehässiges Geschreibsel nicht gelesen würde, würde es bald ein Ende haben. Wer zahlt jene Blätter? Meine Herren, die Katholiken sind es.“ Selbst die Pfarrer halten laut Zander oft die „schlechten“ Blätter, deren angeblich verderblichen Einfluss die Katholiken so sehr fürchten.
Die katholische Presse gehört zu den Sorgenkindern der Generalversammlung. Sie ist oft mehr katholisch als Presse, handwerklich nicht gut gemacht, schlecht informiert, eifernd oder langweilig. Die Auflagen sind bescheiden, ein überregional bedeutendes Zentralorgan fehlt. Der „Volksbote für den Bürger und Landmann“, dem Zander als Herausgeber und Redakteur vorsteht, hat es in München immerhin zu einigem Einfluss gebracht. Auf den Generalversammlungen ist Zander Stammgast, er wird schon mit Applaus begrüßt. Der gebürtige Mecklenburger ist zum Katholizismus konvertiert und trifft mit seinem polemischen, radikal ultramontanen und preußenfeindlichen Stil den Geschmack vieler Zeitungsleser in seiner Wahlheimat – und vieler Teilnehmer der Katholikentage. Optimistisch berichtet er zunächst von einzelnen kleinen Blättern, die in den vergangenen Jahren neu entstanden sind.
Auch zu viel diskutierten Grundsatzfragen bezieht Zander klar Stellung. So ist er dagegen, die Anstrengungen auf ein großes Zentralorgan zu konzentrieren, sondern favorisiert „in jedem kleinen Orte ein kleines Blättchen“ – im Oktavformat, was dem heutigen DIN A5 entspricht. Um große Blätter zu lesen, fehlten den einfachen Leuten, so hat es Zander schon vor zwei Jahren in Aachen ausgeführt, die Zeit und das Verständnis. Der Redakteur plädiert zudem für eine unabhängige Presse, die nicht mit den katholischen Amtsträgern zu identifizieren ist. Andernfalls würde „jeder Schlag, jeder Kot, der dann geworfen wird, der wird auf den Bischof oder auf den Klerus geworfen, und dazu sind sie nicht da“.
WAS NOCH?
Im Deutsch-Dänischen Krieg haben Preußen und Österreicher 1864 gemeinsam das Herzogtum Schleswig erobert. Die Versammlung begrüßt „mit innigstem Dank gegen Gott die Siege der deutschen Waffen, welche einen bedrängten Stamm dem gemeinsamen Vaterland wiedergewonnen haben“. Zugleich erwartet sie, dass die Bewohner die Religionsfreiheit erhalten. Beklagt wird der Streit mit dem badischen Staat. Die Katholiken sollen für den bedrängten Papst den Peterspfennig entrichten und sich an Anleihen beteiligen. Ihre Anerkennung spricht die Generalversammlung drei Grafen aus, die aus dem preußischen Heer entlassen wurden, weil sie sich, der Lehre der Kirche entsprechend, gegen das Duell aussprachen. Die anwesenden Frauen werden als „eine der schönsten Zierden unserer Versammlungen“ gewürdigt. Gastredner berichten unter anderem aus Belgien, Ungarn und England. Für die Korrespondenz mit den belgischen Vereinen wird ein Komitee eingerichtet. Die Vorbereitungskomitees sollen künftig mit Eisenbahndirektionen über ermäßigte Tickets für Mitglieder des Katholikentags verhandeln.
|49|Da sich die kleinen Blätter kaum eigene Korrespondenten leisten können, bittet Zander die Teilnehmer der Generalversammlung, ihm Informationen zuzuschicken. Außerdem verwehrt er sich gegen „alle möglichen und unmöglichen Ansprüche“. Man habe ihm „nicht nur Theatergeschichten, Lottonummern und Berichte über Bienenzucht u.s.w., sondern sogar Auskunft in Heiratssachen“ zugemutet.
Entscheidendes für die katholische Presse bringt auch die Versammlung in Würzburg nicht. Sie gründet lediglich einen „Verein zur Verbreitung zeitgemäßer Broschüren“, in der Hoffnung, dass dieser mittelfristig auch die Redaktion eines wöchentlich erscheinenden Zentralorgans übernehmen könnte.
Zander macht dagegen weiter von sich reden. 1865 sorgt er dafür, dass sein Intimfeind Richard Wagner München wegen seines Verhältnisses mit Cosima von Bülow verlassen muss. Nachdem Bayern im Bündnis mit Österreich den Deutschen Krieg von 1866 verloren hat, greift er den Herzog von Sachsen-Coburg persönlich an – und wird wegen Verleumdung zu einem halben Jahr Festungshaft verurteilt. 1872 stirbt er. „Der Volksbote“ wird in den Bankrott der „Dachauer Bank“ hineingezogen und eingestellt. Erst in diesen Jahren, während des Kulturkampfs, beginnt allmählich die Blütezeit der katholischen Presse im Deutschen Reich.
Das Angebot der katholischen Presse an gepflegter Lektüre ließ im 19. Jahrhundert oft zu wünschen übrig. Diese Zeitungsleser in einem Wiener Kaffeehaus dürften eher zur liberalen Presse gegriffen haben. Kolorierter Holzstich nach einer Zeichnung von Ferdinand Wüst, entstanden um 1875.