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Kapitel 1

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Von seinem ursprünglichen Wesen her ist ein Mantikor selbstsüchtig, eigenwillig und nicht bereit, auch nur einen Finger für das Wohl anderer zu krümmen. Dieses Verhalten resultiert aus der Tatsache, dass er es gewohnt ist, mit Kräften ausgestattet zu sein, die die Menschen auf der materiellen Ebene nicht besitzen. Daher schaut er gerne auf die vermeintlich Schwächeren hinab. Über Jahrmillionen gab es keinerlei Begrenzung oder Konkurrenz für die Mantikore … außer dem Lichtermeer.

Als die Menschheit auf der Bühne der Welt auftauchte, begannen die Mantikore sich mit ihnen zu vereinen. Sie vollziehen diese Symbiose eher aus Langeweile und weil es sie belustigt. Aber auch wenn sie es vor sich selbst nicht zugeben möchten, lehrt sie das Leben als „Quasi-Mensch“ natürlich auch Demut. Eine Demut sich selbst und ihrem Wirt gegenüber, denn auf einmal müssen sie sich mit dem Willen und der Persönlichkeit eines anderen Lebewesens auseinandersetzen. Und im materiellen Körper können sie sich darüber nicht einfach hinwegsetzen. Den Menschen wählen sie daher sehr genau nach persönlichen Kriterien aus. Die jeweiligen Charaktereigenschaften des Menschen reizen den Mantikor. Er ist neugierig und spielt gerne mit Gefühlen. Besonders emotionale Menschen werden daher mit Vorliebe für eine Verschmelzung ausgewählt.

So wusste Maliks Mantikor, dass sein Mensch sehr körperbetont sein würde. Und ihm war klar, wie anziehend er auf andere wirken würde; dass er Männer bevorzugen und dass er ein wenig gedankenlos und kämpferisch daher käme.

Der noch sehr junge Katzen-Mantikor nahm sich Packh, als er sah, dass dieser zu einem Hünen heranwachsen würde. Gleichzeitig erkannte er, dass Packh in seinem Inneren ein ganz anderer Typ war als man von seiner Erscheinung her erwarten würde. Seine verschiedenen Seiten, das Harte und das Zärtliche, das Wilde und das Liebevolle … das zog diesen Mantikor an wie Honig die Bienen.

Es gibt noch drei weitere Mantikore in dieser Welt. Und dass sie alle in der Nähe von Löwenherz leben, ist einzig und allein Karess' Willen geschuldet. Sie befiehlt und ihre Macht anerkennend, befolgen die Mantikore ihre Befehle. Nur Packhs Mantikor ist noch zu jung, um überhaupt von der Hohen Rätin bemerkt zu werden. Er bleibt in der Nähe, weil Malik es so will.

In Fynns Welt gibt es den an 'Loewenherz' grenzenden Ort 'Loewenmuth', welcher auf dieser Ebene 'Löwenmut' heißt.

In Fynns 'Loewenmuth' steht eine für den kleinen Ort recht überdimensionierte Bibliothek. Ein prachtvolles Gebäude … doch nicht so prachtvoll wie der Tempel, den sich einer der Mantikore in dieser Dimension an gleicher Stelle erbaut hat.

Dessen Name lautet Eloni und er hat viel von seinem ätherischen Wesen mit in diese Welt gebracht. Er könnte glatt als Elb in „Herr der Ringe“ mitspielen. Seine Gesichtszüge sind geradezu überirdisch glatt und schön. Dunkle Augen wirken in dem hellen Gesicht weise und alt. Die Augenbrauen darüber sind dünn und gebogen, was ihm ein jederzeit arrogantes Mienenspiel ins Gesicht zaubert. Seine schlanke Gestalt wird durch weißblonde Haare betont, die bis zu den schmalen Schultern reichen.

Eloni ist – nach Malik – der älteste Mantikor. Mit Männern und Frauen im Allgemeinen hat er nichts im Sinn … und mit Sex im Besonderen schon mal gar nicht. Oft erweckt es den Eindruck, dass Eloni es inzwischen bereut, inkarniert zu sein. Doch mal eben Selbstmord begehen, weil er keine Lust mehr auf sein irdisches Dasein hat … das verbieten ihm die kosmischen Gesetze. Wie hart hat er darum gekämpft, einen menschlichen Körper in Besitz nehmen zu dürfen … nur um schließlich festzustellen, dass ihn die ganzen Umstände anekeln!

Schlafen, essen, trinken, schei.... und – der Himmel bewahre ihn davor – Sex haben … das ist so profan und unwürdig. Was gäbe er für ein wenig mehr Weisheit unter diesen … Menschen!!

Daher vergräbt er sich gerne in seiner mehr als umfangreichen Büchersammlung. Einen großen Teil des palastartigen Gebäudes nutzt er tatsächlich als Bibliothek. Da er sich selbst die beste Gesellschaft ist, bekommt ihn kaum ein Mensch je zu Gesicht.

Eine Ausnahme bilden seine gelegentlichen Ausflüge in menschliche Buchhandlungen. Dort bedient er sich nach Lust und Laune. Seine sonstige Zurückgezogenheit macht ihn dadurch nicht gerade beliebter.

Und dann gibt es noch Kato und Kess. Sie hausen gemeinsam in einer protzigen Villa am Rand von Löwenherz, die in Fynns Dimension von Jackson, dem Enkel der alten Frau Lohmann bewohnt wird. Das riesige Haus scheint ein Abziehbild der Lohmann-Villa zu sein. Auf jeden Fall gibt es hier genug Platz, dass zwei wilde Mantikore sich bei Streitereien aus dem Weg gehen können.

Kato und Kess … in der Öffentlichkeit sieht man sie nie alleine. Anscheinend gibt es die beiden nur im Doppelpack. Zwei unzertrennliche Brüder. Und wie Brüder sehen sie auch aus. Jeder von ihnen hat einen starken Körper gewählt. Geheimnisvoll blicken einem die gleichen braunen Augen entgegen. Auch ihre Gesichter – mit männlichen kantigen Zügen – ähneln sich; eher herbe als hübsch. Kurze schwarze Haare strubbeln planlos auf ihren Köpfen durcheinander, denn für Haarpflege haben beide keinen Sinn. Solche Mädchenangelegenheiten nerven bloß.

Gerne präsentieren sie ihre prächtigen Muskeln in martialischen schwarzen Lederklamotten und natürlich brausen die beiden Verrückten mit aufgemotzten Motorrädern durch die Gegend. Ihr wildes Gelächter eilt ihrem Eintreffen oft voraus. Meist sind sie trotz ihres Auftretens friedfertig, doch wenn sie Streit bekommen, tragen sie diesen gerne auf die herkömmliche Weise aus. Eine handfeste Schlägerei … was gibt es besseres? Leider gehen ihnen die meisten Menschen – vor allem Männer – lieber aus dem Weg. Daher vertreiben sie sich ihre Zeit oft mit Motorradrennen in der nahegelegenen Kiesgrube, mit Filmnächten voller Action- und Horrorfilme und mit Fressorgien der besonderen Art: viel – von allem!

Ihre Weibergeschichten sind legendär, doch die „normalen“ Mädchen aus Löwenherz und Umgebung halten sich ebenfalls lieber von den Ausgeflippten fern. Ihr Ruf ist einfach zu furchteinflößend. Denn es gibt auch andere Gerüchte, die besagen, dass die Brüder im Geiste Seancen abhalten würden, Blutopfer bringen und andere unsägliche Dinge tun … die niemand genau benennen mag. Die Villa sei verflucht und ihre Bewohner kämen direkt aus der Hölle.

Kato und Kess – Luzifers Gehilfen.

In der Tat erledigen sie ab und zu kleinere Aufträge für Karess. Immer dann, wenn „der liebe Malik“ – wie sie die Hohe Rätin gerne höhnisch nachäffen – sich zu fein dafür ist. Das stimmt natürlich nicht, doch beide geben einen Scheiß darum, ob sie mit ihrer Vermutung recht haben. Malik ist ihnen weitaus überlegen was seine Mächte betrifft; vielleicht spielt der Neid darauf eine Rolle in ihrer Beziehung zu ihm … ganz bestimmt sogar.


Diese ganzen Dinge weiß Fynn auf einmal. Der Mantikor-Anteil in ihm ist zwar noch recht schwach, doch Wissen … Erinnerungen … kann er jederzeit schon an seinen menschlichen Part weitergeben. Er kommuniziert mit Fynn; nicht immer direkt verbal, sondern auch über Gefühle und plötzliche Ahnungen, die ihn überkommen. Nach 3-4 Stunden hat er den Dreh heraus, dass er diese Ahnungen ebenfalls als konkrete Aussagen zu deuten weiß.

Völlig erschöpft liegt er auf seinem protzigen Bett und schließt die Augen. Gerne würde er jetzt eine Mütze voll Schlaf nehmen, doch wenn er die restliche Nacht verschläft, dann steht Karess morgen irgendwann vor seiner Türe und Fynn hat die Gelegenheit verpasst, sich wenigstens rudimentär mit seinem Mantikor auszutauschen.

Sein Mantikor … ein wenig fühlt sich Fynn wie von einem Parasiten befallen. Er spürt – ganz tief in sich – die Präsenz des Anderen, des Fremden. Doch sobald ein Gefühl der Angst oder sogar des Ekels aufkommt, legt sich der Trost des Mantikors wie eine beruhigende Decke über sein Gemüt. Er spürt regelrecht wie ihn starke Arme umfangen und liebevoll wiegen. Das erinnert ihn dermaßen an Malik, dass Fynn sofort lächelt und sich ein bisschen tiefer in die Kissen kuschelt. Obwohl er wirklich kaum mit seinem Macho geschmust hat … doch was soll's. In diesem Moment kann er wieder durchatmen und revanchiert sich mit liebevollen Gedanken.

Geht es Malik gut? Immer und immer wieder stellt er sich zwischendurch diese Frage. Er weiß, dass sich der Mantikor geteilt hat, doch trotzdem immer noch eine schwache Verbindung zu seinem abgetrennten ätherischen Körper hat. Folglich muss er auch wissen, wie es Malik geht.

Natürlich, antwortet jedes Mal die tiefe sonore Stimme.

Warum kann ich nicht mit ihm sprechen? Wie ein stures Kind lässt Fynn nicht von dieser Idee ab.

Hat der Mantikor etwa geseufzt? Nein! Das muss wohl der Wind gewesen sein, der von draußen herein weht.

Ein Gefühl der Dringlichkeit durchzieht Fynns Körper.

Du hast Recht, gibt er nach. Ich sollte darüber nachdenken, wie ich mich morgen Karess gegenüber verhalte.

Der Mantikor stimmt ihm zu. Ein zärtliches Brummen in seinem Inneren fährt Fynns Rückgrat rauf und runter. Normalerweise würde es ihn zutiefst erregen.

Wie von selbst wendet sich Fynns Kopf und sein Blick fällt auf die dunkle Tablette auf seinem Nachttisch.

„Nein“, keucht er voller Widerwillen.

Du musst es tun, fordert sein Mantikor. Selbst wenn du Karess durch deine Lichtermauer irritiert hast, darfst du nicht darauf bauen, sie zu besiegen! Ich bin noch zu schwach und du musst deine Kräfte erst kennenlernen. Wir müssen es schaffen, dass sie uns wohlgesonnen ist. Dann lässt sie uns entweder frei oder wir nutzen einen unbeobachteten Moment und fliehen.

Ich gehe nicht ohne Malik, stellt Fynn fest.

Der Mantikor knurrt das erste Mal widerwillig.

Wenn es nicht anders geht, musst du es tun! Malik würde es nicht anders wollen. Du bist wichtiger, Fynn Lichtermeer. Ohne dich kann Karess niemals besiegt werden. Du hast keine Ahnung, welche Energie sie in den tausenden von Jahren darauf verwendet hat, die Menschen zu manipulieren. Sie denken, sie leben in Frieden und Freiheit, doch sie haben keine Ahnung welche Möglichkeiten ihnen entgehen. Sie entfalten nicht ihr volles Potential.

Er schweigt einen Moment.

Ich hätte niemals gedacht, dass gerade ich dies zu einem Menschen sage … und auch noch einem Menschen, der die reinsten Lichtermeer-Gene in sich trägt, die man sich vorstellen kann. Gene, die mir immer noch Schmerzen zufügen. Gene, die von jeher nie zu den Mantikoren gepasst haben.

Doch … ich liebe dich und ich liebe Malik. Diese Liebe verbindet uns mehr als die Umstände uns trennen könnten. Liebe mich, Fynn. Deine Liebe macht es mir leichter, mich in dir zu entfalten, deine unglaublich hellen Anteile aufzunehmen. Ich merke bereits jetzt wie sie mich verändern. Es schmerzt, doch es ist ein befriedigender Schmerz. Er macht mich fast süchtig.

Fynn laufen inzwischen Tränen über die Wangen. Denn er hört nicht nur die Worte des Mantikors in seinem Kopf. Nein, er spürt dessen Emotionen als wären es seine eigenen. Ja, er wird alles tun, um sie zu retten. Morgen wird er Karess ein Kind machen und – wenn es sein muss – wird er ohne Malik fliehen.

Aber dann Gnade dir Gott, Karess, wenn ich zurück komme.

Malik Mantikor: Ein Lichtermeer wird leuchten

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