Читать книгу Kinder- und Hausmärchen aus Tirol - Ignaz und Josef Zingerle - Страница 4

Kapitel 1

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1. Schwesterchen und Brüderchen.

Es war einmal ein Schwesterchen und ein Brüderchen.

Das Schwesterchen war brav und folgsam und betete

fleißig in der Kirche, das Brüderchen ging aber seine

Wege, war störrisch und schnippisch und machte seinen

Eltern nur Kummer und Verdruß. Einmal gingen

beide in den dunkeln Wald hinaus Erdbeeren lesen,

Sie kamen immer tiefer und tiefer in den Forst hinein.

Das Brüderchen aß und aß voller Gier, ohne jemals

an Gott oder an die Mutter zu denken das Mädchen

hatte aber ein Körbchen mitgenommen und las die

roten Beerlein in dasselbe hinein, um sie der lieben

Mutter zu bringen. Wie sie so beisammen im Walde

waren und Schwesterchen sammelte und Brüderchen

aß, kam plötzlich ein schöne Frau. Ein wunderbares

Licht umfloß sie und die Krone auf ihrem Haupte

glänzte wie die Sonne. Das Schwesterchen ließ das

Sammeln und stand ehrerbietig auf, als die schöne

Frau kam, das Brüderchen rupfte aber in den Erdbeeren

fort, ohne sich an etwas anderes zu kehren.

»Was machst du da, mein Kind?« sprach die schöne

Frau lächelnd zum Mädchen.

»Ich pflücke Erdbeeren, um sie meiner lieben Mutter

zu bringen« antworte das Schwesterchen errötend;

denn es schämte sich vor der schönen Frau.

Die Frau lächelte wieder und drückte dem Schwesterchen

ein Schächtelchen, das aus reinem Golde

war, in die Hand und sprach: »Mein Kind sei brav!

Wenn du das Schächtelchen öffnest, so gedenke meiner.

Wir sehen uns einst wieder.« Lächelnd ging die

Frau mit der funkelnden Krone weiter und kam zum

Brüderchen, das in Hast und Wut Erdbeeren aß wie

das liebe Vieh.

»Was machst du, Bübchen?« sprach die Frau ernst

und doch milde.

»Schmeck1 es, wenn du es wissen willst«, erwiderte

störrisch und trotzig der wilde Bursche. Der schönen

Frau kugelten zwei Tränen über die feinen Wangen

und betrübt gab sie dem ungezogenen Knaben ein

schwarzes Kästchen. »Gedenke meiner, wenn du es

öffnest«, sagte sie wehmütig und verschwand leuchtend

hinter den Bäumen wie die Sonne, wenn sie hinter

den Bäumen niedersinkt; die schöne Frau war aber

die Gottesmutter.

Was mochte aber in dem Schächtelchen sein? Das

wirst du gleich hören, mein Kind! Das Brüderchen riß

gleich voll Neugierde den Deckel auf, und sieh – aus

dem schwarzen Schächtelchen schlangen sich zwei

schwarze, schwarze Würmer heraus und die wurden

immer länger und länger, umwickelten endlich das

Brüderchen und führten es immer weiter in den finstern,

finstern Wald hinein, so daß es nie und nimmer

gesehen wurde.

Das Schwesterchen dachte sich aber: »Bevor ich

das Schächtelchen öffne, muß ich es der Mutter zeigen;

oh, und die wird eine Freude haben!« In diesen

Gedanken pflückte und pflückte es Erdbeeren, bis das

Körbchen voll war, und wollte dann zur Mutter heimkehren.

Beim Weggehen wollte es aber auch das Brüderchen

bei sich haben, obwohl es böse war. Schwesterchen

rief aus voller Kehle, aber Brüderchen gab

keine Antwort. Dann suchte das Mädchen rechts und

links und links und rechts, aber nirgends fand es eine

Spur vom Brüderchen, bis es anfing zu dunkeln und

es im Walde unheimlich wurde.

»O, vielleicht ist das Brüderchen schon zu Hause

oder es will mich nur necken,« dachte sich betrübt das

Mädchen und ging mit dem vollen Körbchen und dem

goldenen Kästchen dem Hüttchen zu, in dem die Mutter

wohnte. Es fand aber nicht das Brüderchen zu

Hause, und als dieses lange, lange nicht kam und

Mutter und Schwesterchen darauf warteten, erzählte

das Mädchen von der schönen Frau, die es gesehen,

und zeigte der lieben Mutter das Kästchen. »Du tust

es mir wohl aufbehalten, liebe Mutter!« bat das Kind.

»Aber zuvor darf ich wohl schauen, was darinnen

ist?« fragte das Mädchen und blickte forschend der

Mutter ins blaue, treue Auge.

»O ja!« sprach die Mutter, und das Mädchen öffne-

te das Schächtelchen, und sieh! – zwei Engelein

kamen heraus und wurden größer und größer, nahmen

das brave Schwesterchen in ihre Mitte und flogen

damit vor den Augen der Mutter immer höher und

höher, bis sie am Himmel verschwanden. Die Mutter

saß auf der Bank vor dem Hause, blickte nach und

weinte vor Freude Tränen und dachte: »Du gehst voraus,

ich hoffe dich aber einstens wieder zu finden, liebes

Kind!«

G a n z T i r o l .

Fußnoten

1 Schmecken im Dialekt riechen.

2. Zistel im Körbel1.

Es war einmal ein armes, armes Mädchen, dem waren

seine Eltern gestorben und sie hatten ihm nichts hinterlassen

als die Lumpen, die es am Leibe trug. Das

Mädchen mußte aus der väterlichen Hütte fort – denn

die wurde verkauft, um die alten Gläubiger zu befriedigen

– und wußte nicht, wo aus und wo an. Weinend

ging es fort und in den dunkeln Wald hinein, in dem

es früher so oft Himbeeren und Schwämme gepflückt

hatte, und dachte, wenn die Menschen mich verlassen,

so werden die Hasen und Rehe mir ein Winkelchen

bei ihnen gönnen. Wie das arme Kind so weiter

und weiter ging und immer tiefer und tiefer in den

dunkeln Wald hineinkam, fing es an Abend zu werden

und die alten Föhren und Tannen warfen gar unheimliche

Schatten. Das Mädchen überkam eine unnennbare

Furcht und es fing an so heftig zu weinen,

daß die Tropfen auf das Heidrich und das weiche

Moos niedertröpfelten, als ob Tau fiele. Wie das

arme schmutzige Mädchen nun so weinte, daß die

kalten Felsen damit hätten Erbarmen haben mögen,

stund plötzlich ein Jäger vor ihm und sprach: »Was

weinst du, mein Kind?« Das Mädchen schlug die

blauen Augen auf und ließ sie wieder sinken und

sprach schluchzend: »Weil ich nichts habe und es

mich so hungert und es hier so unheimlich ist!« – Bei

diesen Worten zitterte das arme verlassene Kind und

weinte noch bitterlicher als zuvor. –

»Sei still!« fiel tröstend der Jäger ein. »Wenn nur

das fehlt, so kann leicht geholfen werden. Geh mit

mir und du sollst Wunderdinge sehen und es soll dich

nicht gereuen.« – Das Mädchen war damit zufrieden

und folgte seinem Führer. Dieser ging, ohne ein Wort

zu sprechen, immer weiter und weiter in den dunkeln

Wald hinein, bis er vor einer riesigen, bemoosten

Eiche stehen blieb. »Liebes Kind«, unterbrach der geheimnißvolle

Jäger die Stille, »wir sind am Platze;

nun sei getrost und weine nicht mehr!« Das Mädchen

wischte sich mit der Schürze noch zwei große Tränen

aus den Augen und stund dann stille und war neugierig,

was da kommen sollte. – »Graue Eiche, öffne

dich! sprach der Jäger im gebieterischen Tone. Und

sieh! – wie auf einen Zauberschlag tat sich der breite

Stamm auf und innen glitzerte, glänzte und schimmerte

es, daß einem hätte das Sehen vergehen

mögen.« Da waren silberne Kleider und goldene

Münzen und prächtige Edelsteine und alles funkelte

und leuchtete in die Wette. Das arme überraschte

Mädchen wußte nicht, wie ihm geschah. Es hielt

beide Hände unter die Schürze und hielt vor Staunen

den Mund und beide Augen weit offen und schaute

und schaute und konnte sich nicht satt sehen.

»Dies alles ist dein und du kannst von diesen Dingen

nehmen, soviel du willst,« sprach der Jäger,

»wenn du es vor den Menschen da draußen geheim

haltest und meinen Namen merkest.«

Das freudig erstaunte Kind stammelte ein frohes

»O ja« und meinte, den Namen werde es sich schon

merken, wenn es ihn nur erst wüßte.

Der Jäger fuhr weiter: »Ich heiß Z i s t e l i m

K ö r b e l . « – »Zistel im Körbel«, flüsterte das Mädchen

vor sich hin, um den sonderbaren Namen seinem

Gedächtnisse recht sicher einzuprägen. –

»In sieben Jahren werde ich wieder kommen, bis

dahin kannst du dir vom Baume holen, was du willst.

Komme ich aber dann wieder und kannst du nicht

meinen Namen nennen, so wirst du höchst unglücklich

werden. Gebrauche die Schätze klug, denn davon

hängt dein Glück ab.« –

Das Mädchen wollte dem grünen Jäger danken,

aber er war schon verschwunden und die Eiche hatte

sich geschlossen und stand ernst und ruhig vor ihm,

nur in den Zweigen spielte hin und wieder ein Lüftchen.

Das Mädchen wußte nicht recht, ob das Geschehene

Wirklichkeit oder ein Traum sei, und sprach versuchsweise:

»Graue Eiche, öffne dich!« Und sieh, der

Baum öffnete sich und zeigte wieder alle seine Herrlichkeit

wie früher. Mit zitternden Händchen griff die

arme Waise hinein und nahm einen blanken Zwanzi-

ger und der dicke Stamm schloß sich wieder wie ehevor

und die Eiche stand so ernst und ruhig da, als ob

nichts geschehen wäre. Es fing schon an zu dunkeln,

da dachte sich das Mädchen: »Hier im Walde kann

ich doch nicht übernachten, denn es könnte der Bär

oder der Wolf kommen und mich fressen.« Es sah

noch einmal den Baum an und schaute sich genau das

Plätzchen ab, auf dem er stund, und ging der Seite zu,

auf welcher der Wald sich zu lichten schien. Kaum

war es einige Schritte gegangen, so kam es auf eine

schöne, breite Straße und auf dieser ging es weiter

und weiter und wiederholte immer bei sich halblaut

»Zistel im Körbel«, bis es plötzlich vor einem großen,

schönen Schlosse stand, in dem es gar lustig herzugehen

schien. Das Mädchen faßte sich ein Herz und

ging in den Hof hinein und über die Stiege hinauf bis

zur Küche. Dort war des Grafen Köchin gerade mit

Bereitung des Abendessens beschäftigt und der Braten

bratzelte, daß es eine Lust war. Das Mädchen näherte

sich schüchtern dem Herde und bat die Köchin

um eine Nachtherberge oder um einen Dienst. Die

Köchin sah aber das Mädchen vom Kopfe bis zu den

Zehen an und fing an zu schmälen und zu schimpfen:

»Pack dich fort aus der Küche! Wir können hier kein

so schmutziges, garstiges Bettelkind brauchen.«

Das arme Kind schrak zusammen und fing an zu

weinen und hörte nicht auf zu bitten und zu weinen.

Endlich wurde das harte Herz der Wirtschäfterin erweicht

und sie sprach barsch zum Mädchen: »Nun,

wenn du es anders nicht tust, so kannst halt die Hennen

und Hühnlein hüten. Du mußt aber früh aufstehen

und darfst erst spät dich niederlegen und schlafen

mußt du auch im Hühnerhäuschen. Hab aber acht! –

Denn geht ein Hühnlein verloren, so wirst du aus dem

Hause gejagt.« –

Das Mägdlein war darüber froh und ging auf die

Wiese hinunter in das Hühnerhaus und trieb die

Hähne, die Hennen und die Hühnchen ein und schlief

dort auf dem Stroh. Frühmorgens trieb es dann seine

Herde aus und flüsterte »Zistel im Körbel« und hütete

den Tag durch und abends trieb es die Hähne, die

Hennen und die Hühnchen wieder ein und schlief in

ihrer Mitte auf dem Stroh. So ging es eine Woche und

das Mädchen fühlte sich wohl und dachte oft an die

graue Eiche und das Zistel im Körbel. –

Da kam nun der Sonntag und die Glocken klangen

von allen Seiten und die Leute gingen in ihrem Sonntagsputze

in die Kirche. Dem Mädchen wurde aber

weh ums Herz, als es die schönen Kleider der Kirchgänger

sah und es allein so schmutzig im grauen Kittelchen

dastund. Da kam ihm die graue Eiche in den

Sinn und es ging in den Wald hinaus, bis es zum

Wunderbaume kam, und sprach mit zitternder Stimme:

»Graue Eiche, öffne dich!« – Die graue Eiche öff-

nete sich und in ihr waren die schönsten Kleider, so

man je auf dieser Erde gesehen hatte, und das Mädchen

nahm eines, das wie die Sonne am Mittag glänzte,

wusch sich am Bächlein, zog das Sonnenkleid an

und ging in die Kirche zur Messe. –

Sie kam gerade zum Gloria. Als die Leute das

S o n n e n k l e i d sahen, machten sie der Kommenden

ehrerbietig Platz, so daß sie bis zum Betstuhle

des Grafen kam. Das arme Mädchen im reichen Sonnenkleide

kniete sich neben ihm nieder und betete.

Der Graf war aber ganz überrascht und sah die schöne

Nachbarin an und wurde immer zerstreuter, je mehr er

sie ansah, denn sie dünkte ihm gar zu schön. Wie die

Messe vorbei war, eilte die Schöne im Sonnenkleide

aus der Kirche, daß es rauschte, und entschwand in

den Wald. Dort zog sie das schimmernde Sonnenkleid

ab, tat das arme, schmutzige graue Kittelchen an und

kehrte als Hennenmädel wieder zum Schlosse zurück.

Der Graf hatte aber seit der Sonntagsmesse keine

frohe Stunde mehr, denn es fehlte ihm etwas und er

getraute sich nicht, es zu sagen. Er war verstimmt und

sah oft Viertelstunden lang zum Fenster hinaus, ohne

ein Auge zu verwenden. Die Wochentage schienen

ihm zu langsam vorbeizugehen und er sehnte sich

nach der Sonntagsmesse. Endlich kam wieder der

Sonntag und die Glocken läuteten zur Messe, da ging

das arme Mädchen wieder in den Wald hinaus und

kam tiefer und tiefer bis zur Eiche. »Graue Eiche,

öffne dich!« sprach es und die graue Eiche öffnete

sich und in ihr waren die schönsten Kleider, so man je

auf dieser Erde gesehen hatte, und darunter war ein

Kleid, das glänzte so licht und blaß und schön wie der

Mond, wenn er am klaren Abendhimmel steht, und

das gefiel dem Mädchen vor allen übrigen, und das

zog es, nachdem es sich an dem klaren Bächlein gewaschen

hatte, an und eilte in die Kirche. Wie das

Mädchen in die Kirche kam, machten alle der schönen

Jungfrau im M o n d k l e i d e ehrerbietig Platz, so

daß sie bis zum Betstuhle des Grafen kam. Sie kniete

sich hinein und der Graf sah die schöne Jungfrau an

und sah das Mondkleid und konnte keinen Blick von

ihr wenden. Als die Messe zu Ende ging, winkte der

Graf den Bedienten, der unbekannten Jungfrau zu folgen

und sie nicht wegzulassen. Als das schöne Mädchen

wieder sich entfernte und das Mondkleid rauschte,

machten sich die Bedienten auf und folgten ihm

auf dem Fuße nach. Es eilte aus Leibeskräften, doch

vergebens. Als es aber sah, daß kein Entrinnen möglich

sei, holte es aus ihrem Beutel blanke Zwanziger

hervor, die sie aus der Eiche mitgenommen, und warf

sie aus. Die Diener machten sich nun gierig über die

Silberlinge her und dachten, wenn sie genug Geld hätten,

könnten sie auch anderswo unterkommen. – Das

arme Mädchen entkam aber im Mondkleide zur grau-

en Eiche, zog das blasse Mondkleid ab, tat wieder das

arme, schmutzige graue Kittelchen an und kehrte als

Hennenmädel zum stolzen Schlosse zurück, wo es die

Hähne, Hennen und Hühnlein auf dem Wiesengrunde

hinter dem Turme hütete. –

Der junge Graf aber hatte nun keine Ruhe und

keine Rast mehr, denn es fehlte ihm die schöne Jungfrau

im blassen Mondkleide und das machte ihn verstimmt

und unzufrieden, so daß sein Antlitz, das früher

wie eine Rose blühte, welkte und seine Stirne nie

mehr heiter war. Stundenlang stand er auf dem Söller

und sah gedankenlos in die blaue Ferne hinaus und in

Gesellschaften wußte er nicht einmal, wovon gesprochen

wurde. Die lange, lange Woche schien ihm gar

kein Ende nehmen zu wollen, so langsam verschlichen

ihm die Tage. Als wieder der Sonntag kam und

die Glocken läuteten, ging der Graf wieder in die Kirche;

das Hennenmädchen aber ging wieder in den

Wald hinaus zur grauen Eiche, wusch sich an der klaren

Quelle und sprach mit hastiger Stimme: »Graue

Eiche, öffne dich!« Die graue Eiche öffnete sich und

das Mädchen nahm diesmal das S t e r n e n k l e i d .

Das war blau und voll goldener Sterne, die glänzten

aber wie wirkliche Sterne, die nachts am Himmel stehen,

und es war, als ob sie sich sachte bewegten und

bald mehr, bald weniger schimmerten. Zugleich steckte

sie viele, viele Goldstücke in die Tasche und eilte

in die Messe. Es war schon das Gloria, als die schöne

Jungfrau im schimmernden Sternenkleide daher kam

und sich an die Seite des Grafen kniete. Der Graf war

wieder froh und sah und sah nur die schöne Jungfrau

an und das schimmernde Sternenkleid und konnte keinen

Blick von ihr wenden, denn er meinte, noch nie

etwas Schöneres gesehen zu haben. Und wie er sie so

selig ansah, wurde ihm das Herz so weich, daß er den

Grafenring von der Hand zog und ihn der schönen

Nachbarin an den Finger steckte. Als die Messe zu

Ende war und die schöne Jungfrau aus der Kirche

ging und das Sternenkleid rauschte, stürzten auf einen

Wink des Grafen die Diener ihr nach und folgten ihr

auf dem Fuße. Sie griff aber in den Beutel und warf

Goldstücke aus, daß es auf dem Boden glitzerte und

funkelte, als hätte es Gold geschneit, und die Diener

warfen sich auf die goldenen Füchse und dachten:

»Wenn wir Geld genug haben, können wir auch anderswo

unterkommen.« – Das arme Mädchen im Sternenkleide

enteilte aber, ging zur grauen Eiche, zog

das schimmernde Sternenkleid ab, tat wieder das

arme, schmutzige graue Kittelchen an und kehrte als

Hennenmädel zum stolzen Schlosse zurück, wo es die

Hähne, Hennen und Hühnlein auf dem Wiesengrunde

hinter dem Turme hütete. –

Der Graf hatte aber keinen frohen Tag mehr, so

ging es ihm zu Herzen, und er sah tagtäglich blässer

aus und alterte zusehends. Man holte Ärzte aus der

ganzen Umgegend, allein sie konnten dem kranken

Grafen nicht helfen, denn es war für diese Krankheit

kein Kräutlein gewachsen.

Da rieten dem kranken Herrn die Freunde, die um

die Sache wußten, er solle sich aufheitern, und ließen

ein großes Mahl veranstalten, zu dem viele lustige

Gesellen geladen wurden. Da gab es in der Küche

vollauf zu tun und das Hennenmädel mußte auch helfen

und die Hühnlein und Hähnlein rupfen, die es früher

auf dem Wiesengrunde draußen gehütet hatte.

Und wie es damit fertig war, mußte es zum Herde und

der Köchin, die gerade Kuchen buk, die Pfanne halten.

Und wenn die Kuchen recht hin und her wogten

und das Schmalz aufbrodelte und wallte, kam das

Hennenmädel auch die Lust an, einen Kuchen hineinzugeben.

Es bat die Köchin darum, aber diese

schnauzte und barschte das Mädchen an und schlug

seine Bitte geradezu ab. Als aber das Hennenmädel

immer von neuem bat, sagte endlich die Köchin: »Da

von diesem Teigreste kannst einen Kuchen machen,«

denn sie dachte, dieser kommt doch nicht mehr auf die

Tafel.

Das Mädchen war voller Freude darob und gab den

Kuchen in die Pfanne, zuvor hatte sie aber schnell den

Grafenring in den Teig gebracht. Wie der Kuchen nun

im brodelnden Schmalze schwamm, wurde er immer

größer und ging so auf, daß er der schönste unter

allen war und auf einem Teller nicht einmal Platz

hatte und alle über den schönen Kuchen staunten. Die

Köchin ließ den schönen Kuchen auf einer besonderen

Tasse zur Tafel tragen und dem Grafen vorstellen.

Als alle den Kuchen genug bewundert hatten, zerschnitt

der traurige Graf den Kuchen – und sank fast

ohnmächtig auf den Sessel zurück. Bald erholte er

sich aber wieder, ließ die Köchin rufen und fragte sie

hastig, wer den Kuchen gebacken habe? – Mit Zittern

und Bangen gestand endlich die Köchin, das Hennenmädel

habe sie so lange gebeten, und da habe sie ihm

endlich erlaubt, den letzten Kuchen zu backen, dieser

sei aber so schön ausgefallen, daß sie ihn doch zur

Tafel getragen. Der erstaunte Graf tröstete sie freundlich,

zeigte ihr den Grafenring und sagte, sie solle

gleich das Hennenmädel in den Saal kommen lassen.

– »Aber, mein lieber Himmel! die ist doch ja so

garstig und schmutzig!« meinte die Köchin. »Nun so

soll sie sich umkleiden!« befahl der Graf und die Köchin

ging wieder in die Küche hinaus. Das Hennenmädel

hatte sich aber indessen gewaschen, und als die

Köchin ihr den Befehl des Grafen gesagt hatte, ging

sie weg und zog ein prächtiges Kleid an, das M o r -

g e n k l e i d , denn es war so golden wie der Morgenhimmel;

das hatte sie gestern von der grauen Eiche

zum Feste geholt und unter ihrem Strohlager verbor-

gen. Und als sie es anhatte, war sie so schön wie der

Morgen und niemand kannte sie mehr, und als sie in

den Saal trat, stunden alle Gäste auf und staunten

über ihre Schönheit und der Graf erkannte sie und

eilte auf sie zu und führte sie hinauf zu seinem Sitze,

wo sie nun neben ihm Platz nehmen mußte, und er

nannte sie seine Braut und das Mahl wurde ein Hochzeitsmahl,

denn abends gingen sie in die Schloßkapelle

und dort wartete schon auf sie der Schloßkaplan,

um sie zu trauen.

Der Graf und die schöne Gräfin lebten nun glücklich

mitsammen auf dem stolzen Schlosse und hatten

einander recht lieb und dachten an nichts anderes

mehr. Die Jahre gingen gar schnell vorüber und die

schöne Gräfin hatte schon ein schönes Mädchen, das

sie auf ihrem Schoße wiegen konnte. Wie alles so

schön war und der Graf sich so glücklich fühlte, kam

der Gräfin aber plötzlich der grüne Jäger in den Sinn,

dem sie ihr Glück zu verdanken hatte, und sie erinnerte

sich an ihr Versprechen, seinen Namen zu merken,

und da wurde es ihr schwer, recht schwer ums Herz, –

denn sie wußte ihn nicht mehr. –

Die sieben Jahre waren bald vorüber und die Gräfin

wurde immer ernster und trauriger und bleicher, so

daß man sie bald nimmer gekannt hätte. Sie lächelte

nie mehr, und wenn ihr Mädchen auf ihrem Schoße

kniete und mit den blonden Locken spielte oder ihr in

die blauen Augen schaute und ihre Wangen streichelte,

gingen ihr die Augen über und sie fing an zu weinen

und dachte an das drohende Unglück. Und das

Mädchen, wenn es die Mutter weinen sah, weinte

auch mit und es war sehr traurig auf dem Schlosse

und niemand wußte warum. Der Graf forschte nach

und bot alles auf, um die liebe Gräfin zu erheitern,

aber alles war umsonst.

Eines Abends saß die traurige Gräfin wieder auf

dem Söller und sah in den Garten hinab, wo die Gärtnerknaben

arbeiteten, und war so traurig wie nie, denn

morgen waren die sieben Jahre vorüber und sie wußte

nimmer den Namen des Jägers. Wie sie lange so gesessen

war und sann und nachdachte, sah sie, wie die

Gärtnerjungen ihre Gerätschaften zusammenpackten,

und einer hatte ein Zistel und das warf er in sein Körbel.

Als das die Gräfin sah, lachte sie laut auf und

rief: »Zistel im Körbel!«, so daß der Graf und die

Kammermädchen herbeikamen, und alle staunten,

denn keine lebende Seele wußte, was die Gräfin so

froh gemacht hätte. – Der Graf freute sich und küßte

die frohe Gräfin, die so lange trüb und traurig gewesen.

Am Tage darauf kam der grüne Jäger, als die Gräfin

eben spazieren ging, und die Gräfin grüßte ihn und

nannte ihn beim Namen. Da lächelte er, legte den Finger

auf den Mund zum Zeichen, daß sie keiner Men-

schenseele etwas von ihm sagen sollte, und verschwand

auf immer. Die Gräfin und der Graf lebten

aber noch lange recht glücklich und bekamen noch

zwei Kinder, ein Büblein und ein Mädchen. Und die

Geschichte ist wahr, denn der sie erzählte lebt noch.

(B o z e n . )

Fußnoten

1 Zistel bedeutet in einigen Gegenden Tirols ein flaches

Kopfkörbchen, im Gegensatze zu Körbel, worunter

man ein Rückenkörbchen versteht.

3. Die Krönlnatter.

Die Krönlnatter ist eine Natter, so gescheckt und kriechend

wie die andern ihres Geschlechtes, aber auf

dem Kopfe trägt sie ein gar hübsches Krönlein und

davon heißt sie die Krönlnatter. Das Krönchen glänzt

wie Gold und die Spitzen desselben funkeln wie Edelsteine.

Kommt die Krönlnatter zu dir und begegnest

du ihr recht lieb und freundlich, so ist dein Glück gemacht,

denn früher oder später wird sie dir das Krönlein

schenken und das Krönlein macht alles, was du

immer willst, unversieglich. Legtest du das zackige

Reiflein zu deinem Schatztaler, den dir die liebe Mutter

aufbewahrt, so könntest du dir um 100 Gulden

Soldaten, Pferde und Bilder kaufen und dein Taler

wäre doch als Hecktaler im Beutelchen. Würdest du

das Krönlein zu den Soldaten legen, so würdest du

Soldaten ohne Maß und Ziel bekommen, so daß dein

Füßchen in der Stube vor lauter Soldaten nicht mehr

Platz fände.

Einmal vor alten Zeiten war ein armes Bauernmädel,

das von seiner bösen Stiefmutter gar hart behandelt

wurde. Es mußte früh aufstehen und in den Stall

gehen und arbeiten früh und spät, und war spätabends

alles abgetan, so bekam es von seiner Mutter noch

Schläge und Scheltworte und höchstens ein wenig

Wirler1, um den Hunger zu stillen. Das Mädchen war

aber immer heiter und wohlgemut, denn so oft es in

den Stall ging, kam eine Natter mit einem Krönlein

daher und blickte dem netten Kinde so lieb in die

dunklen Äugelein, daß es Weh und Ach vergaß und

des Lebens froh wurde. Das Mädchen gab dem zutraulichen

Tiere, weil es in die Butte äugelte, einmal

ein wenig Milch und es trank und trank und sah die

kleine Dirne so lieb an, als ob es danken wollte. Das

Mädchen brachte aber die Milch voll Bangen der

Stiefmutter, denn diese zählte jeden Tropfen und forderte

von jedem fehlenden Rechenschaft. Wie groß

war aber das Staunen der Melkerin, als zwei Schüsseln

mehr als gewöhnlich voll wurden und selbst die

herbe Mutter ein süßes Gesicht schnitt.

Seitdem kam die Natter immer und das Mädchen

gab ihr tagtäglich von der Milch und das Tier blickte

sie immer mit seinen klugen schwarzen Äugelein so

lieb an, als ob es hätte sagen wollen: »Maidele, ich

will dir dankbar sein.«

So ging es viele, viele Jahre. Die Natter kam morgens

und abends und trank Milch und das Mädchen

wuchs und wuchs und ward immer schöner und lieber,

so daß es die schönste Dirne im Dorfe war und

von allen gern gesehen wurde.

Die Dirne war endlich Braut und hielt eine lustige

Hochzeit. Die Schüsseln dampften, die Böhmen musi-

zierten und die Böller krachten, daß es eine Lust war,

und alles war laut und fröhlich. Als das Fest dem

Ende sich zuneigte, war es plötzlich stille, stille –

denn die Krönlnatter schlängelte sich durch den Saal,

bis sie zum Sitze des Brautpaares kam. Hier kroch sie

an der Sessellehne empor auf die rechte Schulter der

Braut, sah ihr ins freudennasse Auge, schüttelte das

goldene Krönlein vom Kopfe auf den blanken Teller –

und verschwand, ohne je wieder zu kommen. Die

Braut nahm aber das funkelnde Andenken zu sich und

legte es zu ihrem Gelde. Dies nahm aber nie mehr ab,

mochte sie davon nehmen, so viel sie wollte, und seitdem

war sie die reichste und stattlichste Bäuerin im

ganzen Dorfe.

(U n t e r i n n t a l . )

Fußnoten

1 Speise aus Maismehl. Schöpf, Tirolisches Idiotikon

817.

4. Fischlein kleb an!

Es waren einmal drei Knaben, denen war ihre Mutter

gestorben, und an ihrer Stelle hatte ihnen der Vater

eine recht herbe Stiefmutter in die Hütte gebracht. Sie

mochten tun und treiben, was sie wollten, nie war es

recht. Anstatt des Morgensegens bekamen sie Scheltworte

und anstatt des Brotes erhielten sie Schläge und

nachts konnten sie froh sein, wenn sie vor Hunger die

müden Augen schließen konnten. Da dachten sich die

Knaben wohl oft: »Wenn die rechte Mutter noch

lebte!« Allein keiner wagte es zu sagen; nur der jüngste,

Hans, ließ hin und wieder einen solchen Gedanken

halblaut werden. Aber gerade deshalb konnte ihn

die neue Mutter nicht leiden und ausstehen und bekamen

die übrigen zwei an Festtagen zwei Kuchen, so

bekam er einen; und schnitt den andern die Mutter

alle heiligen Zeiten einmal ein freundliches Gesicht,

so sah er immer nur ein finsteres und saures. Hans

mußte die schwersten Arbeiten tun und konnte er sie

nicht vollbringen, so wurde er verlacht, gescholten

und geschlagen.

Einmal, es war gerade Frühling und die Veilchen

guckten hervor und die Vögel sangen, gab ihm die

böse Stiefmutter eine Reiter (grobes Sieb) und sagte:

»Geh zum Brunnen und hol mir darin Wasser!«

Hans blickte bald das Geflecht, bald die barsche

Machthaberin an und die schwarzen Augen gingen

ihm über; denn er sah die Unmöglichkeit des Befehles

und kannte seine Mutter.

»Willst du gehen oder nicht?« barschte sie den Zögernden

an, daß der arme Knabe zusammenfuhr wie

das zitternde Espenlaub, »oder soll ich den Hund dir

nachhetzen?«

Weinend und trostlos schwankte Hans mit seinem

durchsichtigen Gefäße hin zum Nußbaume, in dessen

Schatten der Brunnen rauschte. Hoffnungslos hob er

die Reiter hinauf und ließ den Wasserstrahl hineinplätschern;

dieser brach sich aber an den Stäbchen

und sprang und sickerte durch – und heftiger weinte

Hans, daß es ihm fast das Herz abstieß. Obwohl er

keine Hoffnung auf ein gutes Ende hatte, stund er

doch, um dem Gewitter, das seiner zu Hause wartete,

solange als möglich zu entgehen: aber das Wasser

sprang und sickerte durch und nicht ein Tröpflein

blieb an einem Stabe hängen. Wie der Arme so dastund,

kam plötzlich an einer Krücke gebückt ein

Mütterchen daher, das er noch nie gesehen hatte und

das ihm fast unheimlich vorkam. Das Angesicht war

runzelig wie ein Apfel im Mai, die pechschwarzen

Augen guckten unstet und durchbohrend hin und wieder

und ihre Nase zog sich hackenähnlich über den

zahnlosen Mund herunter.

»Was machst du da, Hans?« sprach sie mit kreischender

Stimme.

Hans erbebte, als er seinen Namen von der nie Gesehenen

nennen hörte.

»Brauchst dich nicht zu fürchten. Ich mein's gut

mit dir. Was machst du?« frug sie im vertraulichen

Tone.

Hans faßte sich ein Herz und sagte, er müsse hier

in der Reiter Wasser holen, das Wasser laufe aber

immer davon und ohne Wasser dürfe er der Stiefmutter

nicht unter die Augen kommen. Hier brach er ab;

das Weinen erstickte seine Stimme; Tränen rollten

über die blassen, eingefallenen Wangen des Knaben

und netzten das zerlumpte Lodenwams.

»Laß das Weinen!« fiel tröstend die Alte ein. »Ich

will dir helfen, und wenn du immer gut und brav sein

wirst, sollst du ein großer Herr werden, vor dem sich

alles bückt. Ich habe deine Tränen gezählt und will

sie abtrocknen.« »Fischlein, Fischlein«, rief sie darauf

mit erhöhter, fast gebieterischer Stimme; dabei tat sie

einen raschen Griff in den Trog und husch! zappelte

ein winziges, blaues Fischlein mit goldroten Blümlein

betupft in der runzligen Hand der Alten.

»Da nimm das Fischlein kleb an,« begann die Alte

zum verblüfften Knaben, der schluchzend noch die

Hände, mit denen er soeben die Augen ausgewischt,

über die Stirne hielt, – »und bewahre es wohl! Das

Fischlein hat Wunderkräfte und sie sind in deiner

Hand. Benütze sie klug und redlich! – Sprichst du

zum Fischlein: ›Fischlein kleb an!‹, so wird alles, was

es berührt, daran kleben bleiben und niemand, selbst

der Kaiser nicht, könnte sich davon losmachen. Alles

muß dir folgen. Willst du aber jemanden freilassen, so

berühre ihn mit dieser Nadel« – hier zog sie eine funkelnde

Brustnadel aus ihrem Mieder – »und er ist

frei.«

»Aber die Mutter, wenn ich heute kein Wasser

bringe?! – und ich bin schon so lange aus!« seufzte

Hans noch beklommen.

»Dem soll gleich geholfen werden!« erwiderte das

Mütterchen, warf das blaue, goldbeblümte Fischlein

in die Reiter und das Wasser plätscherte und plätscherte

hinein und kein Tropfen rann durch die Spalten,

und bald war das Gefäß voll und das Wasser lief

über.

»Nun nimm dein Zeug und geh!« sprach freundlich

das Mütterchen. Der Knabe sah sie mit halbgeöffnetem

Munde an, hob die Reiter auf den Kopf und wollte

der guten Frau danken; aber Mütterchen und Krükke

waren verschwunden, nur ein rötlicher Dunst entstieg

jener Stelle und verzog sich in die Luft.

Hans trottete nun über Stock und Stein nach Hause.

Die Stiefmutter staunte und staunte, konnte aber dem

Knaben, der ihr die Geschichte erzählte, nur vom

Fischlein schwieg, nicht böse sein, verkochte das

Wasser und gab ein andermal dem Knaben das

Schäfflein, das er bei Lebzeiten der rechten Mutter zu

tragen gewohnt war. Hans trug das Fischlein immer

bei sich im Sacke und in der Nacht ließ er es unter

seinem Strohpolster schlafen und hatte es recht lieb.

So ging es geraume Zeit; der Knabe trug das Fischlein

bei sich, sagte aber nie »kleb an« und das Fischlein

verhielt sich ruhig und klebte nie an. Als einige

Jahre vorübergestrichen und die Stiefmutter schon alterte,

lud Hans, der nun ein weidlicher Bursche war,

die Kohlköpfe auf den Wagen, um sie nach Hause zu

führen. Des Nachbars Gänse leisteten ihm Gesellschaft

und schnatterten ihm vor und schnappten nach

manchem Kohlkopfe. Als er geladen hatte und weiterlenkte,

folgte die Gansherde dem Fuhrwerke und

schnatterte ihr kra, kra, kra und der Gänserich langte

seinen roten Schnabel nach der Fracht. Hans wurde

endlich der Begleitung überdrüssig und dachte: »Ich

will's euch dummen Gänsen schon machen.« »Fischlein

kleb an!« lispelte er und der Gänserich hing am

Kohlkopfe und die Gänse hingen in einer langen

Reihe an ihm, so daß der Schnabel der einen am

Schweife der andern hing. Kra, kra, kra schnatterten

die fünfundzwanzig Gänse. Wie es so weiter ging,

kamen sie zu des Nachbars Hof. Die Bäuerin hörte

das Geschnatter, eilte mit einem Besen heraus und er-

staunte nicht wenig über diesen Zug. Mürrisch wollte

sie die Gänse weg und in den Stall treiben, Hans lispelte

aber: »Fischlein kleb an!« und die Bäuerin hing

mit dem Besen an der letzten Gans und konnte nicht

weiter. Kra, kra, kra ging es nun weiter, Hans voraus,

dann kamen die grünen Kohlköpfe, die weißen Gänse

und die schmähende Bäuerin. Wie es so weiter ging,

kam der Zug zu einem Müller, der seinen Esel am

Halfterbande daherführte. »Hilf mir!« rief die Bäuerin

und streckte die Hand nach dem mehlbestäubten

Eselsführer. Mitleidig langte dieser ihr zu, aber in

demselben Augenblicke hieß es: »Fischlein kleb an!«

und Müller und Esel hingen an Zuge.

Kra, kra, kra ging es nun weiter dem Dorfe zu,

Hans voraus dann die grünen Kohlköpfe, die weißen

Gänse, die schmähende Bäuerin, der fluchende Müller

und der graue Esel, der in das Geschnatter der Gänse

sein betontes Iah, iah eintönen ließ. – Die Fahrt ging

weiter; da begegnete dem Zuge der Schullehrer mit

seinem spanischen Rohre einherstolzierend. »Jagen

Sie doch den Esel weg, damit ich frei werde«, rief flehend

der Müller dem Herrn mit den Vatermördern zu.

Die Bitte fiel nicht auf taube Ohren, gravitätisch trat

der Lehrer hinzu und suchte den Esel wegzutreiben.

»Fischlein kleb an!« schmunzelte Hans, und Stock

und Meister klebten.

Kra, kra, kra ging es nun weiter dem Dorfe zu,

Hans voraus, dann die Kohlköpfe, die Gänse, die

Bäuerin, der Müller, der Esel das spanische Rohr und

der Schulmeister mit den Vatermördern.

Als der bunte Zug zum Dorfe gekommen, stund gerade

der Bäcker am Ofen und wollte die Laibe hineinschießen.

»Kra, kra, kra, iah, iah verflucht und verhext!

« scholl es so wirr von der Straße herein, daß er

neugierig, die Schalter mit den Laiben tragend hinausstürzte,

um das tolle Schauspiel zu sehen.

»Reicht mir Eure Hand!« bat der Lehrer. – Es geschah,

»Fischlein kleb an!« sprach Hans und der Bäkker

klebte am Zuge.

Die lange, lange Reihe zog und lärmte durch die

Gasse, daß die Fenster von allen Seiten aufflogen und

helles Gelächter von allen Seiten erscholl. Wie der

Zug so daher kam, fuhr plötzlich eine Kutsche an, die

sechs Schimmel zogen, und in der eine wunderschöne

Jungfrau saß. Diese war die ernste Königstochter, die

nie, seitdem sie das Tageslicht erblickt hatte, ihre

roten Lippen zu einem Lächeln verzogen hatte. Durch

den Lärm neugierig gemacht sah sie zum Fenster hinaus,

und wie sie das Kra und Iah, das Fluchen und

Beten hörte und den Hans, die Kohlköpfe, die Bäuerin,

den Esel, den Schulmeister usw. in engster Verbindung

sah, schlug sie ein lautes Gelächter auf und

ihre Augen funkelten vor Freude. – »Die Prinzeß

lacht«, flog es durch die Reihen der Begleiter und Be-

gleiterinnen. Hans aber lispelte, als der Bäcker mit

der Schalter zufällig an der Deichsel des königlichen

Wagens anstieß, »Fischlein kleb an!« und der Wagen

klebte an. So kamen sie zur königlichen Villa, die am

Dorfe stund; der König eilte an das Fenster, als er den

Lärm und das Gelächter hörte, und wie er den wunderbaren

Zug vom Kohlkarren bis zur königlichen

Equipage und seine lachende Tochter sah, begann er

auch zu lachen und rief den Führer zu sich. Hans kam

und erzählte, wie es gegangen sei. Der König sprach

freundlich: »Du hast meine Tochter zum Lachen gebracht,

wähle dir eine Belohnung! Du sollst erhalten,

was du willst!« – Hans kratzte sich hinter den Ohren

und meinte: »das hinterste Fischlein Kleban«. Als

dem Könige dieser Wunsch nicht ganz gefällig

schien, machte Hans Miene weiterzuziehen. Der

König mußte zum übeln Spiele eine gute Miene machen

und froh sein, wenn seine Prinzeß frei würde.

Hans eilte hinunter: tupf, tupf, tupf ging es mit der

hellen Stecknadel und es stob auseinander, wie wenn

der Wind in die Spreu gefahren wäre. Die Königstochter

lachte wieder und Hans führte sie zum königlichen

Vater hinauf und freute sich des letzten »Fischleins

Kleban«. Der König behielt den Hans bei sich

und bekam ihn immer lieber und lieber und die Königstochter

lächelte, so oft sie den einstigen schönen

Führer sah. Hans wurde endlich Herzog und die la-

chende Prinzessin seine Braut und da gab's eine lustige

schöne Hochzeit, und Herzog Hans und die Braut

lächelten sich gar fröhlich an und niemand hätte geglaubt,

daß die Prinzeß einst so ernst gewesen wäre

und nie gelacht hätte. Hans nahm zu seinem Wappen

ein blaues Fischlein mit rotgoldenen Blümchen und

das haben noch seine Nachkommen bis auf den heutigen

Tag. Als der alte König starb, wurde Hans auch

König und war ein guter König, der sein Volk nicht

quälte, denn er hatte selbst etwas erfahren.

(A b s a m u n d E b e n ).

5. Der Schmied in Rumpelbach.

Der Schmied in Rumpelbach war stets ein kreuzbraver,

arbeitsamer Mann gewesen. Er war aber so unglücklich,

sein Geld bei solchen Leuten gutzuhaben,

deren Beutel zwar vom Gelde nicht leer, deren Herz

aber davon noch voller war. Da er nun trotz der sauern

Arbeit nichts zu beißen hatte, so wurde er täglich

mürrischer und kam in einer Nacht auf den Gedanken,

ob denn für die Kargheit seiner Gläubiger nicht einige

Klafter unter der Erde ein Kräutlein gewachsen sei.

Nur wußte er nicht, wie er den Doktor, der dasselbe

bringen sollte, herbeiholen könnte. Doch der Teufel

ist bekanntermaßen ein Herr, der sich nicht lange

laden läßt. Am andern Morgen ging der Schmied den

Kopf voll Gedanken in die Werkstätte und griff verdrießlich

zum Hammer. Sieh da! ein schmuckes Herrlein

im grünen Rock, den Hirschfänger an der Seite

und die Flinte auf dem Rücken, tritt zur Türe herein.

»Wie geht's, Rumpelbacher?« lautete sein freundlicher

Zuruf.

»Ach wie geht's; Arbeit genug und doch kein

Geld!«

»Arbeiten und kein Geld haben, wie ginge das zu,

das heißt ja säen, ohne zu ernten!«

Der Schmied, zu einem langen Geschwätze nicht

aufgelegt, fuhr den Junker barsch an: »Was hilft's

Reden, Ihr könnt mir doch nicht helfen.«

»Ich nicht helfen können?« spöttelte der Junker und

schob den Hut ein wenig beiseite, so daß der Rumpelbacher

ein krummes Hörnlein wohl gewahr werden

konnte.

»Ah, wenn Ihr der seid,« entgegnete höflich der

Schmied, indem er die schmutzige Kappe abzog,

»dann ließe sich mit Euch wohl ein Geschäft machen.

«

»Warum denn nicht? Aber wisse, daß ich für alle

Dienste, die ich dir erweise, keine geringere Belohnung

nehme als deine Seele und diese will ich nicht

später holen als nach sieben Jahren.«

Diese Worte fuhren dem Schmied durch Mark und

Bein; er stund ein Weile stumm da, wollte dann eine

Entschuldigung hervorstottern, hatte aber nicht den

Mut, dem Teufel zu widersprechen.

Dieser schaute den Verzagten mit höhnischem

Stolze an und machte Miene zum Weggehen, als ihn

der Rumpelbacher zurückhielt mit dem Rufe: »Nun so

sei's gewagt. Hört, was ich von Euch für meine Seele

verlange. Ich möchte eine Bank vor meinem Hause;

wer sich auf dieselbe setzt, der soll ohne meinen Willen

nicht wieder wegkommen.«

»Das kann ich Euch wohl geben,« fiel der Teufel

hastig ein, »also unterschreibt!«

»Oho,« erwiderte der Schmied, »das geht nicht so

leicht, für die Bank allein ist mir meine Seele nicht

feil. Ich möchte auch noch einen Kirschbaum; wer auf

denselben hinaufsteigt, soll ohne meinen Willen nicht

wieder herunterkommen, und weil aller guten Dinge

drei sind, so gebt mir auch noch einen Sack; wer in

demselben steckt, soll ohne meinen Willen nicht wieder

herauskommen. Bringt Ihr mir diese drei Stücke,

so will ich Euch meine Seele verschreiben.«

Der Teufel willigte mit Freuden ein, zog ein gewaltiges

Buch aus der Rocktasche hervor, in dasselbe

wurde der Vertrag eingeschrieben und der Schmied

mußte seinen Namen mit seinem eigenen Blute unterzeichnen.

Der Teufel entfernte sich und kam alsbald

mit Sack, Bank und Baum zurück. Man mochte sich

nur wundern, wie er alles tragen konnte; doch was ertrüge

wohl der Teufel nicht?

Der Sack wurde in der Werkstätte hinterlegt, die

Bank vor dem Hause aufgestellt und der Baum in den

Garten gepflanzt. Dabei half der Teufel redlich mit,

und nachdem die Arbeit vorbei war, rief er: »Aufs

Wiedersehen in sieben Jahren!« Mit diesen Worten

spazierte er von dannen.

Kaum war der Teufel weg, als eine dicke Bäuerin

des Weges kam, deren Mann nicht selten ein Stück

Eisen aus des Schmiedes Werkstätte geholt hatte,

ohne seinen Beutel dafür aufzutun.

»Gott willkommen, Bäuerin!« rief der Schmied,

»nur nicht so geeilt! Gibt's nichts Neues im Außerdorf?

Kommt, setzt Euch zu mir auf die Bank und erzählt

etwas!«

Die Bäuerin mochte wohl das Verhältnis nicht

genau kennen, welches zwischen ihrem Hans und dem

Schmiede bestand, und setzte sich auf die Bank; denn

das Plaudern war ihre Sache. Sie erzählte nun alles,

von der Anna und Annamiedl angefangen bis zum

Zasphannes und Ziegerpeter. Als sie eben ihre Zeitung

von vorne wieder anfangen wollte, guckte der

Mond schon hinter dem nahen Berge herauf.

Nun merkte sie erst, wie lange sie geplaudert hatte,

und wollte aufstehen und nach Hause gehen. Doch

wie erschrak sie, als sie umsonst sich zu erheben versuchte

und der Schmied mit unbändigem Lachen ausrief:

»Hab ich dich nun einmal! Nun kommst du mir

nimmer los, bis mich dein Mann bezahlt hat.«

Der Rumpelbacher eilte nun ins Haus zum Abendessen

und zur Nachtruhe. Am andern Morgen vernahm

er in aller Frühe ein ungestümes Gepolter an

der Haustüre. Er ging hinunter, um nach dem Lärmer

zu sehen, und fand den Mann der Bäuerin, der ihm

dreifache Bezahlung anbot, wenn er nur die »Urschl«

vom Flecke ließe. Der Rumpelbacher willigte freudig

ein und der Bauer eilte mit seiner beschränkten Ehehälfte

beschämt nach Hause.

Kaum waren sie weg, da kam ein Bube dahergelaufen,

dessen Vater beim Schmied nicht in bestem Andenken

stand.

»Heda, Junge!« rief der Rumpelbacher, »magst du

keine Kirschen?«

»Wie sollte ich keine Kirschen mögen? Nur her

damit!«

»Steig nur auf den Baum hinauf da draußen im

Garten und iß nach Herzenslust!«

Der Knabe ließ sich das nicht zweimal sagen. Im

Nu war er hinter dem Hause und auf dem Baume. Da

aß er nun Kirschen, es war eine Freude, ihm zuzuschauen.

Aber, o weh! als er vom Baume herabsteigen

wollte, war alle Anstrengung umsonst. Es kam ihm

vor, als sei er festgebunden, und er mußte oben bleiben,

mochte er wollen oder nicht. Bald kam der

Schmied, um nach dem neuen Fange zu sehen. Der

Bursche bat mit weinerlicher Stimme um Befreiung

vom luftigen Kerker, aber es half nichts. Der Schmied

sprach: »Bevor mich dein Vater nicht bezahlt hat,

sollst du mir vom Baume nicht herunter kommen.«

Erst gegen Mittag ging der Vater des Knaben hinter

dem Hause des Schmiedes vorbei, um sein Kind zu

suchen. Wie er dieses auf dem Kirschbaume sah,

schrie er zornig: »Gehst nicht herunter, Schleckermaul?

« – »Wenn ich nicht kann«, jammerte der Sohn

auf dem Baume und zeigte dem Vater, daß alle An-

strengung herunter zu kommen vergeblich sei. Unterdessen

kam der Schmied aus dem Hause und lachte

aus vollem Herzen. »Aha, hab' ich deinen Vogel gefangen!

Nun mach schnell und bezahle, sonst bleibt

mir der Junge ewig auf dem Baume sitzen.«

Der Bauer merkte wohl, was damit gemeint sei,

zog schnell den Beutel heraus und bezahlte dem

Schmied das Dreifache von dem, was er schuldig war.

Da war es dem Knaben, als ob er losgebunden würde,

und er eilte mit seinem Vater beschämt nach Hause.

Der Schmied schob vergnügt das Geld ein und dachte

eben daran, wie er auch von seinem Sack guten Gebrauch

machen könnte, als ein Mädchen des Weges

kam; das war pudelnärrisch, weil es bald heiraten

sollte. Sein Bräutigam war aber auch einer von denen,

die dem Schmied das Bänklein, den Baum und den

Sack notwendig gemacht hatten.

Grete lief freundlich auf den Schmied zu: »Guten

Nachmittag, Meister Rumpelbacher! Wie geht's? Wie

steht's?«

»Wie magst du um derlei Dinge fragen? – Unsereinem

geht's immer gut, wenn er nur Geld hat. Aber

komm, Grete, und schau was Neues ich heut in der

Werkstatt habe. So einen Sack hast du dein Lebtag

nicht gesehen.«

Sie gingen nun mitsammen in die Werkstätte und

der Schmied zog den ungeheuren Teufelssack aus

einer Ecke hervor.

»Potz Blitz!« schrie lachend das Mädchen, »da

drinnen könnte ich ja mit meinem Peterle einen Walzer

tanzen.«

»So tanz halt!« spottete der Schmied, indem er ihr

den Sack über den Kopf warf, so daß sie von demselben

ganz bedeckt war. Nun half kein Bitten und kein

Flehen. Sie mußte im finstern Quartiere bleiben, bis

ihr Bräutigam kommen würde, sie abzulösen.

Abends war beim grauen Bären ein Tanz angesagt.

Peterle wollte auch dabei erscheinen, ging den ganzen

Nachmittag herum, seine Grete zu suchen, fand sie

aber nirgends. Wie er ungeduldig an der Werkstätte

des Schmiedes vorbeikam, hörte er seine Grete bitten

und weinen. »Wo bist du denn? was fehlt dir?« fragte

Peter erstaunt. Da kam schon der Schmied des Weges

daher und fuhr ihn barsch an: »Da heißt's einmal bezahlen,

sonst kriegst du deine Grete bis zum Jüngsten

Tage nimmer.«

Peter war erstaunt, wußte aber wohl, wohinaus das

Wort Zahlen wollte, und wie er seine Grete im Sacke

fand, bezahlte er schnell das Dreifache und eilte mit

seiner Liebsten davon.

Solche Streiche machte nun der Schmied gar viele

und er war in kurzer Zeit ein reicher Mann. Ein Jahr

verstrich nach dem andern und endlich ging auch das

siebente Jahr zu Ende und es nahte der Tag, an wel-

chem der Teufel den Schmied holen sollte. Dieser

aber war immer guter Dinge.

Am ersten Tage des achten Jahres kam das Herrlein

im grünen Staate in die Werkstätte und lud den

Schmied höflich ein, ihm zu folgen.

»Ach, ich bin schnell fertig,« entgegnete der Rumpelbacher,

»ich möchte nur noch das Hufeisen fertig

schmieden; setzt Euch indessen ein wenig auf die

Bank da draußen, denn Ihr seid gewiß müde.«

Der Teufel war ein dummer Teufel und setzte sich

auf die Bank. Bald merkte er aber, daß vom Wegkommen

nicht so leicht die Rede sei. Er fing nun an, den

Schmied um seine Freilassung zu bitten. Dieser meinte

aber: »Wenn du mir noch sieben Jahre hier zu bleiben

vergönnest, so lasse ich dich los.« – Der Teufel

ging endlich die Bedingung ein und machte sich verdrießlich

aus dem Staube.

Auch in den folgenden sieben Jahren vergaß der

Rumpelbacher nicht, seine drei Stücke gehörig zu gebrauchen.

Aber die Zeit flog vorüber wie der Wind

und der erste Tag des achten Jahres war wieder da.

Das grüne Herrlein kam wieder frühmorgens in die

Werkstätte und tat noch freundlicher.

»Nun, Herr Meister, wollen wir uns auf den Weg

machen?«

»Nur eine Viertelstunde noch,« versetzte der Rumpelbacher,

»und dann bin ich mit dieser Kette fertig.

Ich habe einen schönen Kirschbaum im Garten, der

steht voll der süßesten Kirschen. Tut Euch indessen

ein wenig gütlich; denn ihr seid gewiß müde und durstig.

Ich will Euch die Leiter zurechtstellen.«

Wie gesagt, so getan. In einer Minute stund der

Teufel auf dem Kirschbaume und spürte, daß er in die

Falle geraten sei. Er mußte nun dem Schmied abermals

versprechen, daß er erst in sieben Jahren kommen

werde, ihn zu holen. So war er wieder der Betrogene

und mußte sich wieder allein auf den Rückweg

machen. Auch in den kommenden sieben Jahren mußten

Bank, Baum und Sack gar oft ihre Dienste tun.

Bald aber kam es so weit, daß niemand mehr beim

Schmied etwas schuldig blieb aus Furcht vor den drei

verrufenen Stücken. Der Rumpelbacher war nun der

reichste Mann weitum und es quälte ihn nur die

Sorge, ob es ihm glücken würde den Teufel auch zum

dritten Male daran zu bekommen. Der gefürchtete Tag

kam heran und der Teufel erschien wieder in seiner

vollen Tracht.

»Nun, Herr Schmied, sind's sieben Jahre. Heute

wollen wir mitsammen zu meiner Großmutter wandern.

«

Der Rumpelbacher wußte sich in aller Eile zu fassen.

»Aber mein lieber Herr! geduldet doch einen Augenblick!

Ich habe meinem Nachbar versprochen,

heute noch sein Roß zu beschlagen, und wäre ein

Lump, wenn ich mein Versprechen nicht halten

würde. Ich werde geschwind hinüber laufen und den

Schimmel holen. Damit es aber schneller gehe, habt

Ihr wohl die Güte, indessen aus dem Sacke da drüben

32 Nägel herauszusuchen.«

Der Schmied ging und der dumme Teufel kroch in

den Sack, um die Nägel, die ganz in der Tiefe lagen,

herauszubekommen. Als der Rumpelbacher mit dem

Schimmel kam, schrie der Teufel im Sacke aus voller

Brust:

»O weh, o weh, ich komme nimmer los! laß mich

gehen! Ich will gern alles tun, was du haben willst.«

Dem Schmied lachte das Herz, als er sah, daß seine

List geglückt war, und er begann: »Nun wenn du mir

versprichst, all das Recht, das du auf mich hast, aufzugeben,

so will ich dich loslassen. Willst du mir das

nicht versprechen, so kannst du ewig im Sacke sitzen

und wirst noch dazu jeden Morgen tüchtig abgeklopft.

«

Der Teufel schrie voll Zorn: »Ja, ja! Mache nur,

daß ich loskomme, ich verlange kein Haar von dir.«

Der Teufel wurde nun freigelassen und fuhr in seiner

Höllengestalt mit furchtbarem Geräusch und Gestank

durch die Lüfte hinweg. Der Schmied lebte

noch viele, viele Jahre, er wurde tagtäglich reicher

und dachte nicht viel ans Sterben. Aber auch ihm

blieb sein Stündchen nicht aus. Als er diese Erde ver-

lassen hatte, wandelte er zuerst wohlgemut, pfeifend

und singend der Hölle zu; denn drunten, meinte er,

muß es lustiger sein als im Himmel droben. Wie er

zur großen Höllenpforte kam, pochte er mit seinem

Hammer, den er als Andenken von der Welt mitgenommen

hatte, so gewaltig an, daß er sie beinahe einschlug.

Des Teufels Großmutter, die eben allein zu

Hause war und die Morgensuppe aß, stellte die

Schüssel beiseite und hinkte verdrießlich zum Tor:

»Wer ist da draußen?«

»Der Schmied von Rumpelbach.«

»Ah so! kommst du jetzt, du Schurke! Glaubst du,

du könnest die Teufel immer zum besten haben? Pack

dich nur, für dich ist hier kein Platz.«

Während sie dies sagte, stellte sie schnell einige

Kessel zur Türe, damit der Rumpelbacher dieselbe

nicht so leicht einrennen könne. Dieser aber dachte

sich: »Was liegt daran, läßt man mich hier nicht ein,

so geh' ich halt in den Himmel.« Er kehrte schnell um

und stieg einen langen und steilen Weg empor. Wie er

vor dem Himmelstore stand, klopfte er ganz sittiglich

an dasselbe, – denn er hatte wohl gesehen, daß man

mit Grobem nichts ausrichte. »Wer ist draußen?« rief

St. Peter, der himmlische Torwärter. »Der Rumpelbacher

Schmied«, ertönte laut die Antwort.

»Was glaubst du denn, Lumpen, die mit dem Teufel

einen Pakt machen, könnten wir im Himmel brau-

chen? – Geh du nur abwärts!«

Das war nun dem Schmied ein wenig zu arg. –

»Daß ich zu schlecht bin für die Hölle und zu

schlecht für den Himmel, das hätte ich doch nie geglaubt

«, murmelte er ärgerlich vor sich hin und ging

wieder abwärts. Als er nun wieder an das Höllentor

kam und sich als den Schmied aus Rumpelbach anmeldete,

war eben die ganze Teufelsfamilie zu Haus

und kleine wie große Teufel schrien zusammen: »Laßt

ihn nicht herein, laßt ihn nicht herein, bei dem könnt

es uns übel gehen!«

Der arme Schmied mußte nun wieder umkehren,

um auch an der Himmelstüre das zweitemal sein

Glück zu versuchen. Er klopfte wieder ganz sittiglich

an und bat um Einlaß. Allein St. Peter wies ihn mit

noch herbern Worten zurück als das erstemal. –

»So laßt mich doch einen Augenblick in den Himmel

hineinschauen!« flehte der Schmied. »Nun das

will ich dir gönnen, damit du uns einmal vom Halse

bleibest«, murrte St. Peter und tat die goldene Himmelstüre

ein wenig auf. Kaum gewahrte der Schmied

eine kleine Öffnung, so warf er seine alte Kappe in

den Himmel hinein. St. Peter wollte ihm dieselbe herausreichen,

aber der Rumpelbacher sagte: »Ich kann

mir meine Sache schon selber holen.« Er wurde nun

hineingelassen, um seine Kappe herauszutragen. Aber

kaum war er drinnen, so setzte er sich auf derselben

nieder und rief frohlockend: »Nun sitze ich auf meinem

Eigentume,« und niemand konnte ihn wegschaffen.

Und wo ist denn jetzt der Schmied von Rumpelbach?

Er sitzt noch im Himmel droben auf seiner

Kappe und hört der englischen Musik zu.

(B o z e n . )

6. Teufel und Näherin.

Es ist schon lange her, da war einmal eine Näherin

und diese war so geschickt, daß man zuvor und darnach

keine bessere erfragt hätte, so weit der Himmel

blau und die Erde grün ist. Allein sie bildete sich

auch ihren Teil auf ihre Geschicklichkeit ein und einmal

sagte sie gar halb im Spaß, halb im Ernst, sie

wollte mit dem Teufel zu Neid und in die Wette

nähen. Der Schwarze sollte ihr's gewiß nicht abspielen.

Der Teufel hatte aber dünnere und feinere Ohren,

als man meint, und hört in der tiefen Hölle drunten

alles, was wir Menschenkinder da oben reden und

wispern. Er hatte die Rede der Näherin auch nicht

überhört und kam in seinem Staat zu ihr, sie beim

Worte zu nehmen. Die Näherin wollte nun das Blatt

wenden, allein damit kam sie nicht zurecht. Sie mußte

mit ihm die Wette eingehen, wer von ihnen beiden zuerst

ein Hemd fertig machen würde. Würde es die Näherin

später vollenden, so sollte sie dem Teufel gehören.

Die Wette begann nun sogleich und zwar mit

dem Zuschneiden. Dazu brauchten aber beide fast

gleichviel Zeit und niemand war dem andern voraus.

– Allein, als es zum Nähen kam, da hättest du

dabei sein und es sehen sollen!

Der Teufel, um ja später keinen Augenblick zu verlieren,

fädelte sich schier einen ganzen Zwirnknäuel

auf einmal ein. Das war sehr ungeschickt getan und

dazu kam noch, daß er auch weit längere Arme hat als

die Leute, und deswegen mußte er bei jedem Stich

dreimal ums Haus herumlaufen, und weil er vergessen

hatte, gleich anfangs einen Knopf zu machen, lief er

noch dazu die drei ersten Male vergebens.

Die Näherin fädelte wie andere Male ein und machte

auch alleweil einen hebigen Knopf, weil sie es so

gewohnt war, und nähte und nähte, ohne aufzuschauen,

bis sie mit dem Hemde fertig war; und wie

sie es vollendet hatte, warf sie es dem Teufel, der gerade

in aller Eile daherkam, in die pechkohlrabenschwarze

Schnauze. Er schämte sich aber, daß er feuerrot

wurde und sich in die Erde hätte verkriechen

mögen, denn er hatte noch nicht eine ganze Naht zusammengebracht.

Er hatte nun die Wette verspielt und

man hat auch seitdem nicht mehr gehört, daß er nochmals

mit einer Näherin zu Neid gearbeitet hätte. Nur

heißt es jetzt noch oft, wenn einer recht ungeschickt

die Arbeit angreift, er mache es wie jener Teufel, der

bei jedem Stiche dreimal um das Haus herumgelaufen

ist.

(U n t e r i n n t a l . )

Kinder- und Hausmärchen aus Tirol

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