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2. Das Glück liegt entlang der Straße

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Es war im Winter 1995. Eine sehr unruhige Zeit. Polen hatte seine Grenzen nach

Osteuropa geöffnet und aus allen Ländern der ehemaligen Sowjetunion strömten

auf der Suche nach leichter Beute verschiedene düstere Gestalten in dieses Land.

Sie versuchten über Polen weiter in den wohlhabenden Westen vorzudringen.

Es wüteten Banden auf allen Straßen. Sie plünderten die nächtlichen Passanten

aus, raubten und töteten ohne Grenzen.

Besonders beliebt waren bei ihnen die Autos, und nicht nur die Neuwagen.

Und in dieser unruhigen Zeit ritt uns der Teufel mit einem alten Mercedes nach Moskau zu fahren („wir“, das waren zwei Frauen im Alter von 61 und 78 Jahren, dabei hatte ich, die ältere die Verantwortung für die Fahrt, denn Xenia kann zwar fahren, hat es auch gelernt, aber glaubt, sobald sie am Steuer sitzt, laufen ihr alle Fußgänger vor die Räder).

Wir hatten diesen Mercedes für nur 1500 DM ergattert. Die Frau, die den Wagen

verkaufen musste, behauptete er sei ganz in Ordnung, nur verlöre er ab und zu

etwas Öl. Sie ließ bis zum letzten Augenblick nicht von ihm los, fuhr unter irgendwelchem Vorwand immer wieder und wieder um noch Dieses oder Jenes zu erledigen.

Wir hatten ihr auch schon das Geld gegeben, alle Geschenke für die Moskauer und Ersatzreifen für den Wagen gekauft, unser Proviant für den langen Weg eingepackt.

Am Abend vor unserer Abreise zeigte man mir in Eile, wo das Licht, wo der Blinker und wo die Heizung eingeschaltet wird. Wir fuhren noch schnell den Tank mit Diesel zu füllen und gingen danach zu Bett, denn morgen sollte es in aller Frühe losgehen.

Am 25 Dezember- dem Tag unseres Aufbruchs, hingen die Wolken ganz tief am Himmel. Es waren nur 1 bis 2 Grad Frost. Frohen Mutes verabschiedeten wir uns und zogen los in die Richtung der Autobahn 44.

Ganz flott hatten wir Ösdorf passiert und zwangen uns die steile Straße nach

Meerhof hoch, als ich auf der Windschutzscheibe ein Paar kleine Regentropfen bemerkte, aber sie nicht so richtig wahrnahm. Wir kennen doch unser Wetter im Sauerland: ob Sommer, ob Winter, es regnet Tag und Nacht und ohne Ende.

Als ich in Meerhof in eine steile Kurve einbiegen wollte, geriet mein Lenkrad

außer Kontrolle, unser Wagen verselbstständigte sich und fuhr in eine Sackgasse hinein.

Mit Mühe und Not kamen wir auf die Hauptstraße zurück und fuhren im Schneckentempo vorwärts. Den Weg zurück konnten wir vergessen: die steile Straße runter nach Ösdorf hätten wir bei diesem Eisregen sowieso nicht geschafft, und noch dazu kannte ich das Auto nicht. Außerdem hatten wir uns mit Xenias Sohn Kiryll in der Weißrussischen Stadt Hrodno in der Nacht vom 26 zum 27 Dezember verabredet. Und bis dahin hatten wir noch einen langen Weg vor uns und mussten uns deshalb beeilen.

Auf der Autobahn 44 angekommen sahen wir von beiden Seiten der Fahrbahn

Autos liegen. Das Eine war auf die Seite gekippt, ein Anderes auf die Leitplanke

aufgeprallt, ein Drittes lag mit den Rädern nach oben.

Was nun ? Anhalten ging bei dieser Glätte nicht um uns selbst nicht zu gefährden, ein hinter uns fahrendes Auto durfte ja bei dieser spiegelglatten Fahrbahn nicht bremsen. Und so schleppten wir uns mühsam vorwärts. Ich hatte mich fest an mein Lenkrad geklammert, mein rechter Fuß bemühte sich krampfhaft nicht auf die Bremse zu treten und zu gleicher Zeit nur kaum, kaum das Gaspedal zu berühren um die Fahrt nicht zu beschleunigen und auf das vor mir fahrende Auto nicht aufzuprallen.

Wenn ich heute diese Strecke fahre, kommt mir die Autobahn ganz flach und eben vor, doch an jenem Tag waren vor mir im Nebel nur ewige Hügel und Senken und ich musste immerzu mit der rechten Hand den Gang, der mir nun als Bremse diente, fieberhaft niedriger schalten.

Möglicherweise war irgendwo hinter Bielefeld die Autobahn auch frei vom Eis, denn später erinnerte ich mich, dass die Wagen auf der entgegenkommenden Strecke ganz flott vorbeifuhren, aber in dem Moment wagte ich es nicht das Tempo zu beschleunigen, wie auch die anderen mit mir in einer Richtung fahrenden Autos. Der Asphalt glitzerte im Scheinwerferlicht, die Autobahn sah aus wie eine unendliche Eisbahn.

Erst nach Hannover ging es im Eiltempo auf der Autobahn weiter, vorbei bei

Berlin in die Richtung der polnischen Grenze.

Vor dem Grenzübergang warteten vor uns auf der linken Fahrbahn hunderte

von Lastkraftwagen auf die Genehmigung den Zoll zu passieren. Scheinbar haben sie hier bereits Stunden, vielleicht auch Tage verbracht, denn neben den Fahrzeugen wurden auf selbst gebastelten Kochgeräten Mahlzeiten und Kaffee zubereitet.

Es standen Hocker und Stühle da. Allem Anschein nach hatten die Fahrer sich

auf diese lange Wartezeit vorbereitet und sich auch daran gewöhnt. Als uns rechts ein PKW überholte, machten auch wir uns auf den Weg voran, kamen ungefähr nach 5-7 km an der unendlich scheinenden LKW Reihe vorbei zu einer Bude, wo 2 Zollbeamte saßen.

Die Männer rieten uns etwas nördlicher nach Frankfurt an der Oder zu fahren,

da bräuchten die Personenkraftwagen nicht so lange zu warten.

Und tatsächlich, nach etwa 15 Minuten Wartezeit in Frankfurt, durften wir auch

schon an den Beamten des Zolls der Bundesrepublik vorbei. Aber die polnischen

Männer sahen sich lange und gründlich unsere Papiere an und scheinbar erfreut berichteten sie, dass wir keine „grüne Versicherungskarte“ hätten, ohne die wir Polen nicht überqueren dürften.

Oh, Schreck ! Jetzt müssen wir diesen langen Weg nach Marsberg wieder zurück

fahren um uns diese unglückselige grüne Karte von der Versicherungsagentur

zu holen.

Ratlos standen wir nun da. Aber des Rätsels Lösung war ganz einfach: man

durfte diese grüne Karte auf polnischem Territorium kaufen. Die polnischen

Beamten hatten eine Quelle erfunden, wo sie deutsches Geld pumpen konnten.

Der PKW musste in Deutschland bleiben. Zu Fuß konnte ich über die Brücke

der Oder nach Slubice gehen um dort die grüne Karte zu kaufen.

Also machte ich mich auf den Weg. Xenia blieb in Deutschland mit unserem Mercedes. Ich kann mich auf polnisch nur bedanken und ein paar Schimpfworte, weiß wie man grüßt – eine Erinnerung an die Kriegsjahre, wo wir gemeinsam

mit Flüchtlingen aus Schlesien in Deutschland in einem Lager waren.

In Slubice begrüßte ich höflich einen Taxifahrer, der mit seinem Wagen vor der Brücke stand:

Dzen dobzij , pan“.

Bald stellte sich heraus, dass der Fahrer etwas Deutsch sprach und so hatten

wir uns sehr bald vereinbart, dass er mich für 170 Zlotich (polnische Währung),

was zehn DM entsprach, zu der Stelle bringt, wo ich mir diese grüne Karte kau-

fen dürfte.

Nach etwa zehn Minuten kamen wir da an, wo eine lange Reihe von Kiosken, überdachter Theken und Campingzelte standen. In einem dieser Kioske holte mein Taxifahrer diese verdammte grüne Karte, die überhaupt nicht grün war, sondern ein gewöhnliches weißes Blatt Papier mit polnischem Text darstellte.

Ich zahlte wieder zehn DM und der Fahrer brachte mich zurück zur Brücke

über die Oder.

Als wir endlich mit unserem Wagen beim Zoll alle Formalitäten erledigt hatten, fuhr ich los, aber der polnische Zollbeamte bedeutete mir zurückzubleiben, denn das vor mir abgefertigte Fahrzeug war noch nicht weg. Beim Rückwärtsfahren berührte ich die Stoßstange des nach mir kommenden Fahrzeugs ganz leicht.

Am Ende der Oderbrücke überholt mich plötzlich ein Fahrzeug, versperrt mir den Weg. Ich halte an. Ein Muskelpaket steigt aus und beschuldigt mich, an seinem Wagen die Stoßstange verbogen zu haben. Er spricht den sächsischen Dialekt. Ich steige ebenfalls aus dem Wagen, sehe mir sehr gründlich die Stoßstange an. Scheinbar stimmt was nicht mit meiner Brille, aber ich sehe bei meinem besten Willen nicht einmal einen Kratzer an seinem Wagen. Des Friedens halber zeige ich ihm zwanzig DM und frage ob die Summe für die Reparatur genügt. Ich sehe noch heute die freudige Erleichterung in seinen Augen aufblitzen.

Wie kleinlich sind doch die Kerle geworden! Wie kann man bloß für 20 DM

seine Würde verkaufen?!

Aber was wundere ich mich eigentlich? Es gibt ja bei uns in Deutschland Männer, die eine Frau zum Rendezvous in ein Cafe einladen und dann… nur für sich die Rechnung bezahlen.

Männer !!Kavaliere ! Halloooo ! Wo seid ihr verschollen?!

Das Hürdenrennen

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