Читать книгу Ausgewählte Schriften zur Geschichtsphilosophie, Ethik und Politik - Immanuel Kant - Страница 18

Beilage.

Оглавление

Die Idee und Endabsicht dieses ersten Theils (eines, wie es der Anschein giebt, auf viele Bände angelegten Werks) besteht in folgendem. Es soll mit Vermeidung aller metaphysischen Untersuchungen die geistige Natur der menschlichen Seele, ihre Beharrlichkeit und Fortschritte in der Vollkommenheit aus der Analogie mit den Naturbildungen der Materie vornehmlich in ihrer Organisation bewiesen werden. Zu diesem Behuf werden geistige Kräfte, zu welchen Materie nur den Bauzeug ausmacht, ein gewisses unsichtbares Reich der Schöpfung, angenommen, welches die belebende Kraft enthalte, die alles organisirt, und zwar so, daß das Schema der Vollkommenheit dieser Organisation der Mensch sei, welchem sich alle Erdgeschöpfe von der niedrigsten Stufe an nähern, bis endlich durch nichts als diese vollendete Organisation, deren Bedingung vornehmlich der aufrechte Gang des Thiers sei, der Mensch ward, dessen Tod nimmermehr den schon vorher umständlich an allen Arten von Geschöpfen gezeigten Fortgang und Steigerung der Organisationen endigen könne, sondern vielmehr einen Überschritt der Natur zu noch mehr verfeinerten Operationen erwarten lasse, um ihn dadurch zu künftigen noch höhern Stufen des Lebens und so fortan ins Unendliche zu fördern und zu erheben. Recensent muß gestehen: daß er diese Schlußfolge aus der Analogie der Natur, wenn er gleich jene continuirliche Gradation ihrer Geschöpfe sammt der Regel derselben, nämlich der Annäherung zum Menschen, einräumen wollte, doch nicht einsehe. Denn es sind da verschiedene Wesen, welche die mancherlei Stufen der immer vollkommneren Organisation besetzen. Also würde nach einer solchen Analogie nur geschlossen werden können: daß irgend anderswo, etwa in einem andern Planeten, wiederum Geschöpfe sein dürften, die die nächst höhere Stufe der Organisation über den Menschen behaupteten, nicht aber daß dasselbe Individuum hiezu gelange. Bei den aus Maden oder Raupen sich entwickelnden fliegenden Thierchen ist hier eine ganz eigene und von dem gewöhnlichen Verfahren der Natur verschiedene Anstalt, und doch auch da folgt die Palingenesie nicht auf den Tod, sondern nur auf den Puppenzustand. Dagegen hier gewiesen werden müßte: daß die Natur Thiere selbst nach ihrer Verwesung oder Verbrennung aus ihrer Asche in specifisch vollkommenerer Organisation aufsteigen lasse, damit man nach der Analogie dieses auch vom Menschen, der hier in Asche verwandelt wird, schließen könne. Es ist also zwischen der Stufenerhebung eben desselben Menschen zu einer vollkommneren Organisation in einem andern Leben und der Stufenleiter, welche man sich unter ganz verschiedenen Arten und Individuen eines Naturreichs denken mag, nicht die mindeste Ähnlichkeit. Hier läßt uns die Natur nichts anders sehen, als daß sie die Individuen der völligen Zerstörung überlasse und nur die Art erhalte; dort aber verlangt man zu wissen, ob auch das Individuum vom Menschen seine Zerstörung hier auf Erden überleben werde, welches vielleicht aus moralischen, oder, wenn man will, metaphysischen Gründen, niemals aber nach irgend einer Analogie der sichtbaren Erzeugung geschlossen werden kann. Was nun aber jenes unsichtbare Reich wirksamer und selbstständiger Kräfte anlangt, so ist nicht wohl abzusehen, warum der Verfasser, nachdem er geglaubt hat aus den organischen Erzeugungen auf dessen Existenz sicher schließen zu können, nicht lieber das denkende Princip im Menschen dahin unmittelbar, als blos geistige Natur, übergehen ließ, ohne solches durch das Bauwerk der Organisation aus dem Chaos herauszuheben; es müßte denn sein, daß er diese geistigen Kräfte für ganz etwas anders als die menschliche Seele hielt und diese nicht als besondere Substanz, sondern blos als Effect einer auf Materie einwirkenden und sie belebenden unsichtbaren allgemeinen Natur ansähe, welche Meinung wir doch ihm beizulegen billig Bedenken tragen. Allein was soll man überhaupt von der Hypothese unsichtbarer, die Organisation bewirkender Kräfte, mithin von dem Anschlage, das, was man nicht begreift, aus demjenigen erklären zu wollen, was man noch weniger begreift, denken? Von jenem können wir doch wenigstens die Gesetze durch Erfahrung kennen lernen, obgleich freilich die Ursachen derselben unbekannt bleiben; von diesem ist uns sogar alle Erfahrung benommen, und was kann der Philosoph nun hier zur Rechtfertigung seines Vorgebens anführen, als die bloße Verzweifelung den Aufschluß in irgend einer Kenntniß der Natur zu finden und den abgedrungenen Entschluß sie im fruchtbaren Felde der Dichtungskraft zu suchen? Auch ist dieses immer Metaphysik, ja sogar sehr dogmatische, so sehr sie auch unser Schriftsteller, weil es die Mode so will, von sich ablehnt.

Was indessen die Stufenleiter der Organisationen betrifft, so darf man es ihm nicht so sehr zum Vorwurf anrechnen, wenn sie zu seiner weit über diese Welt hinausreichenden Absicht nicht hat zulangen wollen; denn ihr Gebrauch in Ansehung der Naturreiche hier auf Erden führt eben sowohl auf nichts. Die Kleinheit der Unterschiede, wenn man die Gattungen ihrer Ähnlichkeit nach an einander paßt, ist bei so großer Mannigfaltigkeit eine nothwendige Folge eben dieser Mannigfaltigkeit. Nur eine Verwandtschaft unter ihnen, da entweder eine Gattung aus der andern und alle aus einer einzigen Originalgattung oder etwa aus einem einzigen erzeugenden Mutterschooße entsprungen wären, würde auf Ideen führen, die aber so ungeheuer sind, daß die Vernunft vor ihnen zurückbebt, dergleichen man unserm Verf., ohne ungerecht zu sein, nicht beimessen darf. Was den Beitrag desselben zur vergleichenden Anatomie durch alle Thiergattungen bis herab zur Pflanze betrifft, so mögen die, so die Naturbeschreibung bearbeiten, selbst urtheilen, wiefern die Anweisung, die er hier zu neuen Beobachtungen giebt, ihnen nutzen könne, und ob sie wohl überhaupt einigen Grund habe. Aber die Einheit der organischen Kraft (S. 141), die als selbstbildend in Ansehung der Mannigfaltigkeit aller organischen Geschöpfe und nachher nach Verschiedenheit dieser Organen durch sie auf verschiedene Art wirkend den ganzen Unterschied ihrer mancherlei Gattungen und Arten ausmache, ist eine Idee, die ganz außer dem Felde der beobachtenden Naturlehre liegt und zur blos speculativen Philosophie gehört, darin sie denn auch, wenn sie Eingang fände, große Verwüstungen unter den angenommenen Begriffen anrichten würde. Allein bestimmen zu wollen, welche Organisirung des Kopfs äußerlich in seiner Figur und innerlich in Ansehung seines Gehirns mit der Anlage zum aufrechten Gange nothwendig verbunden sei, noch mehr aber, wie eine blos auf diesen Zweck gerichtete Organisation den Grund des Vernunftvermögens enthalte, dessen das Thier dadurch theilhaftig wird, das übersteigt offenbar alle menschliche Vernunft, sie mag nun am physiologischen Leitfaden tappen, oder am metaphysischen fliegen wollen.

Durch diese Erinnerungen soll indessen diesem so gedankenvollen Werke nicht alles Verdienst benommen werden. Ein vorzügliches darin ist (um hier nicht so mancher eben so schön gesagten, als edel und wahr gedachten Reflexionen zu gedenken) der Muth, mit welchem sein Verfasser die alle Philosophie so oft verengenden Bedenklichkeiten seines Standes in Ansehung bloßer Versuche der Vernunft, wieweit sie für sich selbst wohl gelangen könne, zu überwinden gewußt hat, worin wir ihm viele Nachfolger wünschen. Überdem trägt die geheimnißvolle Dunkelheit, in welche die Natur selbst ihre Geschäfte der Organisation und der Classenvertheilung ihrer Geschöpfe einhüllte, einen Theil der Schuld wegen der Dunkelheit und Ungewißheit, die diesem ersten Theile einer philosophischen Menschengeschichte anhängen, der dazu angelegt war, um die äußersten Enden derselben, den Punkt, von dem sie anhob, und den, da sie sich über die Erdgeschichte hinaus im Unendlichen verliert, wo möglich an einander zu knüpfen; welcher Versuch zwar kühn, aber doch dem Forschungstriebe unserer Vernunft natürlich und selbst bei nicht völlig gelingender Ausführung nicht unrühmlich ist. Desto mehr aber ist zu wünschen, daß unser geistvoller Verfasser in der Fortsetzung des Werks, da er einen festen Boden vor sich finden wird, seinem lebhaften Genie einigen Zwang auflege, und daß Philosophie, deren Besorgung mehr im Beschneiden als Treiben üppiger Schößlinge besteht, ihn nicht durch Winke, sondern bestimmte Begriffe, nicht durch Gemuthmaßte, sondern beobachtete Gesetze, nicht vermittelst einer, es sei durch Metaphysik, oder durch Gefühle, beflügelten Einbildungskraft, sondern durch eine im Entwurfe ausgebreitete, aber in der Ausübung behutsame Vernunft zur Vollendung seines Unternehmens leiten möge.

Ausgewählte Schriften zur Geschichtsphilosophie, Ethik und Politik

Подняться наверх