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Riga und Leipzig bei Hartknoch. Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit von Johann Gottfried Herder. Zweiter Theil. 344 S. 8 . 1785.

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Dieser Theil, der bis zum zehnten Buche fortrückt, beschreibt zuerst in sechs Abschnitten des sechsten Buchs die Organisation der Völker in der Nähe des Nordpols und um den asiatischen Rücken der Erde, des Erdstrichs schön gebildeter Völker und der afrikanischen Nationen, der Menschen in den Inseln des heißen Erdstrichs und der Amerikaner. Der Verfasser beschließt die Beschreibung mit dem Wunsche einer Sammlung von neuen Abbildungen der Nationen, wozu Niebuhr, Parkinson, Cook, Höst, Georgi u. a. schon Anfänge geliefert haben. "Es wäre ein schönes Geschenk, wenn Jemand, der es kann, die hie und da zerstreueten treuen Gemälde der Verschiedenheit unsers Geschlechts sammelte und damit den Grund zu einer sprechenden Naturlehre und Physiognomik der Menschheit legte. Philosophischer könnte die Kunst schwerlich angewendet werden und eine anthropologische Karte, wie Zimmermann eine zoologische versucht hat, auf der nichts angedeutet werden müßte, als was Diversität der Menschheit ist, diese aber auch in allen Erscheinungen und Rücksichten, eine solche würde das philanthropische Werk krönen." Das siebente Buch betrachtet vorerst die Sätze, daß bei so verschiedenen Formen dennoch das Menschengeschlecht überall nur eine Gattung sei, und daß dies eine Geschlecht sich überall auf der Erde klimatisirt habe. Hiernächst werden die Wirkungen des Klima auf die Bildung des Menschen an Körper und Seele beleuchtet. Der Verfasser bemerkt scharfsinnig, daß noch viele Vorarbeiten fehlen, ehe wir an eine physiologisch=pathologische, geschweige an eine Klimatologie aller menschlichen Denk= und Empfindungskräfte kommen können, und daß es unmöglich sei, das Chaos von Ursachen und Folgen, welches hier Höhe und Tiefe des Erdstrichs, Beschaffenheit desselben und seiner Producte, Speisen und Getränke, Lebensweise, Arbeiten, Kleidung, gewohnte Stellungen sogar, Vergnügen und Künste nebst andern Umständen zusammen ausmachen, zu einer Welt zu ordnen, in der jedem Dinge, jeder einzelnen Gegend sein Recht geschehe, und keines zu viel oder zu wenig erhalte. Mit rühmlicher Bescheidenheit kündigt er daher auch die S. 99 folgenden allgemeinen Anmerkungen S. 92 nur als Probleme an. Sie sind unter folgenden Hauptsätzen enthalten. 1. Durch allerlei Ursachen wird auf der Erde eine klimatische Gemeinschaft befördert, die zum Leben der Lebendigen gehört. 2. Das bewohnbare Land unsrer Erde ist in Gegenden zusammengedrängt, wo die meisten lebendigen Wesen in der ihnen genügsamsten Form wirken; diese Lage der Welttheile hat Einfluß auf ihrer aller Klima. 3. Durch den Bau der Erde an die Gebürge ward nicht nur für das große Mancherlei der Lebendigen das Klima derselben zahllos verändert, sondern auch die Ausbreitung des Menschengeschlechts verhütet, wie sie verhütet werden kann. Im vierten Abschnitt dieses Buchs behauptet der Verfasser, die genetische Kraft sei die Mutter aller Bildungen auf der Erde, der das Klima nur freundlich oder feindlich zuwirke, und beschließt mit einigen Anmerkungen über den Zwist der Genesis und des Klima, wo er unter andern auch eine physisch=geographische Geschichte der Abstammung und Verartung unsers Geschlechts nach Klimaten und Zeiten wünscht.

Im achten Buche verfolgt Hr. H. den Gebrauch der menschlichen Sinne, die Einbildungskraft des Menschen, seinen praktischen Verstand, seine Triebe und Glückseligkeit und erläutert den Einfluß der Tradition, der Meinungen, der Übung und Gewohnheit durch Beispiele verschiedener Nationen.

Das neunte beschäftigt sich mit der Abhängigkeit des Menschen von andern in der Entwickelung seiner Fähigkeiten, mit der Sprache als Mittel zur Bildung der Menschen, mit der Erfindung der Künste und Wissenschaften durch Nachahmung, Vernunft und Sprache, mit den Regierungen als festgestellten Ordnungen unter den Menschen meistens aus ererbten Traditionen: und schließt mit Bemerkungen über die Religion und die älteste Tradition.

Das zehnte enthält größtentheils das Resultat der Gedanken, die der Verf. schon anderwärts vorgetragen; indem es außer den Betrachtungen über den ersten Wohnsitz der Menschen und die asiatischen Traditionen über die Schöpfung der Erde und des Menschengeschlechts das Wesentlichste der Hypothese über die mosaische Schöpfungsgeschichte aus der Schrift: älteste Urkunde des Menschengeschlechts wiederholt.

Diese trockene Anzeige soll auch bei diesem Theile nur Ankündigung des Inhalts, nicht Darstellung des Geistes von diesem Werke sein; sie soll einladen, es zu lesen, nicht die Lectüre desselben ersetzen oder unnöthig machen.

Das sechste und siebente Buch enthalten fast größtentheils nur Auszüge aus Völkerbeschreibungen; freilich mit geschickter Wahl ausgesucht, meisterhaft disponirt und allerwärts mit eignen sinnreichen Beurtheilungen begleitet; aber eben darum desto weniger eines ausführlichen Auszugs fähig. Es gehört auch hier nicht zu unsrer Absicht, so manche schöne stellen voll dichterischer Beredsamkeit auszuheben oder zu zergliedern, die jedem Leser von Empfindung sich selbst anpreisen werden. Aber eben so wenig wollen wir hier untersuchen, ob nicht der poetische Geist, der den Ausdruck belebt, auch zuweilen in die Philosophie des Verfassers eingedrungen; ob nicht hie und da Synonymen für Erklärungen und Allegorien für Wahrheiten gelten; ob nicht statt nachbarlicher Übergänge aus dem Gebiete der philosophischen in den Bezirk der poetischen Sprache zuweilen die Grenzen und Besitzungen von beiden völlig verrückt seien; und ob an manchen Orten das Gewebe von kühnen Metaphern, poetischen Bildern, mythologischen Anspielungen nicht eher dazu diene, den Körper der Gedanken wie unter einer Vertugade zu verstecken, als ihn wie unter einem durchscheinenden Gewande angenehm hervorschimmern zu lassen. Wir überlassen es Kritikern der schönen philosophischen Schreibart, oder der letzten Hand des Verfassers selbst, z. B. zu untersuchen, obs nicht etwa besser gesagt sei: nicht nur Tag und Nacht und Wechsel der Jahreszeiten verändern das Klima, als S. 99: "Nicht nur Tag und Nacht und der Reihentanz abwechselnder Jahreszeiten verändern das Klima"; ob S. 100 an eine naturhistorische Beschreibung dieser Veränderungen folgendes in einer dithyrambischen Ode ungezweifelt schöne Bild sich passend anschließe: "Um den Thron Jupiters tanzen ihre (der Erde) "Horen einen Reihentanz, und was sich unter ihren Füßen bildet, ist "zwar nur eine unvollkommne Vollkommenheit, weil alles auf die Vereinigung "verschiedenartiger Dinge gebauet ist, aber durch eine innere "Liebe und Vermählung mit einander wird allenthalben das Kind der "Natur geboren, sinnliche Regelmäßigkeit und Schönheit"; oder ob nicht für den Übergang von Bemerkungen der Reisebeschreiber über die Organisation verschiedner Völker und über das Klima zu einer Sammlung daraus abgezogner Gemeinsätze folgende Wendung, mit der das achte Buch anhebt, zu episch sei: "Wie einem, der von den Wellen des Meeres eine Schifffahrt "in die Luft thun soll, so ist mir, da ich jetzt nach den Bildungen "und Naturkräften der Menschheit auf ihren Geist komme und die veränderlichen "Eigenschaften desselben auf unserm weiten Erdenrunde aus "fremden, mangelhaften und zum Theil unsichern Nachrichten zu erforschen "wage." Auch untersuchen wir nicht, ob nicht der Strom seiner Beredsamkeit ihn hie oder da in Widersprüche verwickele, ob z. B., wenn S. 248 angeführt wird, daß Erfinder oft mehr den Nutzen ihres Fundes der Nachwelt überlassen mußten, als für sich selbst erfanden, nicht hier ein neues Beispiel zur Bestätigung des Satzes liege, daß die Naturanlagen des Menschen, die sich auf den Gebrauch seiner Vernunft beziehn, nur in der Gattung, nicht aber im Individuum vollständig entwickelt werden sollten, welchem Satze er doch mit einigen daraus fließenden, wiewohl nicht ganz richtig gefaßten, S. 206 beinahe eine Beleidigung der Naturmajestät (welches andere in Prosa Gotteslästerung nennen) Schuld zu geben geneigt ist; dies alles müssen wir hier, der Schranken, die uns gesetzt sind, eingedenk, unberührt lassen.

Eines hätte Recensent sowohl unserm Verf. als jedem andern philosophischen Unternehmer einer allgemeinen Naturgeschichte des Menschen gewünscht: nämlich daß ein historisch=kritischer Kopf ihnen insgesammt vorgearbeitet hätte, der aus der unermeßlichen Menge von Völkerbeschreibungen oder Reiseerzählungen und allen ihren muthmaßlich zur menschlichen Natur gehörigen Nachrichten vornehmlich diejenigen ausgehoben hätte, darin sie einander widersprechen, und sie (doch mit beigefügten Erinnerungen wegen der Glaubwürdigkeit jedes Erzählers) neben einander gestellt hätte; denn so würde niemand sich so dreist auf einseitige Nachrichten fußen, ohne vorher die Berichte anderer genau abgewogen zu haben. Jetzt aber kann man aus einer Menge von Länderbeschreibungen, wenn man will, beweisen, daß Amerikaner, Tibetaner und andere ächte mongolische Völker keinen Bart haben, aber auch, wem es besser gefällt, daß sie insgesammt von Natur bärtig sind und sich diesen nur ausrupfen; daß Amerikaner und Neger eine in Geistesanlagen unter die übrigen Glieder der Menschengattung gesunkene Race sind, andererseits aber nach eben so scheinbaren Nachrichten, daß sie hierin, was ihre Naturanlage betrifft, jedem andern Weltbewohner gleich zu schätzen sind, mithin dem Philosophen die Wahl bleibe, ob er Naturverschiedenheiten annehmen, oder alles nach dem Grundsatze tout comme chez nous beurtheilen will, dadurch denn alle seine über eine so wankende Grundlage errichtete Systeme den Anschein baufälliger Hypothesen bekommen müssen. Der Eintheilung der Menschengattung in Racen ist unser Verfasser nicht günstig, vornehmlich derjenigen nicht, welche sich auf anerbende Farben gründet, vermuthlich weil der Begriff einer Race ihm noch nicht deutlich bestimmt ist. In des siebenten Buches dritter Nummer nennt er die Ursache der klimatischen Verschiedenheit der Menschen eine genetische Kraft. Rec. macht sich von der Bedeutung dieses Ausdrucks im Sinne des Verf. diesen Begriff. Er will einerseits das Evolutionssystem, andererseits aber auch den blos mechanischen Einfluß äußerer Ursachen als untaugliche Erläuterungsgründe abweisen und nimmt ein innerlich nach Verschiedenheit der äußeren Umstände sich selbst diesen angemessen modificirendes Lebensprincip als die Ursache derselben an, worin ihm Recensent völlig beitritt, nur mit dem Vorbehalt, daß, wenn die von innen organisirende Ursache durch ihre Natur etwa nur auf eine gewisse Zahl und Grad von Verschiedenheiten der Ausbildung ihres Geschöpfs eingeschränkt wäre (nach deren Ausrichtung sie nicht weiter frei wäre, um bei veränderten Umständen nach einem anderen Typus zu bilden), man diese Naturbestimmung der bildenden Natur auch wohl Keime oder ursprüngliche Anlagen nennen könnte, ohne darum die erstern als uranfänglich eingelegte und sich nur gelegentlich auseinander faltende Maschinen und Knospen (wie im Evolutionssystem) anzusehen, sondern wie bloße, weiter nicht erklärliche Einschränkungen eines sich selbst bildenden Vermögens, welches letztere wir eben so wenig erklären oder begreiflich machen können.

Mit dem achten Buche fängt ein neuer Gedankengang an, der bis zum Schlusse dieses Theils fortwährt und den Ursprung der Bildung des Menschen als eines vernünftigen und sittlichen Geschöpfs, mithin den Anfang aller Cultur enthält, welcher nach dem Sinn des Verfassers nicht in dem eigenen Vermögen der Menschengattung, sondern gänzlich außer ihm in einer Belehrung und Unterweisung von andern Naturen zu suchen sei, von da anhebend alles Fortschreiten in der Cultur nichts als weitere Mittheilung und zufälliges Wuchern mit einer ursprünglichen Tradition sei, welcher und nicht ihm selbst der Mensch alle seine Annäherung zur Weisheit zuzuschreiben habe. Da Recensent, wenn er einen Fu außerhalb der Natur und dem Erkenntnißweg der Vernunft setzt, sich nicht weiter zu helfen weiß, da er in gelehrter Sprachforschung und Kenntniß oder Beurtheilung alter Urkunden gar nicht bewandert ist, mithin die daselbst erzählten und dadurch zugleich bewährten Facta philosophisch zu nutzen gar nicht versteht: so bescheidet er sich von selbst, daß er hier kein Urtheil habe. Indessen läßt sich von der weitläuftigen Belesenheit und von der besondern Gabe des Verfassers, zerstreute Data unter einen Gesichtspunkt zu fassen, wahrscheinlich zum voraus vermuthen, daß wir wenigstens über den Gang menschlicher Dinge, so fern er dazu dienen kann, den Charakter der Gattung und wo möglich selbst gewisse classische Verschiedenheiten derselben näher kennen zu lernen, viel Schönes werden zu lesen bekommen, welches auch für denjenigen, der über den ersten Anfang aller menschlichen Cultur anderer Meinung wäre, belehrend sein kann. Der Verfasser drückt die Grundlage der seinigen (S. 338-339 sammt der Anmerkung) kürzlich so aus: "Diese (mosaische) lehrende Geschichte erzählt: daß die ersten geschaffenen Menschen mit den unterweisenden Elohim im Umgange gewesen, daß sie unter Anleitung derselben durch Kenntniß der Thiere sich Sprache und herrschende Vernunft erworben, und da der Mensch ihnen auch auf eine verbotene Art in Erkenntniß des Bösen gleich werden wollen, er diese mit seinem Schaden erlangt und von nun an einen anderen Ort eingenommen, eine neue, künstlichere Lebensart angefangen habe. Wollte die Gottheit also, daß der Mensch Vernunft und Vorsicht übte: so mußte sie sich seiner auch mit Vernunft und Vorsicht annehmen. Wie nun aber die Elohim sich der Menschen angenommen, d. i. sie gelehrt, gewarnt und unterrichtet haben? Wenn es nicht eben so kühn ist hierüber zu fragen, als zu antworten: so soll uns an einem anderen Ort die Tradition selbst darüber Aufschluß geben."

In einer unbefahrenen Wüste muß einem Denker gleich Reisenden frei stehen, seinen Weg nach Gutdünken zu wählen; man muß abwarten, wie es ihm gelingt, und ob er, nachdem er sein Ziel erreicht hat, wohlbehalten wieder zu Hause, d. i. im Sitze der Vernunft, zur rechten Zeit eintreffe und sich also auch Nachfolger versprechen könne. Um deswillen hat Recensent über den eigenen von dem Verfasser eingeschlagenen Gedankenweg nichts zu sagen, nur glaubt er berechtigt zu sein, einige auf diesem Wege von ihm angefochtene Sätze in Schutz zu nehmen, weil ihm jene Freiheit, sich seine Bahn selbst vorzuzeichnen, auch zustehen muß. Es heißt nämlich S. 260: "Ein zwar leichter, aber böser Grundsatz wäre es zur Philosophie der Menschengeschichte: der Mensch sei ein Thier, das einen Herrn nöthig habe und von diesem Herren oder der Verbindung derselben das Glück seiner Endbestimmung erwarte." Leicht mag er immer sein, darum weil ihn die Erfahrung aller Zeiten und an allen Völkern bestätigt, aber böse? S. 205 wird gesagt: "Gütig dachte die Vorsehung, daß sie den Kunstendzwecken großer Gesellschaften die leichtere Glückseligkeit einzelner Menschen vorzog und jene kostbare Staatsmaschinen, so viel sie konnte, für die Zeit sparte." Ganz recht, aber allererst die Glückseligkeit eines Thiers, dann die eines Kindes, eines Jünglings, endlich die eines Mannes. In allen Epochen der Menschheit, so wie auch zu derselben Zeit in allen Ständen findet eine Glückseligkeit statt, die gerade den Begriffen und der Gewohnheit des Geschöpfs an die Umstände, darin es geboren und erwachsen ist, angemessen ist; ja es ist sogar, was diesen Punkt betrifft, nicht einmal eine Vergleichung des Grades derselben und ein Vorzug einer Menschenclasse oder einer Generation vor der andern anzugeben möglich. Wie, wenn aber nicht dieses Schattenbild der Glückseligkeit, welches sich ein jeder selbst macht, sondern die dadurch ins Spiel gesetzte immer fortgehende und wachsende Thätigkeit und Cultur, deren größtmöglicher Grad nur das Product einer nach Begriffen des Menschenrechts geordneten Staatsverfassung, folglich ein Werk der Menschen selbst sein kann, der eigentliche Zweck der Vorsehung wäre? So würde nach S. 206 "jeder einzelne Mensch das Maß seiner Glückseligkeit in sich haben", ohne im Genusse derselben irgend einem der nachfolgenden Glieder nachzustehen; was aber den Werth nicht ihres Zustandes, wenn sie existiren, sondern ihrer Existenz selber, d. i. warum sie eigentlich daseien, betrifft, so würde sich nur hier allein eine weise Absicht im Ganzen offenbaren. Meint der Herr Verfasser wohl: daß, wenn die glücklichen Einwohner von Otaheite, niemals von gesittetern Nationen besucht, in ihrer ruhigen Indolenz auch tausende von Jahrhunderten durch zu leben bestimmt wären, man eine befriedigende Antwort auf die Frage geben könnte, warum sie denn gar existiren und ob es nicht eben so gut gewesen wäre, daß diese Insel mit glücklichen Schafen und Rindern, als mit im bloßen Genusse glücklichen Menschen besetzt gewesen wäre? Jener Grundsatz ist also nicht so böse, als der Herr Verfasser meint. - Es mag ihn wohl ein böser Mann gesagt haben. - Ein zweiter in Schutz zu nehmender Satz wäre dieser. S. 212 heißt es: "Wenn jemand sagte: daß nicht der einzelne Mensch, sondern das Geschlecht erzogen werde, so spräche er für mich unverständlich, da Geschlecht und Gattung nur allgemeine Begriffe sind, außer in so fern sie in einzelnen Wesen existiren. - Als wenn ich von der Thierheit, der Steinheit, der Metallheit im Allgemeinen spräche und sie mit den herrlichsten, aber in einzelnen Individuen einander widersprechenden Attributen auszierte! - Auf diesem Wege der averroischen Philosophie soll unsere Philosophie der Geschichte nicht wandeln". Freilich, wer da sagte: Kein einziges Pferd hat Hörner, aber die Pferdegattung ist doch gehörnt, der würde eine Platte Ungereimtheit sagen. Denn Gattung bedeutet alsdann nichts weiter, als das Merkmal, worin gerade alle Individuen unter einander übereinstimmen müssen. Wenn aber Menschengattung das Ganze einer ins Unendliche (unbestimmbare) gehenden Reihe von Zeugungen bedeutet (wie dieser Sinn denn ganz gewöhnlich ist), und es wird angenommen, daß diese Reihe der Linie ihrer Bestimmung, die ihr zur Seite läuft, sich unaufhörlich nähere, so ist es kein Widerspruch zu sagen: daß sie in allen ihren Theilen dieser asymptotisch sei und doch im Ganzen mit ihr zusammen komme, mit anderen Worten, daß kein Glied aller Zeugungen des Menschengeschlechts, sondern nur die Gattung ihre Bestimmung völlig erreiche. Der Mathematiker kann hierüber Erläuterung geben; der Philosoph würde sagen: die Bestimmung des menschlichen Geschlechts im Ganzen ist unaufhörliches Fortschreiten, und die Vollendung derselben ist eine bloße, aber in aller Absicht sehr nützliche Idee von dem Ziele, worauf wir der Absicht der Vorsehung gemäß unsere Bestrebungen zu richten haben. Doch diese Irrung in der angeführten polemischen Stelle ist nur eine Kleinigkeit. Wichtiger ist der Schluß derselben:

"Auf diesem Wege der averroischen Philosophie (heißt es) soll unsere Philosophie der Geschichte nicht wandeln." Daraus läßt sich schließen, daß unser Verfasser, dem so oft alles, was man bisher für Philosophie ausgegeben, mißfällig gewesen, nun einmal nicht in einer unfruchtbaren Worterklärung, sondern durch That und Beispiel in diesem ausführlichen Werke ein Muster der ächten Art zu philosophiren der Welt darlegen werde.

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