Читать книгу Eulenzauber (13). Das Geheimnis des weißen Pferdes - Ina Brandt - Страница 10

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Wie ein böser Traum

Als Flora verschwitzt und verdreckt die Wohnungstür öffnete, gab es einen dumpfen Rumms. »Moment!«, erklang die Stimme ihres Vaters und kurz danach das Scheppern des Schuhschranks. Dann zog Herr Faltin die Tür auf. »Beinahe hättest du deinen alten Vater k. o. geschlagen«, erklärte er und drückte Flora an sich. Doch gleich darauf hielt er sie ein Stück von sich weg.

»Puh, ich glaube, eine Dusche wäre nicht schlecht«, stellte er mit einem prüfenden Blick auf Flora fest.

»Ich dachte, wir essen jetzt«, erklang da die Stimme von Frau Faltin aus der Küche. »Die Gurkensuppe steht schon auf dem Tisch.«

»Das macht doch nichts, die ist ja sowieso kalt«, erwiderte Floras Vater. »Und ich bin mir sicher, dass niemand Gurken-Pferdemist-Suppe mag.«

»Doch, ich!«, erwiderte Flora und zwinkerte ihrem Vater zu.

»Ja, klar. Wenn es nach dir ginge, würdest du im Stall essen, schlafen und Hausaufgaben machen«, meinte ihr Vater.

»Und wer würde mir dann beim Pflaumenkuchen helfen?«, rief Frau Faltin.

Oh, das hatte sie ihrer Mutter ja für heute versprochen, fiel Flora ein. Bei dem Gedanken an den leckeren Teig lief ihr gleich das Wasser im Mund zusammen. »Ich beeil mich!«, rief sie und verschwand im Bad.

Nur ein paar Minuten später saß Flora in ihrem Bademantel und mit einem dicken Handtuchturban auf dem Kopf am Tisch. Sie musste sich zwingen, ihren Teller leer zu essen. Die Suppe schmeckte zwar erfrischend nach Zitrone, doch die blassgrüne Farbe fand Flora ziemlich unappetitlich. Aber so hatte sie wenigstens noch Platz im Bauch für den Teig. Wie immer gab es für sie und ihren Bruder Felix einen kleinen zuckrig-buttrigen Klops extra, der in Sekundenschnelle in ihren Mündern verschwand.

»Bitte Mama, schau, dass da mindestens zwei Stücke übrig sind, wenn ich morgen vom Reiterhof zurückkomme«, bat Flora, während sie die köstlich süße Teigmasse mit geschlossenen Augen auf der Zunge zergehen ließ.

»Kommst du nach der Schule gar nicht nach Hause?«, wunderte sich ihre Mutter.

»Nein, ich gehe mit Miri gleich zu Sarah«, erklärte Flora. »Wir müssen die Pferde richten, vielleicht noch mal fegen. Und um 15 Uhr rückt schon das Fernsehteam an. Wenn das Wetter hoffentlich mitmacht.«

»Und was ist mit den Hausaufgaben?«, fragte Frau Faltin, während sie mit energischen Bewegungen die Teigschüssel abspülte.


»Filmarbeiten live mitzuerleben, ist doch was Besonderes. Da sind die Hausaufgaben eben mal Nebensache«, sprang Herr Faltin Flora zur Seite.

»Kann ich mit Ben nicht auch kommen?«, bettelte Felix. »Vielleicht braucht ihr ja noch Hilfe?«

»Auf keinen Fall«, wehrte Flora sofort ab. Nervige kleine Brüder waren ganz sicher keine Hilfe. »Aber ich erzähle dir dann abends alles ganz genau«, fügte sie etwas versöhnlicher hinzu, als sie Felix’ enttäuschtes Gesicht sah.

»Kommst du eigentlich auch ins Fernsehen?«, wollte er wissen. »Vielleicht wirst du berühmt?«

»Es werden nur Miri und Sarah gefilmt«, erklärte Flora. »Und auch die werden sicher nicht berühmt, denn es soll ja um die schöne Gegend gehen. Der Ausritt ist bloß ein ganz kleiner Teil des Films.«

»Und dafür putzt ihr dann zwei Tage den Hof?« Felix schüttelte den Kopf. »Das würde mir ja nicht im Traum einfallen.«

»Deswegen spielst du auch Fußball«, meinte Herr Faltin und fing an, um Felix herumzudribbeln und ihn mit der Schulter zur Seite zu drücken. Die anderen lachten.

Manchmal konnte man meinen, Herr Faltin sei auch gerade mal sieben Jahre alt.

Ungeduldig wie immer wartete Flora später darauf, dass es endlich ruhig wurde. Erst dann konnte sie sich unbemerkt zu ihrer kleinen Zaubereule in den Garten schleichen. Doch heute leuchteten ihr nicht wie sonst ihre orangefarbenen Augen zwischen den Zweigen entgegen. Flora stockte. Was war da los? Goldwing verspätete sich nie! Sofort beschlich Flora ein mulmiges Gefühl. Wenn Goldwing was passiert war … Daran wagte sie gar nicht zu denken.


Seit sie und Goldwing vor einiger Zeit herausgefunden hatten, dass sie Zaubereule und Eulenfreundin waren, dass sie zusammengehörten und anderen helfen sollten, waren sie allerbeste Freundinnen. Fast kein Tag war vergangen, an dem sie sich nicht getroffen hatten. Und nun … zum ersten Mal … Flora spürte einen Kloß im Hals.

Da streifte plötzlich etwas ihren Kopf. Nur ganz federleicht, aber Flora wusste sofort – das war Goldwing! In engen Kreisen schraubte sich die Waldohreule in die Luft, höher und höher, verharrte schließlich und schaute auf Flora herab. Dann ließ sie sich mit angelegten Flügeln nach unten fallen, drehte kurz vor Flora ab und verschwand in einer der Tannen. Von dort sah sie Flora erwartungsvoll an, während das Orange ihrer Augen für einen Moment noch heller leuchtete als sonst. Keine Frage, Goldwing hatte ihren Spaß! Solche Überraschungsmanöver waren ganz nach ihrem Geschmack. Auch Flora lachte. Das war typisch für die kleine Eule! Schnell ging sie zu ihr und hielt ihr den Zauberring hin. Dann flüsterte sie:


Und während sich noch die letzten Federn von Goldwings Flügeln golden färbten, sprudelte Flora schon hervor:

»Goldwing, du bist ja ein Spaßvogel! Auf was für Ideen du kommst. Hast mich ganz schön erschreckt.«


»Aber nicht schlimm, oder?«, fragte Goldwing. Sie drückte ihren Kopf an Floras Hand und schaute liebevoll zu ihr hoch. »Ich dachte, es wird allmählich langweilig, wenn ich da immer schon sitze und auf dich warte.«

»Ach, langweilig finde ich das nicht! Im Gegenteil: Ich bin jedes Mal noch ein bisschen aufgeregt, wenn wir uns sehen«, gestand Flora. Versonnen streichelte sie über Goldwings glitzernde Flügel. »Aber Hauptsache, du bist da. Denn ohne dich, das kann ich mir gar nicht vorstellen.«

»Musst du auch nicht«, beruhigte Goldwing sie. »Ich bin immer da. Und freue mich drauf, mit dir zu reden. Und zu hören, was du gemacht hast. Heute wart ihr ja richtig fleißig bei Sarah. Ich bin mal beim Pferdehof vorbeigeflogen.«

Flora lächelte. Goldwing war auch tagsüber gerne immer mal wieder heimlich in ihrer Nähe. Sie war eine ziemlich neugierige kleine Eule. Und deswegen wollte sie nun alles von den geplanten Filmaufnahmen wissen. Flora erzählte und erzählte, bis ihr Blick schließlich sehnsüchtig über den Sternenhimmel wanderte. Wenn doch schon morgen wäre, damit es endlich losging.

Als Flora am nächsten Tag das Klassenzimmer betrat, sah sie mit einem Blick, dass mit Miri was nicht stimmte. Anstatt mit den anderen zu quatschen, saß sie da und spitzte mit verbissener Miene ihre Stifte. Flora stellte ihre Tasche ab, setzte sich auf den Tisch und musterte ihre Freundin besorgt.

»Was ist los?«, erkundigte sie sich leise. »Hast du Ärger zu Hause?«

Miris Unterlippe fing an zu zittern und Flora dachte schon, sie würde anfangen zu weinen. Doch sie riss sich zusammen.

»Nee, keinen Ärger«, murmelte sie und vermied es, Flora anzusehen. Vielleicht hätte sie dann wirklich losgeweint. Ein paar Sekunden schwieg Miri, während Flora beinahe platzte vor Ungeduld. Was hatte sie nur?


»Mein Vater hat ein Jobangebot fürs Ausland bekommen«, presste sie schließlich hervor. »Sein Chef hat ihn gefragt, ob er sich vorstellen könnte, für die Filiale in Südafrika zu arbeiten.«

Flora fuhr der Schreck in alle Glieder. Ihr Gesicht fühlte sich schlagartig glühend heiß an und Flora ahnte, dass dort jetzt der rote Fleck auf ihrer Stirn prangte. Wie immer, wenn sie sehr aufgeregt oder wütend war.

»Südafrika???«, war das Einzige, was sie herausbrachte. Hatte sie richtig gehört? Erschrocken zuckte sie zusammen, als Frau Hauser in die Hände klatschte, damit endlich Ruhe einkehrte. Sie hatte die Klassenlehrerin gar nicht hereinkommen sehen. Schnell rutschte Flora auf den Stuhl und packte ihre Sachen aus.

»Und was hat dein Vater gesagt?«, fragte sie flüsternd, obwohl die Antwort eigentlich schon in Miris Gesicht stand.

»Dass er sich das vorstellen kann. Und meine Mutter anscheinend auch«, flüsterte Miri zurück. »Aber ich will nicht weg!«

Jetzt schossen ihr wirklich Tränen in die Augen und sie schaute schnell zur Seite.

»Miri, Flora, das gilt auch für euch«, ermahnte Frau Hauser die beiden. »Schlagt bitte Seite 39 auf.«

Flora hatte Frau Hausers Anweisung gar nicht gehört. Mit einem dicken Kloß im Hals und zitternden Händen blätterte sie in ihrem Mathebuch herum. Die Zahlen verschwammen vor ihrem wässrigen Blick. Plötzlich sah sie Miri umgeben von Elefanten, Giraffen und Antilopen. Tausende Kilometer entfernt. Das war doch nicht möglich! Miri gehörte nach Tannenbach, zu Flora, ihrer besten Freundin, zum Reiterhof und hierher neben sie ins Klassenzimmer. Flora schüttelte den Kopf, immer noch fassungslos über Miris Worte. Sie kam sich vor wie in einem bösen Traum. Wenn es doch nur so wäre!

Eulenzauber (13). Das Geheimnis des weißen Pferdes

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