Читать книгу Zaubereulen in Federland (2). Die Magie des Feuerbrunnens - Ina Brandt - Страница 8

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Unerwarteter Besuch

Flora schloss die Augen und spürte die Sonnenstrahlen auf ihrem Gesicht. Ein paar Grashalme kitzelten sie am Hals, der trockene Boden der Wiese drückte sich gegen ihren Rücken. Wie schön es war, hier allein im Garten zu liegen. Ihre Mutter arbeitete wie jeden Samstag im Laden der alten Mühle. Floras Vater war mit ihrem Bruder Felix in die Stadt gefahren, um einen neuen Fahrradhelm zu kaufen. Eigentlich sollte Flora jetzt ihr Zimmer aufräumen, aber wer wollte schon bei strahlendem Sonnenschein stinkende Socken unter dem Bett hervorkramen?

Eine Biene summte an ihrem Ohr vorbei, schläfrig öffnete Flora die Augen. Während sie die fleißige Honigsammlerin auf den rosafarbenen Kleeblüten beobachtete, fiel ihr Blick auf die Gänseblümchen, die sich wie ein weißes Band am Gartenzaun entlangschlängelten. Da kam ihr eine Idee. Sie könnte doch eine Girlande daraus basteln? Die würde bestimmt hübsch aussehen in ihren blonden Locken.


Schnell stand Flora auf, pflückte ein paar Blumen und legte los. Doch bald stellte sie fest, dass das mit den dünnen Stängeln eine ziemlich mühsame Angelegenheit war. Sie musste sie ganz vorsichtig mit dem Fingernagel aufschlitzen, um den Stängel der nächsten Blume hineinschieben zu können. Da brauchte sie ja ewig, bis die Girlande lang genug war für ihren Kopf. Unschlüssig betrachtete sie ihr halb fertiges Werk. Sie könnte es einfach in eine der drei Tannen im hinteren Teil des Gartens legen? Als kleine Überraschung für Goldwing, wenn sie sich heute Abend dort trafen. So wie sie das immer taten, seitdem Flora die kleine Waldohreule zum ersten Mal in eine Zaubereule verwandelt hatte. Ihre Zaubereule! Nachdenklich betrachtete Flora die Blumenkette.


Eigentlich war es schade. Bis heute Abend war sie bestimmt verwelkt. Flora beschloss kurzerhand, sie Goldwing am besten sofort vorbeizubringen. Sie wusste ja, dass sich ihre Eule meistens irgendwo in der Nähe der Burgruine auf der großen Lichtung im Wald herumtrieb. Geschickt kletterte Flora über den halb verfallenen Zaun am Ende des Grundstücks und lief über die Obstwiesen Richtung Wald.

Als sie sich der Lichtung näherte, wollte sie gerade schon das Lied anstimmen, mit dem sie Goldwing normalerweise rief. Das war so was wie ihr Geheimzeichen. Aber da sah sie, dass schon jemand da war. Auf der Bank unter der alten Eiche saß … Paula! Und über ihr kletterte ihre Zaubereule Hupsi durch die Äste.

»Das ist ja eine Überraschung«, begrüßte Flora die beiden erfreut. Sie hatte sie schon eine Weile nicht mehr gesehen. Genauer gesagt, seit sie gemeinsam mit den anderen ihr neues Zauberreich Federland zum Leben erweckt hatten. Tief versteckt zwischen den Mauern des alten Klosters befand sich dort nun ein Ort voller Magie, zu dem nur die Federländer Zutritt hatten. So nannte sich die Gruppe aus Zaubereulen und Eulenfreunden, die von den vier Herrscherinnen Athenarias für besondere Aufgaben auserwählt worden waren. Doch bislang hatte es keine Aufgabe für sie gegeben. Leider!

»Hallo«, grüßte Paula zurück und Flora sah, dass auch sie sich über das unerwartete Zusammentreffen freute.


»Wie geht’s euch?«, erkundigte sich Flora.

»Mittelmäßig«, gestand Paula und seufzte. »Meine Mutter ist einfach so nervig, ich musste jetzt mal weg. Außerdem dachte ich, Hupsi und ich könnten hier in Ruhe diesen ›Hierher-Zauber‹ üben. Wir haben’s bisher nicht mal geschafft, auch nur ein Fünkchen zu produzieren. Hupsi kann einfach nicht stillhalten.«

Flora schmunzelte. Ja, das passte zu der quirligen Elfenkauzdame, die immer Hummeln im Hintern hatte.

Auch Goldwing und sie hatten die Zeit genutzt, um den neuen Zauber zu trainieren. So wie es ihnen Dareia, eine der vier Herrscherinnen, aufgetragen hatte. Denn jetzt mussten nicht mehr nur eine Eule und ihr Freund zusammenarbeiten, sondern eine ganze Gruppe. Dazu gehörten neben Flora und Goldwing noch Paula und Hupsi, Jona und seine Eule Securo und die beiden Eulen aus dem Kloster, Nordis und Klaro. Mit diesem Hierher-Zauber sollten sich die Federländer herbeirufen können, wenn sie sich brauchten. Sie mussten dazu Köpfe, Flügel und Hände aneinanderhalten, sich richtig fest konzentrieren und dann stieg ein Funke auf. Ein kleiner leuchtender Punkt, dem schnell noch mehr folgten und die den anderen den Weg wiesen.

»Hat’s bei euch denn geklappt?«, wollte Paula wissen.

»Am Anfang nicht, aber dann ging’s plötzlich«, erklärte Flora. »Das war wie ein Wunderkerzenfeuerwerk aus Goldwings Flügeln. Kurz darauf kam Securo angeflogen. Er hat wohl ein komisches Kribbeln am Bauch gespürt, sich umgeschaut und die Funken entdeckt.«

»Echt?« Paula sah Flora mit großen Augen an. Dann warf sie einen geknickten Blick auf ihre kleine Eule, die mittlerweile wie ein Schmetterling zwischen den verfallenen Mauerresten herumtänzelte. »Wir müssen das unbedingt auch hinkriegen. Sonst sind wir doch gar keine richtigen Federländer.«


»Ach Quatsch«, wiegelte Flora ab. »Das seid ihr trotzdem.«

»Wenn meine Mutter uns nur mal in Ruhe lassen würde«, jammerte Paula. »Dann könnten wir mehr üben. Aber ständig mault sie herum, ich soll mich mit anderen treffen und nicht dauernd bei Hupsi in der Voliere sitzen. Nur weil meine Mutter einen Stall voll Freundinnen hat, brauche ich das doch nicht. Außerdem stimmt das auch gar nicht, ich verabrede mich schon, aber am liebsten bin ich eben mit Hupsi zusammen. Sie ist einfach so witzig, ihr fällt immer was Lustiges ein. Du solltest mal sehen, wie sie kopfüber mit einem Bein am Gitter hängt und sich mit dem anderen hinterm Ohr kratzt. Da könnte ich mich jedes Mal kaputtlachen.«

Flora lachte. »Wow! Das klingt wirklich lustig. Würde ich echt gern mal sehen.«

»Dann komm doch vorbei«, erwiderte Paula und stockte. Vielleicht war sie selbst erstaunt über ihren Vorschlag? Flora war noch nie bei ihr gewesen, so lange kannten die beiden sich auch gar nicht. »Unser Haus ist eines der ersten, wenn du von Tannenbach über die Wiesen nach Sonntal reinfährst«, fuhr Paula dann aber beherzt fort. »Es ist nicht zu übersehen, meine Mutter hat die Fensterläden vor Kurzem in dezentem Froschgrün streichen lassen. Seitdem bleiben die Leute stehen und glotzen. Richtig peinlich. Aber sie findet’s toll!«

Flora schmunzelte. Das passte zu Frau Schober. Flora erinnerte sich noch gut an ihre pinkfarbenen Fingernägel, als sie mit Paulas Meerschweinchen in Herrn Faltins Tierarztpraxis aufgetaucht war.

Da erklangen plötzlich hohe Rufe. Hupsi hatte sich an dem alten Turm mit der Wetterfahne festgekrallt und deutete mit dem Flügel auf eine der Ritzen.

»Sie wollte schon lange mal wieder hierher«, erklärte Paula mit einem Grinsen. »Sie ist noch immer sooo stolz, dass sie damals das Plättchen entdeckt hat.«

»Mit Recht«, meinte Flora. »Ohne Hupsis Fund hätten wir es nie geschafft, Klaro zu befreien.«

Paula nickte. »Genau. Ohne Hupsi kein Klaro, ohne Klaro kein Federland.«

Flora lächelte. Paula brachte es auf den Punkt. Ohne das Plättchen hätten sie das Goldene Buch nicht gefunden und nur mit dessen Hilfe hatten es die Federländer geschafft, den Brillenkauz aus der Falle zu retten, in die er aus lauter Neugier getappt war. Doch ohne ihn hätten sie das neue Zauberreich nicht zum Leben erwecken können, denn dazu brauchte es alle Federländer.

»Huuuh«, erklang es da. Eine Eule hielt mit lautlosen Flügelschlägen direkt auf sie zu und drehte dann in einer eleganten Kurve kurz vor ihren Köpfen ab. Floras Herz machte einen Sprung. Goldwing! Wahrscheinlich hatten sie Hupsis Rufe hergeführt. Mit vorgestreckten Beinen landete sie nun neben den Mädchen auf der Bank. Beinahe wäre sie auf die Blumenkette getreten, die Flora dort abgelegt hatte. Schnell nahm sie sie hoch und legte sie ihrer Zaubereule um den Hals. »Hier, für dich.«

Goldwings Augen leuchteten kurz ganz hell, bevor sie Flora liebevoll mit dem Flügel über die Hand streichelte. Wie sie sich freute! Doch genau in diesem Moment kam Hupsi angeflogen und bedeutete Goldwing mit heftigen Kopfbewegungen, ihr zum Turm zu folgen. Sie wollte ihr bestimmt noch mal alles ganz genau »erzählen«.


Als Flora die beiden so wegfliegen sah, seufzte sie. »Warum ruft uns eigentlich die Goldammer nicht?« Es kam ihr ewig vor, seit der kleine Vogel ihnen gesagt hatte, dass er der Gesandte der Herrscherinnen war und sie holen würde, wenn sie gebraucht wurden.

»Ich hatte auch gedacht, dass wir viel schneller was zu tun kriegen«, stimmte Paula ihr zu. »Ich würde sooo gerne nach Federland! Hupsi hat schon gemeint, wir könnten doch einfach auch ohne Auftrag hin. Aber das dürfen wir bestimmt nicht, oder?«


»Wahrscheinlich nicht«, erwiderte Flora nach kurzem Zögern.

Aber andererseits … Sie mussten ihr Reich doch noch besser kennenlernen! Es war sicher nicht verboten, sich ein bisschen umzuschauen?

Da landeten plötzlich die beiden Eulen neben ihnen und musterten sie mit schief gelegten Köpfen. Es war klar, was das hieß: Verwandelt uns!

»Meinst du …?«, fragte Paula mit gesenkter Stimme und sah sich vorsichtig um. Schließlich war es eine goldene Regel, dass nur Eulenfreunde eine Zaubereule in ihrer magischen Gestalt sehen durften.

Auch Flora ließ ihren Blick durch die Bäume wandern.

»Normalerweise verirrt sich hier kaum jemand her«, erklärte sie leise und spähte noch einmal aufmerksam in den Wald.

»Ich glaube, wir können es wagen«, murmelte sie dann und stand auf. Sie kramte in ihrer Hosentasche nach dem Ring, um Goldwing zu verwandeln. Doch plötzlich flatterte Hupsi kreischend auf und verschwand blitzschnell zwischen den Tannen. Flora wirbelte herum. Wie aus dem Nichts stand da mit einem Mal ein junger Mann auf der Lichtung. Flora wurde es ganz heiß. Was wollte der denn hier?

Zaubereulen in Federland (2). Die Magie des Feuerbrunnens

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