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2014 - Flughafen von Dubai - Zufall oder doch Schicksal?

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„Werte Passagiere, bitte haben Sie noch einen Moment Geduld, bis ein besonderer Fluggast das Flugzeug verlassen hat. Wir bitten Sie, diese Verzögerung zu entschuldigen.“

Carina traute kaum ihren Augen: Von ihrem Platz aus hatte sie einen direkten Blick auf die vordere Ausstiegsluke und da kam doch ausgerechnet ihr neuer, geheimnisvoller Bekannter aus der ersten Klasse. Aber nicht mehr in seinem schicken Rolli mit Jackett, nein inzwischen hatte er in ein traditionelles arabisches Gewand gewechselt. In tiefem Dunkelblau sah er einfach umwerfend aus!

Aber wieso?

Zwei weitere Männer, einer davon der finster aussehende Kerl, der den Eingang zur ersten Klasse bewacht hatte. Offenbar also ein Leibwächter.

Ihr neuer Freund lächelte ihr noch einmal unverschämt zu und ging dann schnurstracks und überaus selbstsicher auf den Ausgang zu.

Ich glaub´ mich tritt ein Pferd! Was war das eben? „VIP – hab ich was verpasst?“, dachte Carina verwirrt.

„Miss Hartmann? Ich habe eine persönliche Nachricht vom Scheich für Sie“, sagte leise eine der Flugbegleiterinnen neben ihr.

Vom Scheich? Von welchem Scheich? Obwohl Carina ihre Gedanken nicht laut geäußert hatte, schien die Frage deutlich auf ihrem Gesicht lesbar zu sein.

Jetzt war es an der Stewardess verdutzt drein zu blicken: „na Scheich Rayan Suekran al Medina y Nayran – Sie haben sich doch vorhin selbst mit ihm unterhalten? Hat sich der Herr gar nicht vorgestellt?“

ER - der Scheich?

Oh mein Gott, der hat mich die ganze Zeit verarscht – kein Wunder, dass er immer so amüsiert gegrinst hatte! Carina spürte, wie ihr erst die Schamesröte ins Gesicht stieg, die dann aber ziemlich schnell in blanken Zorn umschlug.

Ohne nachzudenken öffnete sie ihren Sicherheitsgurt und sprang auf. Noch bevor die Stewardess bemerkte, was geschehen war, war Carina schon durch die halbe Business-Class zur ersten Ausstiegsluke gesprintet. Dort hielt sie inne – was sollte sie eigentlich tun? Ihm hinterherrufen, was für ein unverschämter Kerl er war? Und wieso sprach er eigentlich ein so gutes Deutsch, fast ohne jeden Akzent?

Sie konnte es einfach nicht glauben – sie flog nach Arabien um Recherchen über ihr Idol anzustellen und dann saß sie höchstpersönlich neben ihm und merkte es nicht einmal.

Der Scheich war in der Zwischenzeit die Gangway hinuntergegangen, wo man unten einen roten Teppich ausgerollt hatte. Eine schwarze Maybach 62S Limousine wartete auf ihn.

Vor dem Wagen stand ein Offizier der arabischen Polizei, der ihn mit einer tiefen Verbeugung begrüßte. Carina konnte die Worte nicht verstehen, doch sie sah ihm an, dass er voller Ehrfurcht war.

Man könnte fast meinen er hat Angst, dachte sie interessiert.

Links und rechts der Limousine standen noch weitere Beamte in Uniform stramm, die Hände zum Gruß an der Mütze. Die Ehrengarde bestand aus je fünf Mann auf jeder Seite. Was für ein Aufmarsch!

Ein eher kleiner, aber durchaus attraktiver Araber trat aus Richtung der Limousine heran und umarmte mit breitem Grinsen den Scheich.

Plötzlich sah Carina aus ihrer erhöhten Perspektive aus dem Flugzeug heraus eine Bewegung weiter links am Flugzeug. Ein Techniker begann, sich am Rolls-Royce Triebwerk des Airbus zu schaffen zu machen. Oder doch nicht?

Carina konnte später nicht mehr sagen, warum sie auf ihn aufmerksam wurde, doch als sie genauer hinsah, sah sie plötzlich eine Pistole mit Schalldämpfer in seiner Hand. Er hob die Hand und zielte. Oh mein Gott! Der Scheich!

Für einen Moment schien die Zeit stillzustehen.

Aber warum tat denn keiner was?

Sie schien die Einzige zu sein, die etwas bemerkt hatte. Und plötzlich ging alles ganz schnell: Sie begann zu schreien und fast zeitgleich feuerte der Mann mit der Walther P99 mehrere Kugeln ab.

Was genau die Münchnerin geschrien hatte, konnte sie nicht mehr sagen – jedoch hatte der hintere der beiden Leibwächter sofort reagiert, sich schützend auf seinen Herrn geworfen und ihn zu Boden gerissen, dann sackte der Personenschützer leblos zusammen.

Und plötzlich war die Hölle los. Die Beamten zogen ihre Waffen und feuerten auf den flüchtenden Mann. „Fangt ihn lebend, wir brauchen ihn lebend!“, hörte sie den Offizier laut rufen.

Entsetzt sackte Carina in der Einstiegsluke des Flugzeugs zusammen - was war da gerade passiert?

Unten sah sie den Scheich auf dem Boden knien, den Leibwächter in seinen Armen. Jemand schrie: „Wir brauchen einen Arzt –schnell!“

Doch auf dem Hemd des Mannes machten sich bereits an mehreren Stellen rote Flecken breit und Carina realisierte, dass es Blut war und er offenbar von mehreren Kugeln getroffen worden war. Sie hörte den Scheich auf ihn einsprechen, mit leiser fester Stimme und der Mann lächelte noch einmal unter Schmerzen, bevor er in sich zusammensackte.

Sie konnte nicht sagen, wie viel Zeit inzwischen vergangen war – Minuten? Stunden? – als endlich ein Sanitätswagen angefahren kam.

Hinter ihr drängten sich die anderen Passagiere und auch an den Fenstern des Flugzeuges hingen Gesichter, jeder wollte sehen, was da draußen passierte.

Der zweite Leibwächter hatte nun ebenfalls seine Glock 17 gezogen. Er bevorzugte diese Waffe, da sie mit 19 Schuss den unschätzbaren Vorteil hatte, dass man auch in längeren Schusswechseln selten nachladen musste. Außerdem war sie für ihre Zuverlässigkeit bekannt. Aufmerksam suchte er die Gegend nach weiteren Attentätern ab und blickte ab und zu hilflos zu seinem am Boden liegenden Kollegen hinunter.

Die Sanitäter legten den Leibwächter auf eine Bahre, konnten aber nur noch den Tod feststellen.

In diesem Moment kamen die Soldaten zurück, sie hatten den Attentäter überwältigt und schleppten ihn in Handschellen mit sich.

Auch mehrere Polizeifahrzeuge waren inzwischen angekommen.

Der Scheich rief etwas, woraufhin die Beamten den Mann in Handschellen zu ihm hinüberbrachten. Als der Mann dies bemerkte, wehrte er sich mit allen Kräften, wie ein gefangenes Tier, das panisch gegen seine Fesseln kämpft. Unmittelbar vor dem Scheich brachten sie ihn zum Stehen. Was er sagte, konnte Carina nicht hören, doch als sie seinen Blick sah, rannte es ihr eiskalt den Rücken hinunter.

Ein kaltes Lächeln umspielte seine Lippen und ein Blick in die Augen zeigte, dass kein bisschen Freundlichkeit in diesem Lächeln lag. Diese Augen, die Carina vorher schon so fasziniert hatten, als noch die Unbeschwertheit und der Schalk in ihnen lagen, hatten nun einen ganz anderen Ausdruck. Eiseskälte. Das dunkle Blau der Augen war fast schwarz geworden. Carina musste an das tiefe, kalte Blau des Gletschers denken, den sie im Urlaub in Norwegen gesehen hatte.

Was immer es für eine kurze Bemerkung gewesen war, die der Scheich an den Attentäter gerichtet hatte, er wurde aschfahl und sackte in sich zusammen. Widerstandslos ließ er sich von den Uniformierten in eines der Fahrzeuge verfrachten und wie auf ein Zeichen hin starteten alle gleichzeitig. Der Scheich stieg in die Limousine ein und diese fuhr dann langsam hinter dem Krankenwagen her zum Hauptgebäude.

Wie betäubt ging Carina zu ihrem Sitz zurück, nahm ihr Handgepäck und stieg eine kleine Ewigkeit später zusammen mit den anderen Passagieren aus. Sie hatten warten müssen, bis die Polizei den Tatort gesichert hatte und den Weg freigab.

Der Flugkapitän hatte noch eine Durchsage gemacht, doch die hatte Carina nicht verstanden, sie konnte einfach nicht denken. Rund um sie herum diskutierten alle über das soeben Vorgefallene, doch Carina achtete nicht darauf. Sie beantwortete keine Fragen und ignorierte auch die verstohlenen Blicke, die einige ihr zuwarfen.

„Entschuldigen Sie bitte! Miss?“ Höflich aber bestimmt adressierte sie ein tadellos gekleideter Araber in Englisch. Aufgrund seines starken Akzents war sie einen Moment verwirrt.

„Miss Carina?“ Erst jetzt realisierte sie, dass er mit ihr sprach. Er verneigte sich tief vor ihr. „Mein Name ist Mazin. Scheich Suekran al Medina hat mich gebeten, ihnen seine Ehrerbietung auszusprechen. Sie haben ihm das Leben gerettet. Wer weiß, was passiert wäre, wenn Sie nicht gerufen hätten! Wir sind Ihnen alle zu großem Dank verpflichtet. Das wird Ihnen mein Herr nie vergessen. Als Zeichen seiner Freundschaft hat er mich gebeten, Ihnen diese Kette zu überreichen. Sie trägt das Emblem des Scheichs. Das Abbild von Zarifa. Er hat in diesem Land und auf der ganzen Welt viele Freunde. Wenn Sie diese Kette tragen, werden sich manche Türen für Sie öffnen. Tragen Sie sie immer, vor allem solange Sie in Arabien sind. Keiner der Feinde des Scheichs wird es wagen, Sie anzufassen und alle seine Freunde werden Ihnen helfen, wo sie können.

Möge Allah mit Ihnen sein auf allen Ihren Wegen!“

Carina wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie musterte den Mann genauer. Er war auch am Flugzeug gewesen. Der Mann, der den Scheich umarmt hatte, kurz bevor die Schüsse fielen. Sie nahm die Kette, entrang sich einen Dank und stand dann unschlüssig da.

„Was passiert mit dem Mann, der … dem Attentäter?“, fragte sie schließlich mehr aus Verlegenheit.

„Die Polizei nimmt ihn mit ins Gefängnis hier in der Stadt.“ Er betonte den Satz dabei so eigenartig, dass sie das Gefühl hatte, dass das alles sagte und auch wiederum nichts.

„Und wird er dann hier vor Gericht gestellt?“ Immerhin wollte sie ein Buch über ihr Idol schreiben, da konnte sie sich die Gelegenheit, den Prozess zu verfolgen, einfach nicht entgehen lassen.

„Aber selbstverständlich, was denken Sie denn?“ doch der Ausdruck von Wut und Hass auf dem Gesicht des Mannes ließen Zweifel in ihr aufkommen.

Unerwartet fügte Mazin mehr zu sich selbst noch hinzu: „Er war nicht nur ein Leibwächter, müssen Sie verstehen – er war auch ein Freund.“ Einen Moment stutzte Carina, dann erkannte sie, dass er von dem Mann sprach, der getötet worden war.

Dann gab er sich einen Ruck: „Also nochmals vielen Dank für alles.“ Und mit einer weiteren Verbeugung war er in der Menge verschwunden.

Voller Staunen betrachtete Carina die Kette, die sie in der Hand hielt. Es war eine feine, aber stabile Goldkette, an der ein kleines Amulett befestigt war. Der Anhänger war aus massivem Gold, etwa vier Zentimeter im Durchmesser und zeigte einen blauen Wasserfall über dem eine rötliche Sonne, ein silberner Vollmond und drei Sterne abgebildet waren. Wundervoll!

Den materiellen Wert konnte sie schlecht abschätzen, weil sie nicht wusste, aus welchem farbigen Material die Abbildung auf dem Gold aufgebracht war, jedoch spürte sie, dass der wahre Wert unschätzbar war. Sicher verschenkte der Scheich nicht jeden Tag ein derartiges Schmuckstück.

Sie hängte das Amulett um den Hals und fühlte auf einmal Hoffnung in sich aufkeimen. Vielleicht war sie doch nicht völlig umsonst so weit gereist. Sie stieg in ein Taxi und fuhr in ihr Hotel.

RAYAN - Die Serie (Teil 1 - 4)

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