Читать книгу "Und ich lebe noch!!° - Ines Vasku - Страница 8
Unfall
ОглавлениеIch bin ein sehr ehrgeiziger Mensch, oder war es zumindest mal. Viele meiner Fähigkeiten, die ich nie hätte erlernen sollen, habe ich auch meinen Geschwistern zu verdanken.
Ich wollte immer genauso sein wie sie und habe mich sehr bemüht, ihnen hinterher zukommen. Gegen alle ärztliche Prognosen lernte ich bis zu meinem vierten Lebensjahr zu sitzen und nach einer orthopädischen Operation auch laufen.
Zwar konnte ich nie so gehen wie gesunde Menschen, aber ich konnte mich alleine und ohne Hilfe fortbewegen. Das war für alle ein kleines Wunder, vor allem für die, die es mir nicht zugetraut haben.
Doch all diese Fortschritte wurden von einem schlimmen Unfall überschattet, welcher noch immer Spätfolgen nach sich zieht und ich bis heute nicht verstehen kann, warum das so ist.
Meine Mutter macht sich, wie ich vermute, heute noch Vorwürfe für diesen Vorfall, der wie folgt passiert sein kann und von dem es zwei Versionen gibt.
Meine, und die meiner Eltern.
Sie war nur eine Minute bei meinen Geschwistern im Wohnzimmer und da passierte das Unglück.
Die Version meiner Eltern besagt, dass ich versucht hätte, mich in der Badewanne hinzustellen. Da ich noch nicht richtig stehen konnte, bin ich dann angeblich umgefallen. Dabei sei ich mit der Hand an den Drehknopf für das heiße Wasser gekommen, woraufhin sich dieses über mich ergoss.
In meiner Erinnerung hingegen spielte ich mit einem Waschlappen. Um diesen mit Wasser zu füllen, drehte ich den Hahn auf, doch leider erwischte ich statt dem kaltem das heiße Wasser. Ich dürfte das nicht sofort bemerkt haben, da sich zuerst der Waschlappen füllte und erst dann auslief.
Als ich dann realisierte, dass ich gerade mit heißem Wasser hantierte, war es auch schon zu spät: Der Waschlappen wurde mir zu schwer und sein Inhalt landete auf meinen Beinen. Durch den Schmerz erschreckt, riss ich sie hoch und ebnete dem heißen Wasser so den Weg auf Bauch, Beine und Po.
Egal welche Version nun stimmen mag, nachdem mich meine Mutter aus meiner misslichen Lage in der Badewanne befreit hatte, fuhren wir sofort zu unserem damaligen Hausarzt, der 2-3 große Brandblasen und Rötungen feststellte. Er verordnete mir ein Schmerzmittel und sagte, dass ich viel trinken und mich meine Eltern am nächsten Tag ins Krankenhaus fahren sollten.
Leider wusste er nicht, wie gravierend die Verletzung wirklich war, denn bei „nur“ 60°C Wassertemperatur wäre ich normalerweise noch mit leichten Verbrennungen davongekommen, doch dem war nicht so.
Unglücklicherweise habe ich eine starke Bindegewebsschwäche, was aber damals noch nicht bekannt war. Durch diesen Umstand war meine Haut um ein Vielfaches verletzbarer und so kam es, dass ich auf 25 Prozent der Hautoberfläche Verbrennungen dritten Grades hatte, denn als ich am nächsten Morgen erwachte, hing mir die Haut in Fetzen an den Beinen hinunter. Dort wo am Abend zuvor noch Brandblasen gewesen waren, klafften offene Wunden. Es bestand akute Lebensgefahr.
Ich weiß nur noch von Erzählungen, dass meine Eltern die Rettung riefen. Einen Monat musste ich im Krankenhaus verbringen, doch ich erinnere mich kaum daran. Ich weiß nur noch, dass sich sehr viele Gesichter über mir befanden und ein Arzt meine Mutter ankeifte, warum sie nicht früher mit mir gekommen war. Auch das Luftbett in welchem ich liegen musste, um Druckstellen zu vermeiden, ist mir in unliebsamer Erinnerung geblieben. Das Geräusch, das es machte, ließ mich fast verrückt werden.
Alles was danach kam, bis hin zu meinem siebten Lebensjahr, ist sehr verschwommen, besser gesagt kann ich mich an fast nichts erinnern und muss mich an Erzählungen festhalten. Dass ich den unmittelbaren Unfall und die Zeit danach im Krankenhaus verdrängt habe mag ja noch logisch sein, aber warum wurde durch den Unfall eine Erinnerungslücke ausgelöst, die auch lange nach dem Unfall jegliches Erlebte für mich verschlossen hält? Es scheint so, als hätte mein Hirn angefangen verschiedene Zeiträume auszublenden und das tut es heute noch....
Natürlich ist es komisch, ganze Jahre seines eigenen Lebens nicht aus der eigenen Erinnerung zu kennen, doch Mama, ich möchte nicht, dass du dir Vorwürfe machst. Meine Geschwister brauchen dich genauso wie ich. Das war, ist und wird auch immer so bleiben. Selbst wenn du nur diese eine Minute nicht weggewesen wärst, hätte alles genauso passieren können. Bitte mach dir keine Vorwürfe Mama, du bist NICHT Schuld.