Читать книгу Oh Schreck Aupair - Ingeborg Naundorf - Страница 4
Mut zum Aupair
Оглавление„Du musst verrückt sein, Deinem Mann ein knackiges junges Mädel ins Haus zu holen! Viele Aupairs angeln sich dann den Familienvater!“ „Ein fremdes Mädchen? In Eurer Vier-Zimmer-Wohnung?“ „Da kannst Du ja morgens nicht mehr nackig ins Bad laufen!“ „Na, da kann ich Dir Geschichten erzählen: die werden immer schwanger, Jungs entdecken ihre Homosexualität… tu Dir das bloß nicht an!“ So in der Art lauten die durchwegs gut gemeinten Kommentare meines Umfelds, als ich mich kurz vor der Jahrtausendwende erstmals dem Thema Entlastung annähere. Unser junges, aber durch die beidseitige Karriere fast nicht mehr vorhandenes Familienleben soll wieder frischen Aufwind bekommen. So beschließen wir, einem Aupair die Gelegenheit zu geben, sich in Deutschland zu verwirklichen. Schließlich ist es echt zu viel verlangt, als Eltern mit Fulltime-Jobs auch noch Haushalt und Kind zu schmeißen. Mit viel Optimismus packe ich das Thema an.
Erst gilt es, die Vorbehalte meines mich liebenden männlichen Gegenparts auszuräumen, der meint, mit einem Aupair hätten wir keine Intimsphäre mehr im eigenen Heim. Da kann ich dagegenhalten: Mit einem Babysitter im Haus haben wir endlich wieder einmal Zeit für uns, mal spontan ins Kino, nicht immer alles planen müssen, Unterstützung im Alltag und auch im Urlaub. Also eher mehr Sphäre im intimen Bereich als bisher. Kinder haben eine zusätzliche Anlaufstelle, wenn Mama und Papa mal schlechte Laune haben. Von den flexiblen Dienstreise-Möglichkeiten mal ganz abgesehen. Und erst der kulturelle Austausch! An meine eigene Aupair-Zeit in Frankreich habe ich noch heute sehr schöne Erinnerungen – und dabei neben einem guten Stück Lebenserfahrung noch durchaus brauchbare Sprachkenntnisse erworben. Also eigentlich gibt es für alle Seiten nur Vorteile, das findet angesichts dieser Argumenteflut nun auch mein Mann. Der einzige, der dem Unternehmen immer noch skeptisch gegenübersteht, ist unser sechsjähriger Sohn Moritz.
Das erste Aupair engagieren wir im Herbst 1999 über eine Stellenanzeige in der Süddeutschen Zeitung, da, wo andere ihre Dienstmädchen suchen, nämlich in der Rubrik „Hauspersonal“. „Suchen nettes Aupair für unseren Sohn, 6 Jahre, nach München. Bewerbungen unter…“. Wir greifen zu diesem Mittel, da die Aupair-Anwerbung in den Heimatländern nicht erlaubt ist, teilt uns das Landesarbeitsamt Bayern mit. Allerdings erst, nachdem wir unsere Anzeige in Italien geschaltet haben, aber da wollte uns eh keiner haben. Die Anwerbung im Ausland ist nämlich den Aupair-Agenturen vorbehalten. Können wir verstehen, die wollen ja auch von was leben… (Diese Regelung gilt heute nicht mehr, siehe Ratgeber). Diverse Anrufe bei Aupair-Agenturen schrecken uns aber eher ab. Die Wortwahl lässt uns an Mädchenhandel denken, die Vermittlungsgebühren von mindestens 400 Mark sind uns zu teuer. Anfragen bei Freunden und Bekannten im Ausland führen leider nicht zum gewünschten Erfolg, wir halten wohl in den falschen Ländern Ausschau. England, Spanien, Frankreich, Italien… Fehlanzeige! Keine Chance auf die Aussicht, unser Sohn würde schon in wenigen Jahren mit seinem englischen Aupair perfekt in einer Weltsprache parlieren. Ja, das Leben war wirklich hart ohne Internet!
Auf unsere Anzeige melden sich gleich einige InteressentInnen. Wir stellen bald fest, dass ausschließlich Wechsler buchstäblich auf unserer Matte stehen – diejenigen nämlich, die das Pech hatten, in der falschen Familie zu landen. Also Aupairs, die schon im Lande sind, bereits ein Visum haben, aber nun eine neue Familie suchen. Die drei nun folgenden Vorstellungsgespräche lassen uns die Haare zu Berge stehen. Ein Junge aus Weißrussland (wir suchen schließlich einen Fußball-Partner für Moritz) erzählt von seinem Vater, der nach dem Supergau in Tschernobyl an Krebs erkrankte. Der Familie fehlt das nötige Geld für die Operation, ob wir nicht eine Möglichkeit wüssten… wir vermitteln den Jungen an einen Verein, der sich von München aus um Tschernobyl-Opfer kümmert. Nummer Zwei, ein ganz patentes Mädchen aus der Ukraine, berichtet von unhaltbaren Zuständen in ihrer Familie: Sie teilt sich einen feuchten Kellerraum mit einem zweiten Aupair. Aha, staunen wir, es gibt also offenbar Familien mit Vollzeit-Rundum-24 Stunden-Kinderbetreuung! Bei Regenwetter steht das Wasser knöchelhoch in ihrem Zimmer. Lüften können sie nicht, weil sonst Frösche durchs Kellerfenster reinhüpfen. Ach du liebe Güte. Die Geschichten klingen so dick aufgetragen, dass wir sie kaum glauben können. Die Dritte stammt aus Georgien und muss täglich die Grünwalder Villa ihrer Familie putzen. Mit den Kindern darf sie als Mensch zweiter Klasse nicht sprechen, duschen nur einmal pro Woche und ansonsten lässt sich das Mittagessen ja auch ohne Fleisch und Dessert aushalten. Wir sind fassungslos – was geschieht denn da mit den Aupairs in unserem Land? Es ist uns fast peinlich, dass wir nach all dem trotzdem noch Aupair-Eltern werden wollen.