Читать книгу Vinz - Ingo T Herzig - Страница 3
PEGGY
ОглавлениеIngo T. Herzig
Vinz
An den Eingängen zum Saal wurden Programmzettel an das einströmende Publikum verteilt. Auch ich bekam einen in die Hand gedrückt. Am Kopf des Blattes war eine Tuschzeichnung der Heimatschule der jungen Gastmusiker abgedruckt. Das Bild zeigte ein mächtiges mehrgeschossiges Gebäude im Stil der viktorianischen Zeit, und darunter stand in gotischen Lettern:
Thomas-Morley-College Stirling, 1886 – 1986.
Das Programm versprach etwas von jeder Sorte. Vorgesehen waren Ausschnitte aus Werken von Carl Stamitz, Johann Christian Bach, und Henry Purcell, Chorlieder von Orlando Gibbons, und Thomas Morley, dem Namenspatron des Colleges, dazu, wie ich gehofft und spekuliert hatte, eine Reihe englischer, schottischer und walisischer Balladen und Volkslieder, die teilweise sogar in den betreffenden keltischen Sprachen vorgetragen und von Volkstänzen begleitet werden sollten. Den Abschluss der Veranstaltung sollten ein paar deutsche Volkslieder bilden, welche die jungen schottischen Künstler den Gastgebern zu Ehren einstudiert hatten
Ich suchte mir einen Platz in der Mitte, von wo ich die gesamte Bühne einigermaßen im Blickfeld hatte. Mein Herz schlug höher, als das Orchester Stellung bezog. Es bestand aus etwa zwanzig jungen Musikern, die alle nicht mehr als fünfzehn bis achtzehn Jahre zählten, aber ebenso sicher und stattlich auftraten wie Profimusiker, die ihrem Metier schon mehr Jahre nachgingen, als diese hier alt waren.
Ich musste mich indes bis zum ersten Ton noch etwas gedulden; denn zunächst trat der Bürgermeister ans Mikrophon und richtete ein paar begrüßende Worte sowohl ans Publikum, als auch an die Gäste aus Schottland, denen er für ihren Besuch dankte. Er erwähnte, dass das Thomas-Morley-College zu den besten und renommiertesten Musikinternaten in ganz Europa gehöre und in diesem Sommer sein einhundertjähriges Bestehen feiere. Im Jahre 1886 sei das College von Königin Victoria persönlich eingeweiht worden. Hierauf stellte er den Leiter des Orchesters vor und überließ ihm den Platz. Der Dirigent, ein Mann Mitte vierzig und mit einem dunklen Anzug bekleidet, wandte sich sogleich dem Orchester zu und hob den Taktstock. Das Konzert begann mit dem ersten Satz aus dem Concerto Nr. 2 in A-Dur für Violoncello und Orchester von Carl Stamitz. Der Cellist, der, wie ich dem Programmzettel entnahm, Barry Garner hieß – ich schätzte ihn auf siebzehn oder achtzehn –, führte den Bogen mit so viel Geschick, wie man es nur nach Jahre langem intensiven Üben erwerben kann. Ich fand, dass überhaupt alle diese jungen Musiker, wie sie da vorne saßen, viel versierter waren als die Mitglieder des Schulorchesters unserer Schule, wenngleich auch diese nicht gerade unbegabt waren; doch im Vergleich zu den hier anwesenden jungen Schotten wirkten sie eher laienhaft, und dabei standen sie im selben Alter. Fast überkam mich der Neid. Kein Wunder, dass sie ihre Kunst so gut beherrschten. Schließlich widmeten sie sich tagein tagaus intensiv der Musik, wohingegen es bei uns eine reine Nebenbeschäftigung war.
Der Konzertflügel wurde in den Vordergrund gerückt und Platz daran nahm ein Mädchen mit schönen langen dunkelblonden Haaren, die ihr bis auf den Rücken fielen. Sie trug ein hübsches rosaweißes Galakleid und eine niedliche rosa Schleife im Haar. Ich spürte, wir mir das Herz bei ihrem Anblick mit einem Mal höher schlug, und ich bedauerte zutiefst, dass ich mich nicht weiter nach vorne gesetzt hatte; aber auch von meinem Platz aus konnte ich sie ganz gut sehen und ihre faszinierende Ausstrahlung fühlen. Auch sie verstand ihre Kunst sehr gut und ihre Fingerfertigkeit beeindruckte mich ebenso sehr wie ihre Erscheinung. Sobald ich mich einigermaßen wiedergefunden hatte, schaute ich eiligst auf den Programmzettel: „Am Flügel Peggy Ann McSullivan“. Auch sie schätzte ich auf siebzehn oder achtzehn Jahre – also mein Alter! Oh, wie sehr bereute ich es, mein Opernglas zu Hause gelassen zu haben! Ich hatte es schon in der Hand gehabt, aber dann doch wieder weggelegt, da ein Konzert nun einmal keine Theateraufführung ist.
Für Abwechslung im Programm sorgten hierauf vier schottische Lieder, „Lovely Stornoway“, „Road To The Isles“, „The Dark Island“ und „The Tartan“, vorgetragen von einer dreiköpfigen Sängergruppe, die begleitet wurde von einem Akkordeon, einer Violine, einer Querflöte und einer schnarrenden Trommel.
Mein Herz schlug nun einen noch strammeren Rhythmus an; denn die Violine wurde von niemand anderem gespielt als von Peggy Ann McSullivan, und sie beherrschte die Violine ebenso gut wie das Klavier. Diese Tatsache steigerte meine Sympathie, die ich diesem Mädchen gegenüber hegte; Klavier und Violine waren nämlich die Instrumente, die auch ich spielte, und das sicherlich mit ebenso viel Hingabe wie Peggy, wenn auch vielleicht nicht mit ganz so viel Perfektion.
Ich ertappte mich dabei, wie ich beim Klang dieser temperamentvollen Lieder, die auf meine Seele wie eine kühlenden, angenehm duftende Salbe wirkten, und nicht zuletzt durch den Anblick Peggys immer mehr ins Schwärmen geriet. Ich wehrte mich indes nicht dagegen, sondern ließ meinen Gefühlen und Gedanken freien Lauf.
Glücklicherweise handelte es sich hier nicht um den Auftritt eines großen, berühmten und von einer Armee von Bodyguards umgebenen Weltstars und so stellte es für mich kein Problem dar, mich nach der Aufführung hinter die Bühne zu schleichen und nach Peggy Ausschau zu halten. Auch andere Zuhörer waren hinter die Bühne gekommen, um den Musikern persönlich zu begegnen und ihren Glückwunsch für die reife Leistung auszusprechen. Ich musste mich im engen Korridor daher durch eine dichte Menschenmenge hindurchkämpfen; doch schon wenig später stand ich dem gesuchten Mädchen gegenüber. Aus der Nähe schien sie mir noch zauberhafter. Sie war einen Kopf kleiner als ich und besaß ein rundliches Gesicht, aus dem mir eine hübsche Nase und zwei dunkle Augen angenehm wärmend entgegen leuchteten. Ich war zwar stets gut in Englisch gewesen; doch jetzt kostete es mich Mühe, auch nur einen anständigen Satz hervorzubringen. Ich sagte ihr, wie sehr mir ihr Spiel gefallen habe, und auch, dass ich selbst passionierter Hobbymusiker und ebenfalls auf Klavier und Violine spezialisiert sei. Besonders viel Überwindung kostete es mich, ihr meine Adresse in die Hand zu drücken, die ich noch während des Konzertes aufgeschrieben hatte. Zu meiner Freude nahm sie sie nicht nur bereitwillig an, sondern schrieb mir ihrerseits ihre eigene auf und sagte, dass sie sich freuen würde, von mir zu hören. Bevor sie sich zurückzog, gaben wir uns die Hand. Ich blieb gedankenverloren zurück und wusste gar nicht, wie mir geschah.
Ab nun dachte ich nur noch an Peggy, sah ihre hübschen, warmen dunklen Augen vor mir und hörte den Klang ihrer weichen tiefen Stimme. Mehrmals schickte ich mich an, ihr zu schreiben; doch fehlten mir stets die passenden Worte, so dass ich erst einige Wochen nach dem Konzert einen Brief an sie abschicken konnte. Dieser wurde tatsächlich von einer Postkarte aus Stirling beantwortet. Ich war selig.
Auch wenn es schon einige Jahre zurücklag, so konnte ich mich doch noch sehr lebhaft daran erinnern, wie mein Schulfreund Leif im Erdkundeunterricht auf einmal Papier und Bleistift hervorholte und damit begann, ein Wohnmobil zu entwerfen. Zuerst dachte ich, er langweile sich, was mich wunderte, nahmen wir doch gerade Nordamerika durch – heute waren die fünf Großen Seen an der Reihe – und Leif war ein großer Amerika-Fan. Solange ich ihn kannte, träumte er davon, den nordamerikanischen Kontinent zu erkunden. So erklärte sich seine Zeichentätigkeit: Das Unterrichtsthema inspirierte ihn. Ganz offensichtlich begann er bereits mit der Planung dieser Reise. Er interessierte sich sehr für Autos und eines seiner größten Hobbys bestand darin, Fahrzeuge zu entwerfen. In Anbetracht der Tatsache, dass er diese Inspiration der heutigen Erdkundestunde bei Studienrätin Frau Hannelore Werner zu verdanken hatte, nannte er sein stromlinienförmiges Wohnmobil nach ihr „Hannelore“.
Allerdings währte diese Inspiration nicht allzu lange. Schon nach einiger Zeit verschwanden die „Hannelore“-Entwürfe in der Schublade. Nicht, dass ihn dieses Projekt auf einmal nicht mehr interessiert hätte; es gab andere Dinge, die ihn davon abhielten, sich weiter seiner „Hannelore“ zu widmen, vor allem unsere Klassenkameradin Jacqueline, die ihm völlig den Kopf verdreht hatte und ihm jeden klaren Gedanken raubte. Als diese Geschichte schließlich und endlich ausgestanden war, fand Leif nicht mehr zur „Hannelore“ zurück, was mir leidtat; denn ich hielt seine bisherigen Entwürfe für eine reife Leistung, wenn ich auch nicht viel davon verstand.
Umso überraschter war ich, als ich Leif auf einmal wieder über den „Hannelore“-Entwürfen brüten sah. Inzwischen befanden wir uns in der Jahrgangsstufe zwölf, also ein Jahr vor dem Abitur.
Als Antwort auf meine Frage, wie er „Hannelore“ denn wiederentdeckt habe, drückte er mir die letzte Ausgabe seiner Autozeitschrift in die Hand und deutete auf eine Anzeige, in der eine Düsseldorfer Auto-Tuningfirma einen Wettbewerb für Hobbydesigner ausschrieb:
„Wer entwirft das schönste und zweckmäßigste Wohnmobil?
1 Preis: eine vierwöchige Reise für zwei Personen im Wohnmobil durch die USA und Kanada;
2 Preis: eine dreiwöchige Reise für zwei Personen im Wohnmobil durch Europa.“
Außerdem wurden noch acht Sachpreise vergeben. Die Teilnehmer sollten das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben; aber das traf auf Leif ja zu.
Dieser rieb sich voller Enthusiasmus die Hände.
„Das ist genau das Richtige für einen Kritzler wie mich“, rief er entzückt. Er setzte sich an die Arbeit und zeichnete und rechnete Tag und Nacht, so dass er nicht selten morgens übernächtigt in die Schule kam und es ihn viel Mühe kostete, die Augen offen zu halten. Häufig übermannte ihn der Sekundenschlaf, so dass sein Kopf immer wieder nach vorne oder nach hinten kippte. Unsere Mitschüler schmunzelten schon.
Sein Fleiß wurde belohnt: Einige Wochen, nachdem er seine Entwürfe eingereicht hatte, bekam er von der Tuning-Firma Bescheid, dass er in die engere Auswahl gelangt sei, und wieder ein paar Wochen später wurde ihm mitgeteilt, dass mehrere gute Arbeiten eingegangen seien, so dass die Beurteilung schwer sei und daher ausgelost werden müsse. Leif wurde dazu nach Düsseldorf eingeladen. Für ihn verstand es sich von selbst, dass ich ihn dorthin begleitete.
Während der gesamten Bahnfahrt nach Düsseldorf zitterte Leif sichtlich vor Aufregung. Er konnte es nicht fassen, dass er faktisch vor der Möglichkeit stand Amerika zu bereisen und seine kanadische Brieffreundin zu besuchen. Vor allem aber fiel es ihm schwer zu glauben, dass seine Arbeit Anklang gefunden hatte, dass sie gewissermaßen zur crème de la crème gezählt wurde. Ich freute mich aufrichtig für ihn und träumte von einem ähnlichen Erfolgserlebnis, das sich bei mir auf dem Gebiet der Musik einstellen müsste. Auf einen Kompositionswettbewerb war ich bislang nicht gestoßen; doch stand für mich fest, dass ich an einem solchen teilnehmen und selbstverständlich gewinnen würde.
In Düsseldorf hatten sich zwanzig bis dreißig potenzielle Gewinner eingestellt. Die meisten waren nicht älter als dreißig, fünfunddreißig. Auch das weibliche Geschlecht war vertreten, wenn auch nicht sehr zahlreich. Bevor der spannende Moment kam und sie der mehrköpfigen Jury vorgeführt wurden, bekamen sie ein zünftiges Mittagessen serviert, an dem auch ich als Außenstehender teilnehmen durfte.
Endlich näherte sich der spannende Augenblick: Eine junge Frau zog zehn zusammengefaltete Zettel mit Namen aus einer Art Urne, die vorher gründlich durchgeschüttelt worden war. Hierauf wurden die zehn Gewinner von hinten nach vorne verlesen, d. h. in umgekehrter Reihenfolge der Preisverleihung. Ich sah, wie Leif kaum zu atmen wagte. Seine Hände zitterten wie Espenlaub, wo doch seine Linke – er war Linkshänder – den Bleistift stets völlig ruhig zu halten pflegte. Ich erlebte meinen langjährigen Schulfreund von einer ganz neuen Seite, hatte ich ihn doch bisher als eine Natur gekannt, die sich so leicht von nichts und niemandem aus der Ruhe bringen lässt; aber irgendwann stoßen wir alle an unsere Grenzen.
Das Zittern seiner Hände steigerte sich, je weiter sich das die Namen verlesende Jurymitglied von Platz zehn in Richtung Platz eins vorarbeitete. Leif fiel auf den zweiten Platz. Er konnte es gar nicht fassen, dass seine Arbeit auf ein so gutes Echo gestoßen war, und saß – ich weiß nicht, wie lange – da wie eine Salzsäule, so dass ihn der Herr aus der Jury noch einmal gesondert und vor allem mit mehr Lautstärke aufrufen musste.
Es war so: Er hatte den zweiten Preis gewonnen, daran gab es nichts zu rütteln.
Es dauerte noch einige Tage, bis er sich soweit gefangen hatte, dass er sich überlegen konnte, wohin denn die Reise gehen sollte. Es handelte sich ja um eine Wohnmobilreise durch Europa, und die Reiseziele konnte der Gewinner nach eigenem Gutdünken selbst bestimmen.
Für Leif war es gar keine Frage, dass er die Fahrt zusammen mit mir antreten würde. Als die Sommerferien begannen, fuhren wir abermals zusammen nach Düsseldorf, um das Wohnmobil in Empfang zu nehmen. Es war neu, aber nicht sehr groß; es bot gerade Platz für zwei Personen. Imponieren konnte man damit niemandem; doch dies hatten wir auch gar nicht vor. Wir wollten uns lediglich ein paar wunderschöne Tage machen. Ohne dass wir auch nur ein einziges Wort darüber hätten wechseln müssen, waren wir uns einig, das Gefährt auf den wohlklingenden Namen „Hannelore“ zu taufen.
Am Anfang gab es leichte Unstimmigkeiten, was das erste Ziel betraf. Leif wollte nämlich nach Südfrankreich fahren, während ich einen geradezu unwiderstehlichen Zug in die entgegengesetzte Richtung, genauer gesagt, nach Schottland verspürte. Ich hatte Peggy während all der Monate keinen Augenblick vergessen. Immer wieder tauchte ihr Bild vor mir auf, und immer wieder pochte mir das Herz, wenn ich an sie dachte. Leider hatte sich der anfängliche Briefwechsel nicht aufrechterhalten, da Peggy, wie sie mir gleich zu Anfang mit prophylaktischer Entschuldigung geschrieben hatte, keine große Briefeschreiberin sei. Schade! Ich hatte ihr danach noch zwei- oder dreimal geschrieben, es dann aber sein lassen, um nicht aufdringlich zu erscheinen. Nun aber war ich nahezu besessen von der Idee, sie in Stirling zu besuchen. Da aber Leif der Gewinner der Reise war, lehnte ich mich nicht gegen seinen Wunsch auf, die gemeinsame Rundreise in Südfrankreich zu beginnen; jedenfalls nach außen hin nicht. Innerlich aber kochte es ganz schön in mir, ich konnte es nicht verdrängen, geschweige denn abstellen.
Als wir schon fast Dijon erreicht hatten, steuerte Leif unsere „Hannelore“ ganz unvermittelt von der Autobahn herunter und fuhr in der Gegenrichtung wieder auf.
„Ich weiß doch genau, wo’s dich hinzieht, Vinz“, sagte Leif und so kam es doch noch, dass wir unsere „Hannelore“-Ferien in Schottland begannen.
Die Fahrt von Folkestone, wohin wir mit der Fähre übersetzten, hinauf bis nach Schottland verlief trotz Linksverkehr ohne Probleme. Ich konnte mir selbst nicht so recht erklären, warum; aber ich freute mich wie ein kleines Kind unterm Weihnachtsbaum und auch Leif wurde davon angesteckt. Die ganze Strecke sangen und blödelten wir vor uns hin, so dass wir ganz und gar vergaßen, Pausen einzulegen. Lediglich zum Fahrerwechsel und um gewisse menschliche Geschäfte zu erledigen hielten wir zwischendurch kurz an. Ansonsten ging es stracks durch.
Der Abend dämmerte herein. Wir hatten Stirling schon fast erreicht, als uns eine bleierne Ruhebedürftigkeit überfiel. So steuerten wir den Wagen mitten in die Natur hinein und hielten in der Nähe eines schmalen Flusses. Wir wussten zwar nicht, ob es erlaubt war, einfach so in der freien Natur zu campen; aber hier schien es uns so einsam, dass sich gewiss weder ein Ordnungshüter noch sonst irgendjemand hierher verirren würde. Außerdem wollten wir uns sowieso nicht übermäßig lange hier aufhalten. Obschon wir rechtschaffen müde waren, dominierte in uns das Bedürfnis uns nach der langen Marathonfahrt ein wenig die Beine zu vertreten. Wir spazierten sogar recht lange durch die schöne, wenn auch für meine Begriffe etwas karge Landschaft. Umso mehr waren wir uns dessen gewiss, uns den Schlaf redlich verdient zu haben.
Hatten wir uns verlaufen? Diese Frage stellte sich uns unwillkürlich, als wir den Platz erreichten, wo wir „Hannelore“ gelassen hatten, zumindest wo wir sie zurückgelassen zu haben glaubten. Das Wohnmobil war nämlich spurlos verschwunden. Reifenspuren deuteten indes unmissverständlich darauf hin, dass „Hannelore“ nicht nur hier gestanden, sondern von hier fortgefahren war.
Lange standen wir da und konnten gar nicht fassen, was wir da sahen bzw. was wir da nicht mehr sahen.
„Sag mal, hast du denn nicht abgeschlossen?“, fragte mich Leif. Ich hatte zuletzt am Steuer gesessen.
„Ich denke schon“, antwortete ich kleinlaut. Auf- und Zuschließen waren mir so in Fleisch und Blut übergegangen, dass ich dem schon lange keine besondere Beachtung mehr schenkte. Den zur „Hannelore“ gehörigen Schlüsselbund hatte ich in der Tasche und holte ihn wie zur Bestätigung hervor. Leif sah mich vorwurfsvoll an, als sei meine Schuld an dem Diebstahl erwiesene Sache. Dabei hätte uns die gleiche Misere auch in Südfrankreich widerfahren können; vielleicht sogar mit größerer Wahrscheinlichkeit als hier.
Uns blieb also keine andere Wahl, als uns an den Straßenrand zu stellen und zu versuchen, per Anhalter nach Stirling zu gelangen. Leider handelte es sich bei dieser Straße um eine nur sehr wenig frequentierte. Nachdem wir fast eine Stunde dort gestanden und vergeblich gewartet hatten, beschlossen wir schließlich, uns zu Fuß auf den Weg zu machen. Bis nach Stirling waren es nur noch wenige Kilometer bzw. Meilen – die Briten waren ja noch immer nicht so recht mit dem Dezimalsystem warm geworden –, und da wir gut zu Fuß waren, hatten wir das Stadtgebiet recht bald erreicht. Da es schon fast völlig dunkel war und wir niemandem mehr auf der Straße begegneten, sahen wir keine andere Lösung als an irgendeiner Tür zu klingeln und zu fragen, wo denn das nächste Polizeirevier liege, oder vielleicht gleich von dort die Polizei anzurufen. Da fiel mir auf, dass die Straße, in die wir geraten waren, Thomas Morley Road hieß. Hier wird doch nicht etwa auch …? Ich kannte ja die Hausnummer des musischen Internats, in dem Peggy ihre geistige bzw. musikalische Heimat hatte, nahm Leif, der noch dabei war, sich das ihm am sympathischsten erscheinende Haus auszusuchen, beim Ärmel und zog ihn in die Richtung, in der die zu suchende Hausnummer zu finden sein musste. Und tatsächlich: Meine Intuition hatte mich nicht getrogen. Da ragte das viktorianische Gebäude des Colleges, so wie ich es vom Programmzettel her noch in Erinnerung hatte, in den wolkenlosen Himmel, an dem inzwischen die Sterne sichtbar geworden waren. Die Fenster des Internats waren erleuchtet; also hatten die Sommerferien noch nicht Einzug gehalten.
Mir klopfte ordentlich das Herz, als wir dem Eingang zustrebten. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Ich war fest entschlossen, Peggy zu finden. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass mir der Anblick der recht streng dreinschauenden Pförtnerin zunächst die Schritte hemmte. Leif gab mir einen kräftigen Schubs: „Jetzt sind wir so weit gekommen und kommen auch noch weiter!“
Seine Miene hatte sich längst wieder aufgehellt. Ich wusste auch, warum: Er fühlte mit mir.
Da wir nicht wissen konnten, wie konservativ die hiesigen Sitten waren, fragte ich nicht nach Peggy McSullivan, sondern nach Barry Garner, den ich mit seinem Cello vom Konzert her noch in guter Erinnerung hatte. Die Pförtnerin ließ sich unsere Ausweise zeigen, die wir zur Zeit des Diebstahls glücklicherweise bei uns getragen hatten, nannte uns Barrys Zimmernummer und setzte uns davon in Kenntnis, dass Besuche nur bis „10 p.m.“ gestattet seien. Wir hatten also etwas mehr als eine Stunde Zeit.
Ich fragte das erste Mädchen, das wir im Treppenhaus trafen, wo Peggy McSullivan zu finden sei, und die Gefragte brachte uns bereitwillig zu ihrem Zimmer. Je mehr wir uns ihrem Zimmer näherten, desto schwerer fiel mir das Atmen. Das Herz klopfte mir bis zum Hals.
Die Tür stand offen. Aus dem Zimmer drangen Gitarrenmusik und Gesang. Mehrere Internatsbewohner beiderlei Geschlechts saßen bei Liedern, Guinness und Cola beisammen, darunter auch das offizielle Ziel unseres Besuches, Barry Garner, der die Gitarre spielte. Peggy saß in der Mitte des nicht sehr geräumigen Zweierzimmers. Obschon ihr Bild in meiner Erinnerung im Laufe der Monate verblasst war, schien es mir, als hätte ich sie erst gestern zum letzten Mal gesehen, so vertraut war mir auf einmal wieder ihr Anblick.
Die Musik brach ab, und nahezu gleichzeitig wandten sich die Köpfe aller Anwesenden in unsere Richtung. Das Mädchen, das uns hierhergeführt hatte, zog sich wieder zurück, und wir fanden uns Überraschung signalisierenden und fragenden Blicken gegenüber. Auch Peggy schien zunächst nicht zu wissen, wo sie uns bzw. mich einordnen sollte; doch bevor sich in mir ein Gefühl der Enttäuschung darüber ausbreiten konnte, erinnerte sie sich auf einmal wieder und kam auf uns zu.
„Vinz!“
Wie freute es mich, dass sie meinen Namen noch wusste! Auf die obligatorische Frage, wie ich denn hierherkäme, erzählte ich ihr die ganze Geschichte, in deren Verlauf ich ihr meinen Schulfreund Leif vorstellte.
„Alles nur deswegen, weil er dich sehen wollte!“, setzte Leif provokativ hinzu, nachdem ich geendet hatte. Das war mir so peinlich; doch Peggy schien angenehm berührt.
Die Übrigen hatten mit großem Interesse zugehört und wollten auch gleich wissen, wie Peggy und ich uns kennen gelernt hatten. Dies war schnell erzählt. Barry Garner, der ja selbst bei diesem Konzert mitgewirkt hatte, wunderte sich darüber, dass er davon überhaupt nichts mitbekommen hatte.
Peggy und ihre Mitschüler zeigten sich auf der Stelle hilfsbereit und schickten sich sogleich an, mit uns auf die Polizei zu gehen. Wir zwängten uns mit sieben Mann in den Kleinwagen eines von Peggys Mitschülern und steuerten das nächste Polizeirevier an. Dort nahm man ein Protokoll auf. Peggy gab als Adresse diejenige des Internats an und nannte sich als Bezugsperson.
„Natürlich könnt ihr solange bei uns bleiben“, versicherte sie. Damit waren vorerst alle Unklarheiten aus dem Wege geräumt. Das erleichterte Leif und mich ungemein.
Als wir das Internat erreichten, warteten wir einen Augenblick, bis die Pförtnerin einmal kurz ins Hinterzimmer trat, und huschten dann ins Haus. Wir versammelten uns wieder in Peggys Zimmer, und nun wurde alles Ess- und Trinkbare zusammengetragen, was aufzutreiben war. Dies kam uns gerade recht. Durch die Aufregung und die Ungewissheit, wie denn alles weitergehen würde, hatten Leif und ich gar nicht ans Essen denken können; doch nun, da sich die Situation sichtlich entspannt hatte, bahnte sich der Hunger seinen Weg in den Vordergrund.
Bis gegen drei Uhr in der Frühe saßen wir beisammen, unterhielten uns und sangen auch. Es war schön. Ich fühlte mich pudelwohl in dieser Gesellschaft, und ich brauchte meinen Freund Leif nur ins Gesicht zu schauen, um festzustellen, dass es ihm da ganz genauso ging wie mir. Das freute mich. Peggy saß mir genau gegenüber, und jedes Mal, wenn ich zu ihr hinüberschaute, erwiderte sie meinen Blick und schenkte mir ein wenn auch nur angedeutetes, so doch ein Lächeln, das mir zu sagen schien: Danke, dass du gekommen bist!
Barry Garner und James, der uns in seinem Auto zur Polizei taxiert hatte, stellten uns ihr Zimmer zur Verfügung, während sie sich mit Decken und Luftmatratzen bei anderen Kollegen einquartierten, und während sich die Insassen des Colleges am Morgen aus den Federn und ins Klassenzimmer quälen mussten, schliefen Leif und ich den Schlaf des Gerechten. Als wir erwachten, fanden wir das Frühstück bereits am Bett stehend. Es handelte sich zwar lediglich um die Reste von gestern Abend plus einigen Bestandteilen des heutigen Internatsfrühstücks; aber mir kam es vor wie der Service in einem Fünf-Sterne-Hotel. Dabei lag ein Zettel, auf dem Peggy uns in ihrer geschwungenen Handschrift auf Deutsch einen guten Appetit wünschte.
Um die Mittagszeit – wir waren gerade fertig mit Duschen – kamen Peggy und ihre Freunde und versorgten uns mit Essen aus der Kantine. Da sie auch nachmittags Unterricht hatten, schauten Leif und ich uns in aller Ruhe die Stadt an und trafen uns abends wieder mit unseren Gastgebern. Diesmal zogen wir durch mehrere Pubs. Ich weiß gar nicht mehr, wie wir zurück ins Internat kamen.
Die Tage, die wir gewissermaßen als blinde Passagiere im Thomas-Morley-College zubrachten, waren einfach schön. Peggy und ihre Freunde führten uns durch die Schule und zeigten uns die musikalische Ausstattung, und Peggy ließ mich ihrer Klavierstunde beiwohnen. Fast schämte ich mich meiner bei weitem nicht so professionellen Künste, als sie und ihr Klavierlehrer mich am Schluss der Stunde baten, selbst etwas zum Besten zu geben; doch meisterte ich die Situation halbwegs zufriedenstellend.
Ich war von allem höchst beeindruckt. Vor allem freute ich mich riesig darüber, dass wir neue Freunde gefunden hatten; aber am meisten freute es mich, dass Peggy, wie es aussah, ebenso viel Zuneigung für mich empfand wie ich für sie. Sie zeigte es vor den anderen nicht; doch die Tatsache, dass sie hin und wieder, wenn sich die Gelegenheit ergab, mir sanft über die Hand streichelte oder sie freundschaftlich drückte, machte mich dessen ziemlich sicher. Ich war verliebt!
Leider konnte uns das College nur wenige Nächte als Quartier dienen; denn der Tag der Zeugnisübergabe, der das Schuljahr beschloss, stand unmittelbar bevor. Am Tage zuvor bekamen wir die Mitteilung, dass unsere „Hannelore“ gefunden worden sei. Natürlich war sie ausgeplündert und befand sich in einem desolaten Zustand. Glücklicherweise trug niemand von uns die Schuld daran. Sämtliche Türen waren verschlossen gewesen und professionell aufgebrochen worden. Es handelte sich also um einen Fall für die Versicherung, und das Einzige, was Leif und ich erledigen mussten, war ein Telefonat nach Düsseldorf an die Tuning-Firma. Dort sagte man uns, dass alles in Ordnung sei und wir uns keine Sorgen zu machen brauchten. Dies war schön zu hören. Bevor wir uns jedoch wieder auf die Reise begeben konnten, musste „Hannelore“ in die Werkstatt. Dies fiel zwar nicht zu unseren Lasten; doch stellte sich die Frage, wo Leif und ich nun nächtigen sollten. Das Wochenende stand nämlich vor der Tür, und keiner vermochte uns zu sagen, wie lange „Hannelores“ Reparatur dauern würde.
In der Nacht zum letzten Schultag wurde in der Aula ordentlich gefeiert. Schüler wie Lehrer ließen es sich dabei gut gehen. Niemand störte sich an Leifs und meiner Anwesenheit. Mit einigen Lehrern, vornehmlich Deutschlehrern, entspannen sich interessante Unterhaltungen.
Ich tanzte viel mit Peggy. Wir hatten die ganze Zeit nicht viele Worte gewechselt und doch herrschte zwischen uns ein Einvernehmen, als kennten wir uns schon sehr lange. So kam es mir vor.
Am nächsten Mittag kamen die Eltern, um ihre Kinder abzuholen. Von Barry, James und den anderen hatten wir uns schon verabschiedet; doch wo war Peggy?
Da kam sie und brachte ihre Eltern mit, ganz sympathisch wirkende Leute in den Vierzigern.
„Bis euer Wagen fertig ist, könnt ihr bei uns wohnen“, sagte sie. „Ich habe das schon mit meinen Eltern geklärt. Sie sind einverstanden. Auf diese Weise kann ich euch etwas mehr von Schottland zeigen.“
Wieder ein Problem gelöst! Ich konnte so viel Glück auf einmal gar nicht fassen und wusste nicht, wie mir geschah.
Die Familie McSullivan bewohnte ein spitzgiebeliges villenähnliches Haus mit hohem Schornstein in einem kleinen Ort am Ufer des Loch Lomond, etwa zwanzig Kilometer nordwestlich von Glasgow. Leif und ich bekamen ein schönes Gästezimmer und verlebten sehr angenehme Tage. Die McSullivans, allen voran Peggy, kümmerten sich rührend um uns und wurden es nicht müde, uns die Umgebung zu zeigen.
Peggy und ich musizierten auch viel miteinander. Es stellte sich heraus, dass wir in puncto Musik fast den gleichen Geschmack hatten. Wir verbrachten viel Zeit miteinander, und unsere gegenseitige Sympathie wuchs und wuchs – bis es zum ersten, ganz unvorhergesehenen Kuss kam.
„Ich mag dich, Peggy!“
„Ich mag dich, Vinz! Wenn du doch nur länger hierbleiben könntest!“
„Ich weiß nicht – ich fürchte, das geht nicht.“
„Warum nicht? An meinen Eltern liegt es bestimmt nicht.“
Leif war hinaus in den Garten getreten. Ich bemerkte ihn indes erst, als er sich umdrehte und wieder davonging. In diesem Augenblick wurde mir siedend heiß bewusst, dass ich mich in letzter Zeit mehr Peggy als ihm gewidmet hatte. Zunächst hatte ich mir auch gar nichts dabei gedacht, arbeitete Leif doch an einem neuen Fahrzeugentwurf. Nun aber überkam mich ein schlechtes Gewissen.
Ich lief eine Zeitlang draußen herum, bevor ich Leif fand. Er saß auf einem Felsen, von dem aus man einen wunderschönen Blick auf den Loch Lomond hatte, und ließ den Bleistift mit gewohntem Geschick über das Papier wandern. Er war indes nicht mit dem Entwurf seines neuen Fahrzeugs beschäftigt, sondern zeichnete den See, was ihm, soweit ich es beurteilen konnte, auch gut von der Hand ging.
Ich setzte mich neben ihn und suchte nach passenden Worten; aber was sollte ich ihm sagen?
„Leif … äh … es tut mir leid“, brachte ich schließlich hervor.
„Ist schon gut, Vinz.“ Er hatte mich verstanden. Ich glaubte, aus seiner Stimme eine gewisse Traurigkeit herauszuhören; aber sie klang versöhnlich und wurde von einem wohlwollenden Lächeln begleitet. Mir war zwar noch nicht ganz wohl; doch wenigstens konnte ich aufatmen.
Am nächsten Tag erfuhren wir, dass „Hannelore“ fertig und bereit zur Weiterreise sei. Mr. McSullivan fuhr mit Leif und mir nach Stirling, um das Wohnmobil aus der Werkstatt zu holen. Leif wäre am liebsten gleich von dort aus die Reise fortgesetzt; doch ich wollte Peggys Einladung annehmen und wenigstens eine Nacht im Hause McSullivan bleiben. Ich war traurig und Peggy war es auch; doch wollte ich es Leif nicht zumuten, uns länger beim Flirten zuschauen zu müssen, hatte er doch selbst die Affäre mit Klassenkameradin Jacqueline noch nicht ganz verdaut.
In der Nacht fand ich kaum Schlaf. Es fiel mir schwer, die Tränen zurückzuhalten; aber ich wollte Leif nicht wecken. Irgendwann schlief ich schließlich doch ein. Als ich erwachte, war das Bett neben mir leer. Auch Leifs Sachen waren fort. Mir war sofort klar, dass es unnötig war, ans Fenster zu gehen und hinauszuschauen, ob „Hannelore“ noch dort stand. Auf dem Tisch lag ein Brief, in dem stand: „Hab noch eine schöne Zeit in Schottland, Vinz! Ich gönne es dir von Herzen! Leif!“
„Er weiß halt genau, was in dir vorgeht“, sagte Peggy, als wir nach dem Frühstück am Ufer des Loch Lomond spazieren gingen. „Er fühlt mir dir. Du hast einen sehr guten Freund. Darüber kannst du dich freuen.“
„Es stimmt“, seufzte ich gedankenverloren. „Ich wüsste nicht, was ich ohne ihn täte. Ich hoffe, er ist nicht allzu sehr verletzt.“
„Er versteht es doch, und du weißt es. Du würdest doch genauso handeln, oder?“
„Natürlich.“
„Könntest du dir vorstellen, hier in Schottland zu leben?“
Als Antwort nahm ich Peggy in den Arm und drückte sie fest an mich. Wie in Trance begann ich das Lied vom Loch Lomond zu singen, und Peggy stimmte ein …
* * *
„By yon bonnie banks and by yon bonnie braes, where the sun shines bright on Loch Lomond“ – dieses Lied, das der Chor als Zugabe brachte, beschloss die Konzertveranstaltung, die mit tosendem, nicht enden wollendem Applaus belohnt wurde. Daraus sowie aus den begeisterten Gesichtern meiner Nachbarn, in denen mitunter vereinzelte Tränen aufblitzten, schloss ich, dass die musikalischen Darbietungen allen ans Herz gegangen waren. Mein Stimmungsbarometer war deutlich gestiegen.
Glücklicherweise handelte es sich hier nicht um den Auftritt eines großen, berühmten, von Bodyguards streng bewachten Weltstars und so stellte es für mich kein Problem dar, mich nach der Aufführung hinter die Bühne zu schleichen und nach Peggy Ausschau zu halten. Ich musste mich durch einen engen Korridor und eine dichte Menschenmenge hindurchkämpfen; doch schon wenig später stand ich dem gesuchten Mädchen gegenüber.
Ich musste unwillkürlich lächeln, als ich Peggy aus unmittelbarer Nähe bewundern durfte. Es stellte sich nämlich heraus, dass sie um einiges jünger war, als ich die ganze Zeit gedacht hatte. Diese Feststellung berührte mich seltsam, geradezu peinlich, schmälerte jedoch nicht den Reiz, der von der jungen, etwa dreizehnjährigen schottischen Musikerin ausging.
Diese schaute mir mit ihren großen dunklen Augen in die meinen, so als wollte sie mich bescheiden fragen: „Wie fandest du mich?“ Mir war, als erwidere sie mein Lächeln …