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20.6.1961, nachts bzw. früh am Morgen
ОглавлениеUnheimlich – das Wort passt wirklich wie angegossen. Ich bin gerade schweißgebadet aufgewacht und bin jetzt so aufgedreht, dass ich nicht wieder einschlafen kann. Hoffentlich fühlt sich Gerhard durch das Licht nicht gestört. Er muss früh aufstehen.
Im Traum hörte ich einen lauten Knall. Nein, es war eher ein Donnerschlag, der alles erschütterte. Ich zuckte im Bett zusammen. Aber wach wurde ich erst durch das Weinen eines Kindes. Ich dachte zuerst, Jens habe geschrien; doch der lag ruhig in seinem Bettchen. Dann fiel es mir wieder ein: Ich hatte im Traum Jakob in seinem Kinderwagen liegen sehen und schreien hören. Das hat mich geweckt.
Auf einmal stehen sie wieder vor mir, die Bilder aus meiner Kindheit. Ich sehe unseren Wohnblock in Franzendorf, ich sehe mein Zimmer, die Kinder aus der Nachbarschaft, mit denen ich leidenschaftlich gern Abklatschspiele spielte. Ich hatte seitdem nie wieder daran gedacht – und plötzlich höre ich das Lied dieses Abklatschspiels wieder so deutlich, als hätte ich es erst gestern zusammen mit Gaby oder einer anderen Freundin aus der Kindheit gespielt.
Ich sehe auch Jakobs Elternhaus in Nieder-Hanichen, den wunderschönen Garten. Ich sehe die Wiesen, über die ich Jakob in seinem Kinderwagen oder in einem Leiterwagen spazieren fuhr. Alles ist wieder da! Es ist, als sei eine lange verschlossene Tür geöffnet oder aufgesprengt worden (der Donnerschlag im Traum). Ich fühle mich beklommen.
Gerhard hat mich beim Frühstück gefragt, ob ich ein Gespenst gesehen hätte, weil ich so blass und nervös sei. Wenn er wüsste, wie Recht er damit hat!