Читать книгу Geheimnisvolle Märchen - Ingrid Neufeld - Страница 4
ОглавлениеAls der Igel seine Stacheln zeigte
Langsam rollte sich „Stacheli“, der Igel auseinander und entfaltete sein spitzes Stachelkleid. Gähnend und noch ziemlich müde spähte der kleine Igel vorsichtig aus seiner Höhle. Seine kurzen Beinchen zitterten. Erst allmählich gewöhnte er sich daran, wieder wach zu sein. Hatte er doch bis heute einen ausgiebigen Winterschlaf gehalten.
Stacheli blinzelte der Sonne entgegen. Er beschloss, erst mal einen kurzen Spaziergang zu machen. Eigentlich mochte er das nicht. Die Sonne blendete ihn und deshalb war er normalerweise zu Zeiten unterwegs, wenn der große helle Ball am Himmel unterging. Doch jetzt nach dem langen und kalten Winter freute er sich, einfach losmarschieren zu können.
Schon nach wenigen Metern traf er auf Mohrle, einer eingebildeten Hauskatze. Sie jagte gerade eine Maus und sprang direkt vor Stacheli der Maus hinterher. Beinahe wäre der kleine Igel der Katze in die Sprungbahn geraten. Haarscharf schoss sie an ihm vorbei. Doch aus den Augenwinkeln hatte die Katze den Igel gesehen. Als sie ihre Beute nicht erwischte, beschloss sie, Jagd auf den Igel zu machen.
Im letzten Sommer hatte sie ihn schon mal auf dem Speiseplan gehabt, doch aus irgendeinem Grund war Stacheli plötzlich verschwunden und Mohrle wusste nicht warum. Für die Katze war das ein Grund mehr, sich den Igel vorzunehmen.
Stacheli merkte den Sinneswandel der Katze und dass ihr Jagdinstinkt nicht mehr der Maus galt, sondern ihm. Er erinnerte sich mit Grausen an die letzte Begegnung mit dieser Katze. Wenn ihn sein Freund der Maulwurf nicht ganz schnell in seine Höhle gezogen hätte, wäre er Beute dieser frechen Katze geworden. Aber er wusste auch, dass er nicht mehr der kleine Igel vom letzten Jahr war, dass er gewachsen und viel größer geworden war.
Einen kleinen Igel konnten Katzen vielleicht fressen, aber ihn nicht. Ihn auf gar keinen Fall! Stacheli sprach sich selber Mut zu. „Ich bin Stacheli! Mich frisst keiner!“, brummte er siegesgewiss. Dabei rollte er sich blitzschnell zu einer großen Stachelkugel zusammen. Im selben Moment sauste Mohrel auf ihn zu und wollte ihn packen. Doch sie sprang in unzählige spitze, scharfe Nadeln und schlitze sich Pfoten und Maul dabei auf. Empört jaulte sie auf. Entsetzt sah sie das Blut, das ihr über die Pfoten lief. Vorsichtig schaute sie sich um, denn es wäre ihr sehr peinlich gewesen, wenn irgendjemand ihre Niederlage beobachtet hätte. Sie, die siegesgewisse Mohrle, wurde von einem dahergelaufenen Igel so sehr gedemütigt! Sie fasste es nicht! Sie leckte ihre Wunden und hinkte leise jammernd vom Platz ihrer Niederlage.
Stacheli fiel ein Stein vom Herzen. Er schaute an sich herunter, streckte seine Stacheln und strahlte vor Stolz: „Ich bin wirklich groß geworden! Sogar mit der dämlichen Katze werde ich jetzt fertig!“, freute er sich und machte sich auf den Weg in einen wunderschönen Sommer.