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Fünf Stunden zuvor

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„Heute Abend - Bardenwettbewerb“, verkündete das hölzerne Schild der Taverne am Rand des Waldes. Seine bunte Weste zurechtrückend schritt Danir auf die Tür des Hauses zu, aus dem sich Licht und die Geräusche der Feiernden durch einen schmalen Spalt nach draußen ergossen.

Mit Schwung öffnete der schlaksige Barde die Tür und wurde sofort von der Wärme eines Kaminfeuers und dem Geruch von verschüttetem Bier umfangen. Danir atmete tief ein. Der hochgewachsene Elf wurde oft von seinen Brüdern und Schwestern im Wald dafür ausgelacht, dass er seinen Lebensunterhalt in düsteren Tavernen verdiente, anstatt ihnen Gesellschaft zu leisten. Er machte sich nicht viel daraus. Die Gerüche in Tavernen wie dieser waren seine Luft zum Atmen. Der Wald war keine gute Bühne. Es gab zwar auch bei weitem interessantere Orte, als dieses kleine Dorf mitten im Nirgendwo, zu dem die Taverne gehörte, doch Danirs Geldbeutel war beinahe leer und er musste dringend Maßnahmen gegen diese chronische Leere ergreifen.

Mit langsamen Schritten bewegte sich Danir auf die Theke zu und ließ seinen Blick über die Anwesenden schweifen. Soweit er es beurteilen konnte, waren noch keine anderen Wettbewerbsteilnehmer anwesend. Zumindest konnte der Elf keine Musikinstrumente entdecken, mit Ausnahme derer, die er selbst am Körper trug.

Er bestellte beim Wirt einen Becher Wein und machte es sich in einer dunklen Ecke bequem. Die Taverne war noch nicht einmal zur Hälfte mit Gästen gefüllt und er wollte seine Konkurrenten beobachten, sobald diese zur Tür hereinkamen. Vielleicht wäre der eine oder andere dabei, den er von seinen Reisen kannte. Und selbst wenn nicht, konnte er die anderen Teilnehmer besser einschätzen, wenn er zumindest sehen konnte, welche Instrumente sie bei sich trugen.

Danir lehnte sich zurück und nippte an seinem Wein. Angewidert verzog der das Gesicht und nahm sich vor, dass er sich beim nächsten Mal nicht mehr für Wein entscheiden würde, zumindest nicht in dieser Spelunke. Der einzige Grund, warum der Barde den weiten Umweg aus der Stadt auf sich genommen hatte, war, dass man ihm erzählt hatte, dass dieser Wirt wirklich stattliche Summen für die Wettbewerbe aussetzte. In der Stadt hatte Danir leider viele Konkurrenten und ein bisschen Geld konnte er im Moment wahrlich gut gebrauchen. Gelangweilt holte der Elf seine Laute aus dem Rucksack und begann, sie zu stimmen. Als seine Hände über die Saiten strichen, hoffte Danir außerdem, dass er nicht als Erster an der Reihe sein würde. Wären einige der anderen Teilnehmer vor ihm dran, konnte er wenigstens sehen, was die Besucher dieses finsteren Wirtshauses hören wollten.

Es verging noch mehr als eine Stunde, bevor die ersten anderen Wettbewerbsteilnehmer eintrafen und zu diesem Zeitpunkt waren die anwesenden Gäste schon so betrunken, dass Danir hoffte, dass nicht das Publikum über den Ausgang des Bewerbs entscheiden würde. Die eintreffenden Barden sahen sehr unterschiedlich aus, die meisten von ihnen waren Menschen, oft in bunte Lumpen gehüllt, mit Flöten, Lauten und anderen Musikinstrumenten im Gepäck. Gerade als Danir feststellte, dass er niemanden der Eintreffenden auch nur vom Sehen kannte, öffnete sich die Tür erneut und der erste weibliche Teilnehmer des Bardenwettbewerbs betrat den Raum.

Ailly blickte sich um und verzog das Gesicht. So tief war sie also gesunken. Seufzend legte sie ihren Weg zur Theke des schäbigen Wirtshauses zurück, hinter der der schmerbäuchige Wirt einen Tonbecher mit einem schmutzigen Lappen zu säubern versuchte. Der Mann nahm keine Notiz von Ailly, selbst dann nicht, als sie bereits direkt vor ihm an der Theke stand und ihn aufmerksam anblickte.

„Einen Humpen Bier, bitte“, wandte sich Ailly an den Mann. Der Wirt beäugte die kleine, rothaarige Frau kritisch und machte sich dann sehr langsam daran, sich ihrer Bestellung zu widmen. Ailly wandte sich um und lehnte sich mit dem Rücken an die Theke. Sie konnte darauf verzichten, mitanzusehen, wie ihr der Wirt in den Becher spuckte, bevor er ihr Bier einschenkte. Mit einem erneuten Seufzen strich sich die Bardin eine Locke aus dem Gesicht und blickte sich um. Einige ihrer singenden und musizierenden Kollegen hatten sich gemeinsam an einen Tisch gesetzt und schickten sich an, ein Kartenspiel zu beginnen. Ailly hatte keine Lust auf die Gesellschaft dieser singenden und musizierenden Chaoten. Sie war hier, um den Wettbewerb zu gewinnen. Nach einer Weile, in der sie inständig hoffte, niemand würde sie ansprechen, stellte der Wirt endlich ihren Humpen Bier auf die Theke. Ailly warf ihm einige Kupfermünzen zu, packte den Tonhumpen und überlegte, in welchem Teil des Raumes sie wohl möglichst ungestört war. Ihre Wahl fiel auf einige dunkle Nischen, von der nur eine besetzt war. Wahrscheinlich hatte es sich dort irgendein Betrunkener gemütlich gemacht und würde sie nicht weiter behelligen, während er seinen Rausch ausschlief, dachte Ailly und bewegte sich mit ihrem Getränk auf einen freien Platz zu. Bis auf einige neugierige Blicke von den anderen Musikern am Spieltisch wurde die Bardin auf ihrem Weg nicht belästigt.

Ailly setzte sich schließlich und schob ihren schweren Rucksack in die hinterste Ecke der Sitzbank. Aus einer großen Stofftasche, die mit Flicken in allen möglichen Farben versehen war, förderte die Bardin ihren wertvollsten Besitz zutage. Die bauchige Laute war älter als sie selbst. Ihr Großvater hatte ihr das Instrument geschenkt, als sie noch ein kleines Mädchen gewesen war. Ailly kontrollierte, ob das Instrument die weite Reise, die sie hinter sich hatte, gut überstanden hatte. Seufzend schlug sie die Saiten an und verzog kurz darauf angewidert das Gesicht. Die Laute war verstimmt, sehr verstimmt. Die junge Bardin hatte eine ganze Weile nicht mehr gespielt, und wenn sie ganz genau darüber nachdachte, waren mittlerweile fast zwei Jahre vergangen, in denen sie der Musik den Rücken gekehrt hatte. Schließlich machte sie sich daran, ihr Musikinstrument wieder zu stimmen und konzentrierte sich ganz auf die Töne, die aus dem hölzernen Bauch des Instruments in den engen Raum ihrer finsteren Ecke drangen.

Danir hatte dem Schauspiel im Hauptteil des Gastraumes keinerlei Aufmerksamkeit mehr geschenkt, nachdem seine Konkurrentin nur wenige Meter entfernt in einer Nische Platz genommen hatte. Sie schien nicht bemerkt zu haben, dass der schlaksige Elf sie bei ihrem Weg von der Theke zum Tisch die ganze Zeit über beobachtet hatte. Danir hatte beobachtet, wie die junge Dame die Stirn in Falten gelegt hatte, als der Wirt etwas zu gemächlich den Humpen Bier serviert hatte. Und er hatte keinen einzigen Moment die Augen von ihr gelassen, als sie mit schnellen Schritten, die ihre roten Locken auf und ab wippen ließen, immer näher gekommen war.

Die junge Dame war hübsch, stellte Danir fest und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Beinahe hätte Danir aufgelacht, als die Frau ihrer Laute mehr als nur schräge Töne entlockte. Das Lachen war dem Elfen aber bereits wenige Momente später vergangen. Noch nie hatte er erlebt, dass man ein derartig verstimmtes Musikinstrument in so kurzer Zeit wieder richtig stimmen konnte. Mit Schrecken stellte Danir fest, dass seine Konkurrentin weit davon entfernt war, schlecht zu spielen. Er nippte an seinem Wein und lauschte den Klängen. Auch die Karten spielenden Barden, die immer noch an ihrem Tisch saßen, steckten nun die Köpfe zusammen und griffen zu ihren Instrumenten. Hektisch begannen die anwesenden Musiker, ihre verschiedenen Musikinstrumente zu adjustieren und ihre Stimmen mit dem einen oder anderen alkoholischen Getränk zu ölen.

Gerade, als sich die Aufregung in dem Raum etwas gelegt hatte und jeder mit sich selbst beschäftigt war, öffnete sich erneut die Eingangstür und ein unauffälliger Mann mit grauem Haar betrat den warmen Gastraum der Taverne. Die Menge war verstummt und für einen Augenblick schien es, als warteten alle Anwesenden auf etwas Bestimmtes, das mit dem älteren Mann das Gasthaus betreten hatte.

Sie kannten ihn, egal ob Barde oder Säufer, alle kannten Miron, den ehemaligen Haus- und Hofsänger der Königin, der zurückgezogen in den nahen Bergen lebte und sich nur selten in Gesellschaft blicken ließ. Und alle wussten, dass von diesem Moment an der Wettbewerb so gut wie entschieden war.

Danir fluchte innerlich. Er hatte Miron schon oft spielen und singen hören. Er war einer der Hauptgründe, warum er in letzter Zeit nur wenig Bares in seinen Beutel hatte wandern lassen können. Obwohl der in die Jahre gekommene Barde sich sehr zurückgezogen hatte, waren seine Fähigkeiten immer noch in aller Munde. War man nicht annähernd so fähig wie er, musste man mit Spelunken wie der, in der sich Danir gerade befand, vorlieb nehmen. Einzig die Musikerin, die es sich neben Danirs Nische gemütlich gemacht hatte, hatte den alten Barden keines Blickes gewürdigt und war immer noch völlig in die Klänge ihrer Laute vertieft. Sie schien gar nicht bemerkt zu haben, wie aufgeregt die anderen Musiker plötzlich waren.

Danir fasste sich schließlich ein Herz, lief zur Theke, ließ den Wirt zwei Humpen Bier einschenken und steuerte auf die Musizierende zu, die sich auch dann nicht stören ließ, als der Elf die beiden Humpen neben ihr auf den Tisch stellte und sich setzte.

„Ich bin Danir“, stellte der Barde sich vor und schob der jungen Frau einen der Humpen über den Tisch.

Ailly hielt inne und starrte ihr neu angekommenes Gegenüber desinteressiert an. Einen Moment später drehte sie wieder an den Wirbeln der Laute und legte ein Ohr auf das verzierte Holz.

„Oh, in Ordnung, wenn du nicht reden möchtest“, merkte der Elf an.

„Aber ich muss dich warnen, Miron ist wirklich so gut, wie man sich erzählt. Ich habe ihn vor einigen Jahren spielen gehört.“

Ailly zupfte weiter an den Saiten. Der Elf, der sich neben ihr niedergelassen hatte, schwatzte ohne Punkt und Komma. Unter dem Schleier ihres Haars blickte sie ihn eine ganze Weile stirnrunzelnd an. Er schien allerdings kaum Notiz von ihr zu nehmen und redete und redete, immer dem Gastraum zugewandt.

„Ist dir langweilig? Solltest du dich nicht auch längst auf den Wettbewerb vorbereiten?“

Danir schreckte hoch und unterbrach für wenige Momente seinen Wortschwall. Er stellte den Bierhumpen mit einem lauten Knallen auf den Tisch und grinste Ailly an.

„Wohlan, ich weiß, was ich heute besingen werde. Die Maid, die ihre Stimme wiederfand.“

Ailly sah in zwei grüne Augen, in denen sie so viel Leben erblickte, wie sie es nur selten bei jemandem gesehen hatte. Sie musste sich beinahe dazu zwingen, sich von dem jungen Mann abzuwenden und sich wieder ihrer Laute zu widmen.

Zum wiederholten Male an diesem Abend runzelte Ailly die Stirn, musste aber zugeben, dass das Grinsen des Mannes unverschämt gut aussah und sehr ansteckend war. Sie blickte ihn genauer an und mutmaßte, dass er ein Elf sein musste oder zumindest ein großer Teil elfischen Blutes für seine glatten Gesichtszüge verantwortlich war. Das lange, dunkelblonde Haar bedeckte allerdings seine Ohren und machte es unmöglich für Ailly, diesen Verdacht zu bestätigen oder zu widerlegen. Er blickte Ailly ganz offen aus seinen tiefgrünen Augen an. Ailly begann, sich über sich selbst zu ärgern und produzierte einige schräge Töne. Als sie beim letzten Mal einem jungen Mann mit zu schönen Augen verfallen war, war dies auch das letzte Mal gewesen, dass sie Musik gemacht hatte.

Ailly nippte an dem frischen Bier, das Danir ihr auf den Tisch gestellt hatte.

„Ich heiße Ailly.“

Sie streckte ihm ihre Hand entgegen. Danir verbeugte sich theatralisch und hauchte einen zarten Kuss auf ihren Handrücken. Bei seiner Verbeugung rutschten ihm die glatten Haare in die Stirn und gaben den Blick auf zwei spitze Elfenohren frei.

Minne

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