Читать книгу Zwei Leichen und ein Todesfall - Irene Dorfner - Страница 7
3.
ОглавлениеKlemens Weinmayer hatte die Überwachungskameras besorgt, sie lagen in seinem Kofferraum. Wahnsinn, was die gekostet hatten! Am liebsten hätte er sie sofort angebracht, aber ein wichtiger Termin kam dazwischen. Ein neuer Kunde, der gleich zwei Bauaufträge im nächsten Jahr in Aussicht stellte. Weinmayer mochte diesen Mann nicht, aber Antipathien konnte er sich nicht leisten. Zwei Bauaufträge versprachen fettes Geld und daran war er immer interessiert. Nach zähen Geschäftsverhandlungen und einem Kneipenbesuch war er endlich zu Hause angekommen. Wie er diese Gespräche hasste! Wie immer wollte sein Gegenüber, dass er hofiert und gepampert wird, damit er ihm den Auftrag gab. Widerlich! Der Umgang im geschäftlichen Bereich verkam immer mehr, was ihn mehr und mehr anödete. Aber was sollte er machen? Um an weitere Aufträge und damit an Geld zu kommen, musste er mitspielen, ob er wollte oder nicht. Zum Glück hatte er diesen Trottel abfüllen können. Da der sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte, hatte er ihn in ein Taxi gesetzt und damit war auch für ihn der Tag endlich vorbei. Die Nacht war kalt und es schüttete wie aus Eimern, was die morgigen Bauarbeiten nicht einfacher machte. Trotzdem musste es weitergehen. Auch die Kameras mussten installiert werden, aber natürlich bei diesem Mistwetter nicht von ihm persönlich. Wozu hatte er Angestellte, die diese Arbeit für ihn übernehmen konnten? Bei dem Wetter gab es sicher keine weiteren Anschläge, da jagte man ja noch nicht einmal einen Hund vor die Tür.
Der Anrufbeantworter war voller Nachrichten. Ob er sie abhören sollte? Er musste, ob er wollte oder nicht.
Schon beim ersten Ton wurde ihm klar, dass er heute einen Fehler gemacht hatte, weil er das Gespräch mit Dieter einfach unterbrochen und sein Handy ausgeschaltet hatte. Der Mann war stinksauer. Er schimpfte, fluchte und drohte. Weinmayer hatte keine Lust mehr. Wütend nahm er den Anrufbeantworter und warf ihn an die Wand.
„Warum so wütend, Klemens?“
Weinmayer fuhr erschrocken um – und sah in Dieter Gesicht.
„Wie kommst du hier rein?“
„Ist das wichtig? Du hast mich verärgert und das kann ich nicht leiden. Du schuldest mir Geld, und nicht umgekehrt. Solltest du in deiner Lage nicht etwas höflicher zu mir sein?“ Dieter grinste, auch wenn er innerlich kochte. Er konnte es sich nicht leisten, dass Schuldner so respektlos mit ihm umgingen, schließlich hatte er einen Ruf zu verlieren, den er sich mühsam aufgebaut hatte. Klemens war wiederholt frech geworden, und das musste er ihm austreiben. „Ich bekomme keine Antwort? Du bist schon wieder sehr unhöflich und das gefällt mir nicht. Als du in der Klemme warst, habe ich dir geholfen. Du hattest Probleme mit der Rückzahlung, und ich war so freundlich, dir einen Aufschub zu gewähren. Obwohl ich dir sehr entgegenkam, warst du heute sehr unhöflich zu mir. Du hast das Telefonat unterbrochen und dein Handy ausgeschaltet. Geht man so mit Geschäftspartnern um, die dir gegenüber sehr großzügig waren? Was soll ich deiner Meinung nach tun?“
„Ich habe dir doch gesagt, dass du dein Geld in drei Wochen bekommst!“, schrie ihn Klemens an. Was erlaubte sich dieser windige Typ? Niemand hatte das Recht, in seinen privaten Bereich einzudringen, auch Dieter nicht. Das hier war immer noch seine Wohnung, in der er sich bis jetzt sicher fühlte.
„Ja, das hast du mir gesagt. Ich würde das neue Zahlungsziel akzeptieren, auch wenn dich das etwas kosten würde.“
„Das sagtest du bereits!“
„Du hast mir nicht zugehört, Klemens! Die Art und Weise, wie du mit mir sprichst, gefällt mir absolut nicht. Du hast keinerlei Respekt, was ich nicht nett finde.“ Dieter holte aus und schlug Klemens mit voller Wucht ins Gesicht.
Diesen Schlag hatte Weinmayer nicht kommen sehen. Der stechende Schmerz schockierte ihn. Er hielt beide Hände an die Nase und spürte das Blut, das aus seiner Nase rann. Aber Dieter hatte noch nicht genug. Er holte aus und schlug ihm in den Magen. Weinmayer fiel zu Boden und japste nach Luft. Er versuchte zu sprechen, aber das gelang ihm nicht. Jeden Moment drohte er, sich übergeben zu müssen. Dann spürte er einen weiteren heftigen Schmerz, Dieter hatte ihn in die Niere getreten. Der Mann wusste, was er machte und wo es besonders weh tat.
„Hör auf!“, presste Weinmayer hervor. Er sprach kaum hörbar, aber Dieter hatte ihn verstanden. Der lachte nur und trat ihm nun gezielt zwischen die Schulterblätter. Weinmayer wurde fast ohnmächtig vor Schmerzen. Wann hörte der Mann endlich auf?
Dieter war noch nicht am Ende. Er genoss es, den hilflos auf dem Boden liegenden Mann zu quälen und ihm Respekt beizubringen. Unter den ihm bis jetzt zugefügten Schmerzen hatte der sicher noch lange zu leiden, aber das war ihm nicht genug. Er kannte diese aufgeblasenen Geschäftsleute, die sich als etwas Besseres fühlten und ihn nicht ernst nahmen. Sobald die Schmerzen nachließen, verschwand auch der Respekt. Dieter umkreiste Weinmayer und überlegte sich noch einen letzten Schritt. Er fixierte den Knöchel des Mannes und trat mit aller Kraft zu. Das Knacken war hörbar und Dieter musste lachen. So laut hatte er sich das Geräusch des brechenden Knöchels nicht vorgestellt.
Weinmayer schrie auf. So laut, dass Dieter ihm den Mund zuhalten musste, schließlich gab es hier Nachbarn, die langsam zur Gefahr wurden. Polizei konnte er nicht brauchen.
„Ich hoffe, du hast mich verstanden, mein Freund“, zischte Dieter und glättete das gegelte Haar, das durcheinandergekommen war.
Klemens Weinmayer war plötzlich ganz ruhig. Er bat Dieter, ihm aufzuhelfen, was der sogar tat. Obwohl Weinmayer unbeschreibliche Schmerzen hatte, überwog seine Wut auf den Mann, der ihn mit Genuss gequält hatte. Noch während er sich an der Kommode festhielt, griff er nach dem Kerzenleuchter, den seine geschiedene Frau vor über zwanzig Jahren in einem Antiquitätengeschäft für sehr viel Geld gekauft hatte. Sie wollte dieses hässliche Ding nach der Scheidung haben, aber er hielt daran fest. Nicht aus Sentimentalität, sondern nur, um sie zu ärgern. Dieter hatte sich von ihm abgewandt. Mit aller Kraft holte Weinmayer aus und schlug zu. Dieter brach zusammen, trotzdem schlug Weinmayer wieder und wieder wie von Sinnen auf ihn ein. Anfangs war es ihm egal, wo er ihn traf, dann konzentrierte er sich nur auf den Kopf. Dieter wehrte sich nicht, trotzdem schlug er weiter auf ihn ein. Irgendwann hörte er völlig entkräftet auf. Erst jetzt sah Weinmayer, was er angerichtet hatte. Von Dieters Gesicht war nichts mehr zu sehen. Der Mann lag in einer Blutlache und gab keinen Mucks von sich. Weinmayer verstand, dass er ihn getötet hatte. Erschrocken wich er zurück. Was hatte er getan? Was sollte er jetzt tun?
Weinmayer saß stundenlang vor seinem Opfer und dachte nach. Es gab für ihn nur eine Lösung. Er rief Udo Brauer an.
„Chef? Es ist mitten in der Nacht!“ Brauer war ebenfalls noch hellwach. Er musste sich konzentrieren, um den Worten folgen zu können.
„Dass es spät ist, weiß ich selbst, Udo! Ich habe mir nochmal das Gespräch zwischen uns durch den Kopf gehen lassen. Du hattest absolut Recht, dass die Arbeit auf der Baustelle so nicht weitergehen kann. Informiere die Leute, dass ab sofort Schluss ist. Im Frühjahr geht es weiter.“
„Du meinst wirklich ab sofort?“
„Ja, das meine ich.“
„Vielen Dank, Klemens. Es gibt noch Details zu besprechen. Wann können wir uns treffen?“
„Vorerst nicht. Ich melde mich wieder.“
Udo Brauer lachte hysterisch. Das, was sein Chef eben sagte, interessierte ihn einen feuchten Dreck, denn er hatte ganz andere Probleme. Er saß auf dem Boden des Kellers. Neben ihm lag Max, der echt beschissen aussah. Seine Frau und Tochter waren immer noch im Heizraum. Um ihnen den Anblick zu ersparen und sie nicht in die Sache hineinziehen zu müssen, hatte er die Tür mit einem Stuhl verkeilt.
Die Polizisten, die irgendwann eintrudelten, hatte er abwimmeln können. Die schienen froh darüber zu sein, umsonst gekommen zu sein. Nachdem sie die eingeschlagenen Fenster gesehen hatten, rechneten sie mit dem Schlimmsten. Brauer war ganz ruhig geblieben, denn das, was er getan hatte, konnte er nicht mehr rückgängig machen. Entweder stellte er sich, oder fand eine andere Lösung. Was sollte er jetzt mit Max machen?