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Lehrjahre in Leipzig

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„Ich habe mir eine Lehrstelle beim Mechanikus Ferdinand Schwannike in Schüttels Hof, im Gerichtsweg 14, besorgt und vier Jahre bei ihm gelernt. Das Gute war, dass ich kein Lehrgeld bezahlen musste, das weniger Gute, dass ich im ersten Lehrjahr keinen Lohn bekam.“

„Da musstest du ja hungern!“

„Das war wirklich nicht leicht. Ihr jungen Leute von heute könnt euch kaum in eine solche Lage versetzen. Ich musste neben meiner Lehre Geld verdienen. So schrieb ich Adressen für Daube und Companie in der Nikolaistraße. Für 1000 Adressen bekam ich drei Mark, und ich schrieb 1000 pro Woche. Außerdem war ich noch beim Bäckermeister Walter in der Antonstraße 8 beschäftigt. Für ihn schloss ich Brezeln, das heißt, ich formte aus Teigschlangen Brezeln. Für mein Essen in der Speiseanstalt im Alten Johannishospital hätte ich 17 Pfennige pro Portion zahlen müssen, also 1,01 Mark für sechs Tage. Ich aß aber im Abonnement. Da kostete das Essen nur eine Mark pro Woche. So konnte ich zwei Pfennige sparen. Für Brot und Zubrot benötigte ich noch eine Mark. Und dann noch eine weitere für meine Schlafstelle beim Buchbinder Helfer in der Kreuzstraße 19. Mein Bett stand in der Küche und war eine Bettkommode mit Deckel. Tagsüber wurde sie mit allerlei Küchengerät besetzt. Wenn ich abends nach Hause kam, räumte ich die Sachen ab, öffnete die Kommode und legte mich auf meinen Strohsack.“

„Konntest du denn dort überhaupt richtig schlafen?“

„Ach, ich war abends so müde, dass mir die Augen von selbst zufielen, sobald ich mich auf den Strohsack gelegt hatte. Und dann musst du wissen, dass ich im zweiten Lehrjahr in der Woche zwei Mark verdiente, im dritten Lehrjahr drei und im vierten sogar vier Mark. Da sah ich meine Übernachtungsmöglichkeit sowieso in einem etwas rosigeren Licht. In den beiden letzten Lehrjahren empfahl mir mein früherer Lehrer Theodor Scharf, die Polytechnische Sonntagsschule zu besuchen. Ich folgte seinem Rat. Nun lernte ich, nachdem mir mein Meister schon viel beigebracht hatte, selbständig über technische Lösungen nachzudenken und Neues zu entwickeln. Ich tüftelte damals sogar an einer Schutzhaube für die Kreissäge. Beim Arbeiten an diesem Gerät hatten sich einige Kollegen immer wieder mal verletzt. Mit meiner kleinen Erfindung wollte ich größere Unfälle vermeiden helfen. Und ich habe es geschafft!“

„Darauf musst du ja wohl stolz gewesen sein. Du warst noch Lehrling und hast schon eine Erfindung gemacht.“

„Na, übertreib mal nicht. Mir hat es einfach Freude bereitet, mich über den üblichen Handwerksalltag hinaus auszuprobieren. Auch wenn das nicht immer so leicht war. Von früh bis spät musste ich beim Mechanikus arbeiten, und jeden Abend, das habe ich dir schon erzählt, bin ich todmüde auf meinen Strohsack in der Bettkommode gefallen. Aber ich sagte mir immer, auch wenn ich im Augenblick die Umstände nicht ändern kann, muss ich etwas tun, was mich aus dem Trott des Alltags herausholt. Das schaffte ich zum Beispiel mit solchen Dingen wie mit der kleinen Erfindung, auf deren Idee mich meine tägliche Arbeit gebracht hatte. Mein Leitspruch war damals wie heute: Du darfst den Mut nie sinken lassen, auch wenn dich das Leben mal hart anpackt. Das Leben hat es mich so gelehrt.“

„Du sprichst ja fast wie ein Philosoph, Großvater! – Wie ging’s eigentlich nach der Lehre beim Mechanikus weiter? Bist du bei ihm als Geselle geblieben?“

Lass niemals den Mut sinken

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