Читать книгу Liebe ohne Grenzen - Isabel Fischer - Страница 5
Kapitel 3
ОглавлениеAm nächsten Tag – gestärkt von einem reichhaltigen Frühstücksbuffet – warteten wir an einem der Kaffeetische in der Hotellobby auf das Eintreffen unseres Auftraggebers, den wir bisher nur aus der Emailkorrespondenz kannten. Wir wussten lediglich, dass wir die Hochzeitsfeierlichkeiten seiner Tochter Layla mit deren Verlobten – dessen Namen wir nicht einmal kannten – fotografieren sollten und dass wir – bzw. mein Chef – eine fürstliche Entlohnung plus Spesen hierfür erhalten sollten. Das waren alle Informationen die uns bis dato zur Verfügung standen. Entsprechend gespannt warteten wir beide darauf, mehr über diesen Auftrag zu erfahren.
Und wie es aussah, mussten wir auch noch ein bisschen länger warten. In Abu Dhabi heißt 11 Uhr wohl nicht unbedingt 11 Uhr. Denn weder um 11 Uhr, noch um 11.15 Uhr und auch nicht um 11.30 Uhr war unser Auftraggeber in Sicht. Wir waren schon ganz verunsichert, ob wir den Treffpunkt oder die Uhrzeit missverstanden hatten. Aber wir hatten auch keine Telefonnummer, um uns noch einmal abzusichern. Also warteten wir geduldig.
Endlich - um 11.50 Uhr - kam ein Mann um die 50 im weißen traditionellen Gewand mit rot-weißer Kopfbedeckung und mit vier jüngeren Männern in der Gefolgschaft auf unseren Tisch zu und streckte meinem Chef die Hand entgegen. „A-salama alaykum, Mr. Roland und willkommen in den Arabischen Emiraten. Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Anreise und haben sich schon gut eingerichtet.“ sagte er begrüßend.
Da ich gelesen hatte, dass muslimische Männer Frauen nicht die Hand geben, hielt ich mich im Hintergrund und lächelte schüchtern. Einfach unsichtbar sein, dachte ich. Wie immer. Mein Einsatz würde noch kommen, wenn es um die Braut ging. Diese geschäftlichen Sachen sollten die Männer ruhig klären, das machte mir nichts aus. Doch der Mann in weiß gab scheinbar nichts auf den Bericht, den ich über muslimische Traditionen gelesen hatte und streckte mir ebenfalls die Hand entgegen. „Sie müssen Miss Linda sein, wie schön Sie beide nun persönlich zu treffen.“
Ich musste den Drang unterdrücken, mich vor diesem Mann zu verbeugen oder einen Knicks zu machen. Ich weiß nicht woran es lag - vielleicht an seinem Gewand, vielleicht an seiner Gefolgschaft, aber sein Auftreten war so souverän und er strahlte eine Autorität aus, wie die arabischen Staatsoberhäupter die man ab und an in den Nachrichten sieht. Gleichzeitig strahlte er eine Herzlichkeit und Güte aus, die es leicht machte, ihm die 50minütige Verspätung – über die im Übrigen kein Wort verloren wurde – zu verzeihen.
Dann stellte er uns die vier Männer vor, die ihn begleiteten. Zwei davon waren seine Söhne und die älteren Brüder der Braut, einer war der Schwiegersohn in spe und der Vierte war der Hochzeitsplaner. Die Söhne und der Bräutigam waren – wie unser Auftraggeber Mohammed – im weißen Kaftan, der traditionellen weißen Kleidung der emiratischen Männer, und mit Kopfbedeckung gekleidet. Ich konnte sehen, wie mich alle vier mit einem kurzen Blick musterten. Sie nickten zur Begrüßung, wandten ihren Blick dann aber schnell wieder meinem Chef und unserem Auftraggeber zu.
Sehr höflich, bemerkte ich angenehm überrascht. Ich hatte schon viele Geschichten von Schulfreundinnen gehört, die mit ihrem Eltern im Ägyptenurlaub waren und sich - obwohl lange nicht so blond und hell wie ich - vor Hochzeitsangeboten und Menschen - Frauen wie Männer - die ihre Haare einmal anfassen wollten, kaum retten konnten.
Wir alle setzten uns an einen Tisch, bestellten Tee und Gebäck. Dann übernahm der Hochzeitsplaner, der sich als Mohammed vorstellte und in den nächsten Tagen unser direkter Ansprechpartner sein würde, das Wort. Er erläuterte in sehr gutem Englisch, welche Programmpunkte in den nächsten Tagen mit den Familien der Brautleute geplant waren, die jeweiligen Themen der Treffen und wer von uns an welchem Event teilnehmen sollte.
Hilfe, was für eine Agenda! Damit hatten weder ich noch mein Chef gerechnet. Sonst hätten wir etwas zu schreiben mitgebracht. Angestrengt versuchte ich Mohammed zu folgen und mir so viele Informationen wie möglich zu merken. Schließlich wollte ich einen professionellen Eindruck hinterlassen. Hierbei kam mir zwar mein längerer Urlaub in England zugute, so dass es wenigstens keine Verständigungsprobleme gab. Doch je mehr ich mich bemühte ihm zuzuhören, umso unkonzentrierter wurde ich. Vor allem auch, weil ich den Eindruck hatte, dass mich einer der jungen Männer in weiß unangemessen lang von der Seite ansah.
Aus dem Augenwinkel konnte ich nicht genau erkennen, welcher der beiden Brüder es war. Immerhin war es nicht der Bräutigam, dachte ich mir. Ich überlegte, ob ich sie direkt ansehen und ihnen damit zeigen sollte, dass ich das Starren bemerkte, traute mich dann aber doch nicht.
Als Mohammed das zehnte Event im Detail erläuterte bemerkte er wohl meine Verunsicherung. Er zwinkerte mir zu uns sagte, während er in seine Aktentasche griff und zwei Schnellhefter herausholte: „Ich habe den Ablaufplan auch noch zweimal für Sie beide ausgedruckt.“ Gott sei Dank, was für eine Erleichterung. Nun konnte ich mich wieder ein wenig entspannen.
Während des weiteren Gesprächs schaute ich nun doch hin und wieder zu den Brüdern der Braut hinüber, die jetzt allerdings wieder beide konzentriert dem Gespräch folgten, weil sie die ein oder andere wichtige Funktion in den nächsten Tagen wahrnehmen würden. Sie sahen sich einerseits so ähnlich mit ihrer gleichen Kleidung, den gebräunten Gesichtern und ihren dunklen akkurat geformten Drei-Tage-Bärten. Doch während die Gesichtszüge des älteren Bruders – unglaublich, aber auch sein Name war Mohammed – härter und ernster waren, wirkte der jüngere Bruder, der nicht auch noch Mohammed sondern Hassan hieß, sanfter und freundlicher.
Und dann - ganz plötzlich - drehte dieser seinen Kopf in meine Richtung und unsere Blicke trafen sich für einen kurzen Moment. Das Blut schoss mir wie Feuer in meinen Kopf und ich spürte deutlich wie meine Wangen erröteten. Schnell senkte ich meinen Blick auf den aufgeschlagenen Ablaufplan, welchen Mohammed, der Hochzeitsplaner, uns dankbarer weise zuvor überreicht hatte. Mein Herz raste. Diese Augen. Waren sie wirklich blau? Konnte das sein? Ich musste nochmal einen Blick riskieren und stellte fest, dass mich Hassan immer noch ansah. Er lächelte mir zu, zwinkerte einmal und wandte sich dann wieder seinem Vater zu. Was haben diese Südländer nur mit ihrem Zwinkern? Aber ja, die Augen waren blau. Unglaublich blau. Hellblau. Und er hatte bemerkt, dass ich ihn angesehen hatte. Was dachte er jetzt wohl von mir? Andererseits hatte er mich ja zuerst von der Seite angestarrt. Dann durfte ich ja wohl auch zurück gucken? Oder nicht? Konzentration Linda!
Ich sammelte mich, folgte dem Gespräch nun wieder aufmerksam und nahm meine Augen nicht mehr vom Hochzeitsplaner oder dem von ihm verteilten Ablaufplan. Ich konnte mich jetzt nicht von ein paar blauen Augen aus dem Konzept bringen lassen. Schließlich war dies ein bedeutender Auftrag für mich und meinen Chef, der unsere ungeteilte Aufmerksamkeit forderte. Ab jetzt würde ich voll und ganz bei der Sache sein – das nahm ich mir jedenfalls vor - und war froh, dass ich von nun an im Wesentlichen für Events zuständig war, bei denen nur die Frauen der Familie oder die Brautjungfern anwesend sein würden. Ablenkungen waren also nicht zur erwarten.
Gegen 13 Uhr waren wir mit der Besprechung fertig. Der Brautvater, Mohammed, Hassan und der Bräutigam Karim verabschiedeten sich und der Hochzeitsplaner blieb mit uns im Hotel zurück, in welchem die (Haupt-)Hochzeitsfeier stattfinden sollte, um uns schon einmal mit den verschiedenen Innen- und Außenbereichen, die für die Feierlichkeiten reserviert waren, vertraut zu machen.
Unglaublich, was für ein Luxus! Im und um das Hotel herum waren nur die edelsten Materialien verarbeitet und an jeder Ecke waren Mitarbeiter damit beschäftigt, alles sauber und glänzend zu halten. Bilder, die an solchen Schauplätzen aufgenommen wurden, mussten einfach traumhaft werden.
Während unserer Begehung machten wir uns Notizen zu den jeweiligen Lichtverhältnissen, um stets das richtige Equipment parat zu haben und den Moment so authentisch wie möglich einfangen und im Bild festhalten zu können. Dies war jedoch leider nur für die in der Hotelanlage befindlichen Örtlichkeiten möglich. Bei den gefühlten 100 weiteren Locations, die auf unserer Agenda standen, mussten wir auf alles vorbereitet sein. Hier konnten wir die Lichtverhältnisse nur aufgrund der in der Agenda genannten Uhrzeiten und räumlichen Gegebenheiten abschätzen.
Aber eines war sicher: Die Sonne würde scheinen. Denn wie uns Mohammed versicherte, scheint die Sonne zwischen April und Oktober jeden Tag mit hundertprozentiger Sicherheit.