Читать книгу Treulos - Isabell Sommer - Страница 5

Оглавление

Julie Andrews

Mein Name ist Patschke. Genau genommen ist es der Name von uns Dreien. Ina Patschke - so steht es in meinem rosa, leicht angegrauten Führerschein aus der nahen Steinzeit des letzten Jahrtausends, den wahrscheinlich die meisten Leser unter Ihnen gar nicht mehr kennen. Der rosa Lappen ist heutzutage einem schicken Führerschein aus abwaschbarem widerstandsfähigem, ökologisch bestens recyclebarem Hartplastik im EC-Kartenformat gewichen. Ob Schokoladenpudding oder Bolognesesauce, kein Fleck der Welt kann das Antlitz des Dokumentes jemals zerstören. Irgendwie tröstlich! Sicherlich vermuten Sie jetzt, bei mir würde es sich um eine schwer atmende Hochschwangere Ende des 8. Monats handeln, deren praller Bauch sich wie eine überdimensionale Wassermelone über die Hüften spannt und ab und zu etwas verformt wirkt, weil muntere Zwillinge im Fruchtwasser Purzelbäume schlagen. Aber weit gefehlt!

Wenn ich den Aussagen meines Gynäkologen Glauben schenken darf, dann befinde ich mich definitiv nicht in anderen Umständen.

„Frau Patschke, Sie müssen sich Ihre Eizellen in etwa so vorstellen, wie eine Fliege, die auf dem Rücken liegt.“

Aha! Laut surrend und absolut hilflos also! Der Gedanke an insektenartige Eizellen, die in meinem Unterleib munter brummen, missfällt mir abgrundtief. Vielleicht liegt auch hier der Schlüssel zu meinem zumindest phasenweise so gut wie gar nicht vorhandenen Sexualleben. Manchmal habe ich schon das Gefühl, um meinen Unterleib ranken sich prächtige Spinnweben. Der Gedanke ist auch sehr nahe liegend: Fliegen gehen Spinnen schließlich nur allzu oft ins Netz. Aber dazu kommen wir später.

Wir drei heißen also Patschke. Damit meine ich aber nicht meine Familie, ich habe zwei Kinder und einen eher unterdurchschnittlichen Ehemann, sondern vielmehr die zwei Stimmen in meiner Brust: Knubbi und Paula!

Knubbi ist der klassische Mann wie ihn jeder von uns kennt: Meistens übel gelaunt, gereizt, genervt, besserwisserisch und übertrieben sparsam.

Paula hingegen ist die Lebenslustige von beiden. Sie ist mutig, gespannt auf das Leben und setzt sich jede Menge Ziele. Natürlich ist sie auch sehr anspruchsvoll. Sie fordert mich jeden Tag auf, alles aus mir herauszuholen und meinem Leben eine bessere Wendung zu geben.

Mein Pech ist nur, dass sich die beiden auf den Tod nicht ausstehen können. Sie sind grundsätzlich unterschiedlicher Meinung und diskutieren leidenschaftlich gerne über sämtliche Belange, die mein Leben betreffen. Für mich als quasi Unbeteiligte hat deren streitsüchtiges Verhalten oft zur Folge, dass ich nicht weiß, auf wen von beiden ich hören soll.

Das fängt schon bei ganz simplen Alltagssituationen an. Samstagvormittag gehe ich beispielsweise immer in den nahe gelegenen Supermarkt, um dort den Wocheneinkauf für die Familie zu erledigen. Nun ist dieser Supermarkt aber kein Laden im herkömmlichen Sinne, nein, es ist vielmehr ein Supercenter. Es gibt dort alles was das Herz begehrt. Mode, Kosmetik, Elektrogeräte, Spielwaren, Bücher, Schmuck und natürlich auch ganz stinknormale Lebensmittel.

Ich bummele also jeden Samstagvormittag gemütlich durch das Supercenter. Ohne nervende Kinder im Schlepptau, die einen Tobsuchtsanfall vom Allerfeinsten inszenieren, wenn man sie nach einer guten halben Stunde sanftmütig versucht vom Spielwarenregal wegzulocken. Sie werfen sich auf den glänzend polierten Boden und schreien, als gehe es um ihr Leben.

Es dauert in der Regel nicht lange, dann nähert sich schon die erste Kundin, die in mir eine potenzielle Kindesentführerin sieht, und erbost auf mich einschreit:

„Lassen Sie sofort das Kind los oder ich rufe die Polizei!“

Kaum ist es gelungen, die Frau davon zu überzeugen, dass man tatsächlich die leibliche Mutter dieses kreischenden Wutbündels ist, findet man sich plötzlich umringt von einer Menge Erziehungsprofis wieder, die viele unerbetene Ratschläge auf Lager haben.

„Bei uns früher hätte es so etwas nicht gegeben. Dem Fratz gehört doch nur einmal ordentlich der Hosenboden poliert!“

Treulos

Подняться наверх