Читать книгу Queer*Welten 07-2022 - Iva Moor - Страница 4

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Hinweis der Redaktion

Liebe Leser*innen,

heute findet ihr vor dem eigentlichen Editorial noch einige Worte dazu, wieso diese Ausgabe verspätet erscheint und wie die Zukunft von Queer*Welten aussehen wird.

Wir nehmen Abschied – aber hoffentlich nicht von euch. Sicherlich habt ihr bemerkt, dass diese Ausgabe, Queer*Welten 7, später erscheint als geplant. Das hat vor allem den Grund, dass Jascha Urbach sich aus dem Ach Je Verlag zurückgezogen hat. Wir wussten bereits seit einiger Zeit, dass wir für Queer*Welten nach Ausgabe 8 eine neue Heimat würden suchen müssen, aber gesundheitliche Gründe sind dafür verantwortlich, dass es schon jetzt passieren musste. Das kam auch für uns recht plötzlich und hat uns ganz kurz vor der Drucklegung von Queer*Welten 7 überrascht. Aber es gibt gute Nachrichten: Der Verlag existiert weiter als Teil des Amrûn Verlags. Der Umzug aller Ach Je-Produkte hat einiges an Zeit und Arbeit gekostet, sodass sich Ausgabe 7 verschoben hat.

Queer*Welten nimmt nun also Abschied von Jascha: Danke, Jascha, und alles Gute für dich. Es war eine spannende gemeinsame Zeit, und ohne dich gäbe es Queer*Welten nicht. Es war sehr gut.

Danke sagen wir auch den vier Autor*innen dieser Ausgabe, die geduldig mit unserer Entscheidungsfindung waren. (Wenn ihr könnt, gebt ihren Geschichten und dem Essay ganz viel Liebe, sie haben es definitiv verdient!) Denn Queer*Welten ist nicht mit den anderen Ach Je-Projekten zu Amrûn hinübergewandert, sondern hat noch einen Schlenker gemacht: Das Projekt „gehört“ nun offiziell uns beiden Herausgeber*innen Lena und Judith und erscheint bei Ach Je/Amrûn. Der Verlag unterstützt uns tatkräftig, was Cover, Druck und Vertrieb angeht.

Kathrin, unsere dritte Mitstreiterin im Herausgeber*innenteam, hat die Neufindungsphase genutzt, um ihre Arbeit ebenfalls zu übergeben, die einfach neben dem ebenfalls progressiv-phantastischen Brotjob nicht mehr zu bewältigen war. Wir bedanken uns auch ganz herzlich bei dir, es war eine große Freude, mit dir zusammen Queer*Welten auszuhecken, Geschichten und Essays auszuwählen und zu lektorieren. Danke für deine Zeit und alles Gute!

Ihr findet im Folgenden unsere Ausgabe 7 so, wie wir sie im Herbst geplant haben, und zum letzten Mal im bekannten Format mit drei Geschichten, einem Essay und dem Queertalsbericht. Mit Ausgabe 8 werden wir Queer*Welten ein bisschen verändern: Wir wechseln auf einen halbjährlichen Rhythmus. Dies hat zum einen den Grund, dass das quartalsweise Erscheinen für uns so arbeitsintensiv war, dass wir, sobald eine Ausgabe fertiggestellt war, schon mit Hochdruck an der nächsten arbeiten mussten. Dadurch blieb oft das zeitnahe Lesen und Auswerten der eingesandten Texte auf der Strecke. Zum anderen haben wir das Gefühl, dass auch die Lesenden mit der hohen Schlagzahl an Ausgaben etwas überfordert waren, denn das Feedback zu den neuen Ausgaben wurde mit jedem Heft weniger und die Nachrichten, dass noch ein oder mehrere Queer*Welten auf dem Lesestapel ausharren, bis endlich mal wieder Zeit ist (wir kennen es ja alle) wurden mehr. Deswegen hoffen wir, dass wir uns mit zwei Heften im Jahr etwas mehr Luft für die Arbeit an Queer*Welten und euch etwas mehr Zeit, die Ausgaben zu lesen, ehe die nächste erscheint, verschaffen. Aber keine Sorge: Ihr bekommt dafür pro Heft mehr Inhalt, denn wir planen, ab Ausgabe 8 mehr Kurzgeschichten ins Heft aufzunehmen. Wir hoffen, ihr schickt uns weiterhin eure Texte, damit der Plan auch aufgeht.

Ausgabe 8 wird voraussichtlich im Frühjahr 2022 erscheinen, Ausgabe 9 dann im Herbst. Ihr könnt uns in Zukunft weiterhin mit einem Abo unterstützen.

Außerdem möchten wir uns bei Jürgen von Amrûn bedanken dafür, dass es mit Queer*Welten weitergeht – alle Ausgaben sind mittlerweile als Print und E-Book wieder lieferbar. Danke, dass du es möglich machst, dass wir Queer*Welten nun im „Ach Je Verlag im Amrûn Verlag“ weiter herausgeben können!

Und last, but certainly not least: Danke an euch, dafür, dass ihr uns nach wie vor unterstützt und nun diese turbulente 7. Ausgabe in den Händen haltet. Im Anschluss an dieses Vorwort findet ihr das eigentliche Editorial, das wir euch, auch wenn es schon vor einer Weile verfasst wurde, nicht vorenthalten wollten, weil wir es immer noch relevant und wichtig finden.

Wir freuen uns darauf, wie es weitergeht!

Judith & Lena (mit Kathrin)

Vorwort

Liebe Leser*innen –

wir sind mütend (wer das nicht kennt: Es ist ein Kofferwort aus müde und wütend und beschreibt genau diesen Zustand). Und das gleich mehrfach, aber eigentlich hängt im Kern doch alles immer zusammen.

Fangen wir mit der Initiative „Fair lesen“ an. Dort stellen eine ganze Menge Verlagsmenschen und Autor*innen die fragwürdige These auf, dass die „Onleihe“ der Bibliotheken ihre Existenzgrundlage gefährden würde. Das Ausleihen von E-Books über die Website öffentlicher Bibliotheken zerstöre nicht nur die Lesekultur, sondern gleich die ganze Meinungsfreiheit. Literatur, zugänglich für kleines Geld, in Bibliotheken? Bildungsbürgertums-Gatekeeping to the rescue!

Nicht in Frage gestellt wird dabei mal wieder, dass Literatur gnadenlos marktwirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten unterworfen wird und dieser Fisch halt einfach vom Kopfe stinkt. Unglaublich war auch die Behauptung der Initiative, der Buchmarkt würde, wäre er nicht durch die Onleihe bedroht, „seit Jahrzehnten funktionieren“ und „für literarische Vielfalt sorgen“. Als unfassbar nischiges queerfeministisches Phantastik-Zine lachen wir da­rüber ein wenig verzweifelt und gehen dann wieder an die – unbezahlte – Redaktionsarbeit.

Bitte, lest Queer*Welten wo und wie auch immer ihr mögt und sie vorfindet! Natürlich sind auch wir abhängig von Verkäufen (der stinkige Fischkopf verfolgt uns genauso wie alle anderen in diesem System), aber dass wir Bibliotheken verteufeln statt kapitalistische Marktwirtschaftsstrukturen? Not gonna happen.

Was uns auch mütend gemacht hat: der Skoutz-Award, von dessen Longlist wir Queer*Welten bereits im Frühjahr zurückgezogen haben, weil die Orga des Awards klagte, es gäbe zu viel queere Repräsentation in der Literatur, und wenn sich das auf die Gesellschaft übertrüge, würde die Menschheit aussterben. Ganz schön queerfeindlicher Scheiß, findet ihr? Oh ja, wir auch, doch sie legten noch nach. Neulich klagten sie erst, dass man nun nichts mehr schreiben dürfe. Darauf folgte so etwas wie: „Wir müssen jetzt Diversity schreiben, sonst setzts Shitstorm von den Twitter-Hyänen.“ Dazu möchten wir den Skoutz-Verantwortlichen und allen, die mit ihnen einer Meinung sind, sagen: Bitte, lasst es einfach. Die Welt wartet nicht auf eure „diversen“ Figuren und die von euch halbherzig gewährte Repräsentation. Wir können auf Diversity als Trend verzichten und lesen uns lieber zum Beispiel bei all den Autor*innen fest, die bislang schon mit viel Herzblut Geschichten zu Queer*Welten beigetragen haben.

Aber das war natürlich noch nicht alles, was für Mütigkeit gesorgt hat, denn die Frankfurter Buchmesse platzierte in diesem Jahr einen faschistischen Verlag in einer der meistfrequentierten Hallen in direkter Nähe zum Stand des ZDF, woraufhin mehrere B_PoC-

Autor*innen ihre Teilnahme und ihre Programmpunkte absagten. Von der Messe kam das übliche Aber-die-Meinungsfreiheit-Larifari, das wissentlich in Kauf nimmt, dass marginalisierte Autor*innen fernbleiben oder sich auf der Messe bedroht und unwohl fühlen. Und das ZDF? In einer besseren Welt hätten sie vielleicht dafür gesorgt, dass die Autor*innen etwas Sendezeit oder gar einen geschützten Raum erhalten. In unserer Realität hingegen befragten sie dazu einen weißen Kabarettisten, der den Selbstschutz der von Rechten, Rassismus und Faschist*innen bedrohten Menschen als „Befindlichkeit“ abtat. Auseinandersetzung mit weißen Privilegien und Schwarzer Literatur? Nicht auf dieser Buchmesse, die ironischerweise (wir lachen nicht) das ganze Programm unter ein „Sheroes“-Motto gestellt hat.

Marginalisierte sollen unauffällig sein, angepasst, unaufgeregt, und sich irgendwo neben rechten Verlagen still und leise einsortieren. Wir sind es leid. Wir wollen euch ermutigen, auch in der Literatur, auch in eurem Schaffen und in eurem Lesen aufgeregt marginalisiert zu sein, Figuren zu schreiben, die unangepasst sind und den Status Quo in Frage stellen, wie die Hauptfiguren, denen sich Liv Kątnys Essay in dieser Ausgabe widmet. Hinterfragt Erzähltraditionen, wie Iva Moor in „Medusas Lachen“! Schreibt aufgeregt neonfarben und schillernd heruntergekommen wie „MGM & Baby Ray“ von Aisha Dismond! Träumt davon, euch, wie die Protagonistin in „Die gläserne Tochter“ von Lisa J. Krieg, dem Patriarchat und der Gewalt, die es über uns hat, zu entziehen. Wir schaffen das vielleicht in absehbarer Zeit nicht – aber die Geschichten helfen uns dabei, nicht mehr müde und wütend zu sein, sondern kreativ und wütend.

Um noch mal auf einen bereits etwas weiter zurückliegenden Essay von Frank Reiss aus Ausgabe 3 zu verweisen: Lasst uns die Literatur zerstören!

Lena und Judith

vom Queer*Welten-Team

Queer*Welten 07-2022

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