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Eine Nacht im Mai

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Dann ist nicht wirklich Schluss.

Ich schlafe zwar sogleich ein, nachdem ich das Licht gelöscht habe, aber nach etwa einer Stunde wache ich wieder auf. Da ist das eigentümliche Zittern, das mich mal wieder weckt. Es ist, als würden die Nerven in meinem Gehirn Morsezeichen klopfen und legte sich das Vibrieren ganz tief im Körper in alle Gliedmaße. Ich habe das Gefühl, als laufe da ein Motor auf Hochtouren. Mein Körper ist vom Hals abwärts bis hin zu den Zehen angespannt, unter Strom.

Ich kenne das und versuche dagegen zu atmen. Einatmen, ausatmen, ruhig werden. Gut, dass ich mich für Shaolin Qi Gong und den Zen-Buddhismus erwärme und solche Atem – und Entspannungsübungen aus dem Ärmel schütteln kann.

Der Spuk dauert fast eine Viertelstunde. Shaolin-Kung Fu gegen den eigenen Körper. Endlich siegt die Entspannung. Ich schlafe erschöpft ein.

Nach einiger Zeit fühle ich einen stechenden Schmerz in den Zehen. Ich wache kurz auf, verändere die Lage bis sich der Schmerz abmildert, wenigstens so weit, dass ich wieder einschlafen kann. Ich bin es gewohnt mit Schmerzen zu schlafen.

Aber gegen halb zwei Uhr morgens werde ich erneut aus dem Schlaf gerissen. Diesmal bekomme ich keine Luft. Meistens, weil ich falsch geschluckt habe. Schlucken fällt mir nachts manchmal schwer. In der Brust steigt ein Engegefühl auf. Ich verändere mehrfach meine Lage: halbhoch, Kissen im Rücken – rechts auf der Seite – links auf der Seite – flach auf dem Rücken, die Hände auf dem Bauch...

Das Engegefühl nimmt zu, die Luftnot auch. Ich stehe auf, reiße das Fenster weit auf und lege mich wieder zu Bett. Ich versuche weiter meine Atemtechniken. Schlafe.

Es wird kühl. Der Mai hat noch keine lauen Nächte. Von Juni bis fast Mitte Oktober schlafe ich übrigens jede Nacht bei weit geöffneten Fenstern. Ich habe das Gefühl, ich brauche viel Luft.

Nun wache ich also vor Kälte wieder auf, schließe das Fenster und starte den nächsten Versuch, noch einmal in den Schlaf zu finden. Einzelne Körperstellen melden sich mit pochendem, stechendem oder dumpfem Schmerz: die Schultern, die Zehen, die Oberschenkel, die Unterarme. Die Haut über den Wangenknochen spannt. Ich habe Mühe meinen Speichel hinunterzuschlucken. Ich spucke ins Taschentuch aus. Dann befehle ich mir selber, anständig zu schlucken. Mein Wille und mein Verstand siegen schließlich über den in Hochspannung versetzten Körper.

Ich sehe auf die Uhr. Halb vier. Heute habe ich keinen Frühdienst. Heute darf ich bis halb sechs schlafen. Was für ein Glück – noch zwei Stunden! Wenigstens zwei Stunden!

Ich bin noch vor dem Weckerläuten wach. Mein Geist will aufspringen, denn von Natur aus bin ich eine 'Lerche', ein Mensch, der gerne früh morgens aufsteht und gleich loslegen kann. Mein Körper aber streikt mal wieder. Ich muss den Kampf mit mir selber abermals aufnehmen. Mein Wille muss den Körper aktivieren. „Kreise mit den verdammten Füßen, ob es schmerzt oder nicht. Stretche nach links und rechts, egal, was die Schultern sagen! Mach' ein paar Pliés und Relevés zum Aufwärmen, der schmerzenden Hüfte zum Trotz. Und nun gehe ins Bad. Dusche. Putze die Zähne.“ So muss der Kopf unentwegt befehlen. Nach dem Duschen ist der Körper bereits wieder dermaßen erschöpft, dass er am liebsten zurück in die Ruhelage möchte. Aber das geht nicht. Er muss sich zusammenreißen. Der neue Tag hat begonnen.

„Frisch, ans Werk“, ermuntere ich mich selber – und quäle mich los.

Stell' dich nicht so an! Leben mit dem chronischen Erschöpfungssyndrom ME/CFS

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