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II

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Zu jener Zeit, von der wir reden, lebte in Moskau eine Wittwe, eine grusinische Fürstin – eine Problematische, fast verdächtige Persönlichkeit. Sie war gegen vierzig Jahre alt; in ihrer Jugend mag sie wohl jene eigenthümliche, orientalische Schönheit, die so vergänglich ist, besessen haben, – jetzt legte sie weiße und rothe Schminke auf, und färbte ihre Haare gelbblond. Allerlei weder sehr günstige noch sehr bestimmte Gerüchte waren über sie verbreitet; Niemand hatte ihren Mann gekannt und nirgends hielt sie sich längere Zeit auf. Kinder hatte sie nicht, besaß auch kein Vermögen, führte aber ein offenes Haus – auf Borg oder sonst wie – man weiß es nicht. Sie hatte einen Salon und empfing eine sehr gemischte Gesellschaft – hauptsächlich aus jüngeren Leuten bestehend. Alles in ihrem Hause, von ihrer eigenen Kleidung, ihren Möbeln, Speisen an bis auf Equipage und Dienerschaft, trug den Stempel des Ordinären, Imitirten, Provisorischen; aber weder die Fürstin selbst, noch ihre Gäste schienen Besseres zu beanspruchen. Sie galt für eine Liebhaberin der Musik, der Literatur, für eine Beschützerin der Künstler und interessirte sich auch wirklich für alle diese sogenannten »Fragen« – – sogar bis zur Exaltation, und zwar nicht blos einer künstlichen, gemachten Exaltation; – es war wirklich eine ästhetische Ader in ihr. Ueberdies war sie sehr zugänglich, liebenswürdig, ohne Hoffahrt und Wichtigthuerei und, was die Meisten nicht ahnten, wirklich sehr gütig, weichherzig und nachsichtig. Das sind seltene Eigenschaften, und um so kostbarer, je seltener sie sich bei derartigen Persönlichkeiten finden. »Ein einfältiges Weib!« – nannte sie ein kluger Kopf – aber in den Himmel kommt sie sicher; denn wer da vergiebt, dem soll wieder vergeben werden!« Man sprach auch von ihr, daß, wenn sie aus einer Stadt verschwand, sie dort ebenso viel Menschen, die Wohlthaten von ihr empfangen hatten, hinterließ, wie Gläubiger. Ein weiches Herz ist leicht bald hierhin bald dorthin zu drehen und zu wenden.

Selbstverständlich gerieth auch Kupfer in ihr Haus – und wurde intim mit ihr . . . böse Zungen behaupteten zu intim. Er selbst äußerte sich nicht nur freundschaftlich, sondern sogar achtungsvoll über die Fürstin; er rühmte sie als ein »goldenes Weib« – was man auch über sie schwatzen möge, und er war vollständig, sowohl von ihrer Liebe zur Kunst, wie auch von ihrer Kunstkennerschaft überzeugt. Als er einst, nach dem Mittagessen, bei Aratows von der Fürstin und ihren Abendgesellschaften sprach, wollte er Jakob überreden, nur einmal wenigstens sein anachoretisches Leben zu unterbrechen und ihm zu erlauben, ihn seiner Freundin vorzustellen. Jakob wollte Anfangs nichts davon hören. – »Was glaubst Du denn, rief endlich Kupfer, was für eine Art von Vorstellung denkst Du Dir denn? Ich nehme Dich ganz einfach so, wie du jetzt dasitzt, im Rocke mit und führe Dich in ihre Abendgesellschaft. Da ist keine Rede von Etikette, Freundchen! Siehst Du, Du bist ein Gelehrter, liebst Literatur und Musik (bei Aratow im Kabinet befand sich wirklich ein Pianino und er schlug zuweilen einige Accorde darauf an) – bei ihr im Hause findest Du dies Alles im Überfluß! . . . Und sympathische Menschen findest Du dort auch, Leute ohne Prätensionen! Schließlich darf man ja, in Deinen Jahren und mit Deinem Äußeren (Aratow senkte den Blick und machte eine abwehrende Handbewegung) – ja, ja, mit Deinem Äußeren, die Welt, die Gesellschaft, doch nicht ganz meiden! Es sind ja keine Generäle, zu denen ich Dich hinführen will! – übrigens kenne ich auch gar keine Generäle! . . . Sträube Dich also nicht länger, Freundchen! Sittlichkeit ist eine gute, achtungswerthe Sache . . . wozu aber sie bis zum Ascetismus treiben? Du willst doch kein Klosterbruder werden!?

Aratow aber beharrte bei seiner Weigerung, bis, ganz unerwartet, Platonida Iwanowna Kupfer zu Hilfe kam. Obschon sie das Wort Ascetismus nicht recht verstand, fand sie doch, daß es für Jaschenka nützlich sei, sich zu zerstreuen, Menschen zu sehen und sich zu zeigen. »Um so mehr,« – fügte sie hinzu, – »da ich von Feodorowitsch (Vor- und Vatersnamen Kupfer‘s) eine gute Meinung habe! Er wird Dich nicht in unanständige Gesellschaft führen.« – »Ich bring‘ ihn Ihnen ganz unversehrt wieder!« – rief Kupfer, auf den Platonida Iwanowna, trotz ihres guten Zutrauens, unruhige Blicke warf. Aratow erröthete über und über, widersprach aber nicht mehr.

Das Resultat war, – Kupfer brachte ihn am folgenden Tage zur Fürstin. Aratow blieb aber nicht lange dort. Erstens, weil er da einige zwanzig Gäste, Herren und Damen, fand, die zwar ganz sympathisch, ihm aber doch gänzlich fremd waren und das genierte ihn, obschon man ihn nicht viel zum Sprechen nöthigte, – davor hatte er sich am Meisten gefürchtet. Zweitens gefiel ihm auch die Hausfrau nicht, obwohl sie ihn herzlich und einfach empfing. Alles mißfiel ihm an ihr: das ausgemalt Gesicht, die gekräuselten Haare, die heiser-süßliche Stimme, das kreischende Lachen, das verdrehen der Augen, das auffallende Decolté und die runden, glänzenden Finger mit den vielen Ringen! Er zog sich in einen Winkel zurück und betrachtete von dort aus die Anwesenden, ohne sie übrigens deutlich zu unterscheiden; – oder er stierte seine Fußspitzen an. Als aber endlich ein fremder Artist mit hagerem Gesicht, langen Haaren und einem in‘s Auge gekniffenen Glase sich an den Flügel setzte und denselben mit Händen und Füßen bearbeitend, eine Phantasie von Liszt nach Wagner‘schen Thema‘s losließ, da hielt es Aratow nicht länger aus: – er drückte sich. Einen unklaren und lästigen Eindruck trug er mit sich heim, aber es war etwas ihm selbst Unverständliches, Bedeutendes, sogar Aufregendes dabei.

Klara Militsch

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