Читать книгу Die letzte Nacht Traupmanns - Иван Тургенев - Страница 3
III
ОглавлениеDiesen Platz durchschnitten der Quere in vier Glieder aufgestellte Soldaten, eben solche vier Glieder standen entfernter – etwa zweihundert Schritt von den ersten. Gewöhnlich sind keine Soldaten anwesend, aber diesmal hielt es die Regierung wegen der »Reputation« Traupmann’s und wegen der großen Aufregung, welche die Ermordung Noir’s hervorgebracht hatte, für nothwendig, sich nicht allein auf die Polizei zu beschränken, sondern außerordentliche Maßregeln zu Hilfe zu nehmen. Das Hauptthor des Gefängnisses von La Roquette mündet gerade auf die Mitte des leeren Raum, der von den Soldaten freigelassen war. Einige Polizeisergeanten gingen langsam vor dem Thore auf und ab; ein junger, sehr dicker Officier, in einem ungewöhnlich reichgestickten Käppi (wie es sich zeigte, der Chef des Stadtviertels, so etwas wie ein Polizeiinspector) stürzte auf unsere Gruppe mit einem Ungestüm los, das mich lebhaft an die Heimat und an gewesene Zeiten erinnerte; als er aber »die Seinigen« erkannte, so beruhigte er sich. Mit großer Vorsicht und kaum die Thür öffnend, ließ man uns in die kleine Wachtstube neben dem Thor und nach vorläufiger Inspection und Examination führte man uns durch zwei innere Höfe, einen größeren und einen kleineren, in die Wohnung des Commandanten. Dieser Commandant, ein starker, großer Mann mit grauem Schnurr- und Knebelbart, mit dem typischen Gesicht eines französischen Infanterieofficiers – der Adlernase, den unbeweglichen Augen und von sehr kleinem Schädel – nahm uns liebenswürdig und herzlich auf; aber sogar gegen seinen Willen ließ sich bei jeder seiner Bewegungen, bei jedem seiner Worte nicht verkennen, daß er war, was die Franzosen einen gaillard solide nennen: ein blind ergebener Diener, der ohne Zaudern jeden Befehl seines Herrn, möchte es sein, was es will, ausführt. Uebrigens hatte er seinen Eifer schon durch die That bewiesen: in der Nacht des Staatsstreiches vom 2. December hatte er mit seinem Bataillon die Druckerei des Moniteur besetzt. Als wahrer Gentleman stellte er uns seine ganze Wohnung zur Verfügung. Sie befand sich in dem zweiten Stock des Hauptgebäudes und bestand aus vier ordentlich möblirten Zimmern; in zweien von ihnen brannte Feuer im Kamin. Ein kleines Windspiel mit einer ausgerenkten Pfote und einem traurigen Ausdruck der Augen, wie wenn es fühlte, daß auch es ein Gefangener sei, hinkte, mit dem Schweife wedelnd, von einem Teppich zum andern. Wir – ich meine die Besucher – waren unserer Acht, einige Gesichter waren mir aus Photographien bekannt (Sardou, Albert Wolf); aber ich wünschte mit Keinem eine Unterhaltung anzufangen. Wir nahmen Alle im Saale auf den Stühlen Platz (Ducamp war mit Herrn C*** hinausgegangen). Es versteht sich von selbst, daß Traupmann der Gegenstand der Gespräche und gewissermaßen der einzige Mittelpunkt aller Gedanken war. Der Commandant theilte uns mit, daß er seit neun Uhr schlief und einen festen Schlaf schläft; daß er, wie es scheint, den Ausgang seines Gnadengesuchs vermuthet, daß er ihn, den Commandanten, gebeten hat, ihm die Wahrheit zu sagen; daß er immer noch hartnäckig dabei stehen bleibe, Mitschuldige zu haben, die er jedoch nicht nennen will – daß er wahrscheinlich in dem entscheidenden Augenblick feige sein wird – daß er übrigens mit Appetit ißt – aber Bücher nicht liest – 2c. 2c. Ihrerseits sprachen Einige von uns darüber, ob man den Worten eines Verbrecher’s Glauben schenken könne, der sich als ein so eingefleischter Lügner gezeigt habe; man wiederholte die Einzelheiten des Mordes, fragte sich, welcher Meinung die Phrenologen über dem Schädel Traupmann’s sein würden, stellte die Frage der Todesstrafe auf . . . aber Alles war so fade, so abgeschmackt, bewegte sich so in Gemeinplätzen, daß die Redenden selbst keine Lust hatten, fortzufahren. Ueber etwas Anderes zu sprechen, war ungeschickt, unmöglich aus Respect gegen den Tod, gegen den Menschen, der ihm verfallen war. Unser Alter bemächtigte sich eine ermüdende und langsame, im engsten Sinne des Wortes langsame Unruhe; Langeweile war es nicht, Niemand langweilte sich, aber diese peinigende Empfindung war hundert Mal schlimmer als Langeweile. Es schien im Voraus, als ob diese Nacht kein Ende hätte! – Was mich persönlich betrifft, so fühlte ich Eins: und zwar Das, daß ich kein Recht hatte da zu sein, wo ich war; daß keinerlei psychologischen und philosophischen Erwägungen mich entschuldigten. Herr C*** kam zurück und erzählte uns, wie der bekannte Jud ihm aus den Händen entschlüpft sei – und wie er die Hoffnung nicht aufgebe, ihn, wenn er noch am Leben sei, zu erwischen. Aber plötzlich ertönte ein schweres Geräusch von Rädern und in wenig Augenblicken kam man, um uns zu sagen, daß die Guillotine angekommen sei. Wir stürzten Alle auf die Straße – gerade als ob wir uns freuten!