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ОглавлениеMiles Brandywine war in Atlanta als Sohn eines Zahnarztes geboren worden. Er war von kleinauf dazu erzogen worden, daß man sich in dieser Welt mannhaft behaupten mußte, wenn man seinen Lebensunterhalt bestreiten wollte. Als sein Vater starb, hatte Miles gerade die High school abgeschlossen. Er und seine Mutter erfuhren zu ihrem Erstaunen, daß sie ein Vermögen geerbt hatten. Trotzdem war Miles entschlossen, die einmal eingeschlagene Laufbahn auch fortzusetzen. Nach zwei Jahren Militärdienst begann er sein Medizinstudium, und schon während des ersten Jahres entdeckte er sein Interesse für Psychologie. Seine Mutter hatte inzwischen das halbe ererbte Vermögen durchgebracht und wurde von den Ärzten in Atlanta für hoffnungslos geisteskrank gehalten. Ihr Tod bestärkte den jungen Miles in seiner Entschlossenheit, mehr über den menschlichen Geist zu erfahren. Nach Abschluß seines Medizinstudiums arbeitete er drei Jahre in New Yorks Bellevue-Hospital für Geisteskranke. Seinen Doktortitel erwarb er in der Schweiz. 1967 wurde ihm eine Partnerschaft bei der Colfax Clinic angeboten. Dr. Rutherford Smith war damals leitender Direktor. Er hatte die Absicht, das Krankenhaus in ein Nervensanatorium umzuwandeln.
Kurz nachdem Miles nach East St. Louis gekommen war, lernte er Madelaine Colfax, die Tochter des Klinik-Gründers, kennen.
Madelaine war attraktiv, jung und sichtlich interessiert an dem neuen Psychologen, der nun in der Klinik arbeiten wollte, die ihr Vater gegründet hatte. Als das Krankenhaus unbedingt einen neuen Gebäudeflügel brauchte, stellte Madelaine das Geld dafür gern zur Verfügung. Sie setzte sich auch dafür ein, aus dem Krankenhaus ein Nervensanatorium zu machen.
Etwa ein Jahr lang herrschten zwischen Madelaine und Miles freundschaftliche Beziehungen. Da man Madelaine ihr wirkliches Alter nicht ansehen konnte, störte es Miles nicht weiter, als er erfuhr, daß sie zehn Jahre älter war, als sie vorgab. Jedenfalls war es für ihn kein Grund, sie nicht zu heiraten.
Manchmal blickte Miles auf dieses eine Jahr, das er mit Madelaine verbracht hatte, zurück und schüttelte beinahe verwundert den Kopf. Erstens konnte er noch immer nicht so recht daran glauben, daß er so blind gewesen sein sollte. Zweitens fiel es ihm noch immer ein bißchen schwer, daran zu glauben, daß Madelaine sich überhaupt nichts aus ihm gemacht hatte.
Dr. Smith und Madelaine hatten zusammen im Wagen gesessen, der über die Klippe gerast war. Beide waren auf der Stelle tot gewesen. Damals hatte Miles nicht sonderlich darüber nachgedacht. Seine Frau und Dr. Smith waren oft zusammengewesen. Sie waren seit ihrer Kindheit eng befreundet gewesen, und Dr. Smiths Frau war eine Kusine von Madelaine gewesen. Die Brandywines hatten nur wenig Gelegenheit für gesellschaftlichen Verkehr gehabt, aber wenn sie doch einmal ein bißchen freie Zeit gehabt hatten, dann hatten sie sie fast immer mit den Smiths zusammen verbracht. Miles hatte den Eindruck gehabt, daß beide Paare eine ausgezeichnete Beziehung zueinander hatten. Erst eine Woche nach Madelaines Tod hatte Miles von Smiths Frau erfahren, daß Madelaine und Smith schon vor Smiths Verheiratung eine Affäre miteinander begonnen hatten, die auch später fortgesetzt worden war.
Noch heute schoß Miles das Blut ins Gesicht, wenn er sich an jenes Gespräch mit Dorothy Smith erinnerte. Sie hatte ihn beinahe verächtlich angesehen und ihn einen Schwächling genannt. Dann hatte sie bitter aufgelacht und hinzugefügt: „Mir brauchst du doch nichts vorzumachen, Miles. Ich habe immer gewußt, was mit den beiden los war. Madelaine war eine Nutte, und sie dachte gar nicht daran, sich von einer Kleinigkeit wie von einer Ehe stören zu lassen. Ich war schwanger. Deshalb heiratete ich Rutherford. Damals hatten heißblütige junge Mädchen eben noch nicht die Pille, weißt du? Und meine Eltern dachten gar nicht daran, Rutherford zu erlauben, Madelaine zu heiraten, nachdem er mich geschwängert hatte. Rutherford und ich bekamen weitere Kinder … und Madelaine hat Rutherford bei jeder nur denkbaren Gelegenheit weiter gefickt. Ich habe genau wie du einfach so getan, als wäre alles in Ordnung.“
„Aber ich habe doch gar nicht gewußt, daß etwas nicht in Ordnung war!“ hatte er protestiert.
„So dumm und naiv konntest du doch gar nicht gewesen sein!“ hatte sie geantwortet.
„Ich habe einfach nie an so etwas gedacht.“
„Herrgott, du warst doch ganz gewiß kein Kind mehr, als du Madelaine geheiratet hast, auch wenn sie zehn Jahre älter war als du! Sag mir jetzt bloß nicht, daß du nicht vor deiner Ehe schon einen Haufen Mädchen gebumst hattest! Und sag mir jetzt bloß nicht, daß du all diese Forschungen über menschliches Verhalten getrieben hast und danach immer noch glauben konntest, daß Madelaine eine Unschuld vom Lande ist!“
Damals hatte Miles dann Dorothy Smith gesagt, daß er ihre Anschuldigungen nicht glaubte. Er hatte immer noch unter dem Verlust seiner Ehefrau gelitten. Dorothy hatte auch weiterhin versucht, ihn zu überzeugen, daß Madelaine und Smith von einem Rendezvous am See zurückgekommen waren, als sich der tragische Unglücksfall ereignet hatte. Dort hatten sich die beiden mindestens einmal pro Woche heimlich getroffen.
Miles hatte Dorothy nur ungläubig anstarren können.
Da war Dorothy schließlich zu einem antiken Schreibtisch im Wohnzimmer gegangen und hatte eine Schublade herausgerissen. Sie hatte Miles einen Umschlag zugeworfen und ihn aufgefordert, sich die Bilder einmal anzusehen. Mit zitternden Fingern hatte Miles die Hochglanzfotos aus dem Umschlag geholt. Es waren ausgezeichnete Aufnahmen gewesen, und alle Bilder zeigten Madelaine und Smith beim Sex.
Madelaine kniete seitlich vor einem zerwühlten Bett, und Miles konnte beim besten Willen nicht daran zweifeln, daß es Smiths Schwanz war, den sie im Mund hatte. Smith hockte auf der Bettkante, und sein Gesicht war auf dem Foto ganz klar zu erkennen. Und sein Gesichtsausdruck ließ auch keinerlei Zweifel daran aufkommen, daß er diesen Akt ungemein genoß. Ein weiteres Foto zeigte Madelaine, wie sie auf Händen und Knien auf dem Fußboden desselben Schlafzimmers hockte, und es war ganz entschieden Dr. Smith, der sie von hinten fickte. Es gab noch weitere Bilder, und alle zeigten Madelaine und Dr. Smith in verschiedenen Stellungen beim Geschlechtsverkehr.
Dorothy Smith hatte Miles erklärt, wie sie zu diesen Fotos gekommen war. Sie hatte einige Wochen vor dem tödlichen Unfall einen Privatdetektiv damit beauftragt, ihren Mann zu beobachten und wenn möglich solche Aufnahmen zu machen. Der Privatdetektiv hatte heimlich eine Kamera mit Motoraufzug installiert, die sich mittels Fernbedienung auslösen ließ. Dorothy hatte die Absicht gehabt, sich von ihrem Mann scheiden zu lassen. Sie hatte Miles erklärt, wie sie ihren Mann dazu bringen wollte, für zwanzig Jahre Untreue, die er niemals vor ihr zu verheimlichen versucht hatte, zu bezahlen. Dann war sie in hemmungsloses Schluchzen ausgebrochen und hatte sich auf die Couch in ihrem Wohnzimmer geworfen.
„Aber ich konnte es einfach nicht tun, Miles! Ich konnte es einfach nicht! Ich liebte diesen Bastard immer noch! Und selbst als ich diese Bilder in Händen hatte, konnte ich mich nicht dazu durchringen, ihn zu ruinieren!“
In diesem Augenblick war alle Liebe, die Miles für seine Frau empfunden hatte, gestorben. Er war sogar imstande gewesen, die Situation mit einem gewissen Humor zu betrachten, als er erfahren hatte, daß Madelaine sich sogar die Mühe gemacht hatte, sehr sorgfältig ein Testament aufzusetzen. Sie hatte bestimmt, daß fast ihr gesamtes Vermögen dazu verwendet werden sollte, das Krankenhaus in ein Nervensanatorium umzuwandeln. Miles hatte sie nur einen recht bescheidenen Anteil des Besitzes hinterlassen. Mehrere tausend Dollar sollten in einer Art Fond den sechs Kindern von Dorothy Smith zugute kommen.
Dorothy war aber selbst plötzlich zu einer reichen Frau geworden, denn Dr. Smith war sehr hoch versichert gewesen. Außerdem hatten die Smiths eine beachtliche Besitzung gehabt.
Dorothy hatte keine Zeit verschwendet, sondern sich sofort nach einem neuen Ehemann umgesehen. Sie war dann nach Chikago gezogen.
Dr. Miles Brandywinde hatte die Nachfolge von Dr. Smith angetreten.
Die Aussage eines Automechanikers hatte dann Anlaß zu einigem Getuschel über den Tod von Madelaine und Smith gegeben. Der Mechaniker wollte bei einer Untersuchung des Wagens festgestellt haben, daß sich möglicherweise jemand mit der Lenkvorrichtung des Wagens befaßt hatte. Beweisen hatte er es allerdings nicht können. Manchmal überlegte Miles, ob Madelaine vielleicht den Cadillac absichtlich in den Abgrund gefahren hatte, aber an sich glaubte er es nicht. Er bezweifelte, daß eine Frau, die nicht einmal den Mut gefunden hatte, eine zur Farce gewordene Ehe zu beenden, imstande gewesen sein sollte, etwas so Drastisches zu tun, aber er wußte, daß er niemals ganz sicher sein konnte.