Читать книгу Mord in Middle Temple - J. S. Fletcher - Страница 8

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KAPITEL 5


Breton und Spargo sahen einander verdutzt an, als sie so plötzlich allein gelassen wurden. Dann lachte Breton.

„Viel haben wir ja gerade nicht in Erfahrung bringen können ... ich habe jedenfalls nicht viel Neues gehört. Ich bin so klug wie zuvor.“

„Doch, wir wissen jetzt schon mehr. Der Tote hieß John Marbury, er kam aus Australien, landete erst gestern früh in Southampton und verließ gestern Abend spät in Begleitung eines Gentlemans sein Hotel. Wir haben sogar die Beschreibung dieses Mannes.“

Breton zuckte die Schultern. „Aber die Beschreibung ist doch so unbestimmt, dass sie auf Tausende von Leuten in London passt.“

„Sicher, aber wir haben doch immerhin einige Anhaltspunkte. Wir müssen nun eben diesen Einen ausfindig machen.“

„Sie glauben, dass das möglich ist?“

„Ich werde wenigstens den Versuch machen, ihn zu finden.“

„Sie können doch nicht jeden Mann, auf den die Beschreibung passt, ansprechen und ihn fragen: ‚Sir, haben Sie gestern Abend John Marbury im Anglo-Orient-Hotel besucht?‘“

Spargo unterbrach ihn plötzlich. „Sagten Sie nicht vorhin, dass Sie einen Herrn kennen, der in dem Haus gewohnt hat und zwar im selben Aufgang, in dem Marbury gefunden wurde?“

„Nein, das war ich nicht, das verwechseln Sie. Mr. Elphick sagte das. Aber trotzdem weiß ich, wen er meinte. Es ist Mr. Cardlestone, ebenfalls ein Anwalt. Er ist mit Mr. Elphick eng befreundet. Sie sind beide begeisterte Briefmarkensammler. Ich kann Ihnen sogar verraten, dass Mr. Elphick gestern Abend seinen Freund besuchte, um einige seltene Marken zu besichtigen, die Cardlestone erhalten hatte. Aber warum fragen Sie?“

„Ich möchte eigentlich gern dem Herrn einige Fragen stellen. Wenn Sie so liebenswürdig sein würden ...“

„Aber natürlich. Ich bin ja ebenso an diesem Fall interessiert wie Sie. Auch ich möchte gern wissen, wer dieser Mr. Marbury ist und vor allem, wie er zu meiner Adresse kam. Wenn ich ein alter, bekannter Anwalt wäre, wäre es nicht sonderbar, aber Sie wissen ja ...“

„Ja, ja, das könnte viel erklären“, entgegnete Spargo als sie in ein Taxi stiegen. „Es scheint mir, dass uns der kleine Papierfetzen eher zum Ziel führen kann als Rathburys Nachforschungen.“

Breton sah ihn erstaunt an.

„O doch, Rathbury will ausfindig machen, mit wem Marbury das Anglo-Orient-Hotel gestern Nacht verließ.“

„Und was wollen Sie tun?“

„Ich will herausfinden, welche Bedeutung dieses Stückchen Papier hat und wer diesen Zettel geschrieben hat. Und ich möchte auch wissen, warum Mr. Marbury Sie aufsuchen wollte, als er ermordet wurde.“

Breton horchte auf. „Daran hatte ich überhaupt noch nicht gedacht! Glaubten Sie wirklich, dass er auf dem Weg zu mir war, als er niedergeschlagen wurde?“

„Ihr Büro liegt doch im Temple. Und er wurde dort aufgefunden. Natürlich war er auf dem Weg zu Ihnen.“

„Aber ... zu so später Stunde?“

„Das hat nichts zu bedeuten. Wie wollen Sie sonst erklären, dass man ihn in der Middle Temple Lane fand? Wahrscheinlich hat er nach dem Weg gefragt. Und deshalb möchte ich mich selbst ein wenig dort umschauen.“

Als sie an ihrem Ziel ankamen, trafen sie viele Leute an, besonders die Angestellten der umliegenden Büros, die mehr über den Mord erfahren wollten. Zur Mittagszeit war die Gegend um die Middle Temple Lane stark belebt. Jeder wollte den Schauplatz des Mordes sehen und Genaueres erfahren. Die Nachricht hatte sich schnell verbreitet und obwohl man nur die nackten Steinfliesen und den Betonfußboden sehen konnte, wo der Tote gelegen hatte, standen doch viele Neugierige herum. Die Inhaber der benachbarten Wohnungen hatten schon die Polizei gerufen, um sie zu vertreiben und als Spargo und Breton dort ankamen, fanden sie einen Polizisten im Gespräch mit einem älteren Herrn. Er war klein und trug einen altmodischen Anzug und einen Zylinder. Der Menschenauflauf schien ihn sehr zu ärgern.

„Sorgen Sie doch dafür, dass die Leute hier weggehen. Was haben sie hier zu suchen? In der Fleet Street und am Themse-Ufer ist genug Platz! Es ist doch unerhört, dass man hier so belästigt wird!“

„Das ist der alte Cardlestone“, sagte Breton leise. „Er ist immer etwas nervös und ich glaube kaum, dass wir viel aus ihm herausbekommen.“ Er ging ein paar Schritte auf den alten Herrn zu, der gerade wieder ins Haus gehen wollte. „Mr. Cardlestone, ich hätte Sie gern kurz gesprochen. Darf ich Sie mit Mr. Spargo von der Redaktion des Watchman bekannt machen? Er interessiert sich sehr für diesen Fall.“

„Ich weiß nichts darüber“, erwiderte Cardlestone gereizt. „Ich will überhaupt nichts mit Journalisten zu tun haben. Das sind Leute, die sich nur wichtigmachen. Die Anwesenden natürlich ausgeschlossen. Ich weiß gar nicht, ob hier jemand ermordet wurde, aber unter keinen Umständen kann ich dulden, dass das ganze Haus voll neugieriger Menschen steht. Wie kommt man denn überhaupt auf Mord? Wahrscheinlich war der Mann betrunken, ist die Treppe hinuntergestürzt und hat sich das Genick gebrochen.“

Er hatte inzwischen die Haustür geöffnet. Breton winkte Spargo und die beiden folgten Cardlestone in seine Wohnung.

„Mr. Elphick hat mir erzählt, dass er gestern Abend noch spät bei Ihnen war. Haben Sie denn nichts Verdächtiges gehört?“

„Was sollte man denn hier Verdächtiges hören?“, fragte Cardlestone ärgerlich. „Ich hoffe doch, dass im Temple derartig böse Dinge nicht passieren, Mr. Breton. Ihr Vormund und ich haben hier einen ruhigen und friedlichen Abend verlebt und haben über unsere gemeinsamen Interessen gesprochen. Als er fortging, war alles totenstill. Was in der Wohnung über mir oder sonst passiert sein mag, davon weiß ich nichts. Glücklicherweise sind die Mauern hier sehr dick, so dass man nicht jedes Geräusch hört. Aber ich sagte Ihnen ja schon, dass der Mann wahrscheinlich die Treppe hinuntergefallen ist und dabei zu Schaden kam. Was er hier zu tun hatte, kann ich mir nicht vorstellen.“

„Es sind natürlich nur Vermutungen, Mr. Cardlestone“, erwiderte Breton. „Aber alles, was man bei dem Toten fand, war ein Stück Papier, auf dem mein Name und meine Adresse standen. Außerdem weiß man nur noch, dass er kürzlich erst aus Australien zurückkam.“

Mr. Cardlestone sah in plötzlich interessiert an. „Was sagten Sie da? Der Mann hatte Ihre Adresse bei sich? Und er kam aus Australien?“

„Ja, das ist alles, was wir über ihn wissen.“

Mr. Cardlestone stellte seinen Regenschirm in den Ständer. „Das hört sich ja ganz geheimnisvoll an. Weiß Elphick etwas davon?“

Breton sah Spargo an, als ob er bei ihm eine Erklärung für Mr. Cardlestones verändertes Verhalten zu finden hoffte.

„Nein, Mr. Elphick weiß nur, dass Mr. Ronald Bretons Adresse auf dem Stückchen Papier stand“, mischte sich Spargo jetzt ins Gespräch.

„Mr. Elphick sprach davon, dass er ins Leichenschauhaus gehen wollte, um den Toten zu sehen.“

„Ach, kann man ihn sehen?“, fragte Cardlestone eifrig. „Dann will ich auch hingehen. Wo liegt er denn?“

Breton starrte ihn an. „Aber mein lieber Mr. Cardlestone, warum wollen Sie denn das tun?“

Cardlestone griff wieder nach seinem alten Regenschirm. „Es ist doch ganz natürlich, dass ich mich für das interessiere, was vor meiner Tür passiert! Zudem habe ich verschiedene Leute gekannt, die vor Jahren nach Australien gingen. Es wäre ja doch immerhin möglich - ich sage möglich - dass ich den Mann früher einmal gekannt habe. Können Sie mich hinbringen?“

Breton sah hilflos auf Spargo, er konnte das Benehmen von Mr. Cardlestone nicht verstehen. Aber Spargo nützte jeden Vorteil und jede günstige Gelegenheit aus und erbot sich sofort, Mr. Cardlestone hinzuführen. Gleich darauf standen sie wieder auf der Straße und gingen durch die vielen Ein- und Ausgänge des Temple Richtung Blackfriars. Als sie in die Tudor Street einbogen, trafen sie Mr. Elphick.

„Ich gehe gerade ins Leichenschauhaus“, sagte er. „Du vermutlich auch, Cardlestone? Ist noch etwas Näheres bekannt geworden?“, wandte er sich an Spargo.

„Wir haben nur feststellen können, dass er Marbury hieß und aus Australien kam.“ Spargo beobachtete Mr. Elphick bei diesen Worten scharf, aber der Anwalt zeigte nicht das geringste Erstaunen und blieb ganz ruhig und gleichgültig im Gegensatz zu Mr. Cardlestone.

„Ach so, Marbury hieß er? Und kam aus Australien? Nun, auf jeden Fall möchte ich ihn sehen.“

Spargo und Breton mussten draußen vor der Halle warten, während die beiden älteren Herren hineingingen. Nach einiger Zeit kamen sie wieder heraus.

„Wir kennen ihn nicht“, erklärte Mr. Elphick ruhig. „Mr. Cardlestone hat Ihnen ja schon gesagt, dass wir mehrere Leute kannten, die nach Australien gingen. Da dieser Mann in der Middle Temple Lane gefunden wurde, dachten wir, es sei vielleicht einer von ihnen, der nach England zurück gekommen war. Aber wir kennen den Toten nicht.“

„Nein, wir kennen ihn nicht“, erklärte auch Cardlestone.

Dann gingen die beiden Anwälte miteinander fort.

Breton sah Spargo erstaunt an. „Als ob jemand behauptet hätte, dass sie ihn kennen sollen“, sagte er dann. „Was wollen Sie jetzt unternehmen, Spargo? Ich habe leider zu tun und muss gehen.“

Spargo, der mit seinem Spazierstock die Erde zwischen den Pflastersteinen aufgewühlt hatte, fuhr plötzlich aus seinen Gedanken auf. „Ich werde zur Zeitung gehen“, antwortete er und verabschiedete sich kurz von Breton.

Als er dort angekommen war, ließ er sich beim Chefredakteur melden.

Der Privatsekretär schaute auf. „Ist die Sache denn wirklich wichtig?“, fragte er.

„Ja, außerordentlich wichtig.“

Schließlich saß Spargo dem großen Mann gegenüber. Er ging sofort auf sein Ziel los. „Sie haben doch von dem Mord in der Middle Temple Lane gehört?“

„Nur die wenigen Tatsachen, die bisher bekannt geworden sind“, entgegnete der Chefredakteur knapp.

„Ich war dort, als man den Toten fand“, fuhr Spargo fort. Dann erzählte er alles, was er inzwischen unternommen hatte. „Ich bin fest davon überzeugt, dass dies ein außergewöhnlicher Fall ist, der viel Staub aufwirbeln wird. Es steckt mehr dahinter, als man bis jetzt sehen kann. Ich möchte die Berichterstattung hierfür übernehmen, und ich bin sicher, dass ich Ihnen eine Geschichte schreiben kann, wie wir sie seit vielen Jahren nicht mehr gehabt haben. Und ich möchte Sie gleich um zwei Spalten für meinen Artikel in der morgigen Ausgabe bitten. Ich will die Sache groß aufziehen.“

Der Chefredakteur sah Spargo an. „Und Ihre andere Arbeit?“

„Oh, mit der werde ich auch fertig. Ich habe schon eine ganze Woche vorgearbeitet. Ich kann beides machen.“

Sein Vorgesetzter legte die Fingerspitzen aneinander. „Haben Sie sich denn schon einen Plan zurechtgelegt?“

„Ja“, antwortete Spargo kühn. Er sah den Chefredakteur so begeistert an, dass dieser unwillkürlich lächeln musste. „Ich möchte diese Aufgabe zu gern übernehmen. Und ich kann wohl ohne Übertreibung sagen, dass ich diese Sache besser machen werde als irgendein anderer.“

„Glauben Sie wirklich, dass Sie herausfinden, wer der Täter war?“

„Bestimmt“, sagte Spargo verbissen.

„Nun gut, dann ist es in Ordnung. Nehmen Sie die Sache in die Hand. Ich werde zwei Spalten für Sie reservieren.“

Höchst zufrieden ging Spargo in sein eigenes Büro und begann, seinen Artikel zu schreiben. Er wollte zeigen, wie man die Aufklärung dieses geheimnisvollen Mordes anpacken müsste.

Mord in Middle Temple

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