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Die Lehren des Dashi
ОглавлениеEine leichte Berührung am Arm und das wohlvertraut klingende „Fliedlich, Fliedlich“, ließen mich aus dem traumdurchsetzten Schlaf aufwachen. „Steh auf, Fliedlich“, ermahnte mich Herr Long, „der Dashi erwartet dich zum Unterricht. Kleide dich an und ich führe Dich zu ihm.“
Viel anzukleiden gab es für mich nicht, denn die wenigen Sachen, die ich besaß, trug ich zumeist am Leib. Alles andere, was meine Eltern mir für die Reise nach Batavia in die Kiste gepackt hatten, sollte sich vermutlich noch an Bord der Mirte befinden, sofern sie das unheilvolle Geschehen überstanden hatte.
Kurz darauf machte ich mich mit Herrn Long auf den Weg durch den großen Garten; in diesem noch herrschenden Halbdunkel wäre es mir vermutlich alleine auch nicht gelungen, den Dashi zu finden.
„Herr Long, bleibt Ihr während der Übungen in meiner Nähe? Ich verstehe doch nicht, wenn Herr Tiu Gang Bao zu mir spricht.“
„Ja, ich werde zuschauen; aber zu verstehen gibt es nicht viel, Du machst einfach nach, was Dir der Dashi vormacht.
Da stand er dann, in seiner weitgeschnittenen Bekleidung, die den kräftigen Bau seines Körpers gut verbarg. Ich ging auf ihn zu und wollte ihm, wie man es mir daheim beigebracht hatte, zur Begrüßung die Hand reichen. Aber er nahm sie nicht entgegen, sondern schob mich mit beiden Händen ein wenig zurück, dann baute er sich vor mir auf, legte die Hände aneinander und verbeugte sich vor mir. Wie es mir Herr Long zuvor angeraten hatte, machte ich es ihm gleich, legte meine Hände ebenso aneinander und verbeugte mich vor dem Dashi.
Dann trat der Dashi auf mich zu, stellte sich vor mich hin und begann zu laufen. Nicht zu schnell aber keineswegs langsam und mit einem Blick über die Schulter vergewisserte er sich, dass ich ihm folgte. Einer großen Runde im Kreis folgten die Zweite, die Dritte und weitere Runden, und schließlich machte er sich auf und begab sich zur Mitte des gedachten Kreises. Ergeben lief ich ihm nach und als er dies bemerkte, ging ein breites Lächeln über sein markantes Gesicht. Mit Handzeichen gab er mir zu verstehen, dass ich weitere Runden laufen sollte. Dazu entledigte ich mich zuvor allerdings meines Rockes und ebenso meiner Stiefel, was mir am Dringlichsten erschien. Denn, wie bereits geschildert, besaß ich nichts außer dem, was ich am Leibe trug. Mein Rock und meine Hose, welche doch einigermaßen weit um meinen Körper fielen, hätten sicherlich die vorgesehene Rückfahrt mit der Mirte noch überstanden. Meine Stiefel jedoch, die waren mir im Laufe der Monate zu klein geworden, und hielten meine Füße scherzhaft gefangen. Sichtlich erleichtert lief ich nun mit bloßen Füßen die Runden, wie es mir aufgetragen war.
Sich langsam um die eigene Achse drehend beobachtete der Dashi mein Tun. Eine um die andere Runde drehte ich und spürte, wie mein Atem langsam zur Neige ging. Der Dashi winkte mich zu sich heran, atmete tief und ruhig ein und aus und bedeutete mir, es ihm gleich zu tun. Sodann führte er die verschiedensten Bewegungen vor, die ich ihm wiederum nachtat. Sobald ich jedoch meinte, die Grenzen des für mich Machbaren erreicht zu haben und den Wunsch verspürte, mich auszuruhen, deutete er mir mit strenger Miene an, weiterzumachen. Seine von innen nach außen geschwungenen Handflächen deuteten dann an, wann ich die jeweilige Übung beenden durfte.
Die Sonne erwärmte schon kräftig den Morgen. Meine Knie zitterten, sowie meinen ganzer, von Schweiß bedeckter Körper, langsam vor Erschöpfung anfing zu Beben. Insgeheim fragte ich mich in diesem Moment, ob es denn wahrhaftig eine kluge Entscheidung war, an derartigen Übungen teilhaben zu wollen. Da setzte sich der Dashi auf den Boden und deutete mir an, ihm auch dies gleichzutun. Nur zu gerne ließ ich mich nieder, um wieder zu Atem zu kommen. Dem Vorgemachten folgend, saß ich da wie ein Schneider, die Beine verschlungen und an den Boden gepresst.
Kaum dass ich so saß, stand mein Lehrmeister wieder auf, und auch dem wollte ich folgeleisten. Doch er trat zu mir hin, drückte mich wieder nieder, legte meine Hände sorgsam zusammen und deutete mir an, die Augen zu schließen. Nun spürte ich seine Hände an Brust und Rücken und wie er so meinen Oberkörper in eine gerade Haltung brachte. Dann geschah weiter nichts. Ließ ich das Zwitschern der Vögel außer Acht, umgab mich eine friedvolle Stille.
Nach einer endlos scheinenden Zeit blinzelte ich, um zu schauen, ob der Dashi überhaupt noch da sei. Ebenfalls im Sitz des Schneiders saß er mir gegenüber und es war wohl so, dass er mich sehr genau beobachtet hatte. Der Dashi erhob sich und legte wieder die Hände aneinander. Auch dieses Handeln führte ich aus und verbeugte mich ebenfalls, wie wir es zu Beginn der Übungen machten.
Er legte seinen Arm auf meine Schulter und führte mich zu dem Brunnen aus dem er einen Kübel mit Wasser zog. Dankbar schöpfte ich mit meinen Händen etwas von dem erfrischenden Nass und trank davon. Anschließend nutzte ich das vorhandene Wasser, um meinen schwitzenden Körper zu erfrischen. Tiu Gang Bao zog ein weiteres Mal den Kübel empor und verfuhr mit dem Inhalt, wie ich es bereits am Vortage erlebt hatte. Danach machte er sich wortlos auf den Weg zum Haus, während Herr Long zu mir trat.
„Du hast Dir Mühe gegeben, Friedrich, ich denke, dies hat dem Dashi gefallen.“
„Ja, Herr Long; es war schon sehr anstrengend, dabei sieht alles so leicht aus, wenn es Herr Tiu Gang Bao vormacht.“
„Der Dashi“, verbesserte mich Herr Long.
„Natürlich, der Dashi“, bestätigte ich die erhaltene Belehrung. „Aber, ich denke, auch wenn ich dies nicht täglich mache, Herr Long, werden mir diese Übungen in kurzer Zeit leicht von der Hand gehen.“
Nun lachte Herr Long. „Diese Übungen mit Sicherheit, Friedrich. Doch es werden dermaßen viele davon auf Dich zukommen, die Dir jedesmal das ganze Können abverlangen werden. Ist ein Schritt gemacht, so folgt der Nächste, der weitaus Schwerere. Wir nennen dies Gong Fu.“
Wie zur Bestätigung knurrte laut vernehmlich mein Magen.
Wieder sah ich, wie sich die Mundwinkel Herr Longs zu einem Grinsen verzogen. „Ja, das Frühstück hast Du dir wirklich verdient.“
Gemeinsam gingen wir zum Haus zurück. Barfüßig ging ich neben Herrn Long her und stellte meine Stiefel, wie ich es bei der Ankunft gesagt bekam, vor dem Eingang ab und schob meine Füße in ein Paar dieser einfachen bereitstehenden Schlappen. Sie bestanden aus nicht mehr, als einer geflochtenen Sohle und einem Streifen Stoff, der den Füßen Halt gab. Sie unterschieden sich nur in der Größe, ansonsten war nicht auszumachen, ob sie für den rechten oder den linken Fuß gedacht waren, so ähnelten sie einander.
An dem gewohnt reichlich gedeckten Tisch ließen wir uns nieder.
Dank der erworbenen Fähigkeit, mit den Essstäbchen umgehen zu können, konnte ich meinen enormen Hunger stillen, ohne weiter mit den Händen nachhelfen zu müssen. Herr Long pickte mal hier und dort in eine Schüssel, derweil ich ordentlich in meinen Mund stopfte, was nur hinein ging.
„Wie haben dir die Übungen gefallen, Friedrich“, richtete Herr Long das Wort an mich.“
„Ich bin mir nicht sicher, Herr Long“, entgegnete ich noch mit vollem Munde. „Nach der langen Zeit auf den Schiffen und auch nach der anstrengenden Kutschfahrt, war es bestimmt gut, etwas Bewegung zu haben, doch warum gleich so viel auf einmal. Vielleicht wäre es mir doch lieber, wenn mich der Dashi etwas lehren würde, so wie Herr van Houten es mit der Kartographie machte. Wann lehrt mich der Dashi denn etwas Richtiges?“
„Er hat bereits damit begonnen, Friedrich, und es wird jeden Tag ein wenig mehr werden. Ich merke aber, es liegt noch viel Arbeit vor uns, bis Du verstanden hast, was gemeint ist.“
Die Kinder der Arbeiter halfen teilweise ihren Eltern oder waren mit anderen Dingen beschäftigt. Was sollte ich also den ganzen langen Tag über treiben, als mich auf die Lehren des Dashi oder denen von Herrn Long einzulassen.
„Ruhe Dich einwenig aus, Friedrich; in etwa einer Stunde werde ich vorbeischauen, damit wir mit unserem Sprachunterricht fortfahren können.“
Mit offenen Augen lag ich auf dem Bett, stierte an die Decke und befand mich mit meinen Gedanken im fernen Batavia. Wie freudig zeigten sich dort doch alle der mir vertrauten Personen über die erfolgreichen Geschäftsabschlüsse; und dann brach das große Ungemach über uns herein. Würde es der Mirte gelungen sein, den unglückseligen Ort zu verlassen und wenn, wo würde sie sich jetzt wohl befinden, fragte ich mich. Derart mit meinen Gedankenspielen befasst bemerkte ich nicht, wie Herr Long das Zimmer betrat und schrak auf, als er mich ansprach:
„Hier, Junge, für Dich“, hielt er mir ein Bündel entgegen. „Der Dashi war sehr angetan davon, wie Du dich bemüht hast und meinte, dass dies wohl die bessere Kleidung ist, wenn weitere Übungen anstehen.“
Ich nahm das Dargereichte entgegen und entdeckte neben einer dieser weitgeschnittenen Hosen, wie sie beinahe alle hier trugen, ebenfalls eine dieser Jacken, deren Teile sich weit überlappten und in Höhe der Achseln zugebunden wurden, anstatt sie mit Knöpfen zu verschließen. Am meisten freute ich mich jedoch über die leichten Schuhe, wie sie ebenfalls überall gegenwärtig waren. Von einer Sohle, ähnlich der bei den Schlappen, die man im Hause trug, spannte sich ein fester Stoff um den gesamten Fuß. Diese Fußbekleidung war mit Sicherheit nicht so derb und widerstandsfähig wie meine Stiefel, aber sie boten meinen Füßen Platz und drückten bestimmt weder hier noch dort.
„Danke, Herr Long“, brachte ich artig hervor und begann sogleich damit, die neue Bekleidung anzulegen.
„Ich habe mir überlegt“, begann Herr Long, „dass wir einen Spaziergang machen und das Anwesen verlassen. Dabei können wir uns ebensogut unterhalten und zudem hat es den Vorteil, Dir die Umgebung nahe zu bringen.“
Wir verließen das Haus und gelangten an die Pforte, wo die beiden Wachmänner wie in Stein gemeißelt darauf achteten, dass kein Unbefugter hineingelangen konnte. Schaute ich nach rechts, dann erblickte ich verschwommen die Dächer von Häusern und hörte schwach, dass in diesem nahegelegenen Ort dem Tagwerk nachgegangen wurde. Blickte ich hingegen nach links, dann sah ich nicht mehr, als dass sich der staubige Weg bald im Grün der Wälder verlor.
Diesen Weg überquerten wir und der ausgedehnte Spaziergang, an der Seite Herrn Longs, erwies sich als überaus schön. Er führte mich an kristallklaren Bächen vorbei, an Wiesen, und mir unbekannten Bäumen und Sträuchern. Zu allem wusste Herr Long etwas zu erzählen und seit sehr langer Zeit hatte ich nicht mehr so gelacht, wie in diesen Momenten, wenn er mir auf seine Art und in meiner Sprache, die ulkigsten Erklärungen zu den für mich neuen Entdeckungen abgab. Auch Herr Long konnte richtig herzhaft lachen, deshalb blieb es diesmal bei nur wenigen Worten in seiner Sprache, die ich in diesen Stunden lernte.
Die Sonne senkte sich bereits, als wir die große Pforte des Anwesens wieder erreichten. Unbeweglich, wie beim Verlassen des Geländes, standen die beiden Wachleute dort, um jedem Fremden den Einlass zu verwehren. Wir passierten die Stelle und ich meinte zu bemerken, wie mir die Augen der beiden Wachleute folgten.
Im Haus angelangt, steuerte Herr Long zielsicher mit mir den Raum an, in welchem wir stets die Mahlzeiten einnahmen. Tiu Gang Bao saß bereits dort und schien nur auf unsere Rückkehr gewartet zu haben. Herr Long nahm den Platz mir gegenüber ein und saß somit neben dem Dashi. Dieser nickte mir zu und rief dann etwas, worauf sich die Bediensteten beeilten, weitere Speisen und Getränke heranzuschaffen.
Wie es mich Herr Long gelehrt hatte, sagte ich ein „Ni Hao Ma“ in Richtung des Dashi, was so viel wie „Wie geht es Euch?“ bedeutete.
Der sprach daraufhin einige Worte zu Herrn Long, worauf beide lachten.
Die Speisen kamen und während wir davon nahmen, fühlte ich mich vom Dashi in einer Weise beobachtet, dass mir hin und wieder, trotz aller erreichten Fertigkeiten, die Speisen von den Stäbchen hinab fielen.
„Friedrich, aufstehen, der Dashi wartet“, hörte ich Herrn Longs vertraute Stimme am nächsten Morgen. Mir war überhaupt nicht nach aufstehen zumute, es war noch nicht einmal richtig hell und zudem schmerzte mein Körper an den Stellen, die der gestrige Tag mit seinen ungewohnten Übungen besonders gefordert hatte.
„Friedlich, steh auf und finde selbst zum Dashi, ich habe noch anderes zu erledigen“, sprach Herr Long schon etwas bestimmender, weshalb ich mich rasch erhob und mich auf den Weg machte.
Der Dashi stand am gleichen Platz wie am Vortag und genau wie am Vortag, verbeugten wir uns gegeneinander. Wieder begannen wir mit dem Laufen der großen Runden, welche ich nach kurzer Zeit alleine fortsetzte. Die sich nun daran anschließenden Übungen waren zwar andere, als noch am Vortag ausgeführt, so wurden die leicht schmerzenden Stellen zwar geschont, doch angenehmer wurde es dadurch nicht. Und immer, wenn ich bei einer Übung dem Aufgeben nahe kam, schaffte es der Dashi, mir eben von dieser Übung noch einige Wiederholungen abzuringen. Dankbar nahm ich zwischendurch den gereichten Becher mit dem erfrischenden Brunnenwasser entgegen. Zum sehr späten Frühstück erwartete uns wiederum Herr Long, der sich danach meiner annahm.
Der erneute Spaziergang fiel diesmal etwas weniger lustig aus. Das Erlernen neuer chinesischer Worte stand dafür im Vordergrund. Weiterhin wollte Herr Long mir nach der Rückkehr zum Haus seine Fähigkeiten in der Kalligraphie präsentieren.
„Herr Long, wie oft noch muss ich denn morgens, in aller Frühe, die Bewegungen mit dem Dashi machen?“, stellte ich meine Frage, während Herr Long mit Blättern, einem feinen Pinsel und Tusche bewaffnet an den Tisch trat.
„Ich habe Dir doch bereits gesagt, dass der Dashi seine Übungen täglich vornimmt. Für Dich gilt also, jeden Morgen oder gar nicht mehr, ganz wie Du es möchtest. Es liegt an Dir, wieviel aufzunehmen Du bereit bist. Genau wie Du, hat auch der Dashi als Kind damit angefangen und ist selbst zu einem Lehrer geworden, von dem Viele unterrichtet werden möchten; aber der Dashi unterrichtet nicht jedermann. Halte Dir stets vor Augen, dass es eine große Ehre für Dich ist, von ihm zu lernen. Später einmal wirst Du vielleicht erkennen, was er Dir damit gegeben hat. Wenn es Dir allerdings lieber ist, können wir uns auch den ganzen Tag über mit der Kalligraphie und unserer Sprache befassen.“
Elf Tage waren auf diese Weise bereits verstrichen, mal schmerzte mein Körper hier, mal schmerzte er dort. Trotz aller Pein freute ich mich darüber, dass mir einige der Übungen bereits etwas leichter fielen. Ich konnte die Beine weiter spreizen als zuvor, den Körper weiter biegen und auch bei den Übungen, wo die Muskelkraft mehr gefragt war als die Beweglichkeit, gleich ob in den Armen oder in den Beinen, ging es besser, als noch am Vortag. Dennoch befand ich mich im steten Zweifel, ob es nicht doch besser wäre, den Tag gänzlich mit Herrn Long zu verbringen. Ein Grund dafür lag in der Übung, für die der Dashi den Namen „Ma Bu“ gebrauchte.
Sagte er dies, dann galt es für mich den Stand einzunehmen, als würde ich auf einem Pferd sitzen, ohne allerdings unter mir den sicherlich entlastenden Rücken eines Pferdes zu verspüren. So stand ich dann, mit kerzemgeraden Rücken und vorgestreckten Armen, bis meine Beine heftig zu zittern anfingen. Doch vom Dashi kamen keine erlösenden Worte, sondern mit strengem Blick wies er mich an durchzuhalten. Bis ich nicht mehr konnte und einfach umfiel. Meine Oberschenkel schmerzten derart, als würde ein Feuer in meinen Beinen lodern.
Am fünfzehnten Tag, es war noch nicht richtig hell, wurde ich wach, ohne die Worte oder eine Berührung von Herrn Long zu spüren. Eigentlich hatte ich vor abzuwarten, bis Herr Long erschien. Die Zeit, die ich mit geöffneten Augen im Bett lag, wurde mir jedoch zu lang. Ich machte mich auf den Weg, um zu dem Platz zu gelangen, an dem ich mit dem Dashi sonst die Übungen vornahm. Er stand bereits dort und als er mich sah, lag ein warmes Lächeln auf seinem Gesicht. Ich ging zu ihm, verbeugte mich, wie ich es gelernt hatte und wollte erklären, dass Herr Long es versäumt hatte, mich zu wecken. Doch, als würde er meine Worte verstehen, schüttelte er den Kopf, als er aus meinem Mund die ersten Worte vernahm und begann mit dem Laufen. Er drehte sich nicht mehr um die eigene Achse, meinen Bewegungen folgend, als ich die folgenden Runden wieder alleine lief, sondern stand in sich versunken einfach nur da. Bis er mich schließlich mit einer knappen Handbewegung zu sich rief.
Er begann tief und regelmäßig zu atmen und dazu ganz langsam die Arme oder auch die Beine zu bewegen und deutete an, es ihm gleich zu tun. War ich zunächst sehr froh, nun womöglich an den teilweise anstrengenden und schmerzhaften Übungen vorbei zu kommen, so war ich doch erstaunt, wie mühsam das Atmen in Verbindung mit diesen langsamen Bewegungen sein konnte. Die Schweißperlen rannen über mein Gesicht. Wir hatten uns gerade wieder gegeneinander verbeugt und somit die Übungen des heutigen Tages beendet, als Herr Long zu uns stieß. Der Dashi ging bereits zum Brunnen, ums sich zu waschen, als ich Herrn Long ein wenig vorwurfsvoll ansprach:
„Herr Long, Ihr habt vergessen mich zu wecken.“
„Bin ich Dein Diener, Junge?“, fragte dieser nicht weniger vorwurfsvoll zurück. Warst Du nicht zeitig beim Dashi?“
„Doch aber…“
„Nein, nicht aber, Friedrich“, unterbrach er mich, „nicht ich möchte vom Dashi lernen, sondern Du. Weshalb also sollte ich immer so früh aufstehen, wenn Du es bist, der lernen möchte? Ich werde Dich nicht mehr aufwecken und Du wirst, wie auch heute, dennoch zeitig beim Dashi sein; er wartet nämlich nicht gerne auf seine Schüler“.
Jetzt erschien mir Herr Long wieder so ernst und unnahbar, wie beim ersten Zusammentreffen auf der Dschunke. Ich war froh, sein freundlicheres „komm, wir gehen essen“ zu hören.
Bei der sich anschließenden Lehre der Kalligraphie schien der vorhergegangene Disput vergessen und Herr Long erzählte, dass er in dieser besonderen Art des Schreibens viele Schriften für reiche Kaufleute zusammenstellte.
Auch den sich daran anschließenden Sprachunterricht führte er so fort, wie alle Vorangegangenen. -Ich nahm mir fest vor, für die Zukunft meine Worte besser zu überdenken.
Die Zeit, die Herr Long mit mir verbrachte, um mich die Sprache, die Kalligraphie und Sonstiges zu lehren, füllte etliche Stunden des Tages aus. Die Freundlichkeit, mit der mir hier im Hause des Händlers Tiu Ning Qiang alle begegneten, ließen mich die anfängliche Scheu verlieren und gerne gab ich bei den gemeinschaftlichen Essen meine Fertigkeiten der Sprache zum Besten. Wenn ich die daraufhin folgenden Gesten der Anwesenden richtig deutete, erhielt nicht nur ich dafür Zuspruch, sondern auch Herr Long erntete Lob, da ihn wohl alle für einen guten Lehrer hielten.
Viele Wochen war ich nun schon zu Gast bei der Familie Tiu und konnte durchaus einige Worte des Gesagten verstehen und mich gleichfalls, wenn auch unbeholfen, in der fremden Sprache äußern. Dies war unbestritten ein großer Verdienst Herr Longs, welcher sehr großen Wert darauf legte, dass ich zumindest versuchte, das, was ich ihm sagen wollte, auf Chinesisch zu sagen. Doch mitunter trug dies immer noch zur Belustigung meiner Zuhörer bei.
So sehr ich mich auch eingewöhnt hatte, somit die frühen Morgenstunden stets in gewohnter Weise mit dem Dashi verbrachte und die anschließenden Stunden mit Herrn Long beisammensaß, ich hatte nicht vor, für ewig zu bleiben. Meine Sehnsucht galt meinem wahren Zuhause. Selbst, wenn ich mich hier nicht mehr als Fremdling fühlte, gingen meine Gedanken immer hin zu meinen Eltern. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass ich mich mit einigen Kindern der Bediensteten mehr oder minder angefreundet hatte. Dies wurde seitens der Familie Tiu nicht unbedingt mit Freude aufgenommen, doch man ließ mich gewähren.
Für das heutige gemeinsame Abendessen hatte Herr Long die Rückkehr des Herrn Tiu Ning Qiang angekündigt.
Wohlwollend nickte mir der Hausherr an diesem Abend von seinem Platz aus zu und Herr Long sprach ebenso eifrig auf ihn ein, wie sein Sohn Tiu Gang Bao. Als ich wenige Sätze meines chinesischen Sprachsatzes holprig aufführte, erntete ich dafür wieder dieses anerkennende „Aah“ und „Ooh“. Das wohl größte Lob erhielt ich aber wahrscheinlich von dem Dashi, dem sonst kaum eine Gefühlsregung anzumerken war, als er sich mühte, in meiner Sprache zu sagen: „Gut Friedrich, sehr gut, Friedrich.“
Danach sprach jedoch überwiegend der alte Herr Tiu; allerdings dermaßen schnell und für mich unverständlich, dass ich kein Wort verstand. Dem folgte wiederum ein allgemeines „Aah“ und „Ooh“, was von einem lauten „Ganbei“ des Herrn Tiu Ning Qiang übertönt wurde. Daraufhin erhoben die Männer ihre mit einem Branntwein gefüllten Gläser. Nur der Dashi blieb ebenso beim Wasser oder beim Tee, wie ich es natürlich tat.
Nun wandte sich Herr Long mir zu. „Friedrich, Tiu Ning Qiang erzählte soeben, dass ihm berichtet wurde, die Mirte hätte den Hafen von Batavia unbeschadet verlassen können. Zudem würde dort kräftig gearbeitet, um die Stadt wieder herzurichten und der Handel ist ebenfalls wieder aufgenommen worden. Es ist also nur eine Frage der Zeit, wann euer Schiff dort wieder anlegen kann und anlegen wird.“
Diese Nachricht nahm ich mit großer Freude auf. Da sich die drei Männer jedoch wieder miteinander unterhielten, schien mir nun auch die Zeit gekommen, meine Kammer aufzusuchen, denn früh am Morgen standen wieder die Übungen an. Schwach konnte ich von meinem Bett aus noch vernehmen wie ein „Ganbei“ dem Nächsten folgte, bis ich in einen sehr angenehmen und mit Träumen angefüllten Schlaf fiel.
Zeitig erschien ich beim Dashi, doch einen wirklich erholsamen Schlaf hatte ich wegen der Träumereien nicht gefunden. Dies zeigte sich auch bei den folgenden Übungen, wobei diesmal der Dashi nicht die Strenge an den Tag legte, zu der er sonst bereit war. Es lag wohl an seinem Verständnis dafür, dass die erfahrenen Neuigkeiten mich sehr mitnahmen.
Woche um Woche verstrichen so in stets gleicher Weise. Am frühen Morgen fand ich mich zu den Übungen ein, bei denen der Dashi seine Anforderungen an mich stets ein wenig nach oben schraubte. Dann, nach einem kräftigenden Mahl, wartete bereits Herr Long auf mich, um mir mehr und mehr den scheinbar endlosen Schriftzeichen nahezubringen. Überwog zu Beginn meine Freude von Herrn Long unterrichtet zu werden, und nahm ich die steten Übungen mit dem Dashi doch eher deshalb in Kauf, um nicht unhöflich zu erscheinen, so änderte sich im Laufe der Zeit meine Einstellung dazu. Nun freute ich mich auf das Eine ebenso wie auf das Andere, ohne dass ich noch einen Unterschied ausmachen konnte, was mir lieber wäre. Herrn Long überraschte ich zudem gelegentlich mit neu erlernten Worten, die ich während der spärlichen Stunden des Umgangs mit den Kindern der Bediensteten, aufschnappen konnte.
Seit meiner Ankunft auf dem Anwesen der Familie Tiu mochte etwa ein halbes Jahr vergangen sein, als eines Abends, wir saßen beim Tee beisammen, ein Mann hereinstürmte und aufgeregt zu Herrn Long sprach. Ich verstand zu wenig, um dem Gespräch folgen zu können, jedoch meinte ich gelegentlich, meinen Namen in der mir mittlerweile vertrauten Form „Fliedlich“ herauszuhören.
Obwohl das Gespräch sich für mich derart anhörte, als würden die Männer streiten sah ich, wie sich die Miene Herrn Longs erhellte. Gleich darauf wandte er sich an mich.
„Friedrich, zumindest für Dich sind es erfreuliche Nachrichten, die ich zu hören bekomme. Ich bekam soeben die Nachricht, dass in Shanghai ein Schiff erwartet wird oder jetzt bereits im Hafen liegt, welches sich von Amsterdam zu uns aufmachte und auch nach dort wieder den Kurs aufnehmen wird.“
„Ist es die Mirte“, fragte ich überflüssigerweise, doch in freudiger Erregung nach.
„Nein Friedrich. Wie sollte die Mirte es auch in diesem kurzen Zeitraum schaffen, nach Amsterdam zurückzukehren und nun hier bereits wieder vor Anker zu gehen. Der Name des Schiffes ist mir nicht bekannt, allerdings soll es einem angesehen Mann der Amsterdamer Gesellschaft gehören, einem Herrn van Haaren. Sagt Dir der Name etwas?“
„Nein, Herr Long, der Name sagt mir überhaupt nichts.“ Wobei ich natürlich eingestehen musste, außer Herrn van Dyck und Herrn van Houten, so gut wie niemanden der Amsterdamer Gesellschaft zu kennen. „Ich komme ja aus Xanten, wie ich Euch erzählte.“
„Ja, natürlich, Friedrich, darüber habe ich im Moment nicht nachgedacht. Doch, ungeachtet dieser Nebensächlichkeiten bedeutet dies, dass wir uns morgen, in aller Frühe auf den Weg nach Shanghai machen werden. Vielleicht ist uns das Glück hold und sie nehmen Dich an Bord, so dass Du die Heimat doch rascher wiedersehen wirst als angenommen. Wir sollten uns also bald daranmachen, unsere Sachen für die Reise zu packen.“
„Da gibt es bei mir doch nicht viel zu packen, Herr Long. Ich besitze kaum mehr, als ich am Leibe trage.“
Meine Worte schienen Herrn Long nicht weiter zu interessieren, denn er gab einem der Hausangestellten seine Anweisungen, erst danach wandte er sich mir wieder zu.
„Und, Junge, freust Du dich?“
„Ja, Herr Long, sehr“, gab ich umunwunden zu. „Wenngleich, jetzt, wo ich hoffen darf, meine Eltern bald wiederzusehen, ich doch zugeben muss, dass ich Euch sehr vermissen werde, Herr Long. Und den Dashi natürlich. Überhaupt alles hier. Ich bin mir sicher, niemand daheim wird das Chinesisch besser sprechen als ich; und die Übungen Herr Long, die werde ich bestimmt fortsetzen.“
„Wart´s ab, Friedrich. Wenn Du erst wieder in Deiner Heimat angekommen bist, wird Dein Alltag sicher in ganz anderen Bahnen verlaufen. Aber es freut mich, und ganz besonders die Familie Tiu, dass Dir der Aufenthalt bei uns gefallen hat. So, nun sollten wir aber wahrhaftig darangehen die Sachen zu packen und uns später dem kurzen Schlaf widmen. Sobald der erste Hahn kräht, werden wir uns auf den Weg machen.“
Als ich die Tür zu meiner Kammer öffnete, entdeckte ich ein großes Bündel auf meinem Bett, daneben einen nicht zu großen Sack, den ich in der Lage zu tragen wäre. Neugierig machte ich mich daran, die Sachen zu untersuchen. Zwei weitere Jacken und Hosen, so wie ich sie am Leibe trug, fand ich vor, dazu zwei weitere Paare der leichten Schuhe, zwei dieser Essstäbchen, die jedoch nicht aus einfachem Holz geschnitzt waren. Gut poliert schimmerten sie in einem zarten weiß und fühlten sich ganz anders an, als die Stäbchen, die täglich zu den Mahlzeiten bereitlagen. Wenn ich mich an die Worte des Botanikers Herrn Juncker erinnerte, als wir seinerzeit die Küsten Westafrikas anliefen und ich zum erstenmal einen Elefanten sah, dann konnten diese Stäbchen aus den Stoßzähnen dieser Tiere gefertigt sein. Desweiteren lag noch ein Messer auf dem Bett, vielleicht zwei meiner Handspannen lang, welches in einer kunstvollen, metallenen Scheide steckte. Äußerst angenehm überrascht machte ich mich rasch daran, die Dinge in den Beutel zu packen, um sie kurz darauf wieder auszupacken. Zuerst wollte ich nämlich meinen Rock und meine Hose hineinpacken, die ich auf der Herreise am Leibe trug. Insbesondere lag mir der Rock am Herzen, in dessen Saum meine Mutter doch einige Goldmünzen eingenäht hatte. Sie würde sich sicherlich freuen, würde ich ihr die mühsam abgesparte Barschaft daheim wieder auf den Tisch legen. Bereits in wenigen Monaten, so schwebte mir es vor, könnte ich an so manchen Abenden Vater von meinen Erlebnissen berichten. Nachdem alles sorgfältig verstaut war legte ich mich zum Schlaf nieder.
„Friedrich, wach auf, es wird Zeit das Frühstück einzunehmen“, holte mich Herr Long aus dem wohltuenden Traum, in welchem ich mich bereits in Xanten befand. Wie von einer Tarantel gebissen fuhr ich hoch.
„Wartet der Dashi bereits im Garten auf mich?“
„Nein-nein, Junge, werde ersteinmal richtig wach. Heute warten keine Übungen auf Dich, sondern die Fahrt nach Shanghai steht an.“
„Ach ja; ich habe dermaßen fest geschlafen und geträumt, dass ich daran überhaupt nicht gedacht habe“, entgegnete ich Herrn Long. Der stand weiterhin ruhig, mit einer dicken Kerze in der Hand bewaffnet, im Zimmer und versuchte mit deren schwachem Schein die Morgendämmerung aufzuhellen.
„Wenn ich auch nicht verstanden habe was Du geträumt hast, muss es doch sehr angenehm gewesen sein; Du hast laut gesprochen“, meinte Herr Long im gutmütigen Ton, stellte die Kerze auf dem Tisch ab und verließ das Zimmer.
Natürlich beeilte ich mich an den gedeckten Tisch zu kommen, wo bereits Herr Long, der Dashi, sowie die beiden kräftigen Glatzköpfe Wa Dong und Liu Hang die Speisen zu sich nahmen.
„Es ist schade“, richtete der Dashi das Wort an mich, es ist wirklich sehr schade, dass ich Dich nicht mehr unterrichten kann, Friedrich. Du warst auf einem guten Weg und ein überaus gelehriger Schüler. Doch gleichermaßen freut es mich für Dich, dass Du, aller Voraussicht nach, bald die Heimreise antreten kannst.
„Danke, Dashi. Ich sagte schon Herrn Long, wie sehr ich die Stunden mit Euch vermissen werde.“
Keineswegs übereilt, aber dennoch nicht mit der ansonsten üblichen Gelassenheit, brachten wir das Frühstück hinter uns. Ich lief zu meiner Kammer, um mein fertiggepacktes Bündel zu holen. Nur zu gerne hätte ich mich von jedem im Haus ausgiebig verabschiedet, doch außer uns fünf Personen und einigen wenigen Bediensteten, schien noch niemand auf den Beinen zu sein. Wa Dong und Liu Hang hatten bereits ihre Plätze auf dem Kutschbock eingenommen. Ich begab mich in das Innere des Gefährts und gesellte mich zu Herrn Long und dem Dashi. Begleitet von dem Wiehern und Schnauben der beiden Rösser setzte sich die Kutsche in Bewegung. Wir passierten das breite Portal, an welchem in gewohnter Manier zwei Posten standen. Aus der Kutsche heraus winkte ich ihnen freudig zu und bemerkte ein freundliches Lächeln auf deren Gesichter, wobei sie jedoch ansonsten, wie mit dem Boden verwurzelt, regungslos dastanden.
Im morgendlichen Zwielicht fuhren wir durch das Dorf, welches, getroffen von den ersten Sonnenstrahlen, langsam zum Leben erwachte. Dann ging es weiter über staubige Wege und die anfängliche Gesprächsbereitschaft ließ mit jeder Meile die wir hinter uns brachten mehr und mehr nach, bis wir schließlich alle drei im Inneren der Kutsche in einen Dämmerschlaf verfielen.
Unterbrochen von gelegentlichen Rasten, welche die Pferde ebenso dringend benötigten wie wir selbst, erreichten wir am Abend eine Herberge für die Nacht.
Wiederum in aller Herrgottsfrühe setzten wir am Morgen des folgenden Tages unsere Fahrt fort.
„Wenn wir weiterhin unbeschadet vorankommen, Friedrich, werden wir Shanghai am Nachmittag erreichen“, sprach Herr Long mich an. „Sollte alles in Deinem Sinne verlaufen, wirst Du bereits am heutigen Abend an Deck eines niederländischen Schiffes sein. Du machst aber keinen überaus erfreuten Eindruck, junger Mann.“
„Doch, Herr Long“, widersprach ich verhalten, „ich freue mich schon sehr darauf, nur im Moment kommt etwas Wehmut auf, weil ich Euch und den Dashi sehr vermissen werde. Aber Daheim werden sie große Augen machen wenn ich ihnen erzähle, dass ich mit dem Geschäftspartner von Herrn van Dyck beisammen saß.“
Ganz so, als würden die Pferde wissen, dass ich mich nach meiner Heimat sehnte, liefen sie in einem kräftigen Schritt, dass uns die Kutsche ordentlich durchrüttelte. Doch der Gleichklang der Hufe verfehlte erneut seine einschläfernde Wirkung nicht. Mit geschlossenen Augen saß Tiu Gang Bao auf seinem Platz und sein Oberkörper pendelte im Rhythmus der Stöße, die durch das Gefährt gingen. Herr Long tat es ihm gleich, und auch meine Augen fielen immer wieder zu, bis ein kräftiger Stoß die Kutsche erschütterte.
Hellwach saßen wir nun in dem heftig schwankenden Gefährt, welches sich langsam auf eine Seite neigte, um schließlich ganz darauf liegenzubleiben. Wir purzelten durcheinander. Von draußen drangen die erregten Rufe von Wa Dong und Liu Hang an unsere Ohren, ebenso wie das erschrockene Wiehern der Rösser.
Der Dashi fasste sich als Erster und stieß mit dem Fuß die Kutschtür auf, die nun zum Himmel ragte. Geschickt und flink zog er sich hoch und sprang aus der umgestürzten Karosse. Unter die lautstarken Stimmen unserer beiden Kutscher und dem nun kläglich erschallendem Wiehern der Pferde, mischte sich nun fremdes Geschrei und Gejohle.
Herr Long und ich, wir lagen noch benommen herum, da blickte von oben der Dashi auf uns herab und fingerte dabei nach seinem Stecken, den er stets mit sich führte. Es war ein Bambusstock, dick wie der Daumen eines Mannes und in etwa so lang wie ein Bein. Indem er den Stock zu sich zog rief er uns zu: „Wegelagerer, verhaltet euch ruhig in der Kutsche.“
Ich vernahm das Aufeinanderschlagen von Klingen; doch so sehr auch die Angst von mir Besitz ergriff, trieb mich die Neugier dazu mich nach oben zu ziehen, um sehen zu können, was sich da draußen tat.
Sechs abgerissene Gestalten konnte ich ausmachen, die sich mit langen Messern, Stock und Mistgabel bewaffnet, Wa Dong, Liu Hang und dem Dashi entgegenstellten. So kam dann wohl auch der Baumstamm nicht von ungefähr, der sich in der Biegung des Weges befand und unsere Kutsche zum Umstürzen brachte. Beide Pferde lagen auf dem Boden; ihre Körper zitterten während sie krampfhaft versuchten auf die Beine zu kommen.
Ohne den Blick abwenden zu können, informierte ich Herrn Long über das Gesehene.
„Komm zurück in die Kutsche, Friedrich, zieh den Kopf ein“, kam es von diesem im Befehlston zurück. Doch ich konnte meinen Blick nicht lösen und missachtete den gut gemeinten Rat. Am ganzen Körper zitternd suchte ich nach besserem Halt und schaute dem wüsten Treiben fasziniert zu.
Wa Dong und Liu Hang wehrten sich mit ihren breiten Schwertern gegen jeweils zwei der fremden Männer, denen sie körperlich weit überlegen waren. So dauerte es auch nicht lange, bis ein wuchtiger Streif von Wa Dong einen der Fremden traf, der wie vom Blitz getroffen zu Boden stürzte. Der Zweite suchte daraufhin sein Heil in der Flucht, so dass Wa Dong seinem Freund zur Hilfe eilen konnte. Dann sah ich den Dashi, der sich ebenfalls gegen zwei der Wegelagerer erwehren musste. Einer mit einem Messer ausgerüstet, der andere versuchte derweil, Tiu Gang Bao mit der Mistgabel zu erwischen. Angespannt, aber sichtlich unaufgeregt, wich dieser geschickt wie eine Katze den Stößen aus. Gerade wollte ich ihm zurufen, dass sich der Zweite mit dem Messer von der Seite her nähert, da wandte sich der Dashi ihm bereits zu und stieß ihm derart kraftvoll seinen Stock mitten auf die Stirn, woraufhin der Angreifer, ohne noch einen Laut von sich zu geben, zu Boden sank. Der mit der Mistgabel Bewaffnete wollte diesen Moment nutzen und stieß wie mit einer Lanze zu. Doch geschmeidig wich der Dashi nicht nur aus, sondern packte dabei den hölzernen Schaft und zog ihn zu sich heran. Dermaßen abrupt, dass der Mann, der das andere Ende des Holzes nicht loslassen wollte, dem Dashi nahekam. Dieser trat nun mit seinem Fuß mitten in das Gesicht seines Gegners, worauf dieser ebenfalls zu Boden ging. Angesichts der schlimmen Erfahrungen machten sich nun auch die beiden übriggebliebenen Wegelagerer aus dem Staub und verschwanden im Unterholz, ohne sich um die am Boden liegenden Männer zu kümmern.
Wären da nicht die beiden Pferde, die immer noch fest im Geschirr der Kutsche hingen, somit nicht vom Boden hochkamen und angstvoll oder auch scherzhaft wieherten, die nach dem Kampf einkehrende Ruhe wäre erdrückend gewesen. In mir herrschte ein seltsames Gefühl vor, Angst und Erregung hielten sich im Gleichklang. Angesichts der Überlegenheit der mir bekannten Männer, hätte ich diesem unschönen Spektakel durchaus noch weiter zuschauen können.
„Habe ich Dir nicht gesagt, Du sollst im Innern der Kutsche bleiben?“, rügte mich der Dashi, um mir jedoch sogleich seine Hand zu reichen, damit ich dem Gefährt entsteigen konnte. Gleich darauf war er auch Herrn Long beim Ausstieg behilflich. Derweil machten sich Wa Dong und Liu Hang daran, die beiden Rösser aus ihrer misslichen Lage zu befreien. Doch nur einem Pferd gelang es danach, aus eigener Kraft auf seine Beine zu kommen. Das andere Tier mühte sich, aber der gebrochene Hinterlauf vereitelte dies. Liu Hang führte das allem Anschein nach unversehrte Pferd einige Schritte fort und band es an einem Ast fest, wo es, immer noch aufgeregt, mit seinen Hufen auf den Boden stampfte. Wa Dong indes ging zu dem verletzten Tier und bat uns einige Schritte beiseite zu gehen.
Zunächst streichelte Wa Dong mehrmals liebevoll den Hals des wimmernden Tieres. Dann erlöste er mit einem wuchtigen Schlag des breiten Schwertes das Geschöpf von seinen Leiden. Bei dem Anblick wurden meine Beine schwach und ich setzte mich rasch auf den Boden und wandte mich ab, um nicht sehen zu müssen, wie das austretende Blut die Erde rot verfärbte.
„Seid ihr unversehrt?“, fragte der Dashi in Richtung der beiden Kräftigen, „was ist mir Dir, Liu Hang?“ deutete er auf den muskulösen Oberarm des Mannes, wo sich auf dem Stoff seiner Jacke ebenfalls einer roter Fleck abzeichnete.
„Nur ein Kratzer, Dashi, wo mich das Messer einer der Halunken einwenig ritzte“, entgegnete Liu Hang und setzte ein Lächeln auf.
„Dann wollen wir versuchen, die Kutsche wieder aufzurichten“, gab der Dashi seine Anweisung und auch der schmächtige Herr Long trat hinzu, um behilflich zu sein. Gemeinsam schafften sie es, die Kutsche auf die Räder zu stellen.
„Wir haben Glück im Unglück“, merkte Wa Dong an, „wie es ausschaut sind die Räder heilgeblieben und bis auf wenige Blessuren hat unser gutes Stück den Sturz gut überstanden.“
Nachdem der den Weg versperrende Baumstamm beiseite geräumt und das immer noch aufgeregt schnaubende Pferd von Liu Hang eingespannt war, setzten wir die Reise fort. Nun, mit nur einem Zugtier ausgestattet, ging die Reise erheblich langsamer vonstatten.
„Auch wenn die Kutsche den Sturz schadlos überstanden hat, Shanghai werden wir heute wohl nicht mehr erreichen“, schimpfte Herr Long in Richtung Tiu Gang Bao. „Und dies alles nur wegen dieser Halunken. Wir hätten nachschauen sollen was die verdammten Kerle in den Taschen hatten, um wenigstens einen Ausgleich für unser verlorenes Pferd vorzufinden.“
„Das hätte uns auch nicht schneller vorangebracht“, erwiderte der Dashi in seiner stets gelassenen Art, und zuckte lediglich mit den Schultern.
Schweigsam saß ich derweil auf meinem Platz und meine verstohlenen Blicke wanderten vom Dashi hinüber zu dem Bambusstab, den er scheinbar achtlos in eine Ecke gestellt hatte. Dass Wa Dong oder Liu Hang sich mit ihren gewaltigen Schwertern Respekt verschaffen konnten, das leuchtete mir durchaus ein. Wie jedoch ein Mann, nur mit einem Stock bewehrt, sich furchtlos zwei Männern in den Weg stellt, die zudem mit einem großen Messer und einer, mit scharfen Zinken versehenen, Mistgabel gerüstet daherkamen, soetwas sah ich nie zuvor. Während meines Aufenthaltes bei der Familie Tiu bekam ich natürlich mit, dass dieses Bambusgewächs in vielfältiger Weise genutzt wurde; sei es zum Bau von Häusern oder auch zum Transport von Flüssigkeiten. Doch dies waren Stämme, die ich mit zwei Händen kaum umfassen konnte und nicht nur daumendick, wie der Stab, den der Dashi so kunstvoll nutzte. Es mussten magische Kräfte in diesem besonderen Holz wohnen.
Wenn irgendwie möglich, wollte ich mir ebenfalls so einen Stecken zulegen, bevor ich an Bord eines Schiffes ging, das mich nach Hause bringen würde.
Das verbliebene Pferd schleppte derart schwer an der großen Last, weshalb sich Tiu Gang Bao bereits am frühen Nachmittag dafür entschied, baldmöglichst eine Herberge anzufahren wo wir nächtigen und sich das geplagte Tier erholen konnte.
Kaum dass die ersten Strahlen der Sonne den Boden berührten, machten wir uns am Morgen des folgenden Tages erneut auf den Weg. Es ging rascher voran als noch am Vortag, doch um das Tier nicht zu überfordern, verzichtete Wa Dong darauf es weiter anzuspornen.
„Ich denke, gegen Mittag werden wir den Hafen erreichen“, kommentierte Herr Long kurz, als schon etliche Meilen hinter uns lagen.
„Herr Long, darf ich für den Rest der Fahrt vielleicht oben auf dem Kutschbock sitzen?“, fragte ich nach.
„Nach der nächsten Rast durchaus, Friedrich. Es wäre nur unschön und mühsam für unser Ross, jetzt deswegen anzuhalten, und ihm somit den vorhandenen Schwung zu nehmen. Es ist kaum anzunehmen, dass uns nochmals Halunken an der Weiterfahrt hindern wollen.“
Gerne gab ich mich mit der Antwort zufrieden und wartete somit geduldig ab, bis wir unserem Zugtier erneut die erforderliche kurze Rast gönnten. Daraufhin nahm ich mit Freude den Platz zwischen Wa Dong und Liu Hang hoch oben auf dem Kutschbock ein. Er bot mir etwas mehr Abwechslung, da ich von dort oben alles weitaus besser überblicken konnte. Nun sah ich auch die Vielzahl der Häuser, denen wir beständig näherkamen. So oft wie Herr Long diese Strecke bestimmt zurückgelegt hatte verwunderte es nicht, wie genau seine am Morgen gemachte Aussage zutraf. Die Sonne stand senkrecht über uns, als wir uns inmitten der Häuser Shanghais befanden und uns dem Hafen näherten.
Wa Dong, der die Zügel führte, steuerte unser Gefährt vor das Gebäude von Tiu Ning Qiang. Zusammen mit Liu Hang kümmerte sich Wa Dong zunächst um das Ross, und sie hielten dabei die Kutsche im Auge, in der sich unser Gepäck befand. Der Dashi, sowie Herr Long entstiegen dem Fuhrwerk und während der Erstgenannte sich zu mir gesellte, machte sich Herr Long auf, um sich in der Hafenmeisterei nach dem von uns gesuchten Schiff zu erkundigen.
„Komm, Friedrich“, sprach mich der Dashi an, „Longs Weg ist zwar der Vernünftigere und er wird rasch in Erfahrung bringen wo das Schiff des Niederländers liegt; aber vielleicht haben wir Glück und entdecken es vor ihm.“
So schritt ich an der Seite des von mir bewunderten Mannes durch das Hafengelände, aber eine niederländische Galeone sahen wir nicht. Eigentlich kein Wunder, da die Betriebsamkeit auf dem Wasser nicht weniger groß war, als die, die sich an Land zutrug. Schiffe, gleich, ob kleine Kähne oder große Dschunken, Schaluppen oder Karavellen, wurden ent- oder beladen. Karren schafften Waren und Essbares zum weiteren Transport an die Schiffe heran oder brachten die Güter in die nahestehenden Lagerhäuser. Hier gackerten zahllose Hühner in Körben vor sich hin, dort quickten aufgeregt Schweine und meckerten Ziegen, wenn sie an Bord der schwankenden Ungetüme gebracht wurden.
Ein nur scheinbar heilloses Durcheinander, denn jeder schien zu wissen, wo sich sein Platz befand.
Noch völlig außer Atem fand Herr Long zu uns. „Es ist nicht einfach, euch in diesem Gewusel ausfindig zu machen“ beschwerte er sich. „Wir sind zu spät!“, brach es danach aus ihm heraus; „das Schiff dieses Herrn van Haaren hat kurze Zeit vor unserer Ankunft abgelegt. Wir müssten es sogar noch sehen können.“
Doch so, wie wir standen, sahen wir den Wald vor lauter Bäumen nicht, darum sprang der Dashi behende auf ein nahestehendes Fass und schaute sich von dem erhöhten Platz aus um. Ich sah dessen zusammengekniffenen Mund, als er sich bückte um mir die Hand zu reichen, um mich so nach oben auf das wuchtige Gehölz zu ziehen.
Von dort aus entdeckte ich ebenfalls das Schiff, welches sich bereits auf offener See befand. Nur noch klein zwar, aber in seiner Breitseite sichtbar, durchaus als Galeone zu erkennen.
„Was nun?“, fragte ich sichtlich enttäuscht, denn in meinen Gedanken hatte ich mich bereits an Bord gesehen. Noch gestern hatte ich davon geträumt und mir vorgenommen, jedes Glasen an Bord zu zählen, bis wir den Hafen von Amsterdam erreichen würden.
„Es ist, wie es ist“, meinte der Dashi in seiner üblichen ruhigen und überlegten Art. „Wa Dong und Liu Hang sollen sich darum kümmern, ein zweites Pferd für den Rückweg zu beschaffen. Wir werden die Nacht in meines Vaters Haus verbringen und uns morgen wieder auf den Rückweg machen.“
Das war nun alles, was von meinen Träumen und der sich gebotenen Möglichkeit übriggeblieben war. Die Aussicht auf eine Nacht im Hause der Familie Tiu. Die Ratlosigkeit schien mir in das Gesicht geschrieben.
„Deine Enttäuschung kann ich nachvollziehen, Friedrich; aber mein Vater wird sicher bald wieder ein Schiff nach Batavia auf den Weg bringen. Dann werden wir uns an Bord begeben und es auf diese Weise versuchen. Bis dahin können wir unsere Übungen fortsetzen, Friedrich und Du wirst dabei noch so manches Neues erlernen“, versuchte mich der Dashi mit einem Lächeln aufzumuntern.
„Und dies alles nur wegen dieser Wegelagerer“, schimpfte Herr Long ordentlich. „ Wa Dong und Liu Hang sollten ihnen die Köpfe abschlagen, wenn sie uns auf dem Rückweg nochmals begegnen.“
„Aber auch dies würde Friedrich nicht schneller in seine Heimat bringen“, meinte der Dashi lakonisch.
„Dieser Herr van Haaren scheint nicht das beste Verhältnis zum Hause der van Dycks zu haben, wie ich in Erfahrung bringen konnte“, meldete sich Herr Long wieder zu Wort. „Er wollte wohl auch bei uns die gleichen Waren erstehen, welche wir auf Batavia der Mirte überlassen haben. Doch unsere Männer haben keine Geschäfte mit ihm gemacht; zumal dieser Mann nicht dazu bereit war, einen vernünftigen Preis dafür zu bezahlen.“
„Interessant, dies zu hören, doch auch diese Erkenntnis bringt uns keinen Schritt voran“ entgegnete der Dashi darauf und machte sich mit uns auf den Weg zum Haus seines Vaters.
Am Morgen des folgenden Tages ging es somit wieder auf den Rückweg. Erneut von zwei Tieren gezogen kam unsere Kutsche gut voran. Und ohne nochmals von wüsten Gesellen behelligt worden zu sein, erreichten wir unbeschadet das Anwesen.
Meine Kammer stand mir zur Verfügung, als wäre ich nie fort gewesen. Den gepackten Reisebeutel, mit den erhaltenen Dingen, stellte ich sorgsam in eine Ecke. Sollte wieder ein plötzlicher Aufbruch anstehen, dann sollte keine Zeit mehr verloren gehen, was ein Zuspätkommen zur Folge haben könnte. Bereits am nächsten Tag, so sagte es mir Herr Long, würden wir den bislang gepflegten Tagesablauf wieder aufnehmen.
Rasch waren die vielleicht neun, gut möglich, dass sogar schon zehn Wochen seit meiner missglückten Heimkehr hinter mir lagen, vergangen. Die ersten Nächte dieser Zeit verbrachte ich mit unruhigem Schlaf, da ich stets darauf hoffte und wartete, zu einer erneuten Abreise gerufen zu werden. Doch mit jedem Tag der verging, ließ diese innere Unruhe nach. Was blieb mir, außer mich dem Schicksal zu fügen?
Bei den frühmorgendlichen Übungen mühte ich mich sehr, es dem Dashi recht zu machen, ebenso wie Herrn Long, der mir die Schriftzeichen in schönster Manier, der Kalligrafie, nahebrachte.
Da mir einfach nicht aus dem Sinn ging, mit welcher Ruhe und Gelassenheit der Dashi vor einiger Zeit zwei zu allem entschlossenen Wegelagerern das Handwerk legte und sie eines Besseren Belehrte, gab ich bei ihm stets meins Bestes, um ihm nahezukommen.
Das große Anwesen war mir mittlerweile dermaßen geläufig, wie der Inhalt meiner Rocktaschen. Die Umgebung hatte ich ebenfalls mehrfach kennengelernt; allerdings nur in Begleitung von Herr Long. An einem Tag, als Herr Long dazu angehalten war, sich um Angelegenheiten zu kümmern, die Herrn Tiu Ning Qiangs Geschäfte betrafen, nutze ich die freie Zeit und gab mich meiner unbändigen Neugierde hin. Ich wollte mich aufmachen das nahegelegene Dorf aufzusuchen, welches ich bislang nur von den Kutschfahrten her kannte.
Für die wie versteinert dastehenden Wachleute am Portal war ich kein fremder Anblick mehr, sie kannten mich zur Genüge. Doch sie schauten verdutzt, als ich alleine an ihnen vorbeiging.
Etwa eine halbe Meile hatte ich zurückgelegt, da vernahm ich die ersten Geräusche, die auf das dörfliche Leben hinwiesen. Metall schlug melodisch auf Metall, was untrüglich ein Zeichen für die Schmiede sein musste; es wurde gehämmert und gezimmert, zudem hörte ich Kinderstimmen.
Im Grunde verlief der Tagesbeginn hier kaum anders, als in Xanten, Amsterdam oder sonstwo auf der Welt. Denn fremde Orte kannte ich bereits zur Genüge.
Zunächst sah ich die Kleinen, die im Staube des Wegesrandes saßen und spielten. Dann sah ich diejenigen, die in etwa meinem Alter entsprachen und welche auf die Kleinen Acht gaben oder selbst schon Lasten schleppten. Zielstrebig hielt ich auf die Gruppe zu und hoffte inständig, mich mit meinem erlernten Vokabular verständigen zu können.
Als die Kinder auf mich aufmerksam wurden, blickten sie erstaunt, doch keineswegs erschrocken. Ich durfte wohl annehmen, dass nach den vielen Monaten, die ich bereits bei der Familie Tiu verbrachte, jeder im Dorf wusste, dass eine knappe Meile von ihnen entfernt ein Fremder weilte.